Nino Haratischwili
MP3-CD
Das mangelnde Licht
MP3. 1534 Min.. Lesung.Ungekürzte Ausgabe
Gesprochen: Kabst, Simone
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Der große neue Roman der preisgekrönten Autorin Nino HaratischwiliDas letzte Jahrhundert neigt sich dem Ende entgegen und in Georgien werden die Stimmen, die eine Ablösung vom ehemals allmächtigen Riesen fordern, lauter. In dieser Zeit wachsen vier unterschiedliche Mädchen - Dina, Ira, Nene und Qeto - in Tiblisi auf. Sie erleben die erste große Liebe, die mit der Unabhängigkeit des Landes aufbrandende Gewalt und Knappheit - und die Gespaltenheit einer jungen Demokratie in Aufruhr, die einen Keil in ihre Familien treibt. Allem zum Trotz scheint ihre Freundschaft unzerbrechlich, bis ein u...
Der große neue Roman der preisgekrönten Autorin Nino Haratischwili
Das letzte Jahrhundert neigt sich dem Ende entgegen und in Georgien werden die Stimmen, die eine Ablösung vom ehemals allmächtigen Riesen fordern, lauter. In dieser Zeit wachsen vier unterschiedliche Mädchen - Dina, Ira, Nene und Qeto - in Tiblisi auf. Sie erleben die erste große Liebe, die mit der Unabhängigkeit des Landes aufbrandende Gewalt und Knappheit - und die Gespaltenheit einer jungen Demokratie in Aufruhr, die einen Keil in ihre Familien treibt. Allem zum Trotz scheint ihre Freundschaft unzerbrechlich, bis ein unverzeihlicher Verrat und ein tragischer Tod sie schließlich doch auseinandersprengt. Erst eine Ausstellung 2019 in Brüssel bringt die Freundinnen wieder zusammen und Vergebung scheint möglich.
»Das mangelnde Licht« ist die Geschichte eines verlorenen Landes und einer verlorenen Generation, einer Revolution, die ihre Kinder frisst, die Geschichte einer Freundschaft, die dem Tod trotzt, eines Phantomschmerzes, eines Kampfes mit sich und der Welt, eines Ringens mit dem Schicksal. Und es ist eine Hommage an Georgien, an die Stadt Tbilissi und ihre Menschen, eine Liebeserklärung durch die Zeiten hindurch.
Das letzte Jahrhundert neigt sich dem Ende entgegen und in Georgien werden die Stimmen, die eine Ablösung vom ehemals allmächtigen Riesen fordern, lauter. In dieser Zeit wachsen vier unterschiedliche Mädchen - Dina, Ira, Nene und Qeto - in Tiblisi auf. Sie erleben die erste große Liebe, die mit der Unabhängigkeit des Landes aufbrandende Gewalt und Knappheit - und die Gespaltenheit einer jungen Demokratie in Aufruhr, die einen Keil in ihre Familien treibt. Allem zum Trotz scheint ihre Freundschaft unzerbrechlich, bis ein unverzeihlicher Verrat und ein tragischer Tod sie schließlich doch auseinandersprengt. Erst eine Ausstellung 2019 in Brüssel bringt die Freundinnen wieder zusammen und Vergebung scheint möglich.
»Das mangelnde Licht« ist die Geschichte eines verlorenen Landes und einer verlorenen Generation, einer Revolution, die ihre Kinder frisst, die Geschichte einer Freundschaft, die dem Tod trotzt, eines Phantomschmerzes, eines Kampfes mit sich und der Welt, eines Ringens mit dem Schicksal. Und es ist eine Hommage an Georgien, an die Stadt Tbilissi und ihre Menschen, eine Liebeserklärung durch die Zeiten hindurch.
Nino Haratischwili, geboren 1983 in Tbilissi/Georgien, ist preisgekrönte Theaterautorin, -regisseurin und Autorin des Familienepos 'Das achte Leben (Für Brilka)', das in zahlreiche Sprachen übersetzt und u. a. mit dem Literaturpreis des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft, dem Anna Seghers-Literaturpreis, dem Lessing-Preis-Stipendium und zuletzt mit dem Bertolt-Brecht-Preis 2018 ausgezeichnet wurde. Ihr Roman 'Die Katze und der General' wurde für die Shortlist des Deutschen Buchpreises 2018 nominiert. Simone Kabst, 1973 in Leipzig geboren, ist als Theater- und Filmschauspielerin bekannt. Nach ihrem Schauspielstudium spielte sie unter anderem an der Schaubühne und am Maxim Gorki Theater in Berlin. Sie ist außerdem als Gastdozentin an der Hamburg Media School tätig und zurzeit am Theater Poetenpack in Potsdam zu sehen. Neben Rollen in Serien wie 'Stubbe - Von Fall zu Fall' und 'Polizeiruf 110' ist sie auch als Hörbuchsprecherin aktiv.
Produktdetails
- Verlag: Hörbuch Hamburg
- Anzahl: 4 MP3-CDs
- Gesamtlaufzeit: 1534 Min.
