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»Das Werk James Baldwins ist von großer Wucht und Schönheit.« Georg Diez in >Der Spiegel< Dies ist die Geschichte des jungen John Grimes, der erlebt, wie ein einziger Tag unsere Welt zum Einstürzen bringen kann und wie genau darin unsere Rettung liegt. James Baldwins erster Roman glich einem Befreiungsschlag - für ihn selbst und für alle, die nach ihm kamen. Hart und realistisch, von einer düsteren Eleganz, zärtlich, wahrhaftig und von großer symbolischer Kraft.
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James Baldwin, 1924 geboren, ist einer der bedeutendsten US-amerikanischen Schriftsteller. Sein bereits zu Lebzeiten vielfach ausgezeichnetes Werk umfasst Essays, Romane, Erzählungen, Gedichte und Theaterstücke. Er starb 1987 in Südfrankreich.
Produktdetails
- Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
- Seitenzahl: 320
- Erscheinungstermin: 28. Februar 2018
- Deutsch
- ISBN-13: 9783423434133
- Artikelnr.: 50100481
Der afroamerikanische Autor konnte das alles sein, schwarz, weiss, jung, alt, hetero-, homosexuell. Manuel Müller NZZ 20210925
Amerika ist kein Gottesgeschenk
James Baldwin und John Okada gehörten derselben Generation und jeweils amerikanischen Minderheiten an: der schwarzen und der japanischen. Ihre Romane sagen dem Rassismus den Kampf an.
Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Vereinigten Staaten nicht mehr dasselbe Land. Man hatte gesiegt, aber die Erwartungen etlicher Bürger, dass die Opfer ihrer als Soldaten im Kampf eingesetzten Angehörigen von der amerikanischen Gesellschaft belohnt würden, erwies sich als trügerisch. Diese Erfahrung machten vor allem die Schwarzen, die vor dem Gesetz zwar gleichberechtigt waren, in der Realität aber vielfach benachteiligt wurden - und es bis heute geblieben sind. Einer anderen Minderheit wurde
James Baldwin und John Okada gehörten derselben Generation und jeweils amerikanischen Minderheiten an: der schwarzen und der japanischen. Ihre Romane sagen dem Rassismus den Kampf an.
Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Vereinigten Staaten nicht mehr dasselbe Land. Man hatte gesiegt, aber die Erwartungen etlicher Bürger, dass die Opfer ihrer als Soldaten im Kampf eingesetzten Angehörigen von der amerikanischen Gesellschaft belohnt würden, erwies sich als trügerisch. Diese Erfahrung machten vor allem die Schwarzen, die vor dem Gesetz zwar gleichberechtigt waren, in der Realität aber vielfach benachteiligt wurden - und es bis heute geblieben sind. Einer anderen Minderheit wurde
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zeitweise noch übler mitgespielt: den japanischstämmigen Menschen, die sich seit dem letzten Drittel des neunzehnten Jahrhundert vor allem längs der amerikanischen Pazifikküste angesiedelt hatten. In den Monaten nach der Kriegserklärung Japans an die Vereinigten Staaten vom 7. Dezember 1941 wurden die mehr als hunderttausend dort ansässigen Japaner - egal, ob sie amerikanische Staatsbürger waren oder nicht - in eilig eingerichtete Internierungslager verbracht, die sich in möglichst weit abgelegenen Gegenden befanden, und dort zumeist bis Kriegsende festgehalten. Eine vergleichbare Behandlung von Amerikanern deutscher Abstammung gab es damals nicht. Mit dem Misstrauen gegen die Japaner wurde ein altes rassistisches Vorurteil fortgeschrieben, aufgrund dessen ihnen als Einwanderern jahrzehntelang amerikanische Bürgerrechte vorenthalten worden waren. 1924 hatte man sogar ein generelles Immigrationsverbot für Japaner erlassen.
John Okada war nur ein Jahr zuvor als Sohn eines aus Japan zugezogenen Ehepaars in Seattle geboren worden. Auch er und seine Familie wurden 1942 interniert, doch als damals bald neunzehnjährigen Amerikaner forderte man ihn auf, seinen Militärdienst zu leisten, was Okada tat. Etliche junge japanischstämmige Männer hielten es angesichts der Deportationen jedoch anders und lehnten es ab, ihrem eigenen Land, das sie derart diskriminierte, im Kampf gegen die alte Heimat der Eltern zu dienen, und kamen dafür als Wehrdienstverweigerer aus den Lagern in Gefängnisse - bis zur japanischen Kapitulation. Damit spaltete sich auch die japanische Minderheit in Amerika: je nachdem, ob die Söhne für das neue Land votiert oder im Geist der japanischen Tradition dem alten die Treue gehalten hatten. Erstere verspotteten Letztere wegen deren Absage an die Vereinigten Staaten als no-no boys.
