
Karl-Theodor zu Guttenberg
Hörbuch-Download MP3
3 Sekunden (MP3-Download)
Notizen aus der Gegenwart Ungekürzte Lesung. 148 Min.
Sprecher: Guttenberg, Klaus Theodor zu
PAYBACK Punkte
5 °P sammeln!
Die Welt dreht sich immer schneller, ihre Unübersichtlichkeit wird zunehmend größer, die Meinungen prallen härter und härter aufeinander - viele Menschen empfinden all dies als bedrängend. Wann haben wir noch die Muße hinzusehen, ohne vorschnell zu urteilen, wann können wir noch nachdenken, auch ohne sofort eine Lösung finden zu müssen?
KT Guttenberg nimmt sich die Zeit. Seine Texte auf LinkedIn, jeweils von Hunderttausenden gelesen, entspringen Alltagssituationen und Beobachtungen vom Wegesrand, er entdeckt Details unseres Lebens, die wir gern mal übersehen; er spürt Er...
Die Welt dreht sich immer schneller, ihre Unübersichtlichkeit wird zunehmend größer, die Meinungen prallen härter und härter aufeinander - viele Menschen empfinden all dies als bedrängend. Wann haben wir noch die Muße hinzusehen, ohne vorschnell zu urteilen, wann können wir noch nachdenken, auch ohne sofort eine Lösung finden zu müssen?
KT Guttenberg nimmt sich die Zeit. Seine Texte auf LinkedIn, jeweils von Hunderttausenden gelesen, entspringen Alltagssituationen und Beobachtungen vom Wegesrand, er entdeckt Details unseres Lebens, die wir gern mal übersehen; er spürt Erlebnissen und Gedanken nach, die ihn inspirieren oder beunruhigen - auch, aber nicht nur, in der Politik. Er verbindet das Kleine mit dem Großen, das Absurde mit der Analyse und spiegelt das widersprüchliche Lebensgefühl unserer Zeit in einem lakonischen, immer wieder auch selbstironischen Stil. Und er setzt diese Beobachtungen zu seinem eigenen Leben und seinen Werten ins Verhältnis.
Ein Buch voller kluger, unaufgeregter Beobachtungen über unsere aufgeregte Gegenwart. Ein Plädoyer für das genaue Hinsehen - und für das Besinnen auf das Wesentliche.
Eine Lieferung an Minderjährige ist nicht möglich
Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, D ausgeliefert werden.
KT Guttenberg ist Unternehmer, Co-Produzent und Moderator von Dokumentarfilmen und anderen publizistischen Formaten. Er veröffentlicht in englisch- und deutschsprachigen Medien. Seit Juni 2023 ist der ehemalige Politiker zusammen mit Gregor Gysi Host des Podcasts "Gysi gegen Guttenberg".
Produktdetails
- Verlag: John von RBmedia Verlag
- Altersempfehlung: ab 18 Jahre
- Erscheinungstermin: 14. Dezember 2023
- Sprache: Deutsch
- ISBN-13: 9783963842023
- Artikelnr.: 69591787
Demuts gigant
Karl-Theodor zu Guttenberg versucht wieder mal, sich neu zu erfinden, nun als Schriftsteller. Doch es zeigt sich: Er ist ganz der Alte.
Von Timo Frasch
Karl-Theodor zu Guttenberg, ehemals CSU-Generalsekretär, Wirtschafts- und Verteidigungsminister, ist hoch geflogen und tief gefallen. Ihn umweht der Ruf, ein Blender zu sein, nicht nur wegen seiner ersten Doktorarbeit, in der zahlreiche Plagiate gefunden wurden. Guttenberg hat dagegen angearbeitet, erst mit Chuzpe, dann mit Selbstironie und demonstrativer Bescheidenheit. Nun hat er ein Buch vorgelegt, das diese Strategie fortführt.
Die Demut springt einen schon im Autorennamen auf dem Buchumschlag an. Guttenberg verzichtet nicht nur
Karl-Theodor zu Guttenberg versucht wieder mal, sich neu zu erfinden, nun als Schriftsteller. Doch es zeigt sich: Er ist ganz der Alte.
Von Timo Frasch
Karl-Theodor zu Guttenberg, ehemals CSU-Generalsekretär, Wirtschafts- und Verteidigungsminister, ist hoch geflogen und tief gefallen. Ihn umweht der Ruf, ein Blender zu sein, nicht nur wegen seiner ersten Doktorarbeit, in der zahlreiche Plagiate gefunden wurden. Guttenberg hat dagegen angearbeitet, erst mit Chuzpe, dann mit Selbstironie und demonstrativer Bescheidenheit. Nun hat er ein Buch vorgelegt, das diese Strategie fortführt.
