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Buchdoktor
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Deutschland
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Romane, Krimis, Fantasy und Sachbücher zu sozialen und pädagogischen Tehmen interessieren mich.

Bewertungen

Insgesamt 612 Bewertungen
Bewertung vom 03.09.2017
Drei Tage und ein Leben
Lemaître, Pierre

Drei Tage und ein Leben


ausgezeichnet

Antoine hat sich mit Theo und seinen Freunden im Wald ein Baumhaus gebaut. Doch als einer der Jungen eine Playstation geschenkt bekommt, hocken die Jungen nur noch bei ihm und Antoine bleibt allein. Antoine steckt mit 12 Jahren wie zwischen Baum und Borke. Während sein Baumhaus noch fest in einer kindlichen Abenteuerwelt verankert ist, nimmt er bereits die körperliche Entwicklung der pubertierenden Émilie wahr. Antoine muss sich nun nicht mehr mit Theo als selbst ernanntem Anführer herumschlagen. Er beginnt ein gewaltiges Bauprojekt, in das er sogar eine Seilrolle integriert, um Odysseus hochzuziehen, den Hund der Nachbarn. Odysseus ist wie ein Gefährte für ihn, Antoine darf selbst keinen Hund halten. Als Spielkamerad bleibt ihm nur der 6-jährige Rémi, der ihm vertrauensvoll in den Wald folgt. Nachdem Monsieur Desmedt vor Antoines Augen den Hund Odysseus getötet hat, zerstört Antoine in einem gewaltigen Wutausbruch die Hütte und erschlägt im Affekt Rémi. Die Suchaktion nach dem Kleinen bleibt erfolglos; denn Antoine hat die Leiche versteckt und verschweigt, dass Rémi mit ihm im Wald war. Selbst wenn die Polizei Antoines Version der Ereignisse glauben würde, bliebe immer noch die Frage, wie ein Zwölfjähriger ohne Hilfe Erwachsener mit der Schuld weiterleben soll, dass er getötet hat.

Die Tat und Antoines erste Lüge wirken wie ein Stein, den man ins Wasser wirft, um den sich größer werdende Kreise bilden. Diese Ringe entstehen aus der Reaktion der Mutter auf Antoines auffälliges Verhalten nach der Tat, die schwierige wirtschaftliche Situation im Dorf, falsche Verdächtigungen untereinander und die Folgen des Orkans Lothar (1999). Feuerwehr und Bürgermeister können die Suche nach Rémi nicht fortsetzen, weil sie mit den Schäden durch den Orkan ausgelastet sind. Antoines Tat scheint vorerst unentdeckt zu bleiben, doch die Erinnerung an Rémis Tod wird ihn nicht mehr loslassen. Der Junge verlässt das Dorf so bald wie möglich und kehrt erst 12 Jahre später zu einer Feier zurück. Antoine ist im letzten Studienjahr seines Medizinstudiums und plant, als Arzt in ein unterentwickeltes Land zu gehen – eine möglichst große Distanz zwischen sich und seinem Heimatdorf schaffen. Rein juristisch ist Mord in Frankreich nach 10 Jahren verjährt, doch für den, der niemals reinen Tisch gemacht hat, stellt sich das anders dar. Nachdem der mittlere Teil die Vergangenheit wieder aufgewühlt hat, entwickelt de r überraschende Schluss beinahe Krimi-Qualität.

In einfacher Sprache lässt Pascal Lemaitre einen auktorialen Erzähler Antoines Ängsten und Alpträumen bis ins Erwachsenenalter folgen. Erschreckend fand ich von Beginn an die Zwangsläufigkeit der Ereignisse, die sich bereits ankündigen in der stoischen Art, in der Mutter und Sohn auf die Trennung vom Vater reagieren. Mit Antoines Heranwachsen und seiner Distanz zum Mikrokosmos Dorf schleicht sich jedoch zunächst eine bissige Note in den Erzählton, gefolgt von einer Prise Krimi. Der feinfühlige Einblick in die Gefühle eines Jugendlichen war für mich der stärkste Teil eines insgesamt großartigen Buches.

