Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
violetta1961
Wohnort: 
Frankfurt am Main

Bewertungen

Insgesamt 49 Bewertungen
Bewertung vom 23.04.2024
Und Großvater atmete mit den Wellen
Teige, Trude

Und Großvater atmete mit den Wellen


sehr gut

Das Cover des neuen Romans von Trude Teige erinnert gleich an den Vorgänger-Roman und überzeugt auch dieses Mal durch gute Lesbarkeit und ausgezeichnete Recherche. Aus der Perspektive der jungen Juni geschrieben, die in der Gegenwart lebt, spielt der Großteil des Romans in der Zeit Ende des zweiten Weltkriegs. Die norwegischen Vorfahren von Juni, die in den 1940er Jahren in Indonesien lebten und als Kolonialherren, ebenso wie viele Niederländer, dort arbeiteten (ein Hotel hatten), werden von den Japanern, die Indonesien besetzen, in Gefangenenlager verteilt. Ebenso werden Seeleute, die von Japanern auf hoher See gefangen genommen werden, in diese Lager gebracht. Unter den norwegischen Gefangenen sind Konrad und Sigrid, deren Geschichte intensiv beschrieben wird.
Die katastrophalen Lebensumstände in diesen Lagern werden detailliert geschildert und vermitteln ein authentisches Bild. Es ist ein großer Verdienst von Trude Teige, dieses unbekannte Kapitel in der Geschichte Norwegens recherchiert und erzählt zu haben. Sie versteht es gut, sowohl die Personen in der Geschichte, als auch die allgemeine Lage zu verbinden. Einen Punkt Abzug für dieses großartige Buch wegen der ausufernden Schilderungen von Krankheiten, Tod, Misshandlungen durch die Japaner. Insgesamt ein sehr lesenswertes Buch.

Bewertung vom 17.03.2024
Nature Guide Vögel
Nibbenhagen, Kalle

Nature Guide Vögel


ausgezeichnet

Der vom NABU empfohlene Nature Guide ist ein hervorragendes Nachschlagewerk, um heimische Vögel zu entdecken, bzw. mehr über sie zu erfahren. Das Buch hat zahlreiche Vogelporträts, die aufgrund ihrer klaren Beschreibung (Größe, Form und Farbe von Schnabel und Gefieder, Stimme, Aufenthaltsdauer und -ort) auch für einen Anfänger gut zu verstehen sind. Besonders die Konzentration auf die wirklich vor Ort lebenden Vögel wie Amseln oder Stockenten ermöglicht dem interessierten Leser, sofort beim nächsten Spaziergang mit der Vogelbeobachtung zu starten, ohne irgendwohin reisen zu müssen. Absolut bereichernd ist auch die Möglichkeit, sich die KOSMOS PLUS App herunterzuladen und dort alle Vogelstimmen der vorgestellten Arten zu hören. Ebenso können dort Kalle Nibbenhagens Filme angeschaut werden. Ein tolles Buch, was nicht zuletzt auch durch die motivierenden Worte des Autors überzeugt.

Bewertung vom 21.02.2024
Das Lächeln der Königin
Gerhold, Stefanie

Das Lächeln der Königin


ausgezeichnet

Das Buch „Das Lächeln der Königin“ entführt den / die Leser*in das Berlin der 1920er Jahre. Es ist die Hoch-Zeit der Archäologie und Ägyptologie und als 1913 die Büste der Nofretete entdeckt wird, ist das ein Triumph und eine Freude für den Geldgeber, den schwerreichen Unternehmer James Simon. Vor dem Hintergrund komplizierter politischer Verhältnisse gelangt die Büste nach Berlin und wird 1924 erstmals im Neuen Museum ausgestellt, wo sie (immer noch) die Besucher*innen bezaubert.

Stefanie Gerhold erzählt auf unterhaltsame Art von der Entdeckung der berühmten Büste, aber auch vom Berlin der 1920er Jahre, vom Kolonialismus, vom jüdischen Bürgertum und last not least von James Simon, einem der bedeutendsten Kunstmäzene seiner Zeit. Sie versteht es meisterhaft, den / die Leser*in mit in ihre Geschichte hineinzunehmen und ein Bild jener Zeit zu zeichnen. Ihr Stil ist sehr angenehm zu lesen, man merkt dem Buch die gründliche Recherche an, die Figuren wirken authentisch und überzeugend. Die Mischung aus historischen Fakten und fiktiven Elementen ist sehr gut ausbalanciert, was das Buch zu einer spannenden und bereichernden Lektüre macht. Ich habe eine Menge dabei gelernt, mich gleichzeitig aber auch sehr gut unterhalten gefühlt.

