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MaWiOr
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Halle

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Insgesamt 3443 Bewertungen
Bewertung vom 21.04.2024
Erinnerungen
Schäuble, Wolfgang

Erinnerungen


ausgezeichnet

Die unmittelbar vor seinem Tod fertiggestellten „Erinnerungen" von Wolfgang Schäuble sind die Bilanz eines politischen Lebens. Niemand gehörte länger dem deutschen Bundestag an. In seiner langen politischen Karriere war er Bundesminister, Parteivorsitzender der CDU, Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Bundes-tagspräsident. In seinen „Erinnerungen“ lässt Schäuble sein politisches und privates Leben Revue passieren mit allen Höhen und Tiefen – als einer der Architekten der deutschen Einheit, dem Schicksalstag mit dem Attentat auf ihn, die CDU-Spendenaffäre, die Griechenland-Krise, als Minister unter der Kanzlerin Angela Merkel und schließlich als Präsident des Deutschen Bundestags – das zweithöchste Amt im Staat. Trotz der vielfältigen Leistungen und Verdienste überhöht sich Schäuble nicht in seinen „Erinnerungen“. Sie verraten aber auch viel über die Mechanismen in der Politik und über die deutsche Geschichte in den letzten Jahrzehnten. Aber besonders die tiefen menschlichen Einblicke in die Gedanken eines verantwortungsvollen Politikers, der es sich nie leicht gemacht hat, sind sehr aufschlussreich und interessant.

Nun liegt eine ungekürzte Lesung der „Erinnerungen“ mit dem bekannten Regisseur und Schauspieler Frank Arnold vor, dem es gelingt, neben dem leidenschaftlichen Politiker auch den Menschen Wolfgang Schäuble glaubhaft zu machen.

Bewertung vom 20.04.2024
Die weiße Rose
Traven, B.

Die weiße Rose


ausgezeichnet

Der Roman „Die weiße Rose“ von B. Traven (1882-1969) spielt in den 1920er Jahren in Mexiko und schildert das Schicksal der indigen Bewohner der Hacienda Rosa Blanca. Bisher führen sie ein harmonisches und bescheidenes Leben im Einklang mit der Natur. Rings um die Farm „Die weiße Rose“ wird bereits nach Öl gebohrt, einzig diese Parzelle gehört noch nicht den amerikanischen Ölgesellschaften. Doch dann wird der Farmverwalter Hacinto Yanez ermordet und Chaney C. Collins, Präsident der Condor Oil Company, eignet sich die Farm widerrechtlich an, denn hier werden reiche Ölreserven vermutet. Als die „uneinsichtigen Bewohner“ nicht verkaufen wollen, entpuppt sich Collins als ein skrupelloser Geschäftsmann aus protestantischer Ethik und kapitalistischer Gewinnsucht. Es ist eine Geschichte von David und Goliath.

Mit schonungsloser Offenheit und scharfer Kritik macht Traven die Mechanismen des Kapitalismus und der freien Marktwirtschaft deutlich. Und so endet der Roman mit dem Schlussatz: „was kümmert uns der Mensch? Wichtig ist das Öl.“ Travens Sprache ist direkt, kräftig und dynamisch, aber nicht ohne poetische Schönheit. Der Roman erschien im Oktober 1929, wenige Tage vor dem Schwarzen Freitag, dem Börsencrash, der die Welt-wirtschaftskrise auslöste.

Die Diogenes-Ausgabe ist mit einem Nachwort des Schriftstellers Jan Brandt ausgestattet, der die gesellschaftlichen und autobiografischen Hintergründe des Romans noch näher beleuchtet.

Bewertung vom 20.04.2024
Alice im Wunderland
Carroll, Lewis

Alice im Wunderland


ausgezeichnet

Als die zehnjährige Alice ein weißes sprechendes Kaninchen verfolgt, fällt sie in ein tiefes Loch und purzelt von einem Abenteuer ins nächste. In dem unterirdischen Wunderland scheint alles möglich. Das Phantasiereich ist voller besonderer Tiere und Figuren: Es gibt den Grinsekater, das Weiße Kaninchen, den Märzhasen, den Verrückten Hutmacher und die Rote Königin. Alice kommt dabei ständig in komische Situationen. Der Kinderbuchklassiker des britischen Schriftstellers Lewis Carroll (1832-1898) schildert eine Welt, in der ein Kind sich allein seinen Weg durch das Leben bahnen muss, weit weg von allen erzieherischen Normen.

