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Sebastian von Eschburg verliert als Kind durch den Selbstmord seines Vaters den Halt. Er versucht sich durch die Kunst zu retten. Er zeigt mit seinen Fotografien und Videoinstallationen, dass Wirklichkeit und Wahrheit verschiedene Dinge sind. Es geht um Schönheit, Sex und die Einsamkeit des Menschen. Als Eschburg vorgeworfen wird, eine junge Frau getötet zu haben, übernimmt Konrad Biegler die Verteidigung. Der alte Anwalt versucht dem Künstler zu helfen - und damit sich selbst.Schirach schreibt über ein aktuelles gesellschaftliches Thema, das den Leser zwingt, grundsätzliche Entscheidung...
Sebastian von Eschburg verliert als Kind durch den Selbstmord seines Vaters den Halt. Er versucht sich durch die Kunst zu retten. Er zeigt mit seinen Fotografien und Videoinstallationen, dass Wirklichkeit und Wahrheit verschiedene Dinge sind. Es geht um Schönheit, Sex und die Einsamkeit des Menschen. Als Eschburg vorgeworfen wird, eine junge Frau getötet zu haben, übernimmt Konrad Biegler die Verteidigung. Der alte Anwalt versucht dem Künstler zu helfen - und damit sich selbst.
Schirach schreibt über ein aktuelles gesellschaftliches Thema, das den Leser zwingt, grundsätzliche Entscheidungen zu treffen. Aber dieses Buch ist viel mehr: Schirach hat den Roman eines Lebens geschrieben, lakonisch, poetisch, berührend.
Hier geht's zum Buch bei Piper.de
Schirach schreibt über ein aktuelles gesellschaftliches Thema, das den Leser zwingt, grundsätzliche Entscheidungen zu treffen. Aber dieses Buch ist viel mehr: Schirach hat den Roman eines Lebens geschrieben, lakonisch, poetisch, berührend.
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Ferdinand von Schirach, geb. 1964 in München, arbeitet seit 1994 als Anwalt und Strafverteidiger in Berlin. Zu seinen Mandanten gehörten das frühere Politbüro-Mitglied Günter Schabowski, der ehemalige BND-Spion Norbert Juretzko, Industrielle, Prominente und Angehörige der Unterwelt.
Matthias Brandt wurde 1961 in Berlin geboren. Er studierte Schauspiel an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover und war anschließend an verschiedenen Theatern engagiert. Seit Beginn der 90er Jahre spielte Brandt diverse TV-Rollen. 2009 erhielt er den Adolf-Grimme-Preis für "Die zweite Frau". Matthias Brandt ist Träger des deutschen Hörbuchpreises 2010.
Matthias Brandt wurde 1961 in Berlin geboren. Er studierte Schauspiel an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover und war anschließend an verschiedenen Theatern engagiert. Seit Beginn der 90er Jahre spielte Brandt diverse TV-Rollen. 2009 erhielt er den Adolf-Grimme-Preis für "Die zweite Frau". Matthias Brandt ist Träger des deutschen Hörbuchpreises 2010.

Produktdetails
- Verlag: Osterwoldaudio
- Anzahl: 4 Audio CDs
- Gesamtlaufzeit: 230 Min.
- Erscheinungstermin: 10. September 2013
- Sprache: Deutsch
- ISBN-13: 9783869521763
- Artikelnr.: 38108707
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Nach altem Rezept
Gemütlichkeit ist sein Geheimnis: Ferdinand von Schirachs neuer Roman "Tabu" bereitet Anwalts liebste Erkenntnisse aus
Eigentlich hätte Sebastian von Eschburg ein Ungeheuer werden können; ein sadistisches, unglückliches, brillantes und mächtiges Ungeheuer der Fiktion. Doch leider ist er dazu bestimmt, unbedingt seelenlos zwischen Pappe, Papier und Druckerschwärze zu geistern, bis er in wenigen Monaten vollkommen vergessen sein wird. Sebastian von Eschburg ist der Protagonist des neuen Romans "Tabu" von Ferdinand von Schirach, der Protagonist einer Geschichte, die ihren Helden alles verwehrt, was ihnen nur ein wenig Seele verleihen könnte.