- Erscheinungstermin: 10. März 2022
- Sprache: Deutsch
- ISBN-13: 9783957132727
- Artikelnr.: 62940180
Herstellerkennzeichnung
Hörbuch Hamburg
Völckerstraße 18
22765 Hamburg
info@hoerbuch-hamburg.de
Wenn die Zeit seitwärts geht
Was macht ein grausamer Bürgerkrieg mit denen, die ihn überleben? In Nino Haratischwilis Roman "Das mangelnde Licht" versuchen vier junge Frauen, im umkämpften postsowjetischen Georgien den Weg in eine zivile Gesellschaft zu finden.
Als Keto an diesem Wintertag Anfang 1992 nach Hause kommt, sitzt im Wohnzimmer eine Fremde. Ein Mädchen, offenbar eine Nachhilfeschülerin ihrer Großmütter, eingehüllt in einen Ski-Anzug. Sie sitzt auf der höchsten Stufe einer Leiter, weil sich die Restwärme im Raum in den oberen Luftschichten konzentriert, und liest versunken in einem zerfledderten Buch. Für Keto, die Erzählerin in Nino Haratischwilis neuem Roman "Das mangelnde Licht", wird daraus ein enorm
Was macht ein grausamer Bürgerkrieg mit denen, die ihn überleben? In Nino Haratischwilis Roman "Das mangelnde Licht" versuchen vier junge Frauen, im umkämpften postsowjetischen Georgien den Weg in eine zivile Gesellschaft zu finden.
Als Keto an diesem Wintertag Anfang 1992 nach Hause kommt, sitzt im Wohnzimmer eine Fremde. Ein Mädchen, offenbar eine Nachhilfeschülerin ihrer Großmütter, eingehüllt in einen Ski-Anzug. Sie sitzt auf der höchsten Stufe einer Leiter, weil sich die Restwärme im Raum in den oberen Luftschichten konzentriert, und liest versunken in einem zerfledderten Buch. Für Keto, die Erzählerin in Nino Haratischwilis neuem Roman "Das mangelnde Licht", wird daraus ein enorm
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aufgeladenes Bild: Das Mädchen sitzt da "wie eine anbetungswürdige Ikone", die Leiter wirkt durch sie, "als wäre sie ein goldener Thron in einem verzauberten Reich", und die Verse im Buch - Hölderlin, stellt Keto sich vor - stiften im Leben des Mädchens "womöglich den einzigen Sinn, die einzige Schönheit". Später, sagt Keto, hätte sie oft bedauert, den Moment mit Stift und Zeichenblock nicht wenigstens skizziert zu haben. "Und hätte ich es damals getan, dann hätte ich mir ein gewisses Pathos erlaubt und das Bild mit 'Georgische Madonna ohne Kind' betitelt."
Eine Episode aus dem Bürgerkrieg, aus einer von gleich mehreren Krisen, die sich im Georgien der Neunzigerjahre überlagerten und gegenseitig hervorbrachten: die blutige Ablösung des 1921 der Sowjetunion einverleibten Staates von den Okkupanten (die sich dann etwa zwanzig Prozent des Landes zurückholten und bis heute besetzt halten), die Herrschaft und Vertreibung des ersten Präsidenten Swiad Gamsachurdia, die aufkommende Bandenkriminalität paramilitärischer Gruppen, schließlich der Krieg mit der abtrünnigen Provinz Abchasien und deren russischen Helfern, der in eine katastrophale Niederlage Georgiens mündete.
Vier Freundinnen, die in diesen Jahren in der georgischen Hauptstadt aufwachsen, stehen im Mittelpunkt des Romans. Gleich die erste Szene, angesiedelt 1987 in Tiflis, zeigt Charakteristika der jeweiligen Mädchen ebenso wie die Mechanismen ihrer ungewöhnlich soliden Verbundenheit: Die Vierzehnjährigen brechen, angeführt von der furchtlosen Dina, in den botanischen Garten der Stadt ein, die romantische Nene und die kluge Ira folgen ebenso wie Keto, die sich unmittelbar an Dinas Fersen geheftet hatte, der Freundin bis zu einem Bassin. Auf einem Vorsprung nehmen sich Dina und Keto bei den Händen. Dann springen sie hinunter ins Wasser.
So erzählt es Keto, wortreich, anschaulich, bildgewaltig, mit Sätzen, die das unmittelbare Erleben gern für eingeschobene distanzierte Betrachtungen verlassen oder sich mitunter gar wie Sentenzen anhören. Es ist eine Sprache, die ersichtlich bemüht ist, einer dauernden Anspannung Herr zu werden und eine verwirrende, oft verstörende Welt einzufangen, indem sie sich ihr kühl beobachtend nähert und dabei auch auf tradierte Muster und Figuren zurückgreift, sodass ein lesendes Mädchen aus der Rückschau eben zur Bedeutung stiftenden Ikone avanciert.
Den Grund dafür macht der Rahmen des Romans rasch klar: Keto besucht im Sommer 2019, zwanzig Jahre nach Dinas Tod, in Brüssel eine Ausstellung mit den berühmt gewordenen Fotoarbeiten der Freundin. Sie zeigen die Unruhen jener Jahre, auch die Kriegshandlungen in Abchasien, wohin Dina ihrem journalistischen Mentor als Pressefotografin folgte, während der Mentor selbst dort ums Leben kam. Und sie zeigen immer wieder die vier Freundinnen, zusammen oder allein, auch in Extremsituationen, wobei Dina sich selbst nicht ausspart.