Im Leipziger Buchfunk Verlag ist eine Lesung mit der bekannten Schauspielerin und Sprecherin mit ChrisTine Urspruch erschienen, die durch Soundtrack-Einschübe des Klangkünstlers Stefan Weinzierl untermalt wird. Die Musikstücke heben das Phantasievolle der Literaturvorlage noch einmal eindrucksvoll hervor. Fazit: Eine wunderbare Neuerscheinung mit 90 Minuten Hörgenuss.

Bewertung vom 19.04.2024
Georg Friedrich Händels Auferstehung (MP3-Download)
Zweig, Stefan

Georg Friedrich Händels Auferstehung (MP3-Download)


ausgezeichnet

In seiner historischen Miniatur „Händels Auferstehung“ beschreibt Stefan Zweig, wie der alte und kranke Georg Friedrich Händel (1685-1759) 1741 in London ein letztes Mal ein großes Werk in Angriff nimmt und wie im Rausch vollendet: das Oratorium „Der Messias“. Das Werk mit dem weltbekannten Chor „Halleluja“ gilt bis heute als Inbegriff geistlicher Musik und zählt im englischen, aber auch im deutschen Sprachraum zu den am häufigsten musizierten Werken. „Der Messias“ besteht aus drei Teilen: Der erste Teil beginnt mit dem Warten auf die Ankunft des Messias und endet mit Christi Geburt. Im zweiten Teil steht die Leidensgeschichte Christi im Mittelpunkt, dieser Teil endet mit der Auferstehung. Im dritten Teil wird die „Erlösungsidee“ gefestigt.

Zweigs ergreifende Erzählung über die Entstehung dieser Komposition ist voller Hoffnung und Leidenschaft. Händel ist beseelt von einer Schöpferkraft, die stärker als der Tod. Im Leipziger Buchfunk Verlag ist eine vollständige Lesung mit dem bekannten Schauspieler Mario Adorf erschienen, der der Novelle seine besondere Stimme verleiht und sie dadurch lebendig werden lässt. Die Aufnahme verknüpft außerdem Teile des Oratoriums mit dem Text. Fazit: Ein tolles Hörbuch der Extra-Klasse für Literatur- und Musikfreunde!

Bewertung vom 17.04.2024
Der Bergbau in Sachsen im Spiegel der bergmännischen Tracht
Völker, Eberhard

Der Bergbau in Sachsen im Spiegel der bergmännischen Tracht


ausgezeichnet

Der Bergbau in Sachsen kann auf eine leine 850-jährige Tradition zurückblicken. Bereits 1168 ertönte das erste große Bergkgeschrey, als in der Nähe von Christiansdorf, dem heutigen Freiberg, Silber gefunden wurde. Im 13. Jahrhundert wurden dann weitere reiche Erzfunde entdeckt und abgebaut. Schnell entwickelten sich Vorschriften und technische Innovationen für den Abbau.

Auch das private Leben im Erzgebirge wurde mehr und mehr vom Bergbau geprägt. Es entwickelten sich Traditionen und Bräuche, die bis heute noch gepflegt werden. Eberhard Völker widmet sich in der neuen Buchreihe des Tauchaer Verlages besonders den bergmännischen Trachten. Sie ist die traditionelle Kleidung der Bergleute, die sich nach den Regionen unterscheiden. Die Tracht zeigt aber auch an, welche Funktion und Tätigkeit der Träger in der Hierarchiestufe der Bergleute einnimmt – von den Hüttenleuten über die Steiger, Häuer, Inspektoren bis zum Oberberghauptmann. Außerdem wird zwischen Arbeitskleidung und Festtracht unterschieden.

In zwölf Kapiteln beleuchtet der Autor die historische Entwicklung der Tracht über mehrere Jahrhunderte hinweg (bis in die Neuzeit) und ihre regionalen Unterschiede. Dabei wirft Völker auch einen Blick auf das Mansfelder Bergwesen und die Bergvogtei Thüringen. Der umfangreiche historische Text beschreibt sehr ausführlich (mit Auszügen aus Vorschriften und Reglements) die einzelnen Etappen des Bergbaus und der bergmännischen Tracht. Die Highlights sind aber unzähligen farbigen Trachtenabbildungen, die der Autor anhand historischer Quellen mit Detailtreue und bewundernswertem Fleiß erstellt. Fazit: Ein wunderbarer historischer Überblick über den Bergbau in Sachsen.

Bewertung vom 16.04.2024
'Mir fällt gerade ein...'
Krug, Manfred

'Mir fällt gerade ein...'


ausgezeichnet

Der Schauspieler und Sänger Manfred Krug war nicht nur ein fleißiger Tagebuchschreiber; stets notierte er auch Gedankenblitze, Tagesbeobachtungen, Weisheiten oder kurze Urteile zu Nachrichten, Fernsehsendungen oder Filmen. Die Lektorin Krista Maria Schädlich hat mit „Mir fällt gerade ein …“ ein wunderbares Sammelsurium dieser Notizen, Geschichtchen und Anekdoten von „Manne“ Krug zusammengestellt.