Bewertung vom 03.09.2017
In einem anderen Licht
Burseg, Katrin

In einem anderen Licht


sehr gut

Miriam ist Journalistin bei einem Hamburger Frauenmagazin und bereitet die Verleihung eines großzügigen Preises für Zivilcourage vor. Die „Anabel“ wird die Aktion mit einem Interview der Stifterin Dorothea Sartorius groß herausbringen. Eine Serie anonymer Briefe direkt an Miriam werfen die Frage auf, ob Dorothea aus der Zeit vor ihrer Ehe mit einem prominenten Reeder ein dunkles Geheimnis verbergen könnte. „Fragen Sie Dorothea nach Marguerite“, beharrt die Verfasserin der soldatisch sorgfältig verfassten Briefe. Miriam fühlt sich der Sartorius-Stiftung dankbar verbunden; die Stiftung hat Miriams trauerbegleitende Therapie nach dem Tod ihres Mannes ermöglicht. Gregor Ravens tragischer Tod im Einsatz als Fotograf liegt erst 2 Jahre zurück und weder Miriam noch ihr Sohn Max haben ihn bisher verarbeitet. Nach ihrem völligen Zusammenbruch bedeutet die Vorbereitung der Preisverleihung für Miriam die Rückkehr in den Beruf an einem neuen Arbeitsplatz.
Im Interview gibt sich Dorothea Sartorius als bescheidene, verantwortungsvolle Stifterin, die mit ihrem Vermögen Gutes tun will. Ob gerade auf dem Gebiet der Forschung, Therapie und Bildung große Stiftervermögen den Stiftern oder NGOs nicht zu viel Macht geben, hinterfragt Miriam als betroffene Klientin leider nicht. Gleich zwei attraktive Männer, die zufällig auch beide Kinder mögen, tauchen in Miriams Leben auf. Nardim, der das französische Bistro im Erdgeschoss ihres Wohnhauses betreibt, und Bodo, bei dem sie gemeinsam mit Max einen Drachenbau-Workshop verbringt. Welch ein Zufall, dass Miriam ebenso zufällig den Ort entdeckt, an dem Dorothea ihren späteren Mann kennenlernte und an dem der Schlüssel zu ihrer verschwiegenen Vergangenheit liegt. Miriam recherchiert, dass zur Zeit der RAF Marguerite der Codename einer kleinen terroristischen Gruppierung gewesen ist. Die Motive, aus denen Dorothea sich der Aktion Marguerite angeschlossen haben könnte, hinterfragt Miriam nicht. Noch ist sie unbewusst in einem persönlichen Loyalitätskonflikt gegenüber Dorothea gefangen.

Katrin Burseg verknüpft das Schicksal einer frisch verwitweten Journalistin mit deren Recherche nach der möglicherweise terroristischen Vergangenheit einer prominenten Hamburger Mäzenin. Die Verknüpfung zwischen Frauenroman und jüngerer deutscher Geschichte hat sofort meine Neugier auf das Buch geweckt. Ob ein Unterhaltungsroman außer einem Rückblick in die deutsche Geschichte auch Einblick in die Ursachen des RAF-Terrorismus bieten kann, sei mal dahingestellt. Dorotheas geheimnisvolle Vergangenheit sorgt für eine im Genre Frauenroman ungewöhnliche Spannung - und mit der trauernden Miriam und dem vaterlosen Max wird vermutlich jede/r Leser/in mitfühlen können. Abgesehen von einer auffälligen Anhäufung von Zufällen in Miriams Leben, rührt der Roman an und bietet einige Einblicke in Miriams Recherchearbeit als Journalistin.

Bewertung vom 23.08.2017
Und es schmilzt
Spit, Lize

Und es schmilzt


gut

Die Icherzählerin Eva ist auf den Hof ihres Jugendfreundes Pit zur Einweihung seines neuen Melkcomputers und zugleich zum Gedenken an seinen verstorbenen Bruder Jan eingeladen. Eva stammt aus Bovenmoor, einem kleinen flämischen Polderdorf und ist wie die Autorin Lize Spit 1988 geboren. Ihr Bruder Jolan ist drei Jahre älter, Schwester Tesje drei Jahre jünger. Auf den Weg nach Bovenmoor nimmt Eva eine Eisplatte mit, die sie für diesen Zweck in der Kühltruhe der Nachbarn gefrieren ließ. In Rückblenden erinnert sie sich an die Ereignisse im Sommer 2002, als sie 13 war und mit Laurens, dem Schlachtersohn, und Pim, dem Bauernsohn, als die „Drei Musketiere“ unterwegs war. Weil in ihrem Jahrgang zu wenige Kinder geboren wurden, unterrichtete die Lehrerin die Dreierbande als Beiklasse zusammen mit eine älteren Klasse. Eva wächst in einer dysfunktionalen, desinteressierten Familie auf; die Eltern trinken und sind vermutlich psychisch krank. Die jüngere Schwester Tesje zeigt eine Reihe von beunruhigenden Zwängen, so dass Eva für ihre Eltern und ihre Schwester stets mit dem Schlimmsten rechnet, wenn sie ins Haus der Familie zurückkehrt. Nur in Häusern, in denen keine Katastrophen lauern, fühlt sie sich sicher. Monströse Ereignisse zogen Eva schon immer an; denn wer im Dorf etwas darstellen wollte, musste etwas zu erzählen haben. Pim und Laurens nehmen bei den Drei Musketieren die Rollen obsessiver Forscher ein, sie befassen sich zunächst theoretisch mit den Körpern der Mädchen aus ihrer Schule. Eva dient bei sonderbaren Spielen ihrer Freunde als Scriptgirl und Komplizin, sie agiert wie ein Junge, der irritierender Weise eine Menstruationsblutung bekommt. Mit den Veränderungen ihres Körpers bleibt sie alleingelassen und vertraut sie nur den Lesern des Romans an.