Einen davon, den zum Zeitpunkt seiner Entlassung aus der Haft fünfundzwanzigjährigen Ichiro Yamado, hat John Okada, der selbst gerade kein No-No Boy war, zum Titelhelden seines einzigen Romans gemacht, der 1957 erschien. Das Buch erregte damals Aufsehen an der amerikanischen Westküste und ist seitdem immer wieder aufgelegt und vielgelobt worden, aber nur ins Japanische und nun endlich auch ins Deutsche übersetzt worden - in der von Ilija Trojanow kuratierten Reihe "Weltlese", was den Roman leider nur für Mitglieder der Büchergilde Gutenberg erhältlich macht. Allen anderen entgeht ein ebenso begeisterndes wie desillusionierendes Buch, das seine Gesellschaftskritik in einer durch literarische Brillanz verstärkten Schärfe vorträgt.
Mit der Rückkehr ins heimatliche Seattle wird Ichiro Yamada mit dem ganzen Hass einer gespaltenen Umgebung konfrontiert, wobei die Besonderheit des Romans "No-No Boy" darin besteht, dass sich die ganze Handlung innerhalb der japanischen Gemeinschaft an der Westküste abspielt. Vorwürfe gegen die weiße Mehrheit erhebt Okada nur implizit; sein Augenmerk gilt den moralischen und psychologischen Abgründen, die sich angesichts der Internierungen bei den Betroffenen aufgetan haben.
Vier Jahre vor "No-No Boy" war in den Vereinigten Staaten ein anderer Roman erschienen, der auf ähnliche Weise die gnadenlose Introspektive einer amerikanischen Minderheitengesellschaft vornahm: James Baldwins "Go Tell It on the Mountain", benannt nach der Verszeile eines afroamerikanischen Spirituals. Im Zuge der neuen, von Miriam Mandelkow übersetzten deutschen Werkausgabe des 1924 geborenen und 1987 gestorbenen Schriftstellers, ist dieses Debüt auch hierzulande als erster Band erschienen: nunmehr als "Von dieser Welt", einer Bibelanspielung, die darauf rekurriert, dass John Grimes, die vierzehnjährige Hauptfigur des Romans, sich vom Glauben seines Vaters, eines schwarzen Predigers in New York, abwendet. "Er hatte sich entschieden. Er hatte sich entschieden, nicht zu werden wie sein Vater oder seines Vaters Vater. Er wollte ein anderes Leben."
In Okadas Roman ist Ichiro genau den gegenteiligen Weg gegangen; er hatte nicht mit der Tradition gebrochen, doch nach seiner Freilassung will nun auch er ein anderes Leben und verzweifelt an der verstockten Mutter, die selbst im Jahr 1946 noch nicht an die japanische Niederlage im Zweiten Weltkrieg glauben will, sondern alle Nachrichten von der Kapitulation und die Bittbriefe ihrer noch in Japan lebenden Verwandten für amerikanische Propaganda hält. Ichiros Vater dagegen flüchtet sich angesichts dieses Wahns seiner Frau in Alkohol, und der jüngere Sohn wird noch am Tag seines achtzehnten Geburtstags den Weg wählen, den der ältere Ichiro ausgeschlagen hat: Er tritt in die Armee ein.