Die Demut springt einen schon im Autorennamen auf dem Buchumschlag an. Guttenberg verzichtet nicht nur
Mehr anzeigen
auf seinen Doktortitel, den er dann doch noch rechtmäßig erworben hat, sondern auch auf das "zu" in seinem Namen. Allerdings fällt die nominelle Abrüstung so üppig aus, dass sie schon wieder etwas Markenbildnerisches hat: KT Guttenberg. In einem Interview, das er zuletzt der "Süddeutschen Zeitung" gab, sagte er, offenbar allen Ernstes: "Wenn ich auf einem Einreiseformular einen Beruf angeben soll, schreibe ich fast immer: KT Guttenberg." Als Sandra Maischberger ihn diese Woche nach dem Grund fragte, scheute er sich nicht, noch einen draufzusetzen: "Es ist letztlich ein Bezug darauf, dass ich am Ende des Tages wahrscheinlich einfach nur ein Mensch bin."
Das ist auch der Sound des Buches. Besser gesagt: der Textchen (er selbst spricht von "einer wöchentlichen Kolumne"), die Guttenberg im sozialen Netzwerk Linkedin veröffentlicht hat und die dann, unter Zuhilfenahme eines großzügigen Layouts, vom Herder-Verlag zum Buch aufgeblasen wurden. Guttenberg spricht scheinbar tiefstapelnd von "Miniaturen meines Alltags" - um dann aber direkt in den ersten Sätzen des Vorworts sein Schicksal als Schreiber mit dem der Welt zu parallelisieren: Noch zu Beginn des Jahres sei das Erscheinen des Buchs "nicht geplant" gewesen. "Vielleicht ist es ein Beleg für die sich rasch wandelnden Zeiten, in denen wir leben, dass die Idee innerhalb weniger Monate entstand, reifte und schließlich ihre Umsetzung so fand, wie Sie sie nun in den Händen halten." Ebenso "charakteristisch für unsere Zeit" sei der Auslöser, der ihn überhaupt zum Schreiben brachte. Nachdem er seinen ersten Dokumentarfilm gedreht hatte, hätten ihn "Mitstreiter" ermuntert, dafür in den sozialen Medien zu werben. Er jedoch habe "die Vorstellung, solcherart zu trommeln, zunächst als grauenvoll" empfunden. Instagram etwa sei ihm "allzu flach und selbstverliebt" vorgekommen. Bestenfalls lässt sich derlei als Koketterie interpretieren. Man könnte aber auch von leeren Posen sprechen. Denn Guttenberg lässt dann doch immer wieder durchblicken, dass er derjenige ist, der "erstklassig restaurierte Louis-XVI-Möbel" erkennt, der beurteilen kann, ob sich ein Akkordeonspieler im Englischen Garten "an Bach'schen Fugen verhebt", und der seine Midlife-Crisis mit Springreiten bekämpft.
Dass gerade Guttenbergs Vorworte etwas unfreiwillig Entlarvendes haben, weiß man aus seiner ersten Doktorarbeit. Als er darin vom "Kairos der Fertigstellung" schrieb, hätte man schon Verdacht schöpfen müssen. Nun bekennt er im Buch, es habe "bei allem - mich mitunter überwältigenden - Zuspruch" "vereinzelt Zweifel in der ,Community'" gegeben. Die einen fragten demnach: "Hat er das wirklich selbst geschrieben?" Ehrlich gesagt: Gerade diese Frage stellt sich überhaupt nicht. Denn jeder einzelne Satz im Buch ist so sehr ein echter Guttenberg, wie es auch der beste Ghostwriter nicht hinbekommen hätte.