Nach nostalgischen Exkursen in die 90er Jahre mit gelungenen Bildern und Dialogen eskalieren die pubertären Streiche von Laurens, Pim und ihrer willigen Assistentin in einem Gewaltexzess, der mich in seinem Ausmaß ratlos zurückließ. Ob im Dorf fern von Hilfsangeboten niemand den psychischen Abstieg der Familie de Wolf und das Abgleiten der Drei Musketiere wahrgenommen haben will, habe ich mich gefragt. Bei drastischen Gewalt- und Vernachlässigungsszenen wie hier kann weniger oft mehr sein.

Als Shooting Star der Flämischen Literatur legt Lize Spit einen Roman über Pubertierende in der flämischen Provinz vor, dessen Gewaltszenen mich in ihrem Umfang abstießen. Die gleichmütige Reihung von Gewalt und Vernachlässigung wirkte als schier unglaublicher Sumpf aus Beschränktheit und Gewalttätigkeit in der belgischen Provinz. Die erwachsene Protagonistin protokolliert, ohne im Rückblick zu reflektieren, wie sie sich in die gewalttätigen Machenschaften ihrer Freunde verstricken konnte. Kaum zu glauben, dass so etwas zu Beginn unseres Jahrhunderts stattfinden konnte, aber die Schilderung wirkte auf mich wie ein Wettbewerb um die krasseste Pubertät und die hinterwäldlerischste Provinz. Wer bisher meinte, in einem engstirnigen Kaff eine schreckliche Kindheit verbracht zu haben, wird sich eines Besseres besinnen … Das Rätseln um Jans Tod, um den Zweck der Eisplatte und die über allem drohende Eskalation bauten zwar von Anfang an Spannung auf, aus der Feder einer inzwischen erwachsenen Erzählerfigur ist mir diese Reihung ohne Reifung der Figur jedoch zu schlicht gestrickt. Mir fehlt ein tieferer Einblick in Sein und Bewusstsein von Spits Figuren aus Evas Sicht. Um in den Hype um einen 500-Seiten-Erstlingsroman einzustimmen, genügen mir nüchtern wiedergegebene Gewaltszenen nicht. Spits Erstling wirkt leider nur wie ein Wallpaper zum Foto-Shooting für die Marke Lize Spit.

Bewertung vom 21.08.2017
Heimkehren
Gyasi, Yaa

Heimkehren


ausgezeichnet

Die Lebenswege der Schwestern Effia und Esi und ihrer Nachkommen werden durch die Nationalität und Hautfarbe ihrer Väter bestimmt. Effia heiratet im 18. Jahrhundert den weißen Offizier James Collins, der in der Festung Dienst tut, in der ihre Halbschwester Esi vor dem Transport zur Sklavenarbeit in Amerika gefangen gehalten wird. In Form eines Familienromans, der sich über acht Generationen bis in die Gegenwart erstreckt, beschreibt Yaa Gyasi den historischen Hintergrund der Sklaverei. Ohne Schwarze, die andere Stämme überfallen, um ihre Gefangenen in die Sklaverei zu verkaufen, und ohne Großbritannien und die Niederlande, die die Stammeskriege unterstützten und davon profitierten, wäre die Sklaverei in den amerikanischen Südstaaten und in der Karibik nicht so lange möglich gewesen.

In chronologischer Reihenfolge, abwechselnd in Ghana und in Amerika spielend, wird in jeweils einem Kapitel von den zwölf Nachkommen der Schwestern erzählt. Man erfährt von den Clanstrukturen, in denen Häuptlinge möglichst viele Frauen heirateten, um viele Nachkommen zu haben und von strategisch geplanten Eheschließungen. In Amerika lässt sich das Schicksal von Esis Enkel Kojo und seinen sieben Kindern verfolgen. Das Ende des Amerikanischen Bürgerkrieges bedeutet längst nicht das Ende der Sklaverei; Kojo ist zwar ein befreiter Sklave, arbeitet im Kohlebergbau jedoch unter Arbeitsbedingungen, die der Sklaverei nicht nachstehen. Auf beiden Kontinenten lässt sich verfolgen, wie Aberglaube, mangelnde Bildung und Diskriminierung aufgrund der Hautfarbe eine Form von Sklaverei sein können. Der ghanaische und der amerikanische Familienzweig werden schließlich wieder miteinander verbunden als Effias Nachkomme Yaw in der Gegenwart in die USA auswandert und seine Tochter Marjorie sich mit ihrer Identität auseinandersetzen muss. Marjorie findet beim Besuch in Ghana Zugang zur Geschichte ihrer Vorfahren, muss sich jedoch auch damit auseinandersetzen, dass ihr britisches Englisch sie unter Afroamerikanern als „Weiße“ brandmarkt.