Seine Biographie beginnt allerdings ziemlich
Gemütlichkeit ist sein Geheimnis: Ferdinand von Schirachs neuer Roman "Tabu" bereitet Anwalts liebste Erkenntnisse aus
Eigentlich hätte Sebastian von Eschburg ein Ungeheuer werden können; ein sadistisches, unglückliches, brillantes und mächtiges Ungeheuer der Fiktion. Doch leider ist er dazu bestimmt, unbedingt seelenlos zwischen Pappe, Papier und Druckerschwärze zu geistern, bis er in wenigen Monaten vollkommen vergessen sein wird. Sebastian von Eschburg ist der Protagonist des neuen Romans "Tabu" von Ferdinand von Schirach, der Protagonist einer Geschichte, die ihren Helden alles verwehrt, was ihnen nur ein wenig Seele verleihen könnte.
Seine Biographie beginnt allerdings ziemlich
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aussichtsreich, zumindest literarisch. Als Sohn verarmter Adliger muss er in einem Kabinett der Herzlosigkeit aufwachsen. Seine Mutter interessiert sich mehr für ihre Pferde als für den eigenen Sohn. Der Vater säuft und tötet sich schließlich selbst. Sebastian findet die Leiche mit dem weggeschossenen Kopf. Seine Mutter verbietet ihm, über den Selbstmord des Vaters zu sprechen. Zur familiären Tragik kommt hinzu, dass Sebastian anders ist: ein Synästhetiker. Er nimmt seine Umwelt in Farbtönen wahr: "Die Hände des Kindermädchens waren Cyan und Amber, seine Haare leuchteten für ihn violett mit einer Spur Ocker, die Haut des Vaters war eine blasse, grünblaue Fläche."
Doch das vergisst man schnell wieder, denn Schirach macht sich nur selten die Mühe, die farbige Welt seines Protagonisten zu beschreiben. Lieber lässt er Sebastian schnell zu einem gefeierten Fotokünstler heranwachsen, ständig mit einer sexy PR-Dame schlafen, später vielleicht ein Verbrechen begehen, um dann auf einer Polizeiwache unter Folterdrohungen jenen Mord zu gestehen. Da es trotz Geständnis keine Leiche gibt, taucht bald der Strafverteidiger Konrad Biegler auf und kämpft für Sebastians Rechte. Dabei gibt Schirach seinen Lesern auch gleich einen langen Exkurs über die Würde des Menschen. Und so gelangt die Handlung ins gewohnte Milieu des schreibenden Strafverteidigers.
Wie fettige Pommes stopft man sich dann die einzelnen Seiten schnell hinein. Nach dem ambitionierten Auftakt erinnert der Roman bald, wie schon die letzten drei Schirach-Bücher, an einen Besuch im Fastfood-Laden, wo es in New York, Berlin oder Moskau gleich schmeckt. Bei Schirach geht es immer nur um die Frage, was Schuld ist. Als Beilage gibt es einen zwiegespaltenen Helden, der es schwer hatte im Leben, und zum Schluss ein paar brillante Gerichtsdialoge zur Erfrischung. Um seine gewohnten Ingredienzien zu garnieren, versucht sich der Autor auch noch an einer Liebesgeschichte. Aber leider ist Schirach zu jenem Zeitpunkt, an dem er Sebastian seine Freundin Sofia endlich lieben lassen will, schon lange nicht mehr an seinen Figuren interessiert und viel zu sehr damit beschäftigt, einen komplexen Krimi zu konstruieren.
Daran mag es auch liegen, dass die Gespräche der Liebenden immer wie ein missglückter Versuch wirken, Gefühle halbwegs glaubhaft zu imitieren: ",Geh nicht', sagt sie. ,Es ist zu kompliziert', sagt er. ,Das ist es immer', sagt sie." Und obwohl das alles so steril ist, legt man das Buch nicht weg. Denn Ferdinand von Schirach ist ein genialer Blender und arbeitet konsequent mit Illusionen. So konstruiert er halbinteressante Weisheiten, lässt seine Protagonisten über Wirklichkeit, Wahrheit, Kunst und Schönheit philosophieren, und plötzlich denkt man: Hier geht es tatsächlich um was! Doch "Tabu" will selbst keine Fragen beantworten, die Fäden aller Gespräche verlaufen ins Leere, nichts ergibt am Ende einen Sinn - da ist bloß die altbekannte und liebste Erkenntnis des Anwalts: "Schuld - das ist der Mensch."