Auch der vierzehnjährige John in "Von dieser Welt" hat einen jüngeren Bruder, der sich viel mehr als Rebell erweist, wobei er damit ganz nach dem hitzigen Naturell des Predigervaters kommt, der den jüngeren Sohn denn auch bevorzugt - warum, wird sich erst im Laufe der Handlung erweisen. In einer großartigen Montage von Zeit- und Textebenen lässt Baldwin im zentralen Kapitel seines Romans während einer Messfeier drei seiner Figuren inneres Zwiegespräch halten: mit sich selbst, mit Gott und mit der Vergangenheit. Damit erst wird die Herkunft der älteren Generation aus dem amerikanischen Süden für die Handlung zentral: als Ursache der Gebrochenheit dieser Afroamerikaner. Obwohl es nach dem jeweiligen Wegzug nach New York nicht besser geworden ist: "Wobei ich sagen muss, dass Gott meiner Meinung nach mit Amerika überhaupt niemandem ein Geschenk gemacht hat - sonst sind Gottes Tage garantiert gezählt. Dieser Gott, dem die Menschen angeblich dienen - dem sie ja auch wirklich dienen, aber anders, als sie denken - muss einen verdammt fiesen Humor haben. Den würde man windelweich prügeln, wenn er ein Mann wäre. Oder wenn man selbst einer wäre."
Wobei diese Sätze aus einem anderen nun auf Deutsch wieder greifbaren und dafür neu übersetzten Roman von James Baldwin stammen: "Beale Street Blues", im Original "If Beale Street Could Talk", publiziert 1974. Das war drei Jahre nach dem frühen Tod von John Okada, der nach "No-No Boy" kein weiteres Buch mehr publizierte, obwohl es nach Aussage seiner Familie noch andere Manuskripte gegeben habe, von denen sich aber bislang keine Spur finden ließ. Okada kam über den engeren Wirkungskreis der asiatisch-amerikanischen Bevölkerung nicht hinaus, Baldwin dagegen, der den Vereinigten Staaten schon 1948 zugunsten von Europa den Rücken gekehrt hatte, war im Laufe von zwei Jahrzehnten zum wichtigsten Vertreter einer schwarzen Emanzipationsbewegung geworden, die nicht (wie die von ihm durchaus bewunderten Black Muslims) auf radikalen Umsturz setzte, sondern auf radikales Umdenken, und zwar vor allem auf Seiten der Weißen. Ihre Tragik sieht Baldwin im Angewiesen-Sein auf die Diskriminierung der Schwarzen, um weiterhin an die eigene Superiorität glauben zu können. In seinem berühmtesten Buch, dem 1963 publizierten Essay "The Fire Next Time", der jetzt gerade als "Nach der Flut das Feuer" neu herausgekommen ist, drückt Baldwin sein Mitleid gegenüber den hassenden Weißen aus, was ihn aber nicht zum gnädigen literarischen Richter über Rassisten macht - ganz im Gegenteil.
"Beale Street Blues", die aus Sicht einer jungen schwangeren Frau erzählte Liebe zu ihrem unberechtigt inhaftierten Freund (die Verfilmung durch den Oscar-Gewinner Barry Jenkins wird bald in die deutschen Kinos kommen), ist ein Fest der Dialoge, in dem Miriam Mandelkow auch besser als in "Von dieser Welt" den von Baldwin meisterhaft eingesetzten schwarzen Jargon ins Deutsche gebracht hat. Aber für den durchrhythmisierten Predigtton des Debüts gibt es auch keine echte deutsche Entsprechung. Da hatte es Susann Urban mit Okadas "No-No Boy" leichter, denn dieser Autor, der kein No-No Boy war, sondern immer Amerikaner sein wollte, orientierte sich an der großen Literaturtradition seines Landes, vor allem an F. Scott Fitzgerald. Die Wut seiner Figuren aber ist wie ein auf eine gesellschaftspolitische Ebene gehobene Variation des James-Dean-Films "Denn sie wissen nicht, was sie tun", der 1955, also zwei Jahre zuvor, herauskam. "Rebel Without a Cause" hieß dieses unter weißen Amerikanern spielende Generationendrama im Original. Okadas und Baldwins Rebellen dagegen haben jeweils ihre Gründe. Und "No-No Boy", dieses so ehrliche Buch, hat gespenstische Szenen, in denen die gebeutelten Japaner ihrem eigenen Rassismus gegenüber Schwarzen freien Lauf lassen.
ANDREAS PLATTHAUS
John Okada: "No-no Boy". Roman.
Aus dem amerikanischen Englisch von Susann Urban. Nachwort von Thomas Girst. Büchergilde Gutenberg, Frankfurt am Main 2018. 292 S., geb., 24,- [Euro].
James Baldwin: "Nach der Flut das Feuer - The Fire Next Time".
Aus dem amerikanischen Englisch von Miriam Mandelkow. Vorwort von Jana Pareigis. dtv, München 2019. 124 S., geb., 18,- [Euro].
