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Volker M.

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Insgesamt 375 Bewertungen
Bewertung vom 23.07.2024
Reise Know-How Reiseführer Japan
Hoffmann, Oliver;Ryuno, Kikue

Reise Know-How Reiseführer Japan


ausgezeichnet

Japan boomt schon seit einigen Jahren und selbst die Corona Pandemie konnte die Besucher nur kurz fernhalten. Mittlerweile gibt es besonders in Kyoto, aber auch anderen touristischen Zentren deutliche Zeichen von Übertourismus, was auch daran liegt, dass Japan mittlerweile zu den eher günstigen Reisezielen zählt. Zumindest, wenn man erst mal da ist. Meine erste Reise war 2008 und seitdem zieht es mich immer wieder dahin, weil es einfach ein wunderschönes Land mit unerreichtem Reisekomfort ist.

Der RKH-Reiseführer ist jetzt in der sechsten Auflage und ich habe ältere Auflagen auch schon mehrfach mitgenommen. Er ist sehr gut strukturiert und übersichtlich und er konzentriert sich zuverlässig auf die jeweiligen Highlights der Region/Stadtviertel. Das ist nicht zu unterschätzen, denn im Internet wird man mit Infos geradezu erschlagen, was die Entscheidung manchmal schwer macht. Ich reise wie gesagt seit 2008 immer wieder nach Japan und damals gab es noch sehr wenige Reiseführer. Auch mit meiner heutigen Erfahrung würde ich die im Buch ausgewählten Ziele immer noch als die Top-Attraktionen ansehen, auf die man sich gut verlassen kann.

Die Autoren haben die Inhalte sehr aktuell gehalten. So sind zum Beispiel die kürzlichen (und ziemlich happigen) Preiserhöhungen beim JR Railpass schon berücksichtigt. Da wäre dennoch ein Hinweis sinnvoll gewesen, dass man genau durchrechnen sollte, ob sich der Railpass überhaupt noch lohnt. Ich habe es für die nächste Reise gemacht und kam zum Schluss, dass es sich für mich NICHT mehr lohnt. Auch ist der seit der ersten Auflage immer noch falsche Hinweis drin, dass die Herbstfärbung in Japan im September und Oktober ihren Peak hat. Das ist nicht korrekt. In der touristisch wichtigsten Zone zwischen Tokyo und Kyoto ist es November bis Anfang Dezember. Nur im äußersten Norden, der touristisch weniger interessant und erschlossen ist, beginnt die Saison im September. Da viele ihren Plan nach solchen Infos ausrichten, sollte das wirklich mal korrigiert werden.

Sehr gelungen und verhältnismäßig umfangreich sind die allgemeinen Kapitel zur Kultur und Reisepraxis (Transport, Unterkunft, Sitten etc.), die nicht nur interessant, sondern auch wichtig sind. Einiges läuft in Japan anders, aber wer es weiß, kommt selbst ohne Japanischkenntnisse ausgesprochen gut durch.

Die Touristenmassen machen insbesondere in Kyoto mittlerweile das Leben schwer. Die Busse sind völlig überfüllt und wegen der dauernden Staus auch extrem langsam geworden. Es tut mir in der Seele weh, das zu schreiben, aber man sollte in seiner Planung nicht zu lange hier bleiben, obwohl gerade Kyoto unendlich viel zu bieten hätte. Es war weltweit meine absolute Lieblingsstadt. Aber die Menschenmassen, die leider nicht die guten Umgangsformen der Japaner besitzen, trüben mittlerweile das Vergnügen doch so deutlich, dass ich wirklich warnen muss. Dieser Hinweis, der für alle absoluten Top-Ziele in Japan gilt, fehlt leider im Buch. Wer das weiß und sich entsprechende Ausweichziele abseits der ausgetretenen Pfade sucht, wo es das echte Japan noch gibt, kann aber immer noch eine unvergessliche Reise in einem der schönsten Länder der Erde erleben.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.07.2024
The Book of Printed Fabrics. From the 16th century until today
Gril-Mariotte, Aziza