Die Folge ist, dass Keto auf der Vernissage, zu der auch Nene und Ira gekommen sind, immer wieder von Wildfremden angesprochen wird, die ihr Gesicht erkennen und sie aufgrund der eindrucksvollen Fotos zu kennen glauben. Zugleich wird jedes der Fotos für sie selbst zum Anlass, sich zu erinnern - an die Entstehungszeit allgemein, aber auch an den speziellen Moment, in dem das jeweilige Bild aufgenommen wurde. Daraus erwächst der Roman, der eine grobe chronologische Ordnung besitzt, die zugleich aber durch ständige Vorausdeutungen in Ketos Erzählung durchbrochen wird: Dass Dina sich kurz vor der Jahrtausendwende umbringen wird, wird bereits im ersten Teil des Romans erwähnt, und auch den schlimmen Ausgang, den die meisten Liebesgeschichten und viele der Lebensläufe nehmen werden, können wir in vielen Fällen durch die Andeutungen der Erzählerin vorauswissen. Einige werden ermordet, andere sterben den Drogentod, einer verschwindet, einer beendet seine Tage im Rollstuhl, eine flieht nach einer entsetzlichen Erfahrung in den Wahnsinn. Und einer, der seinen Aufstieg in der Mafiahierarchie ohne sichtbaren Schaden hinter sich gebracht hat, stolziert viele Jahre später mit den Insignien des Erfolgsgangsters durch Tiflis.
Für Keto ist die Zeit aus der Perspektive von 2019 gesehen keine Linie, sondern eine Fläche, es gibt kein Nacheinander, sondern eine Gleichzeitigkeit der Ereignisse, in denen aber nur selten Kausalität zu finden ist. Eine gewichtige Ausnahme ist eine Szene, die zumindest in Ketos Erinnerung zum entscheidenden Moment des gesamten Geschehens avanciert, ein Ereignis während der bürgerkriegsartigen Unruhen in Tiflis, das sie in der Rückschau geradezu mythisch überhöht - ihr selbst ist das nicht klar, während es der Leser rasch merkt. Dina, die mit Ketos Bruder Rati zusammen ist, hat fünftausend Dollar aufgetrieben, um ihn bei den korrupten Behörden aus dem Gefängnis freizukaufen. Auf dem Weg dorthin geraten sie in einen Demonstrationszug, der gewaltsam aufgelöst wird. Auf der Flucht nehmen sie den Weg durch den Zoo. Sie stoßen auf zwei Gangster, die zwei Männer in ihrer Gewalt haben, aus denen sie Geld herauspressen wollen. Das eine Opfer ist bereits tot, das andere liegt hilflos am Boden. Keto will fliehen, Dina aber beschließt, den Mann auszulösen - mit dem eigentlich für Ratis Befreiung vorgesehenen Geld.
Das hat Folgen, nicht nur für die Beziehung zwischen Dina und Rati, sondern auch für viele andere Figuren im Roman. Ob sich aus der Entscheidung aber eine Frage von Schuld und Verantwortung konstruieren lässt, stellt sich aus unterschiedlichen Perspektiven jeweils anders dar, und auch, welche Möglichkeiten eine Zeit wie diese dem Einzelnen lässt, unbeschadet an Leib und Seele hinauszufinden. Indem man, wie Ketos Vater, Schallplatten auflegt und die Augen vor allem verschließt? Indem man demonstrierend auf die Straße geht und täglich die eigene Hilflosigkeit erlebt? Einen Aufstieg als Gangster anstrebt, um den anderen Gangstern etwas entgegenzusetzen? Das Land verlässt? Kinder bekommt, die es einmal besser haben sollen? An den vier Freundinnen wird all das durchgespielt, und während Dina, die mit ihren Fotos die Gesellschaft aufrütteln will, letztlich daran zerbricht, wählt die kluge Ira, die seit Kindertagen hilflos in Nene verliebt ist und in den USA zur Erfolgsjuristin aufsteigt, schweren Herzens einen anderen Weg: Sie bringt Nenes Bruder, der als Rauschgifthändler reich geworden ist, vor Gericht und sorgt für seine Verurteilung, um der Zivilgesellschaft willen.
"Dinas Freiheitsdrang, Iras Vernunft und Nenes Träumereien": Aus Ketos Perspektive zeichnet sie "nichts von alldem" aus; sie fühlt sich in dieser Konstellation zur "Schlichterin" prädestiniert - aber eben auch zur Chronistin. Das klingt einleuchtend, offenbart im Verlauf der 830 Seiten des Romans aber seine Tücken, und während Keto von den Geschicken der Freundinnen erzählt und sie einordnet, fragt man sich mehr und mehr, was eigentlich mit ihr ist, der Erzählerin - bis hin zum überraschenden Ende. Um dieses Chronistentum geht es, um die Fotografien, die eingefrorene Zeit sind und zugleich Erzählkeime, und um das Zusammenspiel zwischen diesen beiden Funktionen, die einander durchaus in die Quere kommen können.
Was jedenfalls zu Beginn des Romans eine gewisse Sicherheit versprach, die souveräne Erzählung Ketos, entpuppt sich im weiteren Verlauf als trügerisch. So wie auch die manipulativen Bilder Dinas nur einen Teil der Wirklichkeit abbilden, jetzt aber, in der Brüsseler Ausstellung, Gefahr laufen, das Bild der Vergangenheit unverrückbar zu prägen.