James Baldwin: "Beale Street Blues". Roman.
Aus dem amerikanischen Englisch von Miriam Mandelkow. Nachwort von Daniel Schreiber. dtv, München 2019. 221 S., geb., 20,- [Euro].
James Baldwin: "Von dieser Welt". Roman.
Aus dem amerikanischen Englisch von Miriam Mandelkow. Vorwort von Verena Lueken. dtv, München 2019. 320 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
John Okada war nur ein Jahr zuvor als Sohn eines aus Japan zugezogenen Ehepaars in Seattle geboren worden. Auch er und seine Familie wurden 1942 interniert, doch als damals bald neunzehnjährigen Amerikaner forderte man ihn auf, seinen Militärdienst zu leisten, was Okada tat. Etliche junge japanischstämmige Männer hielten es angesichts der Deportationen jedoch anders und lehnten es ab, ihrem eigenen Land, das sie derart diskriminierte, im Kampf gegen die alte Heimat der Eltern zu dienen, und kamen dafür als Wehrdienstverweigerer aus den Lagern in Gefängnisse - bis zur japanischen Kapitulation. Damit spaltete sich auch die japanische Minderheit in Amerika: je nachdem, ob die Söhne für das neue Land votiert oder im Geist der japanischen Tradition dem alten die Treue gehalten hatten. Erstere verspotteten Letztere wegen deren Absage an die Vereinigten Staaten als no-no boys.
Einen davon, den zum Zeitpunkt seiner Entlassung aus der Haft fünfundzwanzigjährigen Ichiro Yamado, hat John Okada, der selbst gerade kein No-No Boy war, zum Titelhelden seines einzigen Romans gemacht, der 1957 erschien. Das Buch erregte damals Aufsehen an der amerikanischen Westküste und ist seitdem immer wieder aufgelegt und vielgelobt worden, aber nur ins Japanische und nun endlich auch ins Deutsche übersetzt worden - in der von Ilija Trojanow kuratierten Reihe "Weltlese", was den Roman leider nur für Mitglieder der Büchergilde Gutenberg erhältlich macht. Allen anderen entgeht ein ebenso begeisterndes wie desillusionierendes Buch, das seine Gesellschaftskritik in einer durch literarische Brillanz verstärkten Schärfe vorträgt.
Mit der Rückkehr ins heimatliche Seattle wird Ichiro Yamada mit dem ganzen Hass einer gespaltenen Umgebung konfrontiert, wobei die Besonderheit des Romans "No-No Boy" darin besteht, dass sich die ganze Handlung innerhalb der japanischen Gemeinschaft an der Westküste abspielt. Vorwürfe gegen die weiße Mehrheit erhebt Okada nur implizit; sein Augenmerk gilt den moralischen und psychologischen Abgründen, die sich angesichts der Internierungen bei den Betroffenen aufgetan haben.
Vier Jahre vor "No-No Boy" war in den Vereinigten Staaten ein anderer Roman erschienen, der auf ähnliche Weise die gnadenlose Introspektive einer amerikanischen Minderheitengesellschaft vornahm: James Baldwins "Go Tell It on the Mountain", benannt nach der Verszeile eines afroamerikanischen Spirituals. Im Zuge der neuen, von Miriam Mandelkow übersetzten deutschen Werkausgabe des 1924 geborenen und 1987 gestorbenen Schriftstellers, ist dieses Debüt auch hierzulande als erster Band erschienen: nunmehr als "Von dieser Welt", einer Bibelanspielung, die darauf rekurriert, dass John Grimes, die vierzehnjährige Hauptfigur des Romans, sich vom Glauben seines Vaters, eines schwarzen Predigers in New York, abwendet. "Er hatte sich entschieden. Er hatte sich entschieden, nicht zu werden wie sein Vater oder seines Vaters Vater. Er wollte ein anderes Leben."
In Okadas Roman ist Ichiro genau den gegenteiligen Weg gegangen; er hatte nicht mit der Tradition gebrochen, doch nach seiner Freilassung will nun auch er ein anderes Leben und verzweifelt an der verstockten Mutter, die selbst im Jahr 1946 noch nicht an die japanische Niederlage im Zweiten Weltkrieg glauben will, sondern alle Nachrichten von der Kapitulation und die Bittbriefe ihrer noch in Japan lebenden Verwandten für amerikanische Propaganda hält. Ichiros Vater dagegen flüchtet sich angesichts dieses Wahns seiner Frau in Alkohol, und der jüngere Sohn wird noch am Tag seines achtzehnten Geburtstags den Weg wählen, den der ältere Ichiro ausgeschlagen hat: Er tritt in die Armee ein.