Und wenn man wieder einmal von Schirach gelernt hat, dass Schuld zur menschlichen Existenz gehört, neigt sich der Roman seinem Ende. So ist "Tabu" ebenso schnell gelesen, wie Fastfood gegessen. Sofort legt man sich auf sein Sofa und hat ein schlechtes Gewissen, will morgen früh auf jeden Fall Sport machen, abends in ein Pinzettenkoch-Restaurant gehen und danach ganz viel Suhrkamp-Literatur-Literatur lesen. Doch, weil alle guten Vorsätze mit "morgen" beginnen und es so wahnsinnig gemütlich ist auf der Couch, hat man Zeit nachzudenken, warum Menschen überhaupt Bücher von Ferdinand von Schirach kaufen.
Und bald ahnt man es: Das Gemütliche ist Schirachs Geheimnis. Denn der Anwalt sucht für all seine Themen, Figuren und Handlungen, so grausam sie auch sein mögen, altbekannte und warme Gemeinplätzchen aus. Obwohl die Welt des schreibenden Strafverteidigers eine Welt der Kriminellen, der Zwangskriminellen und die Welt der Tatsächlich-Nichtkriminellen ist, will Schirach für das, was er im Anwaltsalltag erlebt, keine Bilder und keine Sprache erfinden. Anstelle literarischer Sinnlichkeit gibt es Floskeln in Endlosschleife. Die Haare der Alten sind bei Schirach immer "dünn", die Köpfe der Wütenden sowieso "rot", und ab und an "zittert" natürlich die Stimme von irgendwem.
Aber nicht nur Schirachs Sprache, auch seine Figuren leiden an allen denkbaren, bekannten Klischees. So ist Sebastians Gegenspieler, Strafverteidiger Biegler, ein Typ, den man aus abendlichen Krimiserien gut kennt. Am liebsten sitzt Biegler in seinem Berliner Stammcafé am Savignyplatz und liest Zeitung, achtet niemals auf seine Gesundheit, hasst Ferien und ist immerzu mürrisch, dabei dennoch irgendwie liebenswert. Und natürlich ist Biegler auch superschlau, das beweist er in dem finalen Mordprozess der Geschichte. Aber auch ein Pornofilmproduzent, der in der Mitte der Handlung einen kurzen Auftritt ergattert, ist eine Fiktion von der Stange. Er trägt, wie könnte es anders sein, eine Sonnenbrille, die obligatorische schwarze Lederjacke und sieht eben so aus, wie Pornofilmproduzenten im Fernsehen nun mal aussehen.
Auch Sebastian, der anfangs das Zeug zum poetischen Helden hatte, bleibt ein Holzschnitt kleinbürgerlicher Künstlerbilder. So will er "sich mit der Fotografie eine andere Welt erschaffen" und muss deshalb auf jeden Fall in die Nationalgalerie gehen, um sich stundenlang den "Mönch am Meer" von Caspar David Friedrich anzuschauen. Überhaupt offenbart "Tabu" eine Kunstwelt, die es nur in Gedanken von Menschen gibt, die sich vorstellen, wie es wohl auf einer Ausstellungseröffnung so ist. Auch deshalb erinnert Sebastians eigene Kunst, die Schirach so mühevoll wie ermüdend beschreibt, an Kunstrequisite schlechterer Spielfilme. Alles wirkt albern, gewollt und unbedingt unecht.
Obwohl das alles nun ziemlich abgegriffen und vorhersehbar ist, erzeugen diese Stilmittel immerhin doch die Atmosphäre einer gar nicht so schlechten "Tatort"-Folge. Weil man sich wohl fühlt in all den Klischees, weil man sie kennt, sie bestätigt bekommt, liest man bis zum glücklichen Ende.
Aber glücklich ist man nach der Lektüre überhaupt nicht, und klüger schon gar nicht. Man spürt gar nichts. Alles, was Schirach in "Tabu" aufgeschrieben hat, ist so wenig zwingend und so vollkommen gewöhnlich, dass man das Buch nicht einmal aufrichtig hasst. Es wird einem völlig egal, und so vergisst man den ganzen Roman ebenso schnell, wie man vom billigen und ballaststoffarmen Fastfood wieder Hunger bekommt. Das paradoxe Ergebnis: Da nichts in Erinnerung bleibt, wird man vermutlich auch den nächsten Roman von Ferdinand von Schirach lesen.