Auch ohne den Stammbaum am Ende des Romans lässt sich den Einzelschicksalen problemlos folgen. Zusammengehalten werden die Ereignisse durch die Festung, in der sich die Wege der Schwestern hätten kreuzen können und durch einen golddurchzogenen Schmuckstein, der in der ghanaischen Linie weiter vererbt wird. Wenige im Text eingeschobene Jahreszahlen ermöglichen eine zeitliche Orientierung. Anhand von Einzelschicksalen vermittelt Yaa Gyasi in einem mitreißenden Familienroman einen entscheidenden Abschnitt ghanaischer Geschichte, der anregt, sich weiter mit den Aschanti/Asante und den Fante zu beschäftigen. Parallel zu Colin Whiteheads [[ASIN:3446256555 Underground Railroad]] erschienen, liefert Gyasis Roman die fehlende ghanaische Hälfte, die aus beiden Romanen zum Thema Sklaverei erst ein Ganzes macht. Wer nicht beide Romane lesen will, sollte mit "Heimkehren" zum leichter zugänglichen Roman greifen.

Bewertung vom 19.08.2017
Ein Gentleman in Moskau
Towles, Amor

Ein Gentleman in Moskau


ausgezeichnet

Graf Alexander Rostov wird im Jahr 1922 zu lebenslangem Hausarrest verurteilt. Weil seine Wohnung seit Jahren eine Suite des Moskauer Hotels Metropol ist, darf er das Hotel nicht mehr verlassen und würde zum Tod verurteilt, falls er gegen die Auflage verstößt. Der Mann aus wohlhabender adliger Familie räumt also seine 3-Zimmer-Suite, zieht in der sechsten Etage in eine Dienstbotenkammer und wird zukünftig als Kellner im Hotel arbeiten. Doch Rostov wäre vermutlich nicht Rostov, wenn er nicht nach Schleichwegen aus dieser Misere suchen würde. Zunächst findet Rostov in seiner Kammer einen geheimen Zugang zum Nachbarzimmer, das er gleich für sich sicherstellt. Im nächsten Schritt freundet Rostov sich mit der kleinen Nina Kulikowa an, die praktisch auch monatelang im Hotel interniert ist, weil sie erst im folgenden Jahr in Moskau zur Schule gehen kann. Nina liebt gelbe Kleider und interessiert sich für Prinzessinnen, ein Thema, zu dem Rostov eine nie versiegende Wissensquelle zu sein scheint. Selbst wenn Rostov bisher geglaubt haben sollte, dass er sich in einem Grandhotel bestens auskennt, belehrt Nina ihn eines Besseren. Sie erzieht Rostov quasi und führt ihn in jeden Winkel bis in die Katakomben des Hotels und verschafft ihm sogar einen Generalschlüssel. Rostov wirkt wie ein Überbleibsel des untergegangenen alten Russland. Wenn ein Graf seinen Wohnort nicht verlassen kann, muss die Weltgeschichte zu ihm kommen – und so spiegeln sich die historischen Ereignisse, die draußen stattfinden, im Leben von Rostov und seinem Triumvirat mit dem Küchenchef und dem Restaurantchef. Die Folgen der Russischen Revolution lassen sich kaum übersehen; das Hotel verliert sein qualifiziertes Personal und funktioniert mehr schlecht als recht mit schnell angelernten Kräften. Der junge Sozialismus zeigt sich zunächst darin, dass im Hotel nur noch weißer und roter Wein ausgeschenkt werden darf und alle Flaschenetiketten abgelöst werden müssen. Mit dem Thema Zensur in der Literatur nimmt Amor Towles sich in schlitzohriger Art einen weiteren Knackpunkt der jungen UdSSR vor. Rostovs Abenteuer reichen bis in die 50er Jahre hinein.

Auch wenn ich anfangs glaubte, die Handlung liefe hinaus auf das Eingesperrtsein im Hotel mit Blick auf das Bolschoi-Theater und die Mauern des Kreml, hat Amor Towles mich mit der liebevoll-ironischen Darstellung seiner kauzigen Figuren bestens unterhalten. Ein Autor, der einen begnadeten Geschichtenerzähler erfindet und so warmherzig über ihn schreibt – muss einfach ein begnadeter Erzähler sein.