Auch der vierzehnjährige John in "Von dieser Welt" hat einen jüngeren Bruder, der sich viel mehr als Rebell erweist, wobei er damit ganz nach dem hitzigen Naturell des Predigervaters kommt, der den jüngeren Sohn denn auch bevorzugt - warum, wird sich erst im Laufe der Handlung erweisen. In einer großartigen Montage von Zeit- und Textebenen lässt Baldwin im zentralen Kapitel seines Romans während einer Messfeier drei seiner Figuren inneres Zwiegespräch halten: mit sich selbst, mit Gott und mit der Vergangenheit. Damit erst wird die Herkunft der älteren Generation aus dem amerikanischen Süden für die Handlung zentral: als Ursache der Gebrochenheit dieser Afroamerikaner. Obwohl es nach dem jeweiligen Wegzug nach New York nicht besser geworden ist: "Wobei ich sagen muss, dass Gott meiner Meinung nach mit Amerika überhaupt niemandem ein Geschenk gemacht hat - sonst sind Gottes Tage garantiert gezählt. Dieser Gott, dem die Menschen angeblich dienen - dem sie ja auch wirklich dienen, aber anders, als sie denken - muss einen verdammt fiesen Humor haben. Den würde man windelweich prügeln, wenn er ein Mann wäre. Oder wenn man selbst einer wäre."
Wobei diese Sätze aus einem anderen nun auf Deutsch wieder greifbaren und dafür neu übersetzten Roman von James Baldwin stammen: "Beale Street Blues", im Original "If Beale Street Could Talk", publiziert 1974. Das war drei Jahre nach dem frühen Tod von John Okada, der nach "No-No Boy" kein weiteres Buch mehr publizierte, obwohl es nach Aussage seiner Familie noch andere Manuskripte gegeben habe, von denen sich aber bislang keine Spur finden ließ. Okada kam über den engeren Wirkungskreis der asiatisch-amerikanischen Bevölkerung nicht hinaus, Baldwin dagegen, der den Vereinigten Staaten schon 1948 zugunsten von Europa den Rücken gekehrt hatte, war im Laufe von zwei Jahrzehnten zum wichtigsten Vertreter einer schwarzen Emanzipationsbewegung geworden, die nicht (wie die von ihm durchaus bewunderten Black Muslims) auf radikalen Umsturz setzte, sondern auf radikales Umdenken, und zwar vor allem auf Seiten der Weißen. Ihre Tragik sieht Baldwin im Angewiesen-Sein auf die Diskriminierung der Schwarzen, um weiterhin an die eigene Superiorität glauben zu können. In seinem berühmtesten Buch, dem 1963 publizierten Essay "The Fire Next Time", der jetzt gerade als "Nach der Flut das Feuer" neu herausgekommen ist, drückt Baldwin sein Mitleid gegenüber den hassenden Weißen aus, was ihn aber nicht zum gnädigen literarischen Richter über Rassisten macht - ganz im Gegenteil.
"Beale Street Blues", die aus Sicht einer jungen schwangeren Frau erzählte Liebe zu ihrem unberechtigt inhaftierten Freund (die Verfilmung durch den Oscar-Gewinner Barry Jenkins wird bald in die deutschen Kinos kommen), ist ein Fest der Dialoge, in dem Miriam Mandelkow auch besser als in "Von dieser Welt" den von Baldwin meisterhaft eingesetzten schwarzen Jargon ins Deutsche gebracht hat. Aber für den durchrhythmisierten Predigtton des Debüts gibt es auch keine echte deutsche Entsprechung. Da hatte es Susann Urban mit Okadas "No-No Boy" leichter, denn dieser Autor, der kein No-No Boy war, sondern immer Amerikaner sein wollte, orientierte sich an der großen Literaturtradition seines Landes, vor allem an F. Scott Fitzgerald. Die Wut seiner Figuren aber ist wie ein auf eine gesellschaftspolitische Ebene gehobene Variation des James-Dean-Films "Denn sie wissen nicht, was sie tun", der 1955, also zwei Jahre zuvor, herauskam. "Rebel Without a Cause" hieß dieses unter weißen Amerikanern spielende Generationendrama im Original. Okadas und Baldwins Rebellen dagegen haben jeweils ihre Gründe. Und "No-No Boy", dieses so ehrliche Buch, hat gespenstische Szenen, in denen die gebeutelten Japaner ihrem eigenen Rassismus gegenüber Schwarzen freien Lauf lassen.