ANNA PRIZKAU
Ferdinand von Schirach: "Tabu". Roman. Piper, 256 Seiten, 17,99 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Doch das vergisst man schnell wieder, denn Schirach macht sich nur selten die Mühe, die farbige Welt seines Protagonisten zu beschreiben. Lieber lässt er Sebastian schnell zu einem gefeierten Fotokünstler heranwachsen, ständig mit einer sexy PR-Dame schlafen, später vielleicht ein Verbrechen begehen, um dann auf einer Polizeiwache unter Folterdrohungen jenen Mord zu gestehen. Da es trotz Geständnis keine Leiche gibt, taucht bald der Strafverteidiger Konrad Biegler auf und kämpft für Sebastians Rechte. Dabei gibt Schirach seinen Lesern auch gleich einen langen Exkurs über die Würde des Menschen. Und so gelangt die Handlung ins gewohnte Milieu des schreibenden Strafverteidigers.
Wie fettige Pommes stopft man sich dann die einzelnen Seiten schnell hinein. Nach dem ambitionierten Auftakt erinnert der Roman bald, wie schon die letzten drei Schirach-Bücher, an einen Besuch im Fastfood-Laden, wo es in New York, Berlin oder Moskau gleich schmeckt. Bei Schirach geht es immer nur um die Frage, was Schuld ist. Als Beilage gibt es einen zwiegespaltenen Helden, der es schwer hatte im Leben, und zum Schluss ein paar brillante Gerichtsdialoge zur Erfrischung. Um seine gewohnten Ingredienzien zu garnieren, versucht sich der Autor auch noch an einer Liebesgeschichte. Aber leider ist Schirach zu jenem Zeitpunkt, an dem er Sebastian seine Freundin Sofia endlich lieben lassen will, schon lange nicht mehr an seinen Figuren interessiert und viel zu sehr damit beschäftigt, einen komplexen Krimi zu konstruieren.
Daran mag es auch liegen, dass die Gespräche der Liebenden immer wie ein missglückter Versuch wirken, Gefühle halbwegs glaubhaft zu imitieren: ",Geh nicht', sagt sie. ,Es ist zu kompliziert', sagt er. ,Das ist es immer', sagt sie." Und obwohl das alles so steril ist, legt man das Buch nicht weg. Denn Ferdinand von Schirach ist ein genialer Blender und arbeitet konsequent mit Illusionen. So konstruiert er halbinteressante Weisheiten, lässt seine Protagonisten über Wirklichkeit, Wahrheit, Kunst und Schönheit philosophieren, und plötzlich denkt man: Hier geht es tatsächlich um was! Doch "Tabu" will selbst keine Fragen beantworten, die Fäden aller Gespräche verlaufen ins Leere, nichts ergibt am Ende einen Sinn - da ist bloß die altbekannte und liebste Erkenntnis des Anwalts: "Schuld - das ist der Mensch."
Und wenn man wieder einmal von Schirach gelernt hat, dass Schuld zur menschlichen Existenz gehört, neigt sich der Roman seinem Ende. So ist "Tabu" ebenso schnell gelesen, wie Fastfood gegessen. Sofort legt man sich auf sein Sofa und hat ein schlechtes Gewissen, will morgen früh auf jeden Fall Sport machen, abends in ein Pinzettenkoch-Restaurant gehen und danach ganz viel Suhrkamp-Literatur-Literatur lesen. Doch, weil alle guten Vorsätze mit "morgen" beginnen und es so wahnsinnig gemütlich ist auf der Couch, hat man Zeit nachzudenken, warum Menschen überhaupt Bücher von Ferdinand von Schirach kaufen.
Und bald ahnt man es: Das Gemütliche ist Schirachs Geheimnis. Denn der Anwalt sucht für all seine Themen, Figuren und Handlungen, so grausam sie auch sein mögen, altbekannte und warme Gemeinplätzchen aus. Obwohl die Welt des schreibenden Strafverteidigers eine Welt der Kriminellen, der Zwangskriminellen und die Welt der Tatsächlich-Nichtkriminellen ist, will Schirach für das, was er im Anwaltsalltag erlebt, keine Bilder und keine Sprache erfinden. Anstelle literarischer Sinnlichkeit gibt es Floskeln in Endlosschleife. Die Haare der Alten sind bei Schirach immer "dünn", die Köpfe der Wütenden sowieso "rot", und ab und an "zittert" natürlich die Stimme von irgendwem.