Fazit: Eine ganz klare Leseempfehlung für Geschichts- und Kunstinteressierte, für Berlin-Fans und Ägyptologie-Begeisterte.


Bewertung vom 07.02.2024
Heinz Labensky - und seine Sicht auf die Dinge
Tsokos, Anja;Tsokos, Michael

Heinz Labensky - und seine Sicht auf die Dinge


sehr gut

Dem Autorenduo Tsokos & Tsokos ist hier ein tolles Buch gelungen.
Die Hauptfigur, der 79jährige Heinz Labensky, ist vielschichtig und nachvollziehbar beschrieben und wegen ihrer Kauzigkeit liebenswert.
Die Rahmenhandlung in der Gegenwart spielt hauptsächlich auf einer Busreise, die Labensky sehr spontan unternimmt, um den Verfasser eines Briefes, der Informationen über seine verschwundene Jugendliebe Rita erbittet, zu treffen. Auf dieser Reise erweist sich Labensky als unterhaltsamer Geschichtenerzähler. Verschiedenen Mitfahrern erzählt er Begebenheiten aus seinem aufregenden Leben als nicht sehr intelligenter Mensch in der DDR. Zufälligerweise traten damals aber einige bekannte Persönlichkeiten in Kontakt mit ihm! Diese Zufälligkeiten sollte man mit einem humorvollen Touch lesen und nicht alles für bare Münze nehmen. Ein Roman, der mir noch unbekannte Fakten zum Leben in der DDR eröffnet hat. Zu gerne würde ich noch etwas über Heinz Labensky lesen.

Bewertung vom 15.12.2023
Der Spion und der Verräter
Macintyre, Ben

Der Spion und der Verräter


ausgezeichnet

Bei dem Buch von Ben Macintyre handelt es sich um eine wahre Spionagegeschichte zur Zeit des Kalten Krieges. Im Mittelpunkt stehen Leben und Spionagetätigkeit des russischen Spions Oleg Gordijewski.
Durch das Dreiecksspiel russischer, englischer und amerikanischer Geheimdienste wird dem Leser nahegebracht, welche Auswirkungen Spionage und Gegenspionage auf die internationale Politik haben, bzw. welche Motive zu einem Dasein als Doppelagent führen. Das Genre gehört üblicherweise nicht zu meinen bevorzugten, aber ich kann sagen,
dass ich von der Schilderung der verschiedenen Methoden im Geheimdienst (Überwachung, Kontaktaufnahmen, Treffen, technische Erfindungen usw.) fasziniert war. Absolut spannend war auch die realistisch geschilderte Flucht Gordiewskis 1985 aus Moskau.
Wie groß diese Parallelwelt allerdings ist, hat mich am allermeisten überrascht. Dem Buch ist anzumerken, wie profund es recherchiert wurde.

Bewertung vom 19.11.2023
Jil Sander. Eine Annäherung
Wiesner, Maria

Jil Sander. Eine Annäherung


ausgezeichnet

Das gelungene Cover zeigt ein Foto, auf dem Jil Sander in einem eleganten zeitlosen Hosenanzug zu sehen ist, zweifelsohne eine eigene Kreation, zurückhaltend lächelnd.
Maria Wiesner nähert sich der deutschen Modedesignerin, die dieses Jahr
80 wird, umfassend aus verschiedenen Perspektiven an.
Ihr gelingt es, ein sensibles Porträt der erfolgreichen Firmengründerin zu zeichnen. Überrascht hat mich die Information, dass Jil Sander die erste Frau war, die 1989 mit ihrer Firma den Börsengang wagte. Es wird nachvollziehbar, wie ausdauernd sie damals als Frau an ihren Vorstellungen von Stil und Qualität festhalten und arbeiten musste, um sich durchsetzen zu können.
So muss sie unbedingt als Wegbereiterin für andere Frauen angesehen werden. Lohnenswert zu lesen ist auch die starke Akzeptanz ihrer Mode im Ausland, der Ablauf von Modeschauen sowie Vergleiche mit anderen Modeschöpfern. Ich mochte vor allem die Annäherung an die Person Sanders, von der in der Öffentlichkeit wenig bekannt ist.
Ein überaus lesenwertes Buch!