ANDREAS PLATTHAUS
John Okada: "No-no Boy". Roman.
Aus dem amerikanischen Englisch von Susann Urban. Nachwort von Thomas Girst. Büchergilde Gutenberg, Frankfurt am Main 2018. 292 S., geb., 24,- [Euro].
James Baldwin: "Nach der Flut das Feuer - The Fire Next Time".
Aus dem amerikanischen Englisch von Miriam Mandelkow. Vorwort von Jana Pareigis. dtv, München 2019. 124 S., geb., 18,- [Euro].
James Baldwin: "Beale Street Blues". Roman.
Aus dem amerikanischen Englisch von Miriam Mandelkow. Nachwort von Daniel Schreiber. dtv, München 2019. 221 S., geb., 20,- [Euro].
James Baldwin: "Von dieser Welt". Roman.
Aus dem amerikanischen Englisch von Miriam Mandelkow. Vorwort von Verena Lueken. dtv, München 2019. 320 S., geb., 22,- [Euro].
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»James Baldwin ist wirklich ein außerordentlich guter Schriftsteller, mutig und gleichzeitig so empfindsam - da ist alles dabei von Wut bis zu einer seltenen Zärtlichkeit.« Paul Auster »Mit diesem Roman beginnen wir die Wiederentdeckung einer Ikone. Dieses Buch sollte - wie Salingers 'Fänger im Roggen' - als der eine große amerikanische Roman gekrönt werden.« The Independent »Ein unverwechselbares Buch: hart und realistisch, von außergewöhnlichem Einfühlungsvermögen und Poesie.« Chicago Sunday Tribune »Schonungslos, unvoreingenommen und empathisch.« San Francisco Chronicle »In klaren Bildern, mit verschwenderischer Achtsamkeit für jedes Detail erzählt Baldwin seine fieberhafte Story.« The New York Times
Über Religion und Sexualität
„Alle hatten immer gesagt, John werde später mal Prediger, genau wie sein Vater.“ Mit diesem in der Tat eindrucksvollen Satz beginnt der Roman. Und der Leser fragt sich, was passiert, dass John nun doch kein Prediger wird.
Dieses Buch …
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Über Religion und Sexualität
„Alle hatten immer gesagt, John werde später mal Prediger, genau wie sein Vater.“ Mit diesem in der Tat eindrucksvollen Satz beginnt der Roman. Und der Leser fragt sich, was passiert, dass John nun doch kein Prediger wird.
Dieses Buch lebt von der Spannung, die ich nicht verraten will. So hatte ich, wie wohl alle Leser fast 200 Seiten das Gefühl, Deborah hieße seine Mutter, obwohl sie kinderlos blieb, wie das biblische Vorbild übrigens auch. Dann erfährt man von einem Seitensprung des Vaters Gabriel. Aber der daraus gezeugte Sohn wurde getötet, kann also auch nicht John sein. Erst Elisabeth (wer zum Teufel ist das denn? In der Bibel übrigens die „alte“ Mutter von Johannes d. Täufer) bringt Klarheit.
Plausibel ist das alles schon, auch wenn die kinderlose Deborah Gabriel auf seinen Seitensprung hätte ansprechen müssen und es unklar bleibt, wieso Elisabeth ihrem Geliebten nichts von ihrer Schwangerschaft erzählt hat.
Der Schluss nimmt wieder Bezug auf verschiedene Bibelstellen und ist in der Tat mühsam. Zum Glück hat Philipp Tingler auf die Homosexualität Baldwins hingewiesen, die den Schluss verständlicher macht.