Wesentlich triftiger ist dagegen die andere Frage, die Leser laut Guttenberg an ihn adressierten: "Hat er das wirklich erlebt?" Guttenberg erwidert darauf im Buch nachdenklich: "Ist der Alltag etwa so unalltäglich geworden?" Das jedoch dürfte eher nicht der Grund für den Argwohn sein. Sondern dass viele der Anekdoten, die Guttenberg dem Leben abgeschaut und -gelauscht haben will, nicht besonders lebensnah wirken, sondern eher so konstruiert, dass sie dem Autor als Steilvorlagen für seine Reflexionen über die Welt oder die Sendung "Bares für Rares" taugen. Es fängt schon damit an, dass er, um den Titel des Buches "3 Sekunden" zu rechtfertigen, in der Einleitung behauptet, es handele sich um "eine kleine Sammlung von Augenblicken, niemals länger als drei Sekunden" - und dann kommen Episoden, die quasi alle länger als drei Sekunden dauern. Guttenberg erzählt von Unterhaltungen beim Bäcker oder von einer Bergtour. Am Gipfelkreuz trifft er ein Ehepaar, beim Mann läutet das Handy, Klingelton angeblich "Marimba", etwas Berufliches. Der Mann geht ran, obwohl die Frau "liebevoll" eine Brotzeit aufgebaut hat. Als der Mann nach einer halben Stunde noch immer telefoniert zu den "Einzelheiten einer Compliance-Frage", macht sich die Frau an den Abstieg, vom Mann unbemerkt. Als dieser sich ihrer Abwesenheit bewusst wird, tippt er laut Guttenberg "mehrfach" eine Nummer in sein Telefon. "Womöglich die seiner Frau. Erfolglos." Laut Guttenberg steigt dann auch der Mann ab. Letzter Satz: "Immer wieder trägt der Wind ,Marimba' nach oben."
Wie so viele Geschichten im Buch wirft auch diese Fragen auf: Warum hat der Mann die Nummer seiner Frau nicht gespeichert? Warum nutzt er nicht die Wahlwiederholung? Warum trägt der Wind den Marimba-Ton des Männerhandys nach oben, wenn doch die Frau mit ihrem Mann gerade nicht telefonieren will? Ist es wieder was Berufliches? Wie lange hört man an einem offenbar windumwehten Gipfel einen Klingelton?
Am unglaubwürdigsten ist, dass Guttenberg bei all seinen Kontakten mit dem Volk anscheinend nie erkannt wird. Es gibt nur eine Ausnahme: Guttenberg beim Friseur, natürlich ein 15-Euro-Salon, dessen Inhaber, aus dem "kurdischen Norden Iraks" stammend, sich Guttenbergs Namen angeblich nicht merken kann und meistens etwas nuschele, das sich wie "Butterzwerg" anhöre. Als ein Kunde den Salon betritt, erkennt er Guttenberg, aber eben auch nicht wirklich: "Mensch, du hast einen Zwillingsbruder." Der Typ gestern Abend im Fernsehen habe wirklich so ausgesehen wie er, habe der Kunde gesagt. "Ganz netter Kerl, so ein Ex-Politiker, aber, mein Gott, war der langweilig." Wohl dem, der so einen Friseur hat, bei dem nicht nur das Haupthaar zurechtgestutzt wird, sondern auch das Ego von dessen Träger!
Der Guttenberg, der uns im Buch nahegebracht wird, ist ein etwas altmodischer Mensch, der die Uneigentlichkeiten dieser Welt durchschaut und keine Lust mehr auf sie hat: auf die "Spree-Käseglocke", das "Name-Dropping", die "aufgepusteten Egos" deutscher Spitzenpolitiker. Sein und Schein ist das Leitmotiv, auf das Guttenberg immer wieder zurückkommt, ob es nun um die "Kunstfigur Lady Gaga" geht oder um Roy Black und sein "Rollenspiel". Guttenberg schreibt: "Auch mir sind Depressionen nicht fremd." Aber das Bekenntnis hat nichts Befreiendes, sondern bleibt der Logik der Aufmerksamkeitsökonomie etwa so sehr verhaftet wie Cathy Hummels, wenn sie ihre mentalen Issues in der "Bild" ausbreitet.
Die Sprache des Buches ist einfach. Nur ab und zu deutet Guttenberg an, dass er auch ganz anders könnte, etwa wenn er von "affluentem Auftreten" schreibt. Er benutzt fast nur kurze Hauptsätze. Vordergründig ist das unprätentiös. Man wird aber den Verdacht nicht los, dass so jedem seiner Sätze eine Gravitas verliehen werden soll, die sie inhaltlich schuldig bleiben. Guttenberg hat seit seiner ersten Doktorarbeit einen langen Weg zurückgelegt. Von dem Typen, der auf dem Times Square posierte, bis zu dem, der nun, um seine Worte zu verwenden, "die Insignien oberflächlicher Wichtigkeit" abgelegt hat und Hoody trägt. Aber es scheint, als wäre er doch noch ganz der Alte - nur dass er seine Eitelkeit jetzt durch eine zur Schau gestellte Uneitelkeit befriedigt. Wie schreibt er selber durchaus treffend: "Uneitelkeit kann sehr eitel gepflegt werden."