Bewertung vom 12.08.2017
Underground Railroad
Whitehead, Colson

Underground Railroad


sehr gut

Als Coras Mutter Mabel aus der Sklaverei der Baumwollplantage in Georgia flieht, muss ihre 11-jährige Tochter aus der gemeinsamen Hütte in die „Hob“ ziehen. Diese Hütte ist eine Notunterkunft auf der Farm, in der diejenigen gepflegt werden, die arbeitsunfähig oder wahnsinnig sind, nachdem sie gefoltert, gebrandmarkt und vergewaltigt wurden. Hinter der Maske von Versehrtheit und Einfältigkeit bietet die Hütte den versehrten Sklaven Schutz wie eine Festung. Cora kämpft mit allen Kräften um das Gemüsebeet ihrer Mutter, als eine andere Sklavin es sich unter den Nagel reißen will. Caesar will von der Farm fliehen und Cora mitnehmen, weil sie stark und mutig ist. Sie wird ihm Glück bringen, auch wenn sie sich noch nicht vorstellen kann, wie ihre Flucht klappen sollte. Bis zu diesem Zeitpunkt sind geflüchtete Sklaven stets erkannt und zurückgebracht worden, auch noch viele Jahre nach einer Flucht. Zu diesem Zeitpunkt ist Cora circa 17 Jahre alt und war noch nie außerhalb der Farm der Brüder Rendall. Caesar war äußerst vorsichtig von einem Mitglied der Underground Railroad angesprochen worden, einer Bewegung, die Sklaven zur Flucht hilft. Mr. Fletcher hat Caesar als kritischen Geist entlarvt, weil er zu schlecht verborgen hat, dass er lesen kann – und das ist für einen Sklaven sein Todesurteil. Während in der Geschichte der Sklaverei die unterirdische Eisenbahnlinie ein Codewort war, ist Fletchers Eisenbahn eine reale Bahn in einem fantastischen Szenario. Wer sollte in der Realität unter harmlosen Farmen unterirdische Bahnhöfe und Schienenstränge angelegt haben und vor allem, wer sollte die Bauten finanziert haben? Für Cora erweist sich das System als Lotterie, weil sie selbst nicht steuern kann, wo die Eisenbahn sie wieder ausspuckt. - Während sich in Georgia der Kopfgeldjäger Ridgeway auf Coras Spuren setzt, gelangt sie von ihrer Station in South Carolina mitten in eine gigantische Flüchtlingsindustrie. Geflohene Sklaven leben in riesigen Wohnheimen, werden in einem eigenen Krankenhaus für Schwarze behandelt und arbeiten in Fabriken und Privathaushalten. Die Geflüchteten kennen nur die Sklaverei als Lebensform und hinterfragen die Motive nicht, die das Handeln ihrer „Protektoren“ bestimmt, die sie betreuen. Als Cora eine Arbeit im Naturkundemuseum antritt, fällt ihr sofort auf, dass sie in den ausgestellten Szenarien eine schwarze Marionette in einer weiß dominierten Geschichtsschreibung darstellen soll. Doch wer von einer Plantage stammt, hinterfragt im eigenen Interesse besser nichts. Während Cora wieder in den Zug steigt, um an einer anderen Stelle ausgespuckt zu werden, die sie nicht selbst gewählt hat, entfaltet Colson Whitehead in mehreren Nebenhandlungs-Strängen die Schicksale des Ehepaars Wells, das schon in zweiter Generation die Sklaverei bekämpft, von Caesar, Ridgeway und Royal. - Der Klappentext preist den erfolgreichen und preisgekrönten Roman an als Buch über das Schwarzsein früher und heute. Colin Whitehead betont, er hätte keinen historischen Roman über die Sklaverei verfasst. Vermutlich zeigt sich ein außergewöhnlicher Roman darin, dass er für jeden Leser eine persönliche Botschaft bereithält. Das phantastische/ symbolische Element des unterirdischen Zugs wird vermutlich nicht alle Leser ansprechen. Zu seinen Figuren hält Whitehead sachliche Distanz, so dass ich für meinen Geschmack über Coras Anpassung an die Welt draußen viel zu wenig erfahren habe. Beeindruckend fand ich das Kapitel, in dem Coras Überlebensstrategien von der Plantage auf eine Helferindustrie mit rassistischen und faschistischen Zügen stoßen. Was nach einer Flucht kommt und was Helfer mit ihrem Handeln bezwecken, hat mich hier sehr nachdenklich gemacht. Stilistisch und aufgrund der differenzierten Charakterisierung der weiteren Figuren empfehle ich das Buch mit gutem Gewissen weiter.

Bewertung vom 03.08.2017
Das erste Opfer / Oxen Bd.1
Jensen, Jens Henrik

Das erste Opfer / Oxen Bd.1


ausgezeichnet

Jens Henrik Jensens Thriller ist Auftakt einer Trilogie, deren zweiter und dritter Band für März und Juli 2018 angekündigt sind. Im Mittelpunkt steht Niels Oxen, der höchstdekorierte Elite-Soldat Dänemarks. Auf Oxen treffen alle Merkmale eines traumatisierten Kriegsveteranen zu. Eine Therapie hat Oxen abgebrochen, weil er der Meinung war, dass seine Therapeutin nichts vom Krieg versteht . Er zieht sich mit seinem Samojedenspitz Mr Whitey in die dänischen Wälder zurück, wo er sich zukünftig als Mülltaucher durchschlagen will, der von Lebensmitteln aus Müllcontainern lebt. Doch weil Oxen sein Lager ausgerechnet auf dem Schlossgelände des einflussreichen Vorstandes eines liberal ausgerichteten Thinktanks aufschlägt, gerät Oxen in Schwierigkeiten, als der Besitzer tot aufgefunden wird.