The Book of Printed Fabrics. From the 16th century until today


ausgezeichnet

Es ist nicht übertrieben zu behaupten, mit dem Textildruck begann die Demokratisierung der Mode. Waren Textildekore zuvor nur mit aufwendigen Stickereien oder komplizierten Nähtechniken realisierbar, erlaubte der Druck die Produktion hoher Stückzahlen mit vertretbarem Aufwand. Die ersten Textildrucke fanden im 16. Jahrhundert ihren Weg aus Indien nach Europa, aber wer hier reflexartig wegen „kultureller Aneignung“ Schnappatmung bekommt und Wiedergutmachung fordert, wird von Aziza Gril-Mariotte gleich eines Besseren belehrt: Gerade im Textildruck ist der interkulturelle Austausch sehr komplex und zeigt Wechselbeziehungen in alle Richtungen: Die Technik stammt aus Ostasien, die Hersteller saßen in Indien, die Motive kamen oft aus Europa. Selbst das noch heute beliebte Paisley-Muster ist so ein kultureller Hybride.

Das geradezu verschwenderisch illustrierte Buch greift auf die weltweit einzigartige Sammlung des Textildruck-Museums in Mulhouse zurück und erlaubt eine hochspannende Reise durch Zeit und Raum, mit Beispielen aus 500 Jahren Stil- und Kulturgeschichte. Denn die farbigen Stoffe waren von Anfang an ein gewaltiger Erfolg, der sofort die Merkantilisten auf den Plan rief. Noch im 17. Jahrhundert verbot Frankreich (vergeblich) den Import, um die einheimischen Webereien zu schützen, aber schon im 18. Jahrhundert gab es in kurzen Abständen wechselnde Textilmoden, die vom Adel geprägt und vom Bürgertum und sukzessive dem einfachen Volk schnell übernommen wurden. Der Wettlauf zwischen Innovation und Massengeschmack, der bis heute anhält, hat hier seinen Ursprung.

Gril-Mariotte beschreibt, wie die Professionalisierung von Handel, Industrie und (Kunst)handwerk ineinander greift, sich Spezialisten für jeden Arbeitsschritt ausbilden (um 1800 war Textildesigner ein sehr gesuchter Mangelberuf!) und kommt zu dem Schluss, dass die Industrialisierung des Textildrucks den eigentlichen Beginn der „Mode“ darstellt. So weit würde ich vielleicht nicht gehen, denn auch in vorangegangenen Jahrhunderten gab es klare stilistische Entwicklungen, aber sie erfassten niemals zuvor das einfache Volk und vor allem war es früher eine Mode des „neuen Schnitts“, nicht die eines neuen Dekors. Das Dekor wurde jetzt zum Treiber der Mode und die Schlagzahl beschleunigte sich mit jeder technischen Innovation. Die Autorin lässt diese Entwicklung buchstäblich vor den Augen des Lesers ablaufen. Mal eklektizistisch, mit Rückgriffen auf Vergangenes, mal ultramodern, aber immer als typisches Produkt einer definierten Zeit. Es ist eine Stilkunde auf Stoff, die das Auge schult und ganz nebenbei viele spannende und verblüffende kulturhistorische Details liefert. In den Motiven spiegeln sich gesellschaftliche Veränderungen, politische Umwälzungen und eben das wieder, was man „Zeitgeist“ nennt.

Heute widmen sich weltberühmte Designer dem Textildruck und digital ist er auch längst. Wer also glaubt, es handele sich hier nur um bedruckte Lappen Stoff, der wird in den zwei Bänden, deren Buchdeckel liebevoll mit bedruckter Seide bezogen sind, sicher viele Überraschungen erleben. Seit 500 Jahren steht der Textildruck nämlich an der vordersten Front der Innovation.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.07.2024
Botanische Gärten der Welt
Trentham, Deborah

Botanische Gärten der Welt


gut

Botanische Gärten sind Archen der Pflanzenwelt, aber auch Orte der Erholung und Forschung. Es gibt sie seit etwa 500 Jahren, aber nicht alle sind inhaltlich so breit aufgestellt wie z. B. Kew Gardens, der größte (und bedeutendste) botanische Garten der Welt. Deborah Trentham hat in ihrem Buch eine Auswahl von 40 Gärten getroffen, aus allen Klimazonen, Regionen und Kontinenten, außer der Antarktis. Der Fokus liegt natürlich in Europa, wo das Konzept erfunden wurde und wo immer noch die größten Pflanzensammlungen existieren.