Es gibt in dem Buch die eine oder andere kurze Passage mit Potential. Guttenberg deutet an, dass es in seiner Kindheit an Liebe gemangelt habe. Gerne hätte man dazu mehr gelesen, Wahrhaftiges. Auch was er über den Verlauf eines Wahlabends aus Politikerperspektive schreibt, hätte verdient gehabt, ausbuchstabiert zu werden. Die Chance verpasst Guttenberg. Stattdessen gefällt er sich in seiner neuen Rolle als Schriftsteller. Zu der passt natürlich bestens das Zweifelnde und Zerrissene - aber auch der Campus der UCLA, auf den er sich "gern zum Ordnen unsteter Gedanken" zurückzieht. Von Seite zu Seite wird man als Leser ungläubiger, dass er das alles ernst meint und offenbar nicht gemerkt hat, dass auf ihn zurückfällt, wenn er etwa die Band "Rosenstolz" zitiert: "Der größte Trick, den der Teufel je hatte, ist, dass er die Welt hat glauben lassen, dass es ihn nie gab. Und das ist nicht wahr. Selbst das ist nicht wahr."
Nach der Lektüre der 144 Seiten kann man zu Guttenbergs Gunsten nur hoffen, dass er ein literarisches Vexierspiel versucht hat, in dem er nicht nur ein lässiger, sondern auch ein unzuverlässiger Erzähler ist, der mit dem wahren Karl-Theodor nur entfernt zu tun hat. Wie schreibt er, nachdem er eine rührende Geschichte über einen ehemals obdachlosen Taxifahrer zum Besten gegeben hat: "Ich frage nicht, ob sich die Geschichte wirklich so zugetragen hat. Ungemein charmant erzählt ist sie allemal."
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das ist auch der Sound des Buches. Besser gesagt: der Textchen (er selbst spricht von "einer wöchentlichen Kolumne"), die Guttenberg im sozialen Netzwerk Linkedin veröffentlicht hat und die dann, unter Zuhilfenahme eines großzügigen Layouts, vom Herder-Verlag zum Buch aufgeblasen wurden. Guttenberg spricht scheinbar tiefstapelnd von "Miniaturen meines Alltags" - um dann aber direkt in den ersten Sätzen des Vorworts sein Schicksal als Schreiber mit dem der Welt zu parallelisieren: Noch zu Beginn des Jahres sei das Erscheinen des Buchs "nicht geplant" gewesen. "Vielleicht ist es ein Beleg für die sich rasch wandelnden Zeiten, in denen wir leben, dass die Idee innerhalb weniger Monate entstand, reifte und schließlich ihre Umsetzung so fand, wie Sie sie nun in den Händen halten." Ebenso "charakteristisch für unsere Zeit" sei der Auslöser, der ihn überhaupt zum Schreiben brachte. Nachdem er seinen ersten Dokumentarfilm gedreht hatte, hätten ihn "Mitstreiter" ermuntert, dafür in den sozialen Medien zu werben. Er jedoch habe "die Vorstellung, solcherart zu trommeln, zunächst als grauenvoll" empfunden. Instagram etwa sei ihm "allzu flach und selbstverliebt" vorgekommen. Bestenfalls lässt sich derlei als Koketterie interpretieren. Man könnte aber auch von leeren Posen sprechen. Denn Guttenberg lässt dann doch immer wieder durchblicken, dass er derjenige ist, der "erstklassig restaurierte Louis-XVI-Möbel" erkennt, der beurteilen kann, ob sich ein Akkordeonspieler im Englischen Garten "an Bach'schen Fugen verhebt", und der seine Midlife-Crisis mit Springreiten bekämpft.
Dass gerade Guttenbergs Vorworte etwas unfreiwillig Entlarvendes haben, weiß man aus seiner ersten Doktorarbeit. Als er darin vom "Kairos der Fertigstellung" schrieb, hätte man schon Verdacht schöpfen müssen. Nun bekennt er im Buch, es habe "bei allem - mich mitunter überwältigenden - Zuspruch" "vereinzelt Zweifel in der ,Community'" gegeben. Die einen fragten demnach: "Hat er das wirklich selbst geschrieben?" Ehrlich gesagt: Gerade diese Frage stellt sich überhaupt nicht. Denn jeder einzelne Satz im Buch ist so sehr ein echter Guttenberg, wie es auch der beste Ghostwriter nicht hinbekommen hätte.
