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Benutzername: 
violetta1961
Wohnort: 
Frankfurt am Main

Bewertungen

Insgesamt 50 Bewertungen
Bewertung vom 26.04.2022
Das Leben eines Anderen
Hirano, Keiichir_

Das Leben eines Anderen


gut

Identitätstausch in Japan
Das Cover des Buchs gefällt mir gut. Es deutet schon das Thema zweier möglicher Leben an. Der Roman, der durchaus auch unterhaltsame Elemente einer Detektivgeschichte hat, handelt vom Anwalt Akira Kido, der von Rie Taniguchi mit Nachforschungen zu ihrem verstorbenen Ehemann beauftragt wird.
Dieser war nicht der, für den er sich ausgab, führte jedoch einige Jahre unter falscher Identität eine glückliche Ehe/Familie mit ihr. Kido stößt bei seinen Ermittlungen auf das brisante Thema des Identitätstauschs. Das Thema ist einzigartig. Ich habe bisher kein anderes Buch dazu gelesen. Leider muss ich bemängeln, dass der Stil oft etwas hölzern ist und der Autor die vielen rechtlichen Erläuterungen übertreibt. Zudem habe ich die Personen, die ihre Identitäten getauscht haben, manchmal durcheinander gebracht. Bis auf Kido konnte ich auch keine Verbindung zu den Personen aufbauen. Rie, z.B., die eine beachtliche Rolle spielt, tritt für mich kaum aus ihren alltäglichen Pflichten und ihrer Gefühlskontrolle heraus. Interessant fand ich die Zainichi-Thematik (wenn auch zu ausgedehnt). Dass Japaner mit koreanischen Wurzeln immer noch so diskriminiert werden, ist schockierend. Insgesamt ist es ein Roman mit einem interessanten Thema, der aber im Bereich Stil und Personencharakterisierung noch Verbesserungspotenzial hat.

Bewertung vom 28.03.2022
Diese eine Liebe wird nie zu Ende gehn
Matthiessen, Susanne

Diese eine Liebe wird nie zu Ende gehn


ausgezeichnet

Wie schon in ihrem ersten Buch beschäftigt sich Susanne Matthiessen mit ihrer Heimatinsel Sylt. Dieses Mal geht es in Rückblicken um ihre Jugend auf Sylt, das heißt, etwa um 1980 herum. Welches Lebensgefühl gab es damals auf der Insel unter Jugendlichen? Wer wollte die Insel verlassen, um ein anderes Leben zu führen, wer hat es tatsächlich gewagt? Diese Fragen werden in Rückblicken und in der Gegenwart mit Freunden und Familie erörtert. Dabei schreibt die Autorin wie schon zuvor pointiert, herzlich und witzig. Aber es gelingt ihr ebenso, gesellschaftliche Themen überzeugend zu beschreiben: aktuell die Folgen des Lockdowns, sowie die ständige Bauaktivität auf Sylt, die ins Uferlose steigenden Immobilienpreise aber auch die Gefährdung der Insel durch Naturgewalten. Als Syltkennerin der 1970/80er Jahre kann ich sagen, dass die damalige Stimmung absolut getroffen ist. Zu Recht aber warnt die Autorin vor der Zukunft, nicht nur aus Sicht der Natur, sondern auch aus Sicht der Gesellschaft.

Bewertung vom 04.03.2022
Vegetarianer (eBook, ePUB)
Kucher, Felix

Vegetarianer (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Zunächst einmal: Titelbild, Schrifttyp, Lesebändchen, farbiges Vorsatzpapier: dies ist alles edel und qualitativ hochwertig vom Verlag Picus hergestellt. Hochwertig gilt auch für den Inhalt des Buches: Felix Kucher hat sehr sorgfältig recherchiert. So gelingt ihm eine wunderbare Charakterisierung von K.W Diefenbach: Sein Leben mit all seinen Erfolgen und Krisen, finanziell gesundheitlich, seine nie endenden Visionen und auch der vielleicht nicht immer leichte Umgang mit ihm, werden nicht nur nachvollziehbar, sondern auch sehr unterhaltend erzählt.
Wen zog es in seine Kommunen? Wie lange konnten sie bestehen?
Parallel und untrennbar davon wird auch Diefenbachs Malerei behandelt. Ich finde es interessant, dass er, obwohl er sich in seinen Thesen nicht nur vom Fleischkonsum lossagt, sondern auch von der christlichen Religion, doch eher einem Propheten glich und auch entsprechende heilsbringe Bilder gemalt hat. Insgesamt ein intensives tiefgehendes Buch.