Die Autorin fokussiert sich auf die Entstehungsgeschichte der jeweiligen Einrichtung und stellt die aktuellen Hauptattraktionen vor. Dazu gehören insbesondere die tropischen Gewächshäuser, aber auch Sammlungs- oder Forschungsschwerpunkte, die allerdings, wenn überhaupt, nur sehr knapp beleuchtet werden. Botanische Highlights werden selten erwähnt, architektonische dagegen wohl. Nicht alle beschriebenen Attraktionen/Installationen/Konzepte sind zeitlos und werden auf Dauer in dieser Form existieren, aber sie bilden zumindest den aktuellen Zeitgeist und kuratorische Moden ab.

Es gibt im Buch keine Informationen zu Eintrittspreisen, Adressen oder der Anreise, die man aber leicht recherchieren kann.

Für Leser, die sich für die geschichtliche Entwicklung von Botanischen Gärten aus aller Welt interessieren, bietet das Buch einen guten ersten Überblick, bleibt aber fachlich eher an der Oberfläche. Botanische Gärten als Reservoire für seltene Pflanzen und als Orte der aktuellen biologischen Forschung werden durch die Beiträge nicht wirklich sichtbar. Das Bildmaterial stammt aus uneinheitlichen Quellen für Stock-Fotografie und wurde nicht optimal farbkorrigiert, wodurch die Bildqualität insgesamt heterogen bleibt und mich nicht überzeugt hat, selbst wenn die einzelnen Motive zweifellos sehr attraktiv sind.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.07.2024
Die Welt und alles, was sie enthält
Hemon, Aleksandar

Die Welt und alles, was sie enthält


sehr gut

Ein Leben auf der Flucht: Vor der Türe von Pintos Apotheke wird Ferdinand, der österreichische Thronfolger erschossen und dieses Ereignis ist der Auslöser, dass Pintos Leben aus der Bahn geworfen und nie wieder so sein wird, wie es war. Er, der ein zwar heimliches, aber erfülltes schwules Leben in Sarajevo und Wien führte, wird eingezogen und verbringt den Ersten Weltkrieg auf den östlichen Schlachtfeldern des Kaukasus, wo er die Liebe seines Lebens trifft: Osman, einen bildhübschen Soldaten, der Pintos Liebe bedingungslos erwidert. Sie spüren, dass sie füreinander geschaffen sind und in den engen Schützengräben brauchen sie ihre intime Nähe nicht einmal zu verbergen. Doch kaum ist der Krieg vorbei, beginnt für die beiden eine Flucht, die für sie niemals enden wird. Sie wird sie zu Fuß durch Zentralasien bis nach China führen, getrieben von Zufällen und Schicksalsschlägen.

Aleksandar Hemons Roman spielt in einer der dunkelsten Epochen der Menschheitsgeschichte und die beiden Protagonisten, der jüdische Pinto und der muslimische Osman, stehen stellvertretend für viele Fluchtgeschichten. Wer nun glaubt, dass diese ungewöhnliche Konstellation (schwul und jüdisch/muslimisch) dem woken Zeitgeist geschuldet ist, dem darf ich gleich den Wind aus den Segeln nehmen. Die Geschichte hat sich tatsächlich zugetragen, so oder zumindest so ähnlich. Hemon hat sie als Roman verdichtet, wobei er einen starken Fokus auf die Grauen des Krieges setzt und die Brutalität, mit der er zu allen Zeiten geführt wurde. Dass das „Verbot“ von Kriegsverbrechen eine hohle Phrase ist, sieht man ja derzeit wieder in der Ukraine. Diese fürchterlichen Verbrechen werden wahrscheinlich nie bestraft werden. Auch die sadistischen Folterer, denen Pinto und Osman begegnen, werden höchstens vom Schicksal liquidiert, vor einem weltlichen Gericht stehen sie nie. Der Krieg ist die große Finsternis, die das Schlimmste im Menschen hervorbringt.