Es ist erstaunlich, was Krug alles bewegt und für aufschreibenswert hielt – von der Einladung zu einem Essen über lästige Autogrammsammler, die neue Anti-Fett-Pille, den Kauf von zwei bunten Porzellankatzen oder einen Boxkampf im Fernsehen bis hin zum Gemüsekisten-Tag oder die Bratkartoffeln mit Sülze. Dazwischen immer wieder erstaunliches Wissenswertes aus aller Welt, das er in Zeitungen oder Lexika aufgeschnappt hat. Als passionierter Flohmarkt-Besucher (selbst bei klirrendem Frost oder strömendem Regen) notiert er natürlich stets seine neuen Errungenschaften von einer alten Kamera bis zum bleischweren Lederkoffer. Ergänzt wird das Sammelsurium durch einige kurze Korrespondenzen mit seinem langjährigen Freund Jurek Becker.

Der bekannte hallesche Künstler Moritz Götze, der schon Krug’s Lyrikband „66 Gedichte – Was soll das?“ (1999) mit Buntstiftzeichnungen illustrierte, hat dieses Mal extra Radierungen angefertigt, die das Büchlein zu einem bibliophilen Kleinod machen. Ein Muss für alle Fans von Manfred Krug und Moritz Götze.

Bewertung vom 12.04.2024
Joachim Ringelnatz
Annel, Ulf

Joachim Ringelnatz


ausgezeichnet

Joachim Ringelnatz (eigentlich Hans Bötticher, 1883-1934) wurde als Schriftsteller, Kabarettist und Maler vor allem mit seinen humoristischen Gedichten um die Kunstfigur, den Seemann Kuttel Daddeldu, bekannt. Sie fehlen noch heute in keiner deutschen Lyrikanthologie.

Auch Ringelnatz‘ Biografie ist eine abenteuerliche Geschichte, die der Journalist und Kabarettist Ulf Annel anhand von Anekdoten nachzuzeichnen versucht. Die Anekdoten und Geschichtchen hat Annel in den Erinnerungen von Ringelnatz aber auch in Archiven, Zeitschriften und anderen Veröffentlichungen aufgespürt. Es sind wahrhaftig wahre und höchstwahrscheinlich wahre Geschichten aus dem gut halben Jahrhundert Leben des Joachim Ringelnatz.

„Ich bin etwas schief ins Leben gebaut“, hat Ringelnatz einmal von sich selbst gesagt, und so sind die anekdotischen Begebenheiten etwas schief und humorvoll, aber auch durchaus mit ernstem Hintergrund. So packte Ringelnatz häufig das Fernweh – ob als Seemann oder als wandernder Musikant, wo er über Holland per Dampfer weiter wollte. Bei einem Parisbesuch wollte er sich auf Französisch bei einem Passanten nach der Mona Lisa erkundigen. Völlig erstaunt antwortete ihm dieser im sächsischen Dialekt. Als Ringelnatz von einem Schweizer Bewunderer ein goldenes Hundertfrankenstück geschenkt bekam, schwor er, die Münze als Andenken zu behalten. Doch bereits am nächsten Tag verflüssigte er das Andenken. Fazit: eine sehr interessante, humorvolle und lesenswerte Anekdotensammlung, die uns Joachim Ringelnatz näherbringt.

Bewertung vom 07.04.2024
Hochschwarzwald
Feil, Doris

Hochschwarzwald


ausgezeichnet

Die Naturreihe „European Essays on Nature and Landscape" versammelt AutorInnentexte über Landschaften und Naturphänomene. Dabei lässt jeder Band die eigene Handschrift der Autor*innen erkennen. Die Autorin Doris Feil, die im Hochschwarzwald aufgewachsen ist, aber jetzt in Hamburg lebt, unternimmt in ihrem Text eine Reise in ihre ehemalige Heimat – von Freiburg geht es nach Todtnauberg, nach St. Blasien und ins Horbacher Moor. Ob Berge, Weideflächen, Schluchten, Quellen oder Seen, in dieser Landschaft gibt es zahlreiche Naturschönheiten zu entdecken. Feil nähert sich mit ihren Naturbeobachtungen ihren Kindheitserinnerungen.