Bewertung vom 16.02.2022
Die dritte Hälfte eines Lebens
Herzig, Anna

Die dritte Hälfte eines Lebens


gut

Anna Herzig erzählt, wie in einem fiktiven Dorf in Österreich mit Diversität umgegangen wird. Jeder, der in seinem Leben länger in einem Dorf gelebt hat oder dort sogar aufgewachsen ist, wird erkennen, dass ein Dasein außerhalb der gesellschaftlichen Norm i.d.R. von den meisten Bewohnern nicht akzeptiert wird und Anlass zu viel Gerede und Mythenbildung gibt.
Trotz dieser traurigen Realität, auf die die Autorin deutlich hinweist, vermisse ich in diesem Dorf eine gewisse Ausgewogenheit. So erscheint es mir als eine zu gewollte Ansammlung von Menschen, die mit ihrem Anderssein ständig im Mittelpunkt der Erzählung stehen. Ist das einzig Schöne am Landleben ein Holztisch mit einem Apfel darauf? Ich hätte gerne eine nähere Beschreibung der Personen gehabt. So habe ich sie - bis auf Seppi, Rosa und Liesl - in der zweiten Hälfte des kurzen Romans öfters durcheinander gebracht. Einige kritische Denkansätze zur Gesellschaft, die mir gut gefallen, brechen unvermittelt ab und werden leider auch nicht mehr verfolgt. Das ist schade, weil ich mir außer der recht traurigen Geschichte noch etwas Reflexion über das Thema erhofft hatte. Meine persönliche Meinung ist, dass ich mir Anna Herzig sehr gut als Autorin für Jugendbücher vorstellen kann.

Bewertung vom 26.01.2022
Der letzte Sommer in der Stadt
Calligarich, Gianfranco

Der letzte Sommer in der Stadt


sehr gut

Das gelungene Cover zeigt das Foto eines gut angezogenen rauchenden jungen Mannes auf einer Mauer sitzend - im Hintergrund Rom. Der 1973 erstmalig erschienene Roman entführt uns in das Lebensgefühl dieser Zeit.
Leo entflieht seiner Familie und der Stadt Mailand und findet in Rom Anschluss an eine Clique, deren Mitglieder wohlhabend sind. Davon profitiert Leo sehr, der seine Jobs eher nebensächlich erledigt. Es wird viel getrunken und geraucht. So verläuft sein Leben auch weiter, als er sich in die schöne und exzentrische Arianna verliebt. Wen oder was suchen die beiden eigentlich? Sprachlich sehr gekonnt geschrieben, vermittelt dieser Roman hauptsächlich die Lebensstimmung dieser jungen Menschen, allen voran Leos. Sie ist melancholisch, ruhelos und lehnt sich gegen die Normen der bürgerlichen Gesellschaft auf.

Bewertung vom 05.12.2021
Die Brücke der Ewigkeit / Die Baumeister Bd.1
Hector, Wolf

Die Brücke der Ewigkeit / Die Baumeister Bd.1


ausgezeichnet

Der Roman der unter dem Pseudonym Wolf Hector schreibenden AutorIn lässt uns in die Welt des 14. Jahrhunderts eintauchen. Planung und Bau der berühmten Prager Karlsbrücke werden von den Anfängen bis zur ersten Nutzung historisch getreu beschrieben. Anschaulich dargestellt sind auch die Bautechniken, die damals üblich waren. Aber auch die Intrigen um die Planung der Brücke und die Zuweisung der Bauämter werden nachvollziehbar erzählt. Historisch nachweisbare Personen wie Karl IV., die Baumeister Peter Parler und Jan Otlin werden mit anderen fiktiven Personen wunderbar verflochten, so dass auch die Lebensbedingungen dieser Zeit deutlich werden. Die Kirche war für die Menschen ein fester Bestandteil des Lebens, aber auch Astrologie und Aberglauben waren fest verankert. Das Leben insgesamt war viel stärker von Unheil bedroht. Die Charaktere und ihre Verflechtungen miteinander sind lebendig dargestellt. Von Anfang an verfolgt der Leser auch die persönlichen Beziehungen, vor allem der jungen Maria Magdalena, die unschuldig in einen Strudel von Gewalt und Verfolgung gerät und sich wehrt.
Ein sehr lesenwerter Roman für alle, die sich für Baukunst und das späte Mittelalter interessieren. Zeittafel, Personenliste und ein hilfreiches Glossar runden das Werk ab.

Bewertung vom 18.10.2021
Auf Basidis Dach
Ameziane, Mona

Auf Basidis Dach


sehr gut

Authentisches Marokko
In ihrem autobiografischen Buch erinnert sich die deutsch-marokkanische Autorin Mona Ameziane an Ereignisse in Marokko. Diese beginnen in ihrer Kindheit und führen bis ins junge Erwachsenenleben. In einer individuellen Mischung aus Geschichten und Reflektionen setzt sie sich mit dem Thema ihrer väterlichen marokkanischen und der mütterlichen deutschen Kultur, in der sie aufgewachsen ist, auseinander. Kennt sie das richtige Marokko?
Nicht zuletzt möchte sie auch ihren Vater und Großvater verstehen.
Mit großer Offenheit und Humor lässt sie uns an ihren Gedanken, Gefühlen und Zweifeln teilhaben. Das Buch hat mir neue Realitäten über Gesellschaft, Kultur und Religion des Landes gezeigt. Der Stil ist flüssig, narrativ und anschaulich. Ich kann dieses Buch jedem empfehlen, der sich mit dem Aufwachsen in zwei Kulturen beschäftigt.