Ex-Botschafter Corfitzen ist nicht der erste Tote einer Serie, doch inzwischen zeichnet sich eine auffällige Handschrift ab, für die jeweils der Hund des Getöteten eine Rolle spielt. Der pensionierte Diplomat hatte in seiner Karriere mehrere Posten in Ostblockstaaten und nutzt inzwischen die Abgeschiedenheit und sein persönliches Netzwerk für wohltätige und andere Zwecke. Dass der Polizeipräsident sofort persönlich angerauscht kommt, wenn ein älterer Herr unter dubiosen Umständen ums Leben kommt, wundert die Beteiligten. Stärker noch könnte man sich wundern, dass Mossman den unangepassten Kriegshelden Oxen für ein üppiges Honorar inoffiziell ermitteln lassen will. Oxens Lebenslauf umfasst ein kurzes Gastspiel bei der Polizei; es gibt im kleinen Dänemark also einige Figuren im System, die ihn seit damals kennen. Oxen soll nur mit Margrethe Franck zusammenarbeiten, einem Lara-Croft-Typ, die im Dienst schwer verletzt wurde und auch mit einigen Dämonen ihrer Vergangenheit zu kämpfen hat. Berichterstattung wünscht der Polizeipräsident allein an sich selbst. Margrethe und Oxen lassen sich beide nicht gern in die Karten sehen und trauen einander anfangs nicht über den Weg. Mit doppelter Absicherung gegeneinander sind die Morde mit Hund jedoch nicht aufzuklären. In einem raffiniert geplotteten Szenario suchen Oxen und Margrethe nach den Verknüpfungen zwischen den Getöteten und danach, wem die Taten nützen. Lange bleibt unklar, wer von dem außerdienstlichen Auftrag profitiert und ob Oxen nicht auch nur ein Bauernopfer ist.

Von einem Thriller erwarte ich ein interessantes Setting, überzeugende Figuren und weniger reine Thriller-Elemente. Routinierteren Thrillerlesern mögen die Thriller-Elemente hier zu sparsam eingesetzt sein. Oxen als ramponierter Kriegsheld mit abgebrochener Polizeiausbildung im Team mit einer ebenfalls lädierten Ermittlerin waren für mich als Figuren spannend genug, um den Thriller direkt aus dem Briefkasten sofort innerhalb von zwei Tagen zu lesen. Das Setting mit einem Old-Boys-Network einflussreicher Männer, die auf großzügigen Ländereien ungestört krumme Geschäfte abwickeln, ist im Thriller-Genre nicht neu, aber überzeugend aufgebaut. Dass besondere Fähigkeiten wie Tauchen oder Russischkenntnisse im Thriller stets sofort auftauchen, sowie sie benötigt werden, nehme ich hier nicht krumm. Im Mittelpunkt stand für mich Oxens traumatisierte und unangepasste Persönlichkeit, die vor dem Hintergrund des Jugoslawienkriegs für meinen Geschmack differenziert gezeichnet wurde.

Bewertung vom 18.07.2017
Das Glück wohnt überall
Teimer, Katharina

Das Glück wohnt überall


ausgezeichnet

Spätestens die Erkenntnis, dass in Dänemark die zufriedensten Bürger leben, hat das Interesse daran geweckt, was Menschen glücklich macht und welchen Einfluss wir selbst auf unsere Wahrnehmung haben. In den unterschiedlichen Kulturen wird Glück als ausgewogene Mischung aus Geborgenheit, Sicherheit, Gemeinschaft und Frieden betrachtet, alles positive Empfindungen, die wenig mit materiellem Wohlstand zu tun haben, aber die Basis dafür bilden könnten. Katharina Teimer und die Illustratorin Inka Vigh verdeutlichen am Beispiel zahlreicher Länder, welche Glücksvorstellungen dort herrschen. Ihre Reise geht nach Russland, China, Dänemark, Deutschland, Japan, Indien/Tibet, Brasilien, Irland, Island, Algerien, Großbritannien, Lateinamerika, Thailand und in die USA. In großzügigem Layout sind zu jeder Kultur Bild, Text, Sprichwort oder Rezept angeordnet. Wir erfahren, dass die Glückswahrnehmung in Russland durch die slawische Kultur geprägt wird, die von Göttern, Geistern, guten und bösen Mächten regiert wurde und sogar die Zeit des Kommunismus unbeschadet überdauert hat. Selbst das Lächeln in Japan, um möglicher Kritik vorzubeugen oder um böse Geister zu besänftigen, lässt sich aus dem Blickwinkel der Glücksforschung erklären. In mehreren Kapiteln geht es um nationale Glückssymbole und welche Hoffnungen sie repräsentieren. Am Beispiel des Feng Shui wird deutlich, wie unser Bewusstsein zu beeinflussen ist und wie wir eine harmonische Umgebung schaffen können. Musik und Sport haben als Identitätsstifter entscheidenden Einfluss auf das Glücksempfinden, aber auch Gartenarbeit und das Zusammensein mit Freunden und Familie. Mehrfach werden Gemeinschaftserlebnisse als Auslöser von Glücksgefühlen genannt, nicht materieller Besitz. Island und Irland treten als beispielhaft für Nationen an, deren Bewohner als Lebenskünstler ein hartes Leben meisterten und es noch immer tun. Die irische Weisheit, es sich beim Bau nicht mit den Elfen zu verscherzen, ist dabei nichts anderes als das Nachdenken über die ökologischen Folgen unseres Handelns.