Wesentlich triftiger ist dagegen die andere Frage, die Leser laut Guttenberg an ihn adressierten: "Hat er das wirklich erlebt?" Guttenberg erwidert darauf im Buch nachdenklich: "Ist der Alltag etwa so unalltäglich geworden?" Das jedoch dürfte eher nicht der Grund für den Argwohn sein. Sondern dass viele der Anekdoten, die Guttenberg dem Leben abgeschaut und -gelauscht haben will, nicht besonders lebensnah wirken, sondern eher so konstruiert, dass sie dem Autor als Steilvorlagen für seine Reflexionen über die Welt oder die Sendung "Bares für Rares" taugen. Es fängt schon damit an, dass er, um den Titel des Buches "3 Sekunden" zu rechtfertigen, in der Einleitung behauptet, es handele sich um "eine kleine Sammlung von Augenblicken, niemals länger als drei Sekunden" - und dann kommen Episoden, die quasi alle länger als drei Sekunden dauern. Guttenberg erzählt von Unterhaltungen beim Bäcker oder von einer Bergtour. Am Gipfelkreuz trifft er ein Ehepaar, beim Mann läutet das Handy, Klingelton angeblich "Marimba", etwas Berufliches. Der Mann geht ran, obwohl die Frau "liebevoll" eine Brotzeit aufgebaut hat. Als der Mann nach einer halben Stunde noch immer telefoniert zu den "Einzelheiten einer Compliance-Frage", macht sich die Frau an den Abstieg, vom Mann unbemerkt. Als dieser sich ihrer Abwesenheit bewusst wird, tippt er laut Guttenberg "mehrfach" eine Nummer in sein Telefon. "Womöglich die seiner Frau. Erfolglos." Laut Guttenberg steigt dann auch der Mann ab. Letzter Satz: "Immer wieder trägt der Wind ,Marimba' nach oben."
Wie so viele Geschichten im Buch wirft auch diese Fragen auf: Warum hat der Mann die Nummer seiner Frau nicht gespeichert? Warum nutzt er nicht die Wahlwiederholung? Warum trägt der Wind den Marimba-Ton des Männerhandys nach oben, wenn doch die Frau mit ihrem Mann gerade nicht telefonieren will? Ist es wieder was Berufliches? Wie lange hört man an einem offenbar windumwehten Gipfel einen Klingelton?
Am unglaubwürdigsten ist, dass Guttenberg bei all seinen Kontakten mit dem Volk anscheinend nie erkannt wird. Es gibt nur eine Ausnahme: Guttenberg beim Friseur, natürlich ein 15-Euro-Salon, dessen Inhaber, aus dem "kurdischen Norden Iraks" stammend, sich Guttenbergs Namen angeblich nicht merken kann und meistens etwas nuschele, das sich wie "Butterzwerg" anhöre. Als ein Kunde den Salon betritt, erkennt er Guttenberg, aber eben auch nicht wirklich: "Mensch, du hast einen Zwillingsbruder." Der Typ gestern Abend im Fernsehen habe wirklich so ausgesehen wie er, habe der Kunde gesagt. "Ganz netter Kerl, so ein Ex-Politiker, aber, mein Gott, war der langweilig." Wohl dem, der so einen Friseur hat, bei dem nicht nur das Haupthaar zurechtgestutzt wird, sondern auch das Ego von dessen Träger!
Der Guttenberg, der uns im Buch nahegebracht wird, ist ein etwas altmodischer Mensch, der die Uneigentlichkeiten dieser Welt durchschaut und keine Lust mehr auf sie hat: auf die "Spree-Käseglocke", das "Name-Dropping", die "aufgepusteten Egos" deutscher Spitzenpolitiker. Sein und Schein ist das Leitmotiv, auf das Guttenberg immer wieder zurückkommt, ob es nun um die "Kunstfigur Lady Gaga" geht oder um Roy Black und sein "Rollenspiel". Guttenberg schreibt: "Auch mir sind Depressionen nicht fremd." Aber das Bekenntnis hat nichts Befreiendes, sondern bleibt der Logik der Aufmerksamkeitsökonomie etwa so sehr verhaftet wie Cathy Hummels, wenn sie ihre mentalen Issues in der "Bild" ausbreitet.