Bewertung vom 11.09.2021
Das Glashotel
Mandel, Emily St. John

Das Glashotel


sehr gut

Der Titel "Das Glashotel" lässt vermuten, dass es um Durchlässigkeit und Perspektivwechsel geht.
Die weibliche Hauptfigur Vincent, an deren Namen ich mich gewöhnen musste, lebt im Laufe der Jahre sehr unterschiedliche Leben. So verliert sie früh ihre Mutter, die im Meer umkommt. Sie sucht einen Ort oder eine Beziehung, wo sie sich zugehörig, heimisch fühlen kann, verstrickt sich aber dann in eine Abhängigkeit mit dem reichen Investmentbanker Alkaitis, durch den sie ein luxuriöses aber langweiliges Dasein lebt. Als die betrügerische Firma auffliegt, verlässt sie ihn. Besonders die Geschichten über die Opfer dieser Firma, die ihr gesamtes Erspartes verlieren, finde ich sehr gelungen. Exemplarisch werden Schicksale geschildert, die sich plötzlich im "Schattenland" des amerikanischen Lebens wiederfinden, keinen Wohnort mehr haben, umherziehen, Not leiden oder sich selbst das Leben nehmen. Aus der Fülle der Geschichten hat mir die Geschichte des Halbbruders Paul auch sehr gut gefallen, sowie die fließenden Möglichkeiten, dass Verstorbene erscheinen oder dass Insassen im Gefängnis sich Gegenwelten zum tristen Alltag ausdenken, in die sie flüchten können.
Das Glashotel, ein Luxushotel, in dem Vincent und Paul eine Zeitlang arbeiten, liegt schon abseits der Zivilisation am Meer. Vincent, die im letzten Abschnitt ihres Lebens als Köchin auf einen Containerschiff arbeitet, entscheidet sich, nun die meiste Zeit ihres Daseins auf dem Meer zu verbringen. Der Stil dieses Romans ist klar und unterhaltsam, leicht lesbar, seine Struktur beweglich. So mag ich die Zeitsprünge sehr und die Fragen nach der eigenen Moral, die sich am Ende der Lektüre stellt.

Bewertung vom 30.08.2021
Der perfekte Kreis
Myers, Benjamin

Der perfekte Kreis


ausgezeichnet

Schon das gelungene Cover des neuen Romans von Benjamin Myers deutet das Thema an: es geht um Schönheit und Perfektion.
Aber nicht nur ... Die durch ihre Aktionen eng verbundenen Freunde Calvert und Redbone teilen ein Geheimnis. Es geht um Kornkreise, die im Sommer 1989 in Nordengland vermehrt auftauchen.
In zehn Kapiteln wird das Auftauchen und Aussehen der Kornkreise beschrieben. Bei jedem neuen Kornkreis zeigt sich, welche Schönheit und Verbundenheit zu Kosmos und Natur diese haben. Nach und nach berichten Medien darüber und Zuschauer jeder Couleur werden angezogen, die sich der vermeintlichen Aufklärung dieser rätselhaften Phänomene widmen. Doch wer erschafft diese? In einem immer spannender werdenden Buch beschreibt Myers nicht nur die Freundschaft der beiden unkonventionellen Männer und die nordenglische Landschaft und Bevölkerung mit Humor und Einfühlsamkeit, sonder regt den Leser auch zum Nachdenken über Themen der Menschheit an. Ich kann mir gut einen Nachfolgeband vorstellen.

Bewertung vom 19.08.2021
Ich hatte nicht immer, was ich wollte, aber alles, was ich brauchte
Lindeblad, Björn Natthiko;Bankler, Caroline;Modiri, Navid

Ich hatte nicht immer, was ich wollte, aber alles, was ich brauchte


ausgezeichnet

Das Cover zeigt die Silhouette eines buddhistischen Mönchs, der sich auf Wanderschaft befindet, eingehüllt in eine nicht ganz fassbare Landschaft in Ockerorange - der Farbe der Kutten - und einem hellen himmelsähnlichen Teil mit davonfliegenden Vögeln. Es gefällt mir gut und vermittelt mir Erdung, Gleichmut, Freiheit.
Björn Natthiko Lindeblad schreibt über seine lange Zeit als Mönch in buddhistischen Klöstern der Waldtradition, in Thailand und anderen Ländern. Durch seine menschliche humorvolle Art fühle ich mich als Leserin bald mit ihm freundschaftlich verbunden und kann mich seinen Erfahrungen in Meditation und Geistesleben annähern. Besonders interessant finde ich auch, dass er sich wieder entscheidet, in Schweden zu leben. Durch das immer wiederkehrende Bild, mit einer geöffneten Hand das Leben mehr leben zu können als mit einer ängstlich geballten, gibt er hilfreiche Bilder weiter.
Dieses autobiografische Buch ist für alle LeserInnen interessant, die sich für die buddhistische Geisteshaltung interessieren. Es ist tiefgründig, aber leicht zu lesen.