Überschaubare Texte liefern einen Mehrwert an Informationen, die mir zum großen Teil noch unbekannt waren. Die optische Wirkung des Buches bedient erfolgreich das Harmoniebedürfnis seiner Leser; das Verhältnis von Bild und Text, die Wahl von Satzspiegel und Farben entschleunigen.

Bewertung vom 15.07.2017
Roofer
Wilke, Jutta

Roofer


gut

Alice und Nasti sind ein Herz und eine Seele. Alice hat es nach dem Tod ihres Vaters nicht leicht gehabt und muss sich zuhause mit einem anspruchsvollen Stiefvater auseinandersetzten. Ihre Freundin Nasti ist erst vor kurzem nach Frankfurt gezogen und spielt die Rolle eines unkonventionellen Paradiesvogels. Als Nasti den Jungen Trasher kennenlernt, gerät sie in die Szene jugendlicher Roofer, die auf Großbaustellen herum klettern und die Action-Cam-Aufnahmen ihrer Mutproben im Internet hochladen. Roofer klettern immer vermummt, damit sie auf den Videsos nicht identifiziert werden können und Roofer haben als Gruppe einen strengen Ehrenkodex. Seit zwischen Trasher und Adrian ein erbitterter Konkurrenzkampf herrscht, sind sie nicht mehr nur in den halbfertigen Gebäuden unterwegs, sondern auch auf Eisenträgern, die aus den Gebäuden herausragen. Als Trasher gemeinsam mit Nasti für die ultimative Szene posen will, versucht Alice das unbedingt zu verhindern. Da Alice von Beginn der Beziehung zwischen ihm und Nasti deutlich eifersüchtig auf den Kletterer war, ist ihre Überzeugungskraft Nasti gegenüber eher schwach. Doch vorher kommt es zum Zusammentreffen von Alice mit Nikolaus, der früher mit der Truppe geklettert ist, aber nicht so ehrgeizig unterwegs ist wie Trasher und Adrian. Nikolaus verspricht Alice den Himmel – und das scheint genau die Tonlage zu sein, die sie in ihrem Leben bisher vermisst hat.

Nach einem Prolog und einer Video-Sequenz zu Beginn wird in sehr kurzen Kapiteln die Geschichte abwechselnd in der Ichform von Alice erzählt und (abgesetzt in anderer Schrifttype) von einem neutralen Beobachter, der Nikolaus‘ Wegen folgt. Der Wechsel der Erzählerstimme und das anfängliche Rätseln, wie Nikolaus mit der Truppe von Trasher verbunden ist, sorgen von Beginn an für Spannung. Die Ichperspektive blendet leider einige Dinge aus, die mich an den jugendlichen Figuren interessiert hätten. Jugendromane sollen u. a. Einblick in fremde Lebenswelten geben, ohne dass man dazu selbst in den Einbaum oder den Gleitschirm steigen muss. Für jugendliche Leser hätte ich mir mehr Einblick in das „Wie“ gewünscht – wie ist es, Alice zu sein oder Trasher. Außer Alice und Nikolaus wirkten die Figuren auf mich eher skizzenhaft schwarz-weiß gezeichnet. Bei Nasti und Bee fand ich das reichlich unbefriedigend. Alice als Berichterstatterin steht dem Roofing kritisch gegenüber. Eine Einfühlung in die Motivation der Roofer-Clique kann man also weder von ihr noch von Nasti erwarten, die sich für die Rolle des bewundernden Groupies entschieden hat. Soziale Probleme wie Obdachlosigkeit, das Leben mit alleinerziehenden Elternteilen oder in Patchworkfamilien wirken nur angerissen, so wie Alices Narben, die das Ritzen an ihren Armen hinterlassen hat, nur kurz sichtbar werden. Die von Alice erzählten Kapitel haben mich sprachlich nicht völlig überzeugt, weil an einigen Stellen die Schriftsprache der erwachsenen Autorin den knappen Stil jugendlicher Smartphone-Nutzer verdrängt. Insgesamt ein fesselnder Plot, der mir als erwachsener Leserin streckenweise zu oberflächlich blieb und dessen Erzählperspektive mich nicht überzeugen konnte.