Aber nicht nur Schirachs Sprache, auch seine Figuren leiden an allen denkbaren, bekannten Klischees. So ist Sebastians Gegenspieler, Strafverteidiger Biegler, ein Typ, den man aus abendlichen Krimiserien gut kennt. Am liebsten sitzt Biegler in seinem Berliner Stammcafé am Savignyplatz und liest Zeitung, achtet niemals auf seine Gesundheit, hasst Ferien und ist immerzu mürrisch, dabei dennoch irgendwie liebenswert. Und natürlich ist Biegler auch superschlau, das beweist er in dem finalen Mordprozess der Geschichte. Aber auch ein Pornofilmproduzent, der in der Mitte der Handlung einen kurzen Auftritt ergattert, ist eine Fiktion von der Stange. Er trägt, wie könnte es anders sein, eine Sonnenbrille, die obligatorische schwarze Lederjacke und sieht eben so aus, wie Pornofilmproduzenten im Fernsehen nun mal aussehen.
Auch Sebastian, der anfangs das Zeug zum poetischen Helden hatte, bleibt ein Holzschnitt kleinbürgerlicher Künstlerbilder. So will er "sich mit der Fotografie eine andere Welt erschaffen" und muss deshalb auf jeden Fall in die Nationalgalerie gehen, um sich stundenlang den "Mönch am Meer" von Caspar David Friedrich anzuschauen. Überhaupt offenbart "Tabu" eine Kunstwelt, die es nur in Gedanken von Menschen gibt, die sich vorstellen, wie es wohl auf einer Ausstellungseröffnung so ist. Auch deshalb erinnert Sebastians eigene Kunst, die Schirach so mühevoll wie ermüdend beschreibt, an Kunstrequisite schlechterer Spielfilme. Alles wirkt albern, gewollt und unbedingt unecht.
Obwohl das alles nun ziemlich abgegriffen und vorhersehbar ist, erzeugen diese Stilmittel immerhin doch die Atmosphäre einer gar nicht so schlechten "Tatort"-Folge. Weil man sich wohl fühlt in all den Klischees, weil man sie kennt, sie bestätigt bekommt, liest man bis zum glücklichen Ende.
Aber glücklich ist man nach der Lektüre überhaupt nicht, und klüger schon gar nicht. Man spürt gar nichts. Alles, was Schirach in "Tabu" aufgeschrieben hat, ist so wenig zwingend und so vollkommen gewöhnlich, dass man das Buch nicht einmal aufrichtig hasst. Es wird einem völlig egal, und so vergisst man den ganzen Roman ebenso schnell, wie man vom billigen und ballaststoffarmen Fastfood wieder Hunger bekommt. Das paradoxe Ergebnis: Da nichts in Erinnerung bleibt, wird man vermutlich auch den nächsten Roman von Ferdinand von Schirach lesen.
ANNA PRIZKAU
Ferdinand von Schirach: "Tabu". Roman. Piper, 256 Seiten, 17,99 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Das große neue Justizdrama von Ferdinand von Schirach
Sebastian von Eschburg verliert als Kind durch den Selbstmord seines Vaters den Halt. Er versucht sich durch die Kunst zu retten. Er zeigt mit seinen Fotografien und Videoinstallationen, dass Wirklichkeit und Wahrheit verschiedene Dinge …
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Das große neue Justizdrama von Ferdinand von Schirach
Sebastian von Eschburg verliert als Kind durch den Selbstmord seines Vaters den Halt. Er versucht sich durch die Kunst zu retten. Er zeigt mit seinen Fotografien und Videoinstallationen, dass Wirklichkeit und Wahrheit verschiedene Dinge sind. Es geht um Schönheit, Sex und die Einsamkeit des Menschen. Als Eschburg vorgeworfen wird, eine junge Frau getötet zu haben, übernimmt Konrad Biegler die Verteidigung. Der alte Anwalt versucht dem Künstler zu helfen - und damit sich selbst.
Schirach schreibt über ein aktuelles gesellschaftliches Thema, das den Leser zwingt, grundsätzliche Entscheidungen zu treffen. Aber dieses Buch ist viel mehr: Schirach hat den Roman eines Lebens geschrieben, lakonisch, poetisch, berührend.
Ferdinand von Schirach, geboren 1964, arbeitet seit 1994 als Strafverteidiger in Berlin. Seine Erzählungsbände Verbrechen und Schuld wurden, genau wie sein erster Roman Der Fall Collini, zu internationalen Bestsellern. In mehr als dreißig Ländern erschienen Übersetzungen. Schirach wurde mit dem Kleist-Preis und anderen - auch internationalen - Literaturpreisen ausgezeichnet. Verbrechen wurde als Serie im ZDF gezeigt, Schuld wird demnächst verfilmt. Weitere Kinofilme sind angekündigt.