Sie habe sich "mit fast militärischer Disziplin das Gewesene ausgetrieben", sagt Keto zu Beginn. Wie leicht das nach hinten losgehen kann, weiß man. Und auch dass Ketos Geschick in ihrem Beruf als Restauratorin nicht auf den Umgang mit der Vergangenheit anwendbar ist. Indem Haratischwili nach ihrem großen, ein Jahrhundert umspannenden Georgien-Roman "Das achte Leben" hier den Fokus auf das lenkt, was von einem Bürgerkrieg in den Überlebenden bleibt, könnte "Das mangelnde Licht" dieser Tage eine bittere Aktualität gewinnen. Am Ende, immerhin, wird Ketos Sohn Rati von Deutschland aus in das Land aufbrechen, aus dem seine Mutter lange zuvor geflohen ist. TILMAN SPRECKELSEN
Nino Haratischwili: "Das mangelnde Licht". Roman.
Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt 2022. 832 S., geb., 34,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Eine Episode aus dem Bürgerkrieg, aus einer von gleich mehreren Krisen, die sich im Georgien der Neunzigerjahre überlagerten und gegenseitig hervorbrachten: die blutige Ablösung des 1921 der Sowjetunion einverleibten Staates von den Okkupanten (die sich dann etwa zwanzig Prozent des Landes zurückholten und bis heute besetzt halten), die Herrschaft und Vertreibung des ersten Präsidenten Swiad Gamsachurdia, die aufkommende Bandenkriminalität paramilitärischer Gruppen, schließlich der Krieg mit der abtrünnigen Provinz Abchasien und deren russischen Helfern, der in eine katastrophale Niederlage Georgiens mündete.
Vier Freundinnen, die in diesen Jahren in der georgischen Hauptstadt aufwachsen, stehen im Mittelpunkt des Romans. Gleich die erste Szene, angesiedelt 1987 in Tiflis, zeigt Charakteristika der jeweiligen Mädchen ebenso wie die Mechanismen ihrer ungewöhnlich soliden Verbundenheit: Die Vierzehnjährigen brechen, angeführt von der furchtlosen Dina, in den botanischen Garten der Stadt ein, die romantische Nene und die kluge Ira folgen ebenso wie Keto, die sich unmittelbar an Dinas Fersen geheftet hatte, der Freundin bis zu einem Bassin. Auf einem Vorsprung nehmen sich Dina und Keto bei den Händen. Dann springen sie hinunter ins Wasser.
So erzählt es Keto, wortreich, anschaulich, bildgewaltig, mit Sätzen, die das unmittelbare Erleben gern für eingeschobene distanzierte Betrachtungen verlassen oder sich mitunter gar wie Sentenzen anhören. Es ist eine Sprache, die ersichtlich bemüht ist, einer dauernden Anspannung Herr zu werden und eine verwirrende, oft verstörende Welt einzufangen, indem sie sich ihr kühl beobachtend nähert und dabei auch auf tradierte Muster und Figuren zurückgreift, sodass ein lesendes Mädchen aus der Rückschau eben zur Bedeutung stiftenden Ikone avanciert.
Den Grund dafür macht der Rahmen des Romans rasch klar: Keto besucht im Sommer 2019, zwanzig Jahre nach Dinas Tod, in Brüssel eine Ausstellung mit den berühmt gewordenen Fotoarbeiten der Freundin. Sie zeigen die Unruhen jener Jahre, auch die Kriegshandlungen in Abchasien, wohin Dina ihrem journalistischen Mentor als Pressefotografin folgte, während der Mentor selbst dort ums Leben kam. Und sie zeigen immer wieder die vier Freundinnen, zusammen oder allein, auch in Extremsituationen, wobei Dina sich selbst nicht ausspart.
Die Folge ist, dass Keto auf der Vernissage, zu der auch Nene und Ira gekommen sind, immer wieder von Wildfremden angesprochen wird, die ihr Gesicht erkennen und sie aufgrund der eindrucksvollen Fotos zu kennen glauben. Zugleich wird jedes der Fotos für sie selbst zum Anlass, sich zu erinnern - an die Entstehungszeit allgemein, aber auch an den speziellen Moment, in dem das jeweilige Bild aufgenommen wurde. Daraus erwächst der Roman, der eine grobe chronologische Ordnung besitzt, die zugleich aber durch ständige Vorausdeutungen in Ketos Erzählung durchbrochen wird: Dass Dina sich kurz vor der Jahrtausendwende umbringen wird, wird bereits im ersten Teil des Romans erwähnt, und auch den schlimmen Ausgang, den die meisten Liebesgeschichten und viele der Lebensläufe nehmen werden, können wir in vielen Fällen durch die Andeutungen der Erzählerin vorauswissen. Einige werden ermordet, andere sterben den Drogentod, einer verschwindet, einer beendet seine Tage im Rollstuhl, eine flieht nach einer entsetzlichen Erfahrung in den Wahnsinn. Und einer, der seinen Aufstieg in der Mafiahierarchie ohne sichtbaren Schaden hinter sich gebracht hat, stolziert viele Jahre später mit den Insignien des Erfolgsgangsters durch Tiflis.