Bewertung vom 14.07.2017
Was man von hier aus sehen kann
Leky, Mariana

Was man von hier aus sehen kann


ausgezeichnet

Immer wenn Luises Oma Selma von einem Okapi geträumt hatte, war am folgenden Tag jemand gestorben. Nachdem das drei Mal passiert war, leitete man in Luises Heimatdorf im Westerwald daraus ein Gesetz ab. Als Selma erneut ein Okapi im Traum erscheint, hofft jeder, dass ihn in den nächsten 24 Stunden der Tod nicht treffen wird. Im Dorf entfaltet sich emsige Aktivität, noch letzte, wichtige Sätze zu sprechen, ehe es dafür zu spät sein könnte. Es handelt sich um teils brisante Geständnisse, die mancher am nächsten Morgen lieber zurücknehmen möchte. Die Icherzählerin

Luise ist zu Beginn des Romans 10 Jahre alt und hat ein inniges Verhältnis zu Selma und zum Optiker, Selmas langjährigem, heimlichen Verehrer. Oma und Optiker bringen Luise und ihrem Freund Martin die wichtigen Dinge fürs Leben bei: Schwimmen, Schuhe binden, Radfahren, Lesen und die Uhrzeit ablesen. Luises Eltern sind stark mit sich selbst beschäftigt, der Vater macht gerade eine Psychoanalyse, die er zu seinem Lieblingsthema erkoren hat, Luises Mutter Astrid betreibt ein Blumengeschäft. Doch streng nach der Lebenserfahrung, dass nicht das am Gefährlichsten ist, das einem die größte Angst bereitet, stirbt nach diesem Traum eine Person, auf die keiner der Dorfbewohner gekommen wäre. Die Dinge sind anders, als sie scheinen, und wiederum anders, als die Leute behaupten. Rund 10 Jahre später richtet Luise sich nach heftiger Trauerphase mit dem ein, was sich zufällig ergibt, sie beginnt eine Ausbildung in der Buchhandlung des Ortes. Ein Zufall lässt Frederik Luises Weg kreuzen, einen jungen Deutschen, der in Japan in einem buddhistischen Kloster lebt. Anders als Luise lässt Frederik sich nicht vom Leben behandeln, sondern handelt so, wie es ihm richtig erscheint. Für das Dorf wirkt die Begegnung mit Frederik wie ein Katalysator, der längst fällige Veränderungen in Gang setzt. Nur Luise muss noch lernen, sich selbst auf den Weg zu machen und nicht länger darauf zu warten, ob die Welt an ihre Tür klopfen wird.

In Luises Dorf sind Gegenstände belebt, Kobolde hocken als Aufsitzer den Menschen im Nacken und ein ganzer Chor entmutigender innerer Stimmen hält den Optiker in der Spur. Als Kind konnte Luise noch nicht erkennen, wie glücklich sie Selma und den Optiker nur durch ihr Dasein gemacht hat. Ihr und Martin haben die beiden Senioren eine Kindheit wie aus dem Bilderbuch bereitet, die für die Leser des Romans die Abwesenheit der Eltern umso deutlicher macht. Selma und der Optiker haben besonders das Sprachgefühl der Kinder gefördert. Sprache kann die gewohnte Richtung von Gedanken ändern und so Veränderungen anstoßen. Beim Nachsinnen über Luises exzentrische Sicht auf die Welt muss man seine Einschätzung der Personen mehrfach neu justieren und kann sich beim Denken in eingefahrenen Bahnen ertappen. Neben den anrührenden Schicksalen hebt die originelle, bildhafte Sprache Mariana Lekys Roman aus der Masse an Kindheits- und Coming-of-Age-Geschichten heraus. Falls Sie in diesem Jahr nur ein Buch lesen wollen – lesen Sie dieses.

Zitat
„Ich dachte, dass man Abenteuertauglichkeit womöglich nicht beurteilen kann, wenn man sich zu lange kennt, dass sie verlässlich nur von jemandem eingeschätzt werden kann, der zufällig durchs Unterholz gebrochen kommt. Ich dachte, während ich der Tür beim Geschlossenwerden zusah daran, dass Frederik gesagt hatte, er habe sich für diesen Weg entschieden, und ich dachte, dass ich mich noch nie für etwas entschieden hatte, dass mir alles immer eher widerfuhr, ich dachte, dass ich zu nichts wirklich Ja gesagt hatte, sondern immer nur nicht Nein. Ich dachte, dass man sich von aufgeplusterten Abschieden nicht ins Bockshorn jagen lassen darf, dass man ihnen sehr wohl von der Schippe springen kann, denn solange keiner stirbt, ist jeder Abschied verhandelbar.“ (S. 138)