Percival Everett
eBook, ePUB
James (eBook, ePUB)
Roman National Book Award 2024
Übersetzer: Stingl, Nikolaus
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National Book Award 2024 "Huckleberry Finn" wird zum Roman der Freiheit - in "James" erfindet Percival Everett den Klassiker der amerikanischen Literatur neu. Fesselnd, komisch, subversiv Jim spielt den Dummen. Es wäre zu gefährlich, wenn die Weißen wüssten, wie intelligent und gebildet er ist. Als man ihn nach New Orleans verkaufen will, flieht er mit Huck gen Norden in die Freiheit. Auf dem Mississippi jagt ein Abenteuer das nächste: Stürme, Überschwemmungen, Begegnungen mit Betrügern und Blackface-Sängern. Immer wieder muss Jim mit seiner schwarzen Identität jonglieren, um sich un...
National Book Award 2024 "Huckleberry Finn" wird zum Roman der Freiheit - in "James" erfindet Percival Everett den Klassiker der amerikanischen Literatur neu. Fesselnd, komisch, subversiv Jim spielt den Dummen. Es wäre zu gefährlich, wenn die Weißen wüssten, wie intelligent und gebildet er ist. Als man ihn nach New Orleans verkaufen will, flieht er mit Huck gen Norden in die Freiheit. Auf dem Mississippi jagt ein Abenteuer das nächste: Stürme, Überschwemmungen, Begegnungen mit Betrügern und Blackface-Sängern. Immer wieder muss Jim mit seiner schwarzen Identität jonglieren, um sich und seinen jugendlichen Freund zu retten. Percival Everetts "James" ist einer der maßgeblichen Romane unserer Zeit, eine unerhörte Provokation, die an die Grundfesten des amerikanischen Mythos rührt. Ein auf den Kopf gestellter Klassiker, der uns aufrüttelt und fragt: Wie lesen wir heute? Fesselnd, komisch, subversiv.
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Percival Everett, geboren 1956 in Fort Gordon/Georgia, ist Schriftsteller und Professor für Englisch an der University of Southern California. Er hat zahlreiche Romane, Erzählungen und Lyrikbände veröffentlicht. Bei Hanser erschienen zuletzt die Romane »Erschütterung« (2022), »Die Bäume« (2023) sowie »James« (2024), für den er den National Book Award und den Pulitzer-Preis erhalten hat.
Produktbeschreibung
- Verlag: Carl Hanser Verlag
- Seitenzahl: 336
- Erscheinungstermin: 18. März 2024
- Deutsch
- ISBN-13: 9783446280472
- Artikelnr.: 69439839
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Rezensentin Sylvia Staude freut sich, dass Percival Everett in seinem Roman eine "Twainsche Leerstelle" füllt. Denn der Autor schreibe hier in weiten Teilen an Mark Twains "Die Abenteuer des Huckleberry Finn" entlang, nehme dabei aber die Perspektive des schwarzen Sklaven James bzw. Jim ein, der Huck auf seiner Reise begleitet. Wie der afroamerikanische Schriftsteller Sklaverei und Rassismus diesmal weniger blutig behandle als etwa im vorangegangenen Rache-Roman "Die Bäume", findet Staude spannend zu lesen: So lasse er seinen Protagonisten etwa einen sprachlichen "Sklavenfilter" einziehen, sobald er mit Weißen redet - aus der hochgebildeten Sprache Jims wird dann ein Slang, um der Erwartungshaltung des weißen Gegenübers zu entsprechen. Vorzüglich werde dies von Nikolaus Stingl übersetzt, lobt Staude. Ebenfalls spannend findet sie die Passagen, in denen Jim in einer Art Traum-Delirium mit Voltaire über dessen Begriff von Freiheit philosophiert und diesen dabei sogar zu gewissen Formulierungen inspiriert. Eine "realistische" Figur sei das natürlich nicht, und oft fungiere sie auch als erhobener Zeigefinger. Aber darum gehe es auch nicht in diesem "unterhaltsamen" und höchst "sprachbewussten" Roman, so Staude, sondern um den Anbruch einer neuen Zeit.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Bereichern statt bereinigen
Der amerikanische Schriftsteller Percival Everett stellt Mark Twains "Huckleberry Finn" auf den Kopf: Aus dem naiven Jim des Romanklassikers wird ein Meister der Ironie. Und als solcher erweist sich denn auch der Autor des Romans "James".
Von Andreas Platthaus
Es ist erst wenige Tage her, dass über die Darstellung des Jim Knopf aus Michael Endes Kinderbüchern gestritten wurde, nachdem der Verlag als rassistisch interpretierte Charakteristika der Figur abgeändert hatte - in Wort und Bild. Die Empfindlichkeiten im öffentlichen Gespräch gerade über Fragen von Identität haben drastisch zugenommen, und ein gewachsener Stolz der Angehörigen von ehedem als randständig angesehenen
Der amerikanische Schriftsteller Percival Everett stellt Mark Twains "Huckleberry Finn" auf den Kopf: Aus dem naiven Jim des Romanklassikers wird ein Meister der Ironie. Und als solcher erweist sich denn auch der Autor des Romans "James".