Stilistisch hat mir der Roman ausgesprochen gut gefallen, auch die Übersetzung ist sehr gelungen und zeigt ein feines Gespür für die richtigen Worte und Satzmelodie. Der Kontrast zwischen der glühenden Liebe der beiden Männer, die über den Tod hinaus bestehen bleiben wird und den Grausamkeiten, die sie erleben, könnte nicht größer sein, aber Hemon schafft diesen Spagat mühelos. Zum Ende hin verläuft sich die Geschichte leider etwas, denn hier konnte weder Pintos (noch lebende) Ziehtochter authentisches Material liefern, noch gibt es Dokumente aus der Endphase des Krieges, so dass Hemon hier ganz auf seine Phantasie angewiesen war. Zumindest für mich war die Beschreibung der immer neuen Wirren und streiflichtartig angedeuteten Einzelschicksale in Shanghai dann irgendwann zu viel, zumal sich Pintos eigene Geschichte kaum mehr weiterentwickelt. Das war zwar stilistisch brillant geschrieben, aber der Overkill an Grausamkeiten hat mich nicht mehr wirklich berührt.

„Die Welt und alles, was sie enthält“ ist übrigens das erste Buch, bei dem mir aufgefallen ist, dass das Titelbild von einer KI entworfen wurde. Wer sich ein bisschen mit Bildgeneratoren und ihren Problemen mit der menschlichen Anatomie auskennt, wird es sicher auch schnell bemerken.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 16.07.2024
Wirksame Hilfe bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa
Dignass, Axel;Hartmann, Franz;Stein, Jürgen-Michael

Wirksame Hilfe bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa


ausgezeichnet

Es gibt viele widersprüchliche Informationen über Morbus Crohn im Internet und auch die Pharmaindustrie bietet hübsch aufbereitete Ratgeber für Patienten an. Nach meiner Erfahrung als Betroffener bilden sie aber immer nur Teile dieser leider sehr komplexen Krankheit ab und sie haben mich mindestens so oft in die Irre geführt, wie sie geholfen haben. Mein Informationsbedürfnis an neutraler Information war jedenfalls bisher nicht gedeckt.

Nach der Diagnose sollte der behandelnde Gastroenterologe alle Fragen, die der Patient rund um die Darmerkrankung hat, beantworten, aber welche Fragen muss man denn überhaupt stellen? Wer sich noch nicht mit dieser Krankheit beschäftigt hat, wird erst einmal überfordert sein. An dieser Stelle setzt dieser Gesundheitsratgeber an.

Die Autoren erläutern, wie ein gesunder Verdauungstrakt funktioniert, wie Morbus Crohn und Colitis ulceros (kurz CED) entstehen und wie sich die beiden chronischen Krankheitsbilder unterscheiden. Anschließend gehen sie detailliert auf Einzelthemen ein, die neben Fragen zur Diagnostik vor allem Therapiemöglichkeiten und Auswirkungen auf das tägliche Leben behandeln.

Der Ratgeber ist informativ und verständlich, liefert neutrale und aktuelle Informationen (z. B. zu den heute verfügbaren Medikamenten) und ist wirklich hilfreich (z. B. Ernährungstipps, Umgangshinweise im Beruf, Sport und auf Reisen), um mit der chronischen Erkrankung besser umzugehen.
Um es kurz zu fassen: Es gibt tatsächlich Möglichkeiten für ein weitgehend normales Leben mit Morbus Crohn und das ist doch eine gute Perspektive.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.07.2024
Mushi-Shi - Volume 2 Limited Edition
Moog,Philipp

Mushi-Shi - Volume 2 Limited Edition


ausgezeichnet

Ginko ist ein Mushi-Shi im alten Japan, ein Seher, der sich auf die Austreibung von Geistern spezialisiert hat. Mushi sind für die meisten Menschen unsichtbar und sie leben in der Regel getrennt von der Menschenwelt. Wenn es aber zu Kontakten kommt, ist das für den Besessenen oft gefährlich, denn die Mushi können Gedanken und Verhalten beeinflussen und ihre Absichten sind oft undurchschaubar. Ginko streift durch das ganze Land, auf der Suche nach besessenen Menschen, denen er helfen kann.