Die Sprache des Buches ist einfach. Nur ab und zu deutet Guttenberg an, dass er auch ganz anders könnte, etwa wenn er von "affluentem Auftreten" schreibt. Er benutzt fast nur kurze Hauptsätze. Vordergründig ist das unprätentiös. Man wird aber den Verdacht nicht los, dass so jedem seiner Sätze eine Gravitas verliehen werden soll, die sie inhaltlich schuldig bleiben. Guttenberg hat seit seiner ersten Doktorarbeit einen langen Weg zurückgelegt. Von dem Typen, der auf dem Times Square posierte, bis zu dem, der nun, um seine Worte zu verwenden, "die Insignien oberflächlicher Wichtigkeit" abgelegt hat und Hoody trägt. Aber es scheint, als wäre er doch noch ganz der Alte - nur dass er seine Eitelkeit jetzt durch eine zur Schau gestellte Uneitelkeit befriedigt. Wie schreibt er selber durchaus treffend: "Uneitelkeit kann sehr eitel gepflegt werden."
Es gibt in dem Buch die eine oder andere kurze Passage mit Potential. Guttenberg deutet an, dass es in seiner Kindheit an Liebe gemangelt habe. Gerne hätte man dazu mehr gelesen, Wahrhaftiges. Auch was er über den Verlauf eines Wahlabends aus Politikerperspektive schreibt, hätte verdient gehabt, ausbuchstabiert zu werden. Die Chance verpasst Guttenberg. Stattdessen gefällt er sich in seiner neuen Rolle als Schriftsteller. Zu der passt natürlich bestens das Zweifelnde und Zerrissene - aber auch der Campus der UCLA, auf den er sich "gern zum Ordnen unsteter Gedanken" zurückzieht. Von Seite zu Seite wird man als Leser ungläubiger, dass er das alles ernst meint und offenbar nicht gemerkt hat, dass auf ihn zurückfällt, wenn er etwa die Band "Rosenstolz" zitiert: "Der größte Trick, den der Teufel je hatte, ist, dass er die Welt hat glauben lassen, dass es ihn nie gab. Und das ist nicht wahr. Selbst das ist nicht wahr."
Nach der Lektüre der 144 Seiten kann man zu Guttenbergs Gunsten nur hoffen, dass er ein literarisches Vexierspiel versucht hat, in dem er nicht nur ein lässiger, sondern auch ein unzuverlässiger Erzähler ist, der mit dem wahren Karl-Theodor nur entfernt zu tun hat. Wie schreibt er, nachdem er eine rührende Geschichte über einen ehemals obdachlosen Taxifahrer zum Besten gegeben hat: "Ich frage nicht, ob sich die Geschichte wirklich so zugetragen hat. Ungemein charmant erzählt ist sie allemal."
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Schließen
Gebundenes Buch
Ich fand es damals schade, wie Klaus-Theodor zu Guttenberg (*1971) aus der Politik ausscheiden musste. Der einstige Hoffnungsträger der CSU ist 2011 über seine Doktorarbeit gestolpert und wanderte in die USA aus. Danach habe ich nicht mehr viel von ihm gehört. Umso mehr freue ich …
Mehr
Ich fand es damals schade, wie Klaus-Theodor zu Guttenberg (*1971) aus der Politik ausscheiden musste. Der einstige Hoffnungsträger der CSU ist 2011 über seine Doktorarbeit gestolpert und wanderte in die USA aus. Danach habe ich nicht mehr viel von ihm gehört. Umso mehr freue ich mich, dass er nun das Buch "3 Sekunden: Notizen aus der Gegenwart" veröffentlicht hat. In diesem Konvolut aus 42 kurzweiligen journalistischen Blogbeiträgen und Essays schlägt der einstige deutsche Verteidigungsminister sehr private Töne an. Es menschelt an jeder Ecke, wobei weder an Selbstkritik noch an Ironie gespart wird. Guttenberg zeigt sich verletzlich, geläutert und stets am Zeitgeschehen interessiert. Er verfügt über ein gutes journalistisches Gespür und eine ausgeprägte Beobachtungsgabe. Vor allem in den persönlichen Momenten überzeugt er durch seine tiefgründige Nachdenklichkeit. Deshalb empfinde ich dieses Buch mitnichten als Charmeoffensive ans deutsche Volk, sondern eher als stimmige Momentaufnahme. Seine Notizen bzw. kleinen Alltagsgeschichten lasen sich ausgesprochen flüssig und unterhaltsam. Durch die Vielschichtigkeit seiner Betrachtungen kam an keiner Stelle im E-Book Langeweile auf. Im Gegenteil, manches Mal hätte ich mir gewünscht, dass die ein oder andere Geschichte etwas länger gewesen wäre. Über eine Lehre bzw. eine nachdenkliche Schlusssentenz verfügt allerdings jede. Ich fand besonders seine musikalischen Einsprengsel und Beschreibungen der Gegenwart sehr aufschlussreich. So beklagt er zurecht den Niedergang der Umgangsformen oder das ewige Nörglertum innerhalb der deutschen Gesellschaft. Seine wertschätzende Haltung gegenüber Ostdeutschland und seine Beschränkung aufs Wesentliche im Leben gefallen mir. Indem der heutige Moderator und Publizist genauer hinschaut, entlarvt er so einige Schwachstellen innerhalb der heutigen Welt und bringt diese pointiert zu Papier.