Matthias Brandt war an großen deutschen Bühnen engagiert, bevor ihm 2003 mit dem Zweiteiler Im Schatten der Macht der große Durchbruch im Fernsehen gelang. Für seine schauspielerischen Leistungen wurde er vielfach geehrt, unter anderem mit dem Bayerischen Filmpreis und dem Grimme-Preis. Er zählt zu den renommiertesten Hörbuchsprechern Deutschlands und wurde 2010 mit dem Deutschen Hörbuchpreis ausgezeichnet.
Das Buch ist im Piper-Verlag erschienen, das Hörbuch erscheint bei Osterwold Audio.
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Antworten 27 von 35 finden diese Rezension hilfreich
Antworten 27 von 35 finden diese Rezension hilfreich
Ob in den Erzählbänden „Schuld“ und „Verbrechen“ oder in den Romanen „Der Fall Collini“ und „Tabu“ – die Hauptfiguren in den Büchern Ferdinand von Schirachs sind immer Menschen, die durch ein einschneidendes Ereignis in ihrem Leben …
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Ob in den Erzählbänden „Schuld“ und „Verbrechen“ oder in den Romanen „Der Fall Collini“ und „Tabu“ – die Hauptfiguren in den Büchern Ferdinand von Schirachs sind immer Menschen, die durch ein einschneidendes Ereignis in ihrem Leben aus der Bahn geworfen, „verrückt“ werden.
Im Fall des Künstlers Sebastian von Eschbach, Protagonist in „Tabu“, ist dies der Selbstmord seines Vaters, denn danach ist für das Kind nichts mehr wie es war. Von seiner Mutter in ein Internat abgeschoben findet der Synästhetiker, der die Welt um sich herum in Farben wahrnimmt, Halt in Büchern und der Kunst. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass seine spätere Berufswahl dadurch beeinflusst wird und er sich von dem Brotberuf des Fotografen zum Videokünstler weiterentwickelt. Völlig aus den Fugen gerät sein Leben, als er des Mordes an einer jungen Frau beschuldigt wird. Aber er hat einen exzellenten Verteidiger, der alles daransetzt, die Unschuld seines Mandanten zu beweisen.
Ferdinand von Schirach ist nicht nur Schriftsteller sondern auch Strafverteidiger, und so ist es nicht weiter verwunderlich, dass die Themen, die er in seinen Büchern behandelt, Moral und Gerechtigkeit behandeln. Er schreibt nüchtern, klar und ohne Abschweifungen, fast schon dokumentarisch, und man hat fast das Gefühl, einen juristischen Schriftsatz zu lesen. Einerseits passt dieser emotionslose Stil ohne viel Füllmaterial perfekt zu von Schirachs Geschichten, andererseits bleibt dadurch der Leser aber auch immer auf Distanz zu den Personen, weil er weiß, dass deren Schicksal nur als Aufhänger für wesentlich komplexere Themen dient.
Dem Autor geht es weniger um ein Einzelschicksal als um die Erörterung moralphilosophischer Fragestellungen. Welche Mittel dürfen bei der Befragung eines Verdächtigen angewendet werden, um dessen Schuld zu beweisen? Muss sich ein Ermittler an Recht und Gesetz halten, wenn es darum geht, einen Mord aufzuklären oder ein Menschenleben zu retten?
Diese Fragen hallen auch nach Beendigung der Lektüre von „Tabu“ noch lange nach, und darin liegt die wahre Kunst des Erzählers.
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Antworten 18 von 26 finden diese Rezension hilfreich
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Nomen est omen
Als Senkrechtstarter der deutschen Literaturszene hat Ferdinand von Schirach mit «Tabu» einen Roman vorgelegt, an dem sich die Geister scheiden. Literarisch sei «noch reichlich Luft nach oben», urteilt beispielsweise die FAZ. Die Hassliebe des deutschen …
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Nomen est omen
Als Senkrechtstarter der deutschen Literaturszene hat Ferdinand von Schirach mit «Tabu» einen Roman vorgelegt, an dem sich die Geister scheiden. Literarisch sei «noch reichlich Luft nach oben», urteilt beispielsweise die FAZ. Die Hassliebe des deutschen Feuilletons polarisiert sich in der hymnischen Rezension im «Spiegel» und dem gnadenlosen Verriss der «ZEIT». Was stimmt denn nun?