Ich kenne die erste Staffel zwar nicht, habe ich keine Schwierigkeiten gehabt, mich in die Geschichte einzufühlen, denn die Motive finden sich in vielen klassischen japanischen Geistergeschichten wieder. Außerdem sind alle Episoden autark und bauen nicht auf irgendeinem Vorwissen auf. Die Mushi „befallen“ in der Regel Menschen, die sich in einer Krisensituation befinden und damit aufnahmefähig für die Geistwesen werden. Die moderne Medizin würde das wahrscheinlich als Depression oder Psychose bezeichnen, das alte Japan nannte es eben Mushi.

Obwohl die Episoden nur etwa 25 Minuten lang sind, lassen sie sich viel Zeit, um die Atmosphäre auf den Zuschauer wirken zu lassen. Im klassischen Ghibli-Stil verschwimmen Phantasie und Realität zu einem harmonischen Ganzen, wobei das Erzählschema immer gleich ist: Ginko trifft auf Menschen, die von Mushi heimgesucht werden, er erfährt die geheimnisvolle Geschichte und trennt die Mushi wieder von der Menschenwelt. Typisch für japanische Märchen ist, dass die Hauptperson am Ende oft stirbt und dass auch nicht notwendigerweise alle Erzählfäden einen Schluss finden. Ein offenes Ende ist in japanischen Geschichten eher die Regel als die Ausnahme, aber das macht auch den besonderen Reiz aus. Die Unbestimmtheit lässt dem Zuschauer deutlich mehr gedanklichen Raum als ein simples Happy End.

Mir hat die sehr authentische Atmosphäre und das Erzähltempo der typisch japanischen Motive ausgesprochen gut gefallen und ich habe mich sehr gewundert, dass die Serie in Japan bereits 2006 abgeschlossen war. Da ist uns 20 Jahre lang wirklich etwas entgangen.

(Die Blu-ray wurde mir von Polyband kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.07.2024
Maarten van Heemskerck

Maarten van Heemskerck


ausgezeichnet

Die römischen Skizzenbücher des Maarten van Heemskerck sind einzigartige Zeugnisse der Ewigen Stadt aus einer Zeit, die noch keine Fotografie kannte. 2021 wurde im Rahmen einer umfangreichen Restaurierung die ursprüngliche Reihenfolge der etwa 200 Blätter weitgehend rekonstruiert, was vor allem dem Umstand zu danken war, dass 179 von ihnen noch gemeinsam im Berliner Kupferstichkabinett verwahrt werden. Es gibt kein anderes Konvolut von Reisezeichnungen der Renaissance weltweit von diesem Umfang. Entstanden sind die Skizzen während Heemskercks Romaufenthalt zwischen 1532 und 1537 und sie zeigen Architektur, Landschaft und antike Kunstschätze aus bedeutenden römischen Sammlungen der Zeit. Von besonderem Interesse sind auch die Stadtlandschaften, die sowohl den Zustand der römischen Ruinen dokumentieren, als auch den allgegenwärtigen Aufbruch des „Neuen Rom“ in der Frührenaissance belegen. Heemskercks Zeichnungen vom Neubau der Peterskirche sind einmalig und haben höchsten architekturgeschichtlichen Wert.