Von Andreas Platthaus
Es ist erst wenige Tage her, dass über die Darstellung des Jim Knopf aus Michael Endes Kinderbüchern gestritten wurde, nachdem der Verlag als rassistisch interpretierte Charakteristika der Figur abgeändert hatte - in Wort und Bild. Die Empfindlichkeiten im öffentlichen Gespräch gerade über Fragen von Identität haben drastisch zugenommen, und ein gewachsener Stolz der Angehörigen von ehedem als randständig angesehenen
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gesellschaftlichen Gruppen geht einher mit ihrer apodiktischen Ablehnung jeglicher Form von Fremdzuschreibung, die nicht dem eigenen Bild entspricht. Verschärft wird diese Dichotomie durch das Beharren auf Exklusivität beim Gebrauch bestimmter Begrifflichkeiten - und zwar auf rechter wie linker Seite. Wie wäre da zu vermitteln?
Durch Kunstfertigkeit, der es gelingt, die heikle Auseinandersetzung geistvoll zu entschärfen, und ein Königsweg dabei ist Ironie. Wie sie Percival Everett mit seinem Roman "James" beweist. Wie sehr dieser Autor, geboren 1956 in Georgia und seit mehr als einem Vierteljahrhundert an der University of Southern California in Los Angeles Literaturwissenschaft lehrend, als wichtiger Protagonist eines neuen schwarzen Selbstbewusstseins gilt, zeigt die Tatsache, dass "James" auf Deutsch einige Tage vor der amerikanischen Publikation erscheint. Der Hanser Verlag weiß, dass jenes aufgeklärte Publikum, für das Everett schreibt, polyglott ist und zum englischsprachigen Original greifen würde, um zu lesen, wie er aufs Herz der Debatte zielt.
"James" bedient sich einer literarischen Folie, eines der berühmtesten Romane überhaupt: "Huckleberry Finn" von Mark Twain, erschienen 1884. Doch auch der ist ungeachtet seines humanistischen Gegenstands - der jugendliche weiße Titelheld und der schwarze Sklave Jim fliehen gemeinsam aus ihrem Heimatort am Mississippi, um Jims Weiterverkauf zu verhindern - längst in den Fokus der Sprachkritik geraten. Was auch kaum zu verhindern war, hebt doch Mark Twains Roman mit folgender Erklärung an: "In diesem Buch werden mehrere Dialekte gesprochen, als da sind: der Negerdialekt von Missouri . . .", und dann folgen noch sechs weitere der weißen Bevölkerung, doch es ist der durch "Huckleberry Finn" kodifizierte Sklavenslang, der heute inopportun ist (um es höflich zu sagen).
Die jüngste der zahlreichen deutschen Übersetzungen, angefertigt 2010 von Andreas Nohl, merkt dazu kritisch an: "Die Liebenswürdigkeit des Charakters Jim kann über einen schwerwiegenden Mangel nicht hinwegtäuschen: Jim wird, obgleich er zwei Kinder hat und sicher über dreißig Jahre alt ist, in seinen Reaktionen nicht als erwachsener Mann gezeichnet. [...] Dies macht den Roman als Lektüre für afroamerikanische Kinder und Jugendliche und teilweise auch für ihre Eltern schwer erträglich, als Schulbuch indiskutabel." Gleichwohl hat "Huckleberry Finn" literarisch Schule gemacht wie sonst in den Vereinigten Staaten nur "Moby-Dick". Und Percival Everett verneigt sich am Schluss von "James" vor Mark Twain: "Sein Humor und seine Menschlichkeit haben mich beeinflusst, lange bevor ich Schriftsteller wurde."
Was aber stellt Everett nun damit an? Er verwandelt gerade das heute umstrittenste Element von "Huckleberry Finn", den Duktus von Jim, in eine große Farce, aufgeführt von den schwarzen Sklaven im Umgang mit ihren weißen Herren. Gleich zu Beginn erteilt Jim seiner Tochter und deren schwarzen Spielgefährten Sprachunterricht: "Die Weißen erwarten, dass wir auf eine bestimmte Weise klingen, und es kann nur nützlich sein, sie nicht zu enttäuschen. Wenn sie sich unterlegen fühlen, haben nur wir darunter zu leiden." So elaboriert und reflektiert diese Lektion klingt, so gewählt sprechen alle Schwarzen in Everetts Buch miteinander - bis sie in Hörweite von Weißen kommen. Dann benutzen sie den "Sklavenfilter", wie Jim dieses Verfahren nennt.
Oder besser gesagt: James. Denn Jim weiß, dass auch sein Name zur Sklavenidentität gehört. "Man nennt mich Jim", notiert er sich, als er zum ersten Mal zu schreiben wagt: "Ich muss mir erst noch einen Namen ausdenken." Das zweite Notat hebt dann schon so an: "Ich heiße James", und am Schluss, als er zurückkehrt, um seine Familie zu befreien, ist seine Selbstfindung im Schreibprozess vollendet: "Mein Name gehörte endlich mir." Auf seinem Rachefeldzug gegen die Peiniger von seinesgleichen wird er ihn einsetzen wie einen Fluch.