Für Keto ist die Zeit aus der Perspektive von 2019 gesehen keine Linie, sondern eine Fläche, es gibt kein Nacheinander, sondern eine Gleichzeitigkeit der Ereignisse, in denen aber nur selten Kausalität zu finden ist. Eine gewichtige Ausnahme ist eine Szene, die zumindest in Ketos Erinnerung zum entscheidenden Moment des gesamten Geschehens avanciert, ein Ereignis während der bürgerkriegsartigen Unruhen in Tiflis, das sie in der Rückschau geradezu mythisch überhöht - ihr selbst ist das nicht klar, während es der Leser rasch merkt. Dina, die mit Ketos Bruder Rati zusammen ist, hat fünftausend Dollar aufgetrieben, um ihn bei den korrupten Behörden aus dem Gefängnis freizukaufen. Auf dem Weg dorthin geraten sie in einen Demonstrationszug, der gewaltsam aufgelöst wird. Auf der Flucht nehmen sie den Weg durch den Zoo. Sie stoßen auf zwei Gangster, die zwei Männer in ihrer Gewalt haben, aus denen sie Geld herauspressen wollen. Das eine Opfer ist bereits tot, das andere liegt hilflos am Boden. Keto will fliehen, Dina aber beschließt, den Mann auszulösen - mit dem eigentlich für Ratis Befreiung vorgesehenen Geld.
Das hat Folgen, nicht nur für die Beziehung zwischen Dina und Rati, sondern auch für viele andere Figuren im Roman. Ob sich aus der Entscheidung aber eine Frage von Schuld und Verantwortung konstruieren lässt, stellt sich aus unterschiedlichen Perspektiven jeweils anders dar, und auch, welche Möglichkeiten eine Zeit wie diese dem Einzelnen lässt, unbeschadet an Leib und Seele hinauszufinden. Indem man, wie Ketos Vater, Schallplatten auflegt und die Augen vor allem verschließt? Indem man demonstrierend auf die Straße geht und täglich die eigene Hilflosigkeit erlebt? Einen Aufstieg als Gangster anstrebt, um den anderen Gangstern etwas entgegenzusetzen? Das Land verlässt? Kinder bekommt, die es einmal besser haben sollen? An den vier Freundinnen wird all das durchgespielt, und während Dina, die mit ihren Fotos die Gesellschaft aufrütteln will, letztlich daran zerbricht, wählt die kluge Ira, die seit Kindertagen hilflos in Nene verliebt ist und in den USA zur Erfolgsjuristin aufsteigt, schweren Herzens einen anderen Weg: Sie bringt Nenes Bruder, der als Rauschgifthändler reich geworden ist, vor Gericht und sorgt für seine Verurteilung, um der Zivilgesellschaft willen.
"Dinas Freiheitsdrang, Iras Vernunft und Nenes Träumereien": Aus Ketos Perspektive zeichnet sie "nichts von alldem" aus; sie fühlt sich in dieser Konstellation zur "Schlichterin" prädestiniert - aber eben auch zur Chronistin. Das klingt einleuchtend, offenbart im Verlauf der 830 Seiten des Romans aber seine Tücken, und während Keto von den Geschicken der Freundinnen erzählt und sie einordnet, fragt man sich mehr und mehr, was eigentlich mit ihr ist, der Erzählerin - bis hin zum überraschenden Ende. Um dieses Chronistentum geht es, um die Fotografien, die eingefrorene Zeit sind und zugleich Erzählkeime, und um das Zusammenspiel zwischen diesen beiden Funktionen, die einander durchaus in die Quere kommen können.
Was jedenfalls zu Beginn des Romans eine gewisse Sicherheit versprach, die souveräne Erzählung Ketos, entpuppt sich im weiteren Verlauf als trügerisch. So wie auch die manipulativen Bilder Dinas nur einen Teil der Wirklichkeit abbilden, jetzt aber, in der Brüsseler Ausstellung, Gefahr laufen, das Bild der Vergangenheit unverrückbar zu prägen.