Derzeit werden die Blätter, in Schaukästen beidseitig präsentiert, im Kupferstichkabinett ausgestellt. Wer einen authentischen Eindruck bekommen will, wie Heemskercks Skizzenbuch ursprünglich aussah, dem steht mit diesem exzellent in Originalgröße faksimilierten Band ein Dokument zur Verfügung, das es in dieser Qualität noch nie gab. Es wurde die ursprüngliche Seitenfolge wiederhergestellt, die wenigen fehlenden Blätter durch Platzhalter ersetzt, so dass der Band dem Original, das Maarten van Heemskerck und selbst noch seinen Nachfolgern als wichtige Inspirationsquelle diente, so nahe kommt wie nur möglich. Es dokumentiert eindrucksvoll Heemskercks zeichnerische Meisterschaft, die er der Überlieferung nach täglich trainierte und dessen Essenz dieses Skizzenbuch ist.

Im Nachwort wird die Entstehungs- und Provenienzgeschichte kurz zusammengefasst und der kunsthistorische Wert der Skizzenbücher für Heemskercks Werk (und seiner Nachfolger) eingeordnet. Auch die Herangehensweise bei der Restaurierung und Neuordnung der Blätter wird beschrieben.

Das Papier hat erfreulicherweise eine dem Originalmaterial sehr ähnliche Struktur, matt, aber dennoch glatt und dicht. Es ist nicht das erste Faksimile von Heemskercks Skizzenbuch, aber mit Abstand das qualitativ beste.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.07.2024
Welterbe des Mittelalters

Welterbe des Mittelalters


ausgezeichnet

Als ich vor einigen Jahren die Reichenau besuchte, war ich überrascht, wenn nicht gar enttäuscht, wie wenig von dem einstmals bedeutenden Kloster heute noch zu sehen ist. Anlässlich des 1300. Jubiläums zum angeblichen Gründungsjahr ist Kloster Reichenau jetzt Hauptthema der Landesausstellung Baden-Württemberg, zu der dieser exzellent ausgestattete Begleitband erscheint.

Auch wenn die materiellen Hinterlassenschaften des Klosters eher dürftig sind, sieht man von den weltberühmten Handschriften und einigen Kunstwerken einmal ab, so ergibt sich in der Rückschau doch ein ziemlich klares Bild, das durch die vielschichtigen Beiträge aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet wird. Zunächst widmen sich die Autoren der Gründungsgeschichte, die fiktiv ist und bis heute nicht völlig aufgeklärt werden konnte. Kloster Reichenau betrieb im Mittelalter eine florierende Fälscherwerkstatt für kaiserliche Urkunden und fälschte nicht nur die eigene Gründungsurkunde, sondern auch Dokumente im Auftrag anderer. Relativ gut belegt ist dagegen der kulturelle Austausch mit anderen, teilweise weit entfernten Klostergemeinschaften, sowie der stark geregelte klösterliche Alltag. Die Autoren beschreiben detailliert und sehr anschaulich, wie sich Reichenau fest in einen europäischen Kontext eingliedert und über monastischen Austausch zu einem bedeutenden Zentrum der Gelehrsamkeit wird. Die isolierte Lage im Bodensee war im Mittelalter zwar ein wirksamer Schutz vor Überfällen und Zerstörung, in späteren Zeiten dann aber ein Hindernis, was bereits im 16. Jahrhundert zur Aufhebung des Klosters führte.

Geblieben sind vor allem die Kunstschätze, die meist eine neue kirchliche oder weltliche Heimat fanden, darunter auch einige der berühmtesten Handschriften der Welt. Dem klösterlichen Skriptorium ist folgerichtig ein ganzer Abschnitt gewidmet.

Überrascht war ich, wie vergleichsweise wenig bisher archäologisch auf der Insel gearbeitet wurde. Viele Erkenntnisse zum Klosteralltag werden daher auch mit Parallelen, z. B. zum ungleich besser untersuchten Schwesterkloster St. Gallen in der benachbarten Schweiz begründet.