Zweites Thema ist in der Tat der Rassenkonflikt. Am Anfang des Buches – eigentlich wird ja nur Johns 14. Geburtstag geschildert (und seine Probleme ins Kino zu gehen haben mit dem Gefühl der Sünde zu tun) – bekommen wir mit, wie Roy, Johns Bruder ein Messer ins Gesicht bekommt. Noch bewegender fand ich aber die sinnlose Festnahme und Haftmisshandlung von Richard, Elisabeths Freund. Leider ist mir nicht klar, wieso er sich nach der Entlassung noch das Leben nimmt.
Alles in allem reichen die kleinen Mängel nicht aus, dem Buch 5 Sterne zu verweigern. Vielleicht habe ich heute einen guten Tag.
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Broschiertes Buch
„Von dieser Welt“ (Auch „Go tell it on the mountain (dt. Gehe hin und verkünde es vom Berge)) ist der stark autobiografisch geprägter Debütroman des afroamerikanischen Schriftstellers James Baldwin (1924-1987), an dem er fast zehn Jahre lang gearbeitet hat und den er …
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„Von dieser Welt“ (Auch „Go tell it on the mountain (dt. Gehe hin und verkünde es vom Berge)) ist der stark autobiografisch geprägter Debütroman des afroamerikanischen Schriftstellers James Baldwin (1924-1987), an dem er fast zehn Jahre lang gearbeitet hat und den er dann 1953 nach langem Ringen veröffentlichte.
Ausganspunkt des Romans ist der 14. Geburtstag von John Grimes, der wie Baldwin in der Familie eines Predigers aus Harlem aufwächst. Der schwarze und empfindsame Junge ist auf der Suche nach seinem Weg ins Leben. Der eigene Vater, ein Haustyrann, predigt täglich nicht nur von der Religion sondern auch von der eigenen Wertlosigkeit. Dazu um ihn eine feindliche Welt, die Welt der Weißen in New York, in der für ihn kein Platz ist. Nach dem Willen des Vaters soll ihm die Kirche eine Ersatzwelt sein.
Ausgehend von Johns Figur entfaltet Baldwin die Geschichte der Familie Grimes. In den „Gebeten der Gläubigen" werden drei Lebensgeschichten von drei Frauen erzählt, die zurückreichen bis in die Zeit der Sklaverei. Den Süden verließ schließlich die Familie voller Hoffnungen in Richtung Norden der USA. Doch auch hier sind sie nur Geduldete und leben am Existenzminimum. Baldwin gelingt es, mit diesen einzelnen Schicksalen universelles Leben und Erleben der schwarzen Bevölkerung zu erzählen. Dabei sind seine Schilderungen durchsetzt von Zitaten aus der Bibel oder aus Kirchenliedern.
„Von dieser Welt“ ist ein Roman über Rassismus und Ausgrenzung sowie Selbstfindung, der jetzt in einer neuen Übersetzung von Miriam Mandelkow vorliegt. Ergänzt wird die dtv-Neuerscheinung durch ein Vorwort von Verena Lucken, die der Frage nachgeht „Warum James Baldwin lesen, heute, dreißig Jahre nach seinem Tod?“
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Broschiertes Buch
Der Roman konnte mich nicht in jeder Hinsicht überzeugen.
Die Geschichte hat potenzial und ich mochte den Aufbau, wie diese einem näher gebracht wurde. Ich habe in den Zeilen so viel rausgelesen und hätte von einzelnen Aspekten noch mehr gelesen. Mein Hunger nach dieser Geschichte …
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Der Roman konnte mich nicht in jeder Hinsicht überzeugen.
Die Geschichte hat potenzial und ich mochte den Aufbau, wie diese einem näher gebracht wurde. Ich habe in den Zeilen so viel rausgelesen und hätte von einzelnen Aspekten noch mehr gelesen. Mein Hunger nach dieser Geschichte wurde daher nicht so sehr gestillt und der hohe Anteil an religiöser Hingabe wirkte teilweise übersättigend.