Im Mittelpunkt der Darstellung steht jedoch das Treffen des jüdischen Lyrikers Paul Celan, der seine Familie im Holocaust verlor, und des Philosophen Martin Heidegger, der während des Krieges der NS-Ideologie nachhing. Celan bewunderte den Philosophen, allerdings nur in seinen Werken. Auch während ihrer gemeinsamen Rundreise im Juli 1967 durch den Hochschwarzwald und dem Treffen in Heideggers Hütte kam von Heidegger kein klärendes Wort über sein NS-Engagement in den 1930er-Jahren. Drei Mal begegneten sich Paul Celan und Martin Heidegger, zu Spaziergängen, zum Kaffee, zu Gesprächen, doch das Eis zwischen ihnen wollte nicht brechen.

Neben der Beschreibung der Naturschönheiten und der Begegnung der beiden Geistesgrößen ist die Neuerscheinung mit zahlreichen Fotos, Karten und Hinweisen sowie einigen Celan-Gedichten ausgestattet.

Bewertung vom 06.04.2024
Abbey Road
Hepworth, David

Abbey Road


ausgezeichnet

Am 12. November 1931 eröffneten die legendären Abbey Road Aufnahmestudios. Seitdem wurden dort atemberaubende Musikstücke eingespielt, die rund um den Erdball bekannt sind. Die Beatles spielten dort die meisten Songs ein und benannten ihr letztes Album nach den weltberühmten Studios. Durch die vier Liverpooler wurden die Studios mit den legendären Zebrastreifen weltberühmt. Aber auch andere Popgrößen wie Queen, Pink Floyd Kate Bush oder Elton John oder Größen aus dem Klassikbereich waren hier Stammgäste – u.a. Daniel Barenboim oder Yehudi Menuhin.

Der britische Musikjournalist David Hepworth beschreibt die bewegte und ereignisreiche Geschichte der Studios, in der sich auch die weltweite Musikgeschichte widerspiegelt. In 22 ausführlichen Kapiteln dokumentiert er wichtige Etappen der Geschichte und gewährt damit einen Einblick, was dort seit über neunzig Jahren wirklich hinter den Türen des berühmtesten Aufnahmestudios der Welt passiert.

Mit bisher unveröffentlichtem Material sowie Interviews mit Künstlern, Produzenten und Toningenieuren, Transkripten, historischen Fotos und vielem mehr ist dies die Geschichte, wie das erste eigens dafür errichtete Aufnahmestudio zu einem Phänomen wurde. Ergänzt wird die Neuerscheinung durch ein Vorwort von Paul McCartney.

Bewertung vom 05.04.2024
Hanna Bekker vom Rath

Hanna Bekker vom Rath


ausgezeichnet

Die Kunstsammlerin, Mäzenin und Vermittlerin Hanna Bekker vom Rath (1893-1983) war eine Wegbereiterin der künstlerischen Avantgarde. In ihrem Blauen Haus in Hofheim am Taunus wirkte sie aber auch über sechzig Jahre als Malerin. In der Zeit des Nationalsozialismus wurden dieses Domizil und später ihre Berliner Wohnung zu einer heimlichen Begegnungsstätte für einige „entartete“ Künstler und deren Unterstützer. Nach dem Krieg war es ihr ehrgeiziges Ziel, die deutsche Avantgardekunst wieder international zu rehabilitieren.

Das Brücke-Museum Berlin würdigt mit der Ausstellung „Hanna Bekker vom Rath. Eine Aufständische für die Moderne“ (24. Febr.-16. Juni 2024) ihr langjähriges Wirken. Neben eigenen Werken präsentiert die Ausstellung zahlreiche Werke (Gemälde, Plastiken, Holzschnitte, Textilarbeiten usw.) von anderen, ehemals verfemten Künstler*innen. Die Palette reicht dabei von Ida Kerkovius über Wilhelm Lehmbruck, Willi Baumeister, Alexej von Jawlensky oder August Macke bis hin zu Karl Schmidt-Rottluff.

Im Hirmer Verlag ist der zweisprachige (dt./engl.) und reich illustrierte Begleitkatalog erschienen, der sich neben den abgebildeten Ausstellungswerken auch ausführlich dem Leben und Wirken von Hanna Bekker vom Rath widmet – auch mit einigen historischen Abbildungen. Die sechs Essays von renommierten Kunsthistoriker*innen beleuchten dabei besondere Aspekte. So gibt Marian Stein-Steinfeld einen Einblick in das Blaue Haus in Hofheim, Roman Zieglgänseberger widmet sich den „heimlichen“ Jawlensky-Ausstellungen in Berlin oder Sabine Maria Schmidt beschäftigt sich mit den Künstler*innennetzwerken von Hanna Bekker vom Rath. Neben Bibliografie und Verzeichnis der ausgestellten Werke wird der äußerst informative Katalog noch durch eine Biografie.