Die Beiträge sind sehr anschaulich geschrieben und richten sich an ein interessiertes Laienpublikum, indem sie auf Fachsprache weitgehend verzichten und den Text mit umfangreichem Bildmaterial illustrieren. Die Klosterinsel mag heute wenig sichtbare Spuren aufweisen, aber der Katalog bringt das monastische Leben und vor allem die europäischen „Netzwerke des Glaubens“ wieder zum Vorschein.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.07.2024
Der Gigant
Mattioli, Dana

Der Gigant


ausgezeichnet

Amazon, Google, Facebook, Apple und Microsoft gehören zu den Giganten der Technologiebranche. Sie haben in den letzten Jahrzehnten Wirtschaft und Gesellschaft vor allem in den USA dramatisch verändert, regionale Ungleichheiten verschärft und die wirtschaftliche Konzentration in bisher ungeahntem Ausmaß vorangetrieben. Die preisgekrönte Investigativjournalistin und Pulitzer-Preis-Finalistin Dana Mattioli erzählt am Beispiel von Amazon, wie es zu dieser Entwicklung kam, welche Sprengkraft in ihr steckt und warum die Corona-Pandemie als Brandbeschleuniger wirkte. Amazon ist das perfekte Brennglas, um die wachsenden Unterschiede aufzuzeigen, steht aber stellvertretend für alle Tech-Giganten.

Begonnen als kleiner Buchversand mit einer „schrulligen Nerd-Kultur“ hat sich das Unternehmen durch kontinuierliche Expansion und Reinvestitionen konsequent zu einem in vielen Geschäftsfeldern marktbeherrschenden Unternehmen entwickelt. Mattioli wirft in ihrem Buch einen kritischen Blick hinter die Kulissen von Amazon und legt dabei einen besonderen Fokus auf den Gründer Jeff Bezos und seine Strategien. Anhand zahlreicher Beispiele zeigt sie Fehlentwicklungen auf und spart nicht mit deutlicher Kritik.

Der Leser erfährt, warum Amazon Marketplace - als Konkurrent im eigenen Haus - zur größten Innovation von Amazon werden sollte und schließlich als „One-Stop-Shop“ zum Rückgrat des Erfolgs wurde. Dabei geht die Journalistin auch ausführlich auf die schwerwiegenden Vorwürfe der Händler ein, die sich in ihrer unternehmerischen Handlungsfreiheit beschnitten sehen. Mit den Amazon Web Services (AWS) war Amazon 2006 zum Pionier des Cloud Computing geworden und hatte sich damit neben dem Online-Handel einen weiteren „Goldesel“ geschaffen. So trug AWS 2021 mehr als drei Viertel zum Gesamtgewinn des Konzerns bei. Im Jahr 2009 starteten die Eigenmarken von Amazon, die sich als Konkurrenz zu den Marktplatzanbietern verstehen. Auch in diesem Geschäftsbereich wird Amazon von Mattioli heftig kritisiert, da dem Unternehmen unter anderem vorgeworfen wird, Plagiate erfolgreicher Händler in Eigenregie zu produzieren und billiger anzubieten. Aber auch für die vielen anderen Vorwürfe wie Verstöße gegen den Datenschutz, hohe Gebühren und Provisionen, Preisdumping, unfaire Suchalgorithmen („Selbstbevorzugung“) bringt die Journalistin zahlreiche Beispiele. Was an den Vorwürfen dran ist, wird ein Kartellverfahren der FTC (Federal Trade Commission) klären. Sie hat am 26. September 2023 Klage gegen Amazon eingereicht. Der Vorwurf: „Aufrechterhaltung eines illegalen Monopols“. Der Ausgang ist ungewiss...

Leider blickt Mattioli meist nicht über den amerikanischen Tellerrand hinaus. Die Entwicklung von Amazon in Deutschland und Europa wäre sicher ein eigenes Kapitel wert gewesen.