FAZIT
Die längst überfällige Rückmeldung eines fähigen Kopfes. Ich wünschte, es gäbe mehr solch reflektierte Geister in der Politik.
Weniger
Antworten 1 von 1 finden diese Rezension hilfreich
Antworten 1 von 1 finden diese Rezension hilfreich
Gebundenes Buch
Mich hat der Klappentext angesprochen und ich war neugierig auf den Inhalt des Buches.
Karl-Theodor zu Guttenberg nimmt uns hier auf eine kleine Reise mit - in die Gegenwart. Denn Neurowissenschaftler haben in Studien herausgefunden das der Mensch die Gegenwart in 3 Sekunden wahrnimmt - das Genau …
Mehr
Mich hat der Klappentext angesprochen und ich war neugierig auf den Inhalt des Buches.
Karl-Theodor zu Guttenberg nimmt uns hier auf eine kleine Reise mit - in die Gegenwart. Denn Neurowissenschaftler haben in Studien herausgefunden das der Mensch die Gegenwart in 3 Sekunden wahrnimmt - das Genau Jetzt. Und um genau diesen Moment soll es in dem Buch gehen - um die Kostbarkeit und Wahrnehmung des Moments in unserem oft viel zu schnelllebigen Leben,
Der Schreibstil ist flüssig und angenehm zu lesen.
Insgesamt finden sich hier 42 kurze Texte, die einen anderen Blickwinkel schaffen, für kurzweilige Unterhaltung sorgen, zum Nachdenken anregen und teils einfach schöne Allagsbeobachtungen zum aktuellen Zeitgeschehen darstellen.
Mir hat das Buch gut gefallen.
Weniger
Antworten 0 von 0 finden diese Rezension hilfreich
Antworten 0 von 0 finden diese Rezension hilfreich
Gebundenes Buch
Was für ein wundervolles Buch! Ich kannte die kurzen Kolumnen KT Guttenbergs von Linkedin noch gar nicht und bin wirklich begeistert, Ehrlich, direkt, offen, zeitgemäß, abwechslungsreich und mit Tiefgang, merkt man KT Guttenberg an, dieser Mann hat eine harte Zeit hinter sich und …
Mehr
Was für ein wundervolles Buch! Ich kannte die kurzen Kolumnen KT Guttenbergs von Linkedin noch gar nicht und bin wirklich begeistert, Ehrlich, direkt, offen, zeitgemäß, abwechslungsreich und mit Tiefgang, merkt man KT Guttenberg an, dieser Mann hat eine harte Zeit hinter sich und sich neu gefunden
Er beschönigt nichts und verbirgt eigene Schwächen nicht vor dem Leser. Dazu gehört einiges an Mut und dafür bewundere ich ihn.
Die kurzen Gedanken haben fast immer einen Bezug zu aktuellen Themen und sind uns Lesern sehr vertraut.
Weniger
Antworten 0 von 0 finden diese Rezension hilfreich
Antworten 0 von 0 finden diese Rezension hilfreich
Gebundenes Buch
Ich erinnere noch gut die Zeiten als KT Guttenberg von der BILD Zeitung zum kommenden Kanzler hochgejubelt wurde. Er durfte aber nur die Bundeswehr abwickeln und wunderschöne Bilder eines neuen, deutschen Kennedy-Paares um die Welt senden. Dass er dann ab und zugeschrieben hatte, vermutlich …
Mehr
Ich erinnere noch gut die Zeiten als KT Guttenberg von der BILD Zeitung zum kommenden Kanzler hochgejubelt wurde. Er durfte aber nur die Bundeswehr abwickeln und wunderschöne Bilder eines neuen, deutschen Kennedy-Paares um die Welt senden. Dass er dann ab und zugeschrieben hatte, vermutlich müssten wir 50% aller Politiker in dieser Hinsicht näher beleuchten.