Sie habe sich "mit fast militärischer Disziplin das Gewesene ausgetrieben", sagt Keto zu Beginn. Wie leicht das nach hinten losgehen kann, weiß man. Und auch dass Ketos Geschick in ihrem Beruf als Restauratorin nicht auf den Umgang mit der Vergangenheit anwendbar ist. Indem Haratischwili nach ihrem großen, ein Jahrhundert umspannenden Georgien-Roman "Das achte Leben" hier den Fokus auf das lenkt, was von einem Bürgerkrieg in den Überlebenden bleibt, könnte "Das mangelnde Licht" dieser Tage eine bittere Aktualität gewinnen. Am Ende, immerhin, wird Ketos Sohn Rati von Deutschland aus in das Land aufbrechen, aus dem seine Mutter lange zuvor geflohen ist. TILMAN SPRECKELSEN
Nino Haratischwili: "Das mangelnde Licht". Roman.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Rezensentin Claudia Mäder rät nach Nino Haratischwilis Roman "Das mangelnde Licht" davon ab, sich nach Urlaub in den neunziger Jahren zu sehnen. Denn die 1983 in Tbilissi geborene und seit 2003 in Deutschland lebende georgische Autorin vermittelt in ihrem neusten Roman die Gewalt jener Zeit in ihrer Heimat ziemlich eindrücklich. Wie Mäder erklärt, erzählt Haratischwili anhand vierer Freundinnen, von denen sich drei auf einer Brüsseler Fotografie-Retrospektive der verstorbenen vierten Freundin, der eigensinnigen Dina, wiedertreffen und mit ihrer schmerzvollen Vergangenheit konfrontiert werden. Die ehemals engste Verbündete der Fotografin, Keto, fungiert dafür als Ich-Erzählerin. Auch wenn das Buch weder sprachlich noch in seiner Konstruktion außergewöhnlich geraten sei, werde es durch seine tiefe Dringlichkeit eine wuchtige Leseerfahrung, schließt die Rezensentin.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Gebundenes Buch
Intensiv, facettenreich, bewegend
„Ich spürte, dass dieser Moment magisch war, und das nicht, weil etwas im eigentlichen Sinne Besonderes geschah, sondern weil wir in unserem Zusammenhalt eine unzerstörbare Kraft bildeten, eine Gemeinschaft, die vor keiner Herausforderung mehr …
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Intensiv, facettenreich, bewegend
„Ich spürte, dass dieser Moment magisch war, und das nicht, weil etwas im eigentlichen Sinne Besonderes geschah, sondern weil wir in unserem Zusammenhalt eine unzerstörbare Kraft bildeten, eine Gemeinschaft, die vor keiner Herausforderung mehr zurückschrecken würde.“ (Zitat Seite 10)
Inhalt
Die Fotografie aus dem Jahr 1987 ist das einzige Bild, auf dem sie zusammen zu sehen sind, jung, voller Hoffnung auf die Zukunft. Es ist der Nachmittag vor ihrem großen Abenteuer, denn in der Nacht brechen sie durch ein Loch im Zaun in den Botanischen Garten ein. Damit ist die Freundschaft Dina, Keto, Ira und Nene, vier Mädchen aus dem Sololaki-Viertel, einem der buntesten Stadtteile von Tbilissi, endgültig besiegelt und die Lebensgeschichten scheinen untrennbar miteinander verbunden, bis Dinge passieren, die auch ihre Freundschaft zerstören. Erst 2019, viele Jahre später, treffen drei von ihnen in Brüssel wieder zusammen, als eine Retrospektive des fotografischen Gesamtwerkes von Dina eröffnet wird. Dina, die bekannte Fotografin, Ketos beste Freundin, fehlt. Sie ist tot, doch in ihren Bildern lebt sie weiter. Für Keto, Nene und Ira wird dieser Abend ein langer Weg zurück in die Vergangenheit, durch die Erinnerungen an ihre Kindheit und Jugend, an Dina, zurück zu den Ereignissen, die ihr Leben für immer geprägt haben, verbunden mit der wechselvollen Geschichte von Georgien. Zu viel ist geschehen, mit diesen Erinnerungen ist keine intakte Gegenwart möglich, oder doch?
Thema und Genre
Dieser Roman ist die Geschichte Georgiens in den politisch unsicheren Jahren der Umbrüche, Aufstände, Gewalt. Gleichzeitig ist es die Geschichte einer Generation, deren Leben durch diese Jugendjahre für immer geprägt wird. Themen sind Freundschaft, Träume und Liebe, aber auch Macht, Gewalt und Verlust. Es geht um traditionelle gesellschaftliche Strukturen, das Patriarchat der Vätergeneration, das von den Brüdern der vier Freundinnen in Bezug auf das Wertesystem übernommen wird, obwohl die jungen Männer selbst, zornig und selbstbewusst, aus genau diesem System ausbrechen wollen.
Charaktere
Dina war schon als Kind unangepasst und rebellisch, Ira dagegen vernünftig und pragmatisch, besorgt, die vorsichtige, romantische Nene zu beschützen. Keto, als Kind angepasst und zurückhaltend, war schon immer die ausgleichende Schlichterin zwischen Dinas Freiheitsdrang, Iras Vernunft und Nenes Träumereien. Die Autorin hat ein unglaubliches Einfühlungsvermögen für jede einzelne der zahlreichen Figuren, die in dieser Geschichte leben, für ihre Konflikte, Überzeugungen, Zweifel und Gefühle.
Handlung und Schreibstil
Die Handlung beginnt im Jahr 1987 in Tbilissi, verläuft jedoch nicht chronologisch, sondern in Episoden, an die sich die Ich-Erzählerin Keto bei ihrem langsamen Rundgang durch die Austellung und beim Betrachten der einzelnen Fotografien erinnert. So erfahren wir die prägenden Erlebnisse und Ereignisse im Leben der vier Frauen, die, wie sie selbst feststellen, in den ersten fünfundzwanzig Jahren ihres Lebens mehr erlebt haben, als die meisten Menschen nicht einmal in einem gesamten, langen Menschenleben. Der zweite Handlungsstrang umfasst diesen einen langen Abend in Brüssel im Jahr 2019 und verläuft chronologisch. Nino Haratischwili ist eine wunderbare Erzählerin mit einem offenen, genauen Blick auf die Geschichte ihres Geburtslandes Georgien, vor allem aber auf die Menschen. Besonders ihre Frauenfiguren sind, bei allen Zweifeln, starke Frauen, die in einem von männlicher Gewalt und Konflikten dominierten Umfeld in den späten Jahren des 20. Jahrhunderts ihren eigenen Weg gegen alle Widerstände gehen.