Mattiolis Sprache ist klar und verständlich, die Übersetzung des Buches ins Deutsche sehr gelungen. Sie schreibt kurzweilig, spannend und schafft es, die Vorwürfe gegen den Giganten so transparent zu schildern, dass sich der Leser eine eigene Meinung bilden kann.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.07.2024
Einfach genial entscheiden in Geld- und Finanzfragen
Walz, Hartmut

Einfach genial entscheiden in Geld- und Finanzfragen


ausgezeichnet

Persönliche Finanzentscheidungen zu treffen ist nicht einfach. Finanzberater haben oft nur ihre Provisionen im Blick, Börsenmagazine ihre Auflage und Anzeigenkunden. Eine neutrale Beratung ist unter diesen Vorzeichen kaum zu erwarten. Im Internet sind vermeintlich neutrale Informationen noch leichter manipulierbar.
Mit "Einfach genial entscheiden in Geld- und Finanzfragen" (mittlerweile in der 4. Auflage) erhält der Leser eine unabhängige Entscheidungshilfe, um vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen an den Finanzmärkten sinnvolle Anlagen zu finden, die zur persönlichen Lebenssituation passen und die eigene Risikobereitschaft berücksichtigen. Der Autor Hartmut Walz, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Ludwigshafen, stellt seine Informationen strukturiert und verständlich dar und beschränkt sich auf relevante Themen, um den Leser inhaltlich nicht zu überfordern. Das Buch ist sehr didaktisch aufgebaut. Regelmäßig wiederkehrende Rubriken wie "Das erfahren Sie in diesem Kapitel", „Hart, aber wahr“, "Zentrale Ergebnisse" und "Konkrete Handlungsempfehlungen" sind farblich gekennzeichnet und fassen das Gelernte nochmal prägnant zusammen. Jedes Kapitel schließt mit einem Quellen- und Literaturverzeichnis.

Positive Realrenditen sind trotz der Zinswende vor dem Hintergrund der Inflation und der persönlichen Steuersituation schwer zu erzielen, so dass Walz im ersten Teil analysiert, wie der persönliche Schaden aus der Zinsfalle begrenzt werden kann. Ein wichtiges Instrument ist dabei die Zinsstrukturkurve, die dem Anleger hilft, das zu erwartende Zinsniveau richtig einzuschätzen. Dies ist vor allem dann relevant, wenn langfristige Kredite z.B. für den Hausbau aufgenommen werden sollen.

Das "magische Dreieck" wird häufig von Finanzberatern als Entscheidungshilfe herangezogen. Sie argumentieren, dass sich jeder Anleger innerhalb des Dreiecks zwischen Rendite, Sicherheit und Liquidität/Flexibilität positionieren müsse und dass z.B. die Sicherheit einer Geldanlage automatisch zu Lasten der Rendite gehe. Walz widerspricht dem und stellt die tatsächlichen Freiheitsgrade als Spinnennetz mit den acht Bewertungskriterien Transparenz, Kosteneffizienz, Sicherheit, Steuervorteil, Liquidierbarkeit/Flexibilität, Inflationsschutz, Vorsteuerrendite und Nachhaltigkeit dar.
Anhand dieser Kriterien bewertet Walz dann Anlageklassen und -produkte wie Bargeld, Anleihen, Aktien, ETFs, Gold & Silber, Immobilien, Bausparverträge und Versicherungsverträge mit Sparcharakter (z.B. Lebens-/Rentenversicherungen, Riester-/Rürup-Verträge). Walz spricht Klartext und bringt seine Ansichten stets auf den Punkt. Argumente werden nicht weichgespült, sondern Vor- und Nachteile klar benannt.

Im letzten Teil geht Walz auf grundsätzliche Themen wie die Komplexität von Anlageprodukten, Scheininnovationen, Fehlanreize bei Finanzberatern und Kosten als Wertvernichter ein und gibt gute Tipps, wie man Fallen bei der Geldanlage vermeiden kann. Ein Schwerpunkt liegt auf der richtigen Diversifikation zwischen und innerhalb von Anlageklassen.

Auf der Website des Autors stehen noch einige praktische Arbeitshilfen wie die digitale Version des "Spinnennetzes", Zinsrechner und Checklisten zum Download bereit.

Aus meiner Sicht ist das Konzept sehr gelungen. Der Autor behandelt das Thema umfassend und doch leicht verständlich und seine praktischen und gut umsetzbaren Tipps helfen dem Privatanleger bei der richtigen Anlageentscheidung.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.