Kurz: ich habe Mitleid empfunden damals und sehe ihn noch heute die Treppe zur letzten Pressekonferenz herunterkommen. Dass er dabei geschickt von seiner Schuld ablenkte, er hätte in jedem Fall die zentrale Fähigkeit für einen erfolgreichen Politiker gehabt: seine Rhetorik war blendend ausgebildet, der Augenaufschlag brillant.
Jetzt also der Guttenberg im Alltag, der emphatische Mensch an der nächsten Tür, auf der Bank im Park, der Couch zuhause, fernsehschauend, in der Apotheke stehend oder in der Bäckerei, im Restaurant essend. Er wird zu einem Beobachter des Zusammenlebens, er hört und sieht genauer hin. Hier reißt ein gescheiterter Politiker alle Masken vom Gesicht und macht sich ehrlich. Das hat mich beeindruckt.
In einer Woche reist er von Beethoven-Werken bei einem Netzwerker & einsamen alten Freund zu Roy Black an den Wörthersee bzw. eine Büste des Schlagersängers: „drei Ikonen erfolgsverwöhnter Verlassenheit.“ Wir sind damit beim Kern dieses Buches, in dem ein gewinnender Mann von Gestern sein Heute sucht.
Mir gefällt vor allem KT Grantlhuber in der Bäckerei, der dem Büffelmann vor ihm Freundlichkeit beibringen will. Das könnte auch ich sein. KT diskutiert im Flugzeug mit einem Waffennarren, will ihn überzeugen von notwendigen Gesetzen. KT mischt sich ein, keine Kleinigkeit ist vor ihm sicher, ein guter Beobachter.
Ein Buch, das ich sehr gerne gelesen, mit dem ich diskutiert habe, also uneins war, das mir Freude und Nachdenken gebracht hat beim Lesen. Es waren ähnliche Gefühle wie bei den Geschichten von Thomas Middelhoff, der von ähnlich weit oben nach unten durchgereicht wurde.
Mit dem Menschen KT Guttenberg würde ich gerne ein Gespräch führen bzw. mit ihm durch den englischen Garten spazieren. Dass er das Buch „Noch wach“ weglegte, ungeöffnet, großartig. Eine große Zeitersparnis.
Meine Lieblingsstelle, Seite 57: „Der Moderator verschluckt sich fast an seiner eigenen Bedeutung. Dann ein Interview. Lauernde investigative Untertöne treffen auf erbarmungswürdige Politikerphrasen. Scoop-Gier gegen Shitstorm-Vermeidung. Beide akribisch bedacht, die Erwartungshaltung zu bedienen.“
Weniger
Antworten 0 von 0 finden diese Rezension hilfreich
Antworten 0 von 0 finden diese Rezension hilfreich
Gebundenes Buch
Der ehemalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg war mir schon immer sympathisch, da ich seine Denkweisen und Vorschläge stets interessant fand. Ich fand es somit sehr schade, dass seine politische Laufbahn so rapide geendet ist. Trotzdem habe ich seine Karriere auch weiterhin …
Mehr
Der ehemalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg war mir schon immer sympathisch, da ich seine Denkweisen und Vorschläge stets interessant fand. Ich fand es somit sehr schade, dass seine politische Laufbahn so rapide geendet ist. Trotzdem habe ich seine Karriere auch weiterhin verfolgt und bin somit auch auf seine Notizen und Anekdoten auf der Plattform LinkedIn gestoßen, wo er in regelmäßigen Abständen seine Beobachtungen zum Alltagsgeschehen niedergeschrieben hat. Nun wurde das Ganze in Buchform unter dem Titel „3 Sekunden: Notizen aus der Gegenwart“ veröffentlicht, sodass man seine Texte noch einmal nachschlagen kann.
Auf eine angenehme Art und Weise schreibt Karl-Theodor zu Guttenberg seine Gedanken und Beobachtungen auf. Die Texte sind mal nur sehr kurz, mal etwas länger, aber immer gut durchdacht, sympathisch geschrieben, bodenständig und intelligent.
Wer sich für tiefgründige Gedanken, dem aktuellen Zeitgeschehen und kleine Essays und Notizen interessiert, der ist hier genau richtig.
Weniger
Antworten 0 von 1 finden diese Rezension hilfreich
Antworten 0 von 1 finden diese Rezension hilfreich
Andere Kunden interessierten sich für
Entdecke weitere interessante Produkte
Stöbere durch unsere vielfältigen Angebote