Fazit
Ein großartiger Roman, bewegend, episch, facettenreich und packend, auch die Sprache zieht uns sofort in den Bann der Geschichte und lässt uns nicht mehr los. Ich habe mit dem Hörbuch begonnen, dann jedoch auf Grund der eindrücklichen Sprache und Komplexität der Geschichte diese im Buch weitergelesen. So kann ich auch das Hörbuch empfehlen, gelesen von Simone Kabst, deren angenehme Stimme und einfühlsame, lebhafte Art zu lesen ebenfalls überzeugen.
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Gebundenes Buch
DAS MANGELNDE LICHT
Nino Haratischwili
Was für ein Buch! Da habe ich doch glatt Gänsehaut bekommen, als ich das Buch nach Beendigung zuklappte. Dieses Gefühl, dass ich am liebsten weiter gelesen hätte und mich von meinen Protagonisten noch nicht trennen wollte, fühlte …
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DAS MANGELNDE LICHT
Nino Haratischwili
Was für ein Buch! Da habe ich doch glatt Gänsehaut bekommen, als ich das Buch nach Beendigung zuklappte. Dieses Gefühl, dass ich am liebsten weiter gelesen hätte und mich von meinen Protagonisten noch nicht trennen wollte, fühlte ich zum letzen Mal bei Hanya Yanagiharas Werk „Ein wenig Leben“.
Dieses Mal standen allerdings keine vier Männer im Mittelpunkt, sonder vier Frauen:
- Dina, die Unangepasste und die Rebellische.
- Ira, die Schüchterne, Vorsichtige und Kluge.
- Nene, die Hübsche und Romantische.
- Keto, unsere Ich-Erzählerin, die Schlichterin.
Brüssel, 2019:
Die drei Frauen Nene, Ira und Keto treffen sich, um sich die Foto-Vernisage ihrer verstorbenen Freundin Dina anzusehen.
Seit Jahren sind sie sich aus dem Wege gegangen - zu viel war passiert vor dem Tode Dinas. Jetzt, nach über 20 Jahren, treffen sie erstmals wieder aufeinander:
Die Bilder wecken alte Erinnerungen und lassen Keto, unsere Erzählerin, in die Vergangenheit reisen:
Es gibt nur ein Bild, wo sie zu Viert abgebildet sind. Groß waren damals ihre Träume und Hoffnungen.
Die Mädchen lernten sich damals in der Schule kennen und wohnten fast alle in dem Mehrfamilienhaus - mit Hof. Im Hof spielt sich das Leben ab. Dort wurden Feste gefeiert, Blumen gepflanzt, gespielt und sich verabredet. Sie hatten eine tolle Zeit in ihrer Stadt, mitten in Georgien, in den 90er Jahren. Sie verliebten sich. Trafen sich heimlich mit ihren Freunden und machten ihre Schulabschlüsse.
Doch die Lage in Georgien spitzte sich zu und es gab viele politische Unruhen. Ihre Brüder wuchsen zu Kleinkriminellen heran und dann kam der Tag, der alles verändern sollte:
„Es war wohl der letzte Tag, an dem noch alles nach einer alten, mir vertrauten Ordnung ablief, der letzte Tag, bevor alles um mich herum anfing einzustürzen wie in einer besonders grausamen, in Zeitlupe ablaufenden apokalyptischen Choreographie. Es war aber auch einer der letzten Tage, an dem meine Stadt noch sich selbst glich, bevor auch sie ein anderes Gewand überstreifte, ein blutbeschmiertes Gewand.“ (S. 250)
Nach diesem Tag gab es nur noch Bürgerkrieg, Gewalt, Angst, sinnlose Tode und nicht jeder wird am Ende überleben.
Dieses Buch ist ein #lesehighlight2023 . Ich habe es so gerne gelesen. Diese vielen persönlichen Geschichten, gepaart mit dem geschichtlichen Hintergrund Georgiens war dermassen ergreifend, das mir das Buch buchstäblich den Schlaf raubte.
Aufwühlend, tief-traurig, ergreifend und ein Leseerlebnis.
Ich werde mir nächste Woche ein weiteres Buch der Autorin kaufen.
Große Leseempfehlung!