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Apokalyptisches Klagelied
Der Hype um den in den USA wiederentdeckten farbigen Schriftsteller James Baldwin hat nun auch uns erreicht, die aktuelle Neuübersetzung seines autobiografischen Debütromans von 1953 «Go Tell It on the Mountain» wird vom Feuilleton allenthalben …
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Apokalyptisches Klagelied
Der Hype um den in den USA wiederentdeckten farbigen Schriftsteller James Baldwin hat nun auch uns erreicht, die aktuelle Neuübersetzung seines autobiografischen Debütromans von 1953 «Go Tell It on the Mountain» wird vom Feuilleton allenthalben gefeiert. Wobei der Titel der neuen deutschen Ausgabe «Von dieser Welt» ein wenig ablenkt von dem, was den Leser wirklich erwartet, bezieht sich doch der Originaltitel auf ein allseits bekanntes, oft gehörtes Spiritual. Womit das beherrschende Thema des Romans weitaus treffender verdeutlicht wird, es geht nämlich um religiöse Inbrunst, ausgelöst hier durch das schreiende Unrecht der Rassendiskriminierung. Die aber ist auch heute noch weitgehend unveränderte Wirklichkeit im «Land der unbegrenzten Möglichkeiten», entsprechende Nachrichten von dort, untermauert durch die einschlägigen Polizeistatistiken, erinnern uns regelmäßig wieder daran. Und der offen rassistische Präsident ist als Nachfolger des ersten Farbigen in diesem Amt ein überdeutliches Indiz für diese reaktionäre Entwicklung, eine Rolle rückwärts also in der Rassenfrage. «Sein Werk altert nicht» heißt es über Baldwin im Vorwort, dabei wünscht man sich, dieser Roman wäre weniger aktuell.
Anders als die meisten seiner Zunft entwickelt Baldwin seine Thematik fast ausschließlich aus dem Innenleben seiner Figuren heraus, berichtet von den seelischen Verheerungen, die das schreiende Unrecht bei der unterdrückten farbigen Bevölkerung anrichtet. In der Rahmenhandlung der im ersten Drittel des vorigen Jahrhunderts angesiedelten Geschichte fungiert John als äußere Klammer, er droht auf der Suche nach sich selbst zu scheitern. «Alle hatten immer gesagt, John werde später mal Prediger» lautet der erste Satz. Als ihm 1935, am Morgen seines 14ten Geburtstages, seine nächtliche Masturbation bewusst wird, als in seiner Fantasie ein Fleck an der Zimmerdecke sich in eine nackte Frau verwandelt, ist sein Schrecken grenzenlos, er fühlt sich auf ewig verdammt. Der Tag endet in der Kirche, wo er in einer rauschhaften Erweckungsszene, im rasenden Kampf vor dem Altar liegend, wütend mit sich selbst ringt und endlich zu Gott findet.
In drei Teilen behandelt der Roman in Rückblicken die Biografie von Johns Stiefvater, unerbittlicher Laienprediger und böser Heuchler zugleich, von seiner Mutter und der Schwester des Vaters. Alle drei waren Kinder von Sklaven, die der Gewalt des Südens zu entkommen suchten, um dann in New York das Elend zu finden. Baldwin thematisiert den Hass der Farbigen, wobei der sich erstaunlicher Weise gegen sie selbst richtet, sie fühlen sich schuldig und sind Opfer ihrer Selbstverachtung. Ihr Leben wird bestimmt von Armut, Angst, Hass, Gewalt, - und von der Hölle, die ihnen ein rigider Pietismus unermüdlich einredet, indem er selbst alltägliche Ereignisse permanent als Menetekel an die Wand malt, immer nach dem Motto: Es gibt keine Unschuldigen! Als Sohn eines Baptistenpredigers ist dem Autor dieser religiöse Fanatismus quasi schon mit der Muttermilch eingegeben, die fatale Lebensfeindlichkeit seiner Geschichte ist also vorbestimmt, verschärft noch durch seine, auch im Roman anklingende, Homosexualität. Die naive Gläubigkeit seiner Figuren dient als Ausweg aus ihrem Dilemma, kompensiert den Unbill ihres prekären Lebens.
Streckenweise liest sich dieser Roman, seiner unverblümten Indoktrination wegen, wie naivste Erbauungsliteratur, deren Sprache in Diktion, Melodie und Rhythmus, in ihren häufigen Wiederholungen zudem, stark an das Alte Testament erinnert. Vergleicht man Baldwin mit Jerome David Salinger, Harper Lee, William Faulkner, E. L. Doctorow, so fällt die einseitige Perspektive von Baldwin auf, er stimmt ein apokalyptisches Klagelied an, das alle anderen Aspekte ausblendet und die Welt einseitig als Jammertal darstellt. Spätestens bei der Religion aber endet jede rationale Diskussion, über die Lesefrüchte, die dieser Roman uns beschert, hüllen wir also besser den Mantel des Schweigens.
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