Letzteres, sage ich, der ich unwissend zu diesem Roman gegriffen habe, weder seine Thematik kennend noch die konträren Rezensionen oder gar ein anderes Werk des gefeierten Autors. Dieses Buch, war mein für mich ziemlich überraschendes Fazit, ist gründlich danebengelungen, und zwar aus vielerlei Gründen. Beginnen wir bei der Handlung, die grotesk unwirklich ist, zu abstrus, um hier komplett darüber zu berichten, auf einige wenige Einzelheiten will ich dennoch eingehen. Erzählt wird die Lebensgeschichte von Sebastian Eschburg, aus verarmtem «guten Hause» stammend, mit lieblosen Eltern, von Synästhesie betroffen, jahrelang Internatszögling. Anschließend Lehre als Fotograf, der dann in Rekordzeit ein weltweit gefeierter Künstler wird. Im zweiten Teil wechselt die Handlung abrupt, ein knorriger alter Rechtsanwalt übernimmt die Verteidigung des wegen Mordes angeklagten Protagonisten. All das wird in kurzen, präzise formulierten Sätzen nüchtern, geradezu «sachdienlich» erzählt, Schlag auf Schlag die Fakten aneinanderreihend und damit den Plot vorantreibend in einem selten so ausgeprägt zu erlebenden, komprimierten Text. Wer es sprachlich absolut schnörkellos mag, wird jubeln. Gar nicht schnörkellos hingegen ist der Plot selbst, man wundert sich über viele Abschweifungen, die dem Geschehen rein gar nichts hinzufügen, die eher falsche Erwartungen wecken wie das Nietzsche-Haus in Sils Maria mit seinen geraniengeschmückten Fenstern, um nur ein Beispiel zu nennen. Farblos bleiben auch die meisten Figuren, sie wirken gefühlsarm und ziemlich unsympathisch, allenfalls der Verteidiger vermag Empathie zu wecken beim Leser.
Zweifel sind angebracht, ob der anonyme Telefonanruf eines vermeintlichen Entführungsopfers und ein unter Folterandrohung erlangtes Geständnis tatsächlich einen Mordprozess ohne Leiche, - die einer unbekannten Frau obendrein, auszulösen vermag. Fragwürdig, um nicht zu sagen geradezu lächerlich, ist auch das ins Pornografische abgleitende, bis dato größte Werk des gefeierten Künstlers mit dem Titel «Sofias Männer», für das Goyas Zwillingsgemälde «Die nackte Maja» und «Die bekleidete Maja» die Idee geliefert haben. Auf Eschburgs Foto ist seine Freundin Sofia nackt und 16 Männer in Anzügen stehen um sie herum und starrten sie an. «Auf dem zweiten Bild trug Sofia die Kleider der Maja. Die Männer standen so wie auf dem ersten Bild, aber jetzt waren sie nackt. Mit der gleichen Kopfhaltung starrten sie Sofia an, ihre Schwänze waren steif, sie zeigten auf das Gesicht und auf den Körper Sofias. Zwei der Männer hatten ihr Sperma auf Sofias Bluse gespritzt». Was will uns der Autor damit sagen? Und natürlich wird dieses grandiose Kunstwerk sogleich an einen Japaner verkauft, «du bist jetzt reich», sagt Sofia dazu. Es gibt dergleichen Peinliches mehr in diesem Buch, mancherlei philosophisches Geschwafel und psychologische Plattheiten obendrein, allzu viel ist inkonsistent und reichlich irritierend.
Mit minimalistischen Hauptsätzen als Werkzeug malt man literarisch kein hinreißendes Ölbild wie das der nackten Maja, eher die hastige Entwurfsskizze eines Frauenakts. Dementsprechend wirkt dieser Roman mit seiner verworrenen Geschichte, deren tieferer Sinn sich wohl nur der geistigen Elite unter den Lesern zu erschließen vermag, stilistisch freudlos, bar jeder Emotion, garantiert humorfrei außerdem. Wer eine erfreuliche, eine bereichernde Lektüre schätzt, dem sei geraten, den nebulösen Buchtitel hier mal ganz wörtlich zu interpretieren, frei nach Plautus: «nomen est omen».
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