5+/ 5
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Broschiertes Buch
Klappentext:
„Zwischen den feuchten Wänden und verwunschenen Holzbalkonen der Tbilisser Altstadt finden Ende der Achtzigerjahre vier Mädchen zusammen, auf den ersten Blick so unterschiedlich wie irgend denkbar und doch aufs Innigste miteinander verbunden. Die erste große …
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Klappentext:
„Zwischen den feuchten Wänden und verwunschenen Holzbalkonen der Tbilisser Altstadt finden Ende der Achtzigerjahre vier Mädchen zusammen, auf den ersten Blick so unterschiedlich wie irgend denkbar und doch aufs Innigste miteinander verbunden. Die erste große Liebe, die nur im Verborgenen blühen darf, die aufbrandende Gewalt in den Straßen, die Stromausfälle, das ins Land gespülte Heroin und die Gespaltenheit einer jungen Demokratie im Bürgerkrieg – allem trotzt ihre Freundschaft, bis ein unverzeihlicher Verrat und ein tragischer Tod sie schließlich doch auseinandersprengen. Erst 2019 in Brüssel, anlässlich einer großen Retrospektive mit Fotografien ihrer toten Freundin, kommt es zu einer Begegnung, die vielleicht Vergebung möglich macht.“
Ich muss gestehen, ich hatte immer so meine Schwierigkeiten mit den Büchern von Nino Haratischwili aber dieses Mal scheint der Knoten geplatzt zu sein. Die Geschichte „Das mangelnde Licht“ war trotz seiner über 800 Seiten kurzweilig und ja, riss mich mit. Die politische Umstrukturierung Georgiens bringt viel, zu viel dunkles Licht an die Landesoberfläche. Banden tun sich auf, der Bürgerkrieg ist in einer Schnelligkeit zur Stelle, das man kaum Luft holen kann. Die vier Mädchen Nene, Keto, Dina und Irene nehmen uns an die Hand und berichten nicht nur von ihrem seelischen Leid sondern auch wie das Land, welches eigentlich mit der Demokratie neue Wege bestreiten könnte, zerbricht ehe es aufgebaut wurde. Allein zu lesen was hier mit diesem Land geschieht, war mehr als einnehmend! Alle vier Mädchen tragen ihren Seelenrucksack mit sich herum. Man sieht die Zeit damals und heute und beobachtet anders als die anderen und somit bleibt die Geschichte unheimlich vielseitig und auch anschaulich. Durch Haratischwilis wortreichen Schreibstil bin ich dieses Mal regelrecht durch die Seiten geflogen und ja, war tief in der Geschichte drin. Wir pendeln in der Geschichte ein wenig zwischen den Welten, erfahren das was wir erfahren müssen um uns an den passenden Stellen den richtigen Teil dazu zu denken. Kurzum: die Geschichte ist anspruchsvoll, weil sie den Leser wahrlich fordert. Haratischwili wirft uns zwar keine bloßen Brocken hin aber ihr Schreibstil, mir mittlerweile bekannt, ist so konzipiert, dass man mitdenken muss und nicht einfach nur stumpf lesen sollte. Durch die bildhaften und ja, bildgewaltigen Beschreibungen jeglicher Situationen sind wir Leser mittendrin und können uns in jede der Vier bestens hineinversetzen. Das Wiedersehen in Brüssel wird zur Zerreißprobe für alle und der Spannungsbogen ist gerade dann enorm! Was will uns Haratischwili denn mit ihrer Geschichte nun sagen? Freundschaften sind äußerst zerbrechlich, gerade wenn diese nicht auf Ehrlichkeit aufgebaut sind. Man begleitet die Damen und fiebert mit allem, wirklich allem mit und somit kann ich erstmal klar sagen, ja, dieser Roman von Nino Haratischwili hat mich komplett eingenommen und begeistert! Die Geschichte hat viele Parts zwischen den Zeilen zu bieten und erfordert Aufmerksamkeit. Großes Kino dieses Mal und genau dafür gibt es 5 Sterne!
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Gebundenes Buch
Düsteres Georgien
Dass ich kein Fan von dicken Schinken bin, habe ich mehrfach gesagt. 830 Seiten ist eine Herausforderung. Aber es lohnt sich.
Das Buch fängt an mit einer Szene von vier Mädels im Botanischen Garten in Tiflis, von denen sich drei Jahre später bei einer …
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Düsteres Georgien
Dass ich kein Fan von dicken Schinken bin, habe ich mehrfach gesagt. 830 Seiten ist eine Herausforderung. Aber es lohnt sich.
Das Buch fängt an mit einer Szene von vier Mädels im Botanischen Garten in Tiflis, von denen sich drei Jahre später bei einer Ausstellung von Dinas Fotos in Brüssel wiedersehen. Letztere lebt nicht mehr.
Das erste Kapitel behandelt dann den Hof mit allen Bewohnern, das ist das Quartier in dem die Ich-Erzählerin Keto aufgewachsen ist und schon sind 150 Seiten geschafft. Da ich nicht zurückblättern wollte, machen mir dann zunächst die vielen Namen zu schaffen, aber nach weiteren hundert Seiten kannte ich meine Pappenheimer.
Georgien leidet unter der Transformation vom Kommunismus. Ständig fällt der Strom aus und es ist ein Höhepunkt dieses Werkes wie sie den Stromausfall in der Metro mit zwei der vier Protagonistinnen verbindet. Überhaupt ist die fehlende Sicherheit und die Auswirkungen der veränderten Politik, der beginnende Bürgerkrieg die Stärke dieses Buches.
Zwei Dinge stören mich jedoch. Manchmal diskutieren die Frauen über das Geschehen, das die Leserin bereits kennt. Hier hätte wirklich gekürzt werden können. Und dann ist die Geschichte im Zoo, die die FAZ spoilert. Ich will das nicht tun, halte auch nicht die Gewalt für unglaubwürdig, sondern Dinas Menschenliebe. Die Zooerzählung ist aber in der Tat prägend für den Rest des Buches.
Mir gefällt, wie die Autorin anhand der Bilder der Ausstellung die Vergangenheit rekonstruiert. Ich mag auch ihren Stil. 4 Sterne sind absolut gerechtfertigt.
Weniger
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