Intensiv erzählter Science-Fiction-Thriller mit stimmiger Auflösung und zu ausufernd geratenen Epilog
Paulo Xirau, der vor zwanzig Jahren aus Persien in die Kaspische Republik eingewandert ist, ging zunächst einer einfachen Tätigkeit in einer Konservenfabrik nach. Dann begann sein steiler
Aufstieg als Journalist bis hin zu seiner wöchentlich erscheinenden Kolumne in der Kaspischen Wahrheit, die…mehrIntensiv erzählter Science-Fiction-Thriller mit stimmiger Auflösung und zu ausufernd geratenen Epilog
Paulo Xirau, der vor zwanzig Jahren aus Persien in die Kaspische Republik eingewandert ist, ging zunächst einer einfachen Tätigkeit in einer Konservenfabrik nach. Dann begann sein steiler Aufstieg als Journalist bis hin zu seiner wöchentlich erscheinenden Kolumne in der Kaspischen Wahrheit, die jeder im Land kennt. Doch der hat im Jahr 2210 mit Xiraus Tod bei einer Kneipenschlägerei ein jähes Ende gefunden. Auf Druck der USA und seitens Europa hat das Parlament der Kaspischen Republik seiner Witwe Lily eine Sondergenehmigung erteilt, so dass diese einreisen darf, um die sterblichen Überreste ihres Mannes zu identifizieren. Weil Lily sich nicht frei im Land bewegen soll, bekommt sie für ihren dreitägigen Aufenthalt als Aufpasser Nikolai South, Agent bei der Staatssicherheit, zur Seite gestellt.
Die im Science-Fiction-Roman Ecce Machina von Neil Sharpson entworfene Welt ist geprägt von der wegweisenden Erfindung des Contran. Damit ist es möglich, das Bewusstsein eines Menschen auf einen Server hochzuladen. Auch der umgekehrte Prozess des Downloads in geklonte Körper, die sich mieten lassen, ist schon lange möglich.
Neil Sharpson nutzt die Gelegenheit die seinem Roman zugrunde liegende Ausgangssituation in ein von ihm stark beschriebenes, dystopisches Setting zu entwickeln. Die Handlung spielt in der Kaspischen Republik, in der die letzten wahren Menschen leben. Die hat sich vom Rest der Welt abgeschottet, nachdem sie sich Allem mit dem Contranen in Verbindung stehenden verweigert hat. So idealistisch die Kapische Republik begonnen hat, ist sie längst zu einem totalitären Regime geworden, das seine Macht durch die verbreitete Furcht und die fortwährende Überwachung, der die Kaspier ausgesetzt sind, bewahrt. Die von anderen Regierungen verhängten Embargos haben das Land in Armut gestürzt. Der Hunger, den Protagonist Nikolai South leidet, wird greifbar, wenn sein karges Frühstück aus nur wenigen Crackern besteht. Der allgegenwärtige Mangel lässt jeden Straßenverkäufer zum Spitzel werden, der nur noch damit befasst ist, relevante Beobachtungen seines Umfelds an die dafür zuständigen Institutionen zu melden. Denn von der Regierung wird selbst der kleinste Verrat an der vorherrschenden Ideologie nicht geduldet.
Der Roman wird aus Sicht von Hauptfigur Nikolai South geschildert, der seit bald dreißig Jahren Beamter bei der Staatssicherheit ist. Aufgrund seines fast vollständigen Mangels an Ehrgeiz ist er bislang nur ein einziges Mal befördert worden. Denn nachdem seine Frau Olesja vor zwanzig Jahren während eines plötzlich aufziehenden Sturms ertrunken ist, hat South nur noch das Minimum der ihm auferlegten Pflichten erfüllt, wenn er Dienst nach Vorschrift geleistet hat, und ist sonst möglichst unsichtbar geblieben. Da er weder Familie noch Freunde hat, verbringt er seine Mittagspausen allein am Kai, wo er trotz der herrschenden Nahrungsmittelknappheit die Brotrinde mit den ihn umkreisenden Möwen teilt.
Neil Sharpson lässt zwar philosophische Betrachtungen im Kontext der künstlichen Intelligenz in seinen Roman einfließen, legt aber den Fokus auf dessen Handlung, die einen clever konstruierten, politischen Science-Fiction-Thriller im Umfeld der künstlichen Intelligenz darstellt. Nur auf humorvolle Szenen wie beispielsweise das Abendessen von South mit seinem Vorgesetzten Grier, bei dem dieser die Hälfte des aufgetischten Kartoffelbreis in seinen Taschen verschwinden lässt, hätte ich verzichten können. Denn dadurch wird der düsteren Dystopie, in der das einfache Volk der nahezu absoluten Kontrolle durch die Institutionen der Kaspischen Republik unterworfen ist, nur ein Teil ihrer Wirkung genommen. Auf Ebene der zentralen Figuren erzählt der Autor gleich in mehrfacher Hinsicht eine tragische Geschichte von enttäuschter Liebe und Verrat. Die erreicht ihren emotionalen Höhepunkt, als Protagonist South das in den Geheimnissen seiner Vergangenheit verborgene Drama vollständig begreift. Das wäre für mich ein geeigneter Schlusspunkt unter diesen Roman gewesen, der noch länger hätte nachwirken können, wenn darauf lediglich die schlüssige Auflösung, die das kriminelle Genie Joschik enthüllt, gefolgt wäre. Doch indem Neil Sharpson einen wirklich ausufernden Epilog nachschiebt, der die darauffolgenden Jahrzehnte in der Kaspischen Republik zusammenfasst, übernimmt er sich, wenn er dabei zu viel auf einmal will. Weil darin auch Figuren, die vorher kaum in Erscheinung getreten sind, eine wesentliche Rolle zukommt, sind deren Entwicklungen, die mehrere überraschende Wendungen genommen haben, für mich nur schwer nachvollziehbar gewesen. Auch erreicht die Schilderung dieser Ereignisse, die dem Autor ermöglichen, seinen Roman mit einem gefälligen Ende abzuschließen, nie die tragische Fallhöhe und emotionale Wucht der Kapitel, in denen South seine Vergangenheit begreift und daraus resultierende Entscheidungen trifft.