Bewertung vom 27.10.2023
Welt in Aufruhr
Münkler, Herfried

Welt in Aufruhr


sehr gut

Der emeritierte Professor für Politikwissenschaft Herfried Münkler legt mit seinem umfangreichen Buch eine scharfsinnige Analyse der sich schnell verändernden Weltlage und der globalen Machtstrukturen vor.
Er stellt sowohl Theorien des antiken griechischen Geschichtsschreibers Thukydides oder des Philosophen Macchiavellis, als auch neuere wie die von Clausewitz dar. Hochaktuell und lohnenswert zu lesen vor allem auch die Hintergründe zum russisch-ukrainischen Krieg.
Sehr informativ zeigt der Autor die Vorgehensweisen der größten Machthaber und Länder auf und beendet das Buch mit einem Ausblick auf eine mögliche Weltordnung der großen Fünf. Der sehr anspruchsvoll bis kompliziert geschriebene Stil erschwert es meiner Meinung nach leider der breiten Mitte der Gesellschaft, dieses Werk entsprechend nachzuvollziehen und zu goutieren. Für universitär Vorgebildete und politisch Interessierte aber ein wertvolles Buch.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.10.2023
Lichtspiel
Kehlmann, Daniel

Lichtspiel


ausgezeichnet

Ein großer Wurf
Der neue Roman von Daniel Kehlmann beschreibt eine Zeitspanne im Leben und im Werk des österreichischen Regisseurs Georg Wilhelm Pabst.
Vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten waren seine Filme eher dem linken Spektrum zugeordnet. Er versucht u.a. in den USA Fuß zu fassen, muss aber während eines Familienbesuchs in Österreich bleiben, da just in diesem Moment der 2. Weltkrieg beginnt und die Nationalsozialisten niemanden mehr aus dem Land lassen. Trotz aller Schwierigkeiten entscheidet er sich, hier Filme zu drehen. Mit welchen politischen Bedingungen er sich arrangieren muss, wird gut recherchiert und vielschichtig beschrieben.
Sehr gelungen finde ich auch die Kaptel, in denen Dreharbeiten und die Vorbereitungen dazu beschrieben werde. Ich fühlte mich wie am Filmset!
Die Verbindung zur Gegenwart stellt der ehemalige Assistent von Pabst dar. Etwas dement und barsch, wird er in eine TV-Show eingeladen, in der es um den Regisseur Pabst geht. Kehlmann hat einen phantastischen Stil, mit dem er sowohl Menschen als auch gesellschaftliche und künstlerische Prozesse beschreibt. Unbedingt lesen!

Bewertung vom 01.10.2023
Ich, Sperling
Hynes, James

Ich, Sperling


ausgezeichnet

Informativ, mitreißend, erschütternd
Das neue Buch von James Hynes führt uns ins 4. Jahrhundert n.Chr. in eine Welt, die in einem Bordell im spanischen Carthago Nova, dem heutigen Cartagena spielt, vor allem aber über die Sklaverei in dieser Zeit anschaulich und erschütternd Auskunft gibt. Im Mittelpunkt steht ein Junge, dessen Schicksal im Bordell beschlossen zu sein scheint. Seine Herkunft, sowie auch die Herkunft der anderen sogenannten Wölfinnen, die dort unter ärmsten Bedingungen arbeiten müssen, da sie Sklaven, also gekauft sind, wird mitfühlend und spannend erzählt. Die Figuren auch der umgebenden Bevölkerung oder der herrschenden Schicht (der Römer) sind sehr gut getroffen. Ich habe vieles über das Leben und den Handel mit Sklaven gelernt.
Ebenso ist das Alltagsleben, dass ohne heutige Technik, Medikamente usw. auskommen musste, gut recherchiert dargestellt.
Ein faszinierender Roman, unbedingt empfehlenswert.

Bewertung vom 19.08.2023
Tasmanien
Giordano, Paolo

Tasmanien


sehr gut

Sinnsuche - innen und außen
Paolo Giordanos neues Werk führt uns vor allem in die Denk- und Empfindungswelt des Autors. In seinem Roman verfolgt der Journalist Paolo, der sicher auch autobiografische Züge trägt, ein Buchprojekt, in dem es um Geschichte und Hintergründe der beiden Atombomben geht, die auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfen wurden. Ein anderer Strang sind Artikel, die Paolo im Bereich Klimawandel für Zeitungen schreibt. Er ist eher ein Charakter, der sich treiben lässt, einfühlsam Dynamiken seiner Freundschaften und seiner Ehe beschreibt. Es gelingt ihm sehr gut, die feinen Nuancen in menschlichen Begegnungen zu erfassen. Verwoben damit sind neue Entwicklungen im Bereich der Physik, die hier in Form von Hochschulszenen und Fachkongressen integriert sind, aber nie langweilig für Fachfremde. Ein vielschichtiges Buch, in sensibler schöner Sprache geschrieben. Empfehlenswert.