Jim ist ein anderer bei Everett; vor allem ist er auch Ich-Erzähler des Romans, übernimmt also die Rolle von Huck Finn, der in "James" zu einem kindlichen Jungen wird und damit wiederum jene Unselbständigkeit personifiziert, die Mark Twain für Jim reservierte. Ansonsten entspricht der neue Roman dem bekannten Verlauf des alten: Jim und Huck treffen sich zufällig auf Jackson's Island im Mississippi, wo sie beide Zuflucht gefunden haben und schlagen sich auf einem Floß nach Süden durch, um über den Ohio in einen jener Bundesstaaten zu gelangen, in denen die Sklaverei schon aufgehoben ist. Sie treffen auf das Gaunerpaar, das sich mit den Titeln eines Herzogs und des französischen Thronfolgers schmückt, werden mehrfach getrennt, und die Tatsache, dass Twain seinen Huck etliche Abenteuer ohne Jim bestreiten lässt, nutzt Everett zur Verknappung seines eigenen Romans, der nur halb so umfangreich ist wie das Vorbild. Er setzt jedoch die Kenntnis von Twains Buch voraus, wenn er etwa die tödliche Familienfehde zwischen den Sheperdsons und den Grangerfords auf nur drei Seiten abhandelt - und genauso überraschend, wie zu deren blutigem Finale bei Twain Jim wieder auftaucht, tut es nun bei Everett der Junge. Im Verlauf erweist sich "James" immer mehr als jener Rollentausch, den Percival Everett der ganzen amerikanischen Literatur nicht vor-, aber verschreibt: Schwarzes Leben rückt an die Stelle des weißen.
Das tut Everett bereits seit vierzig Jahren, aber auf Deutsch erschienen sind von seinen mehr als dreißig Büchern nur wenige: Als erste Übersetzung kam vor anderthalb Jahrzehnten "Ausradiert" (im Original "Erasure") heraus, bis heute der größte amerikanische Romanerfolg von Everett, der gerade erst unter dem Titel "American Fiction" verfilmt worden ist (und für fünf Oscars nominiert war). Bereits diesem in den Vereinigten Staaten 2001 erschienenen Buch war ein Motto von Mark Twain vorangestellt: "Ich könnte nie eine Lüge erzählen, die irgendjemand anzweifeln würde, und auch keine Wahrheit, die irgendjemand glauben würde." Everett erzählt darin die Geschichte eines schwarzen Literaturprofessors, dessen Romane kein Publikum finden, weil sie nicht in Ghettosprache abgefasst sind - bis er aus Zorn über die klischeegesättigten Bestseller anderer schwarzer Autoren auch solch ein Buch schreibt, unter Pseudonym. Natürlich wird es ein Riesenerfolg, doch nun muss der Intellektuelle die Rolle eines hartgesottenen Autors aus der Gosse spielen. Die Parallele zur erzwungenen schwarzen Selbstverleugnung als Thema von "James" zeigt, wie konsequent Everett seine Themen verfolgt.
Aber erst seit der heute Siebenundsechzigjährige jüngst ins Programm von Hanser aufgenommen wurde - vor "James" erschienen dort 2022 "Erschütterung" und 2023 "Die Bäume", beide ebenfalls von Nikolaus Stingl übersetzt -, hat er ein deutsches Publikum gefunden, obwohl es schon 2014 so aussah, als könnte er sich hierzulande etablieren: Damals erschienen gleich zwei Romane, "God's Country" und "Ich bin nicht Sidney Poitier", beides ebenso hochironische Spiele mit literarischen Topoi schwarzer Identität wie die drei Hanser-Titel. Aber es besteht kaum Zweifel, dass "James" die Wahrnehmung von Everett auf eine neue Ebene heben wird, nachdem sich die aberwitzig schwarze (humoristisch wie soziologisch) Krimifarce "Die Bäume" zum Verkaufsschlager entwickelt hat.
Stingl stand bei "James" vor ganz anderen Herausforderungen als bei seinen beiden früheren Everett-Romanen: "Versucht man, die speziellen Eigenarten des von Schwarzen gesprochenen Südstaatenenglisch im Deutschen nachzubilden, stößt man rasch an Grenzen bzw. läuft Gefahr, eine Art retardiertes, einfältiges Idiom zu produzieren." Durch Schaffung eines künstlichen Dialekts in phonetischer Schreibweise hat er das Problem gelöst, wobei Andreas Nohl oder Friedhelm Rathjen (zwei "Huckleberry Finn"-Kollegen) bei Twains Jim ähnlich vorgegangen sind. Ein einziges Mal haben Stingl und das Lektorat versagt: als der bis dahin stets als "Herzog" bezeichnete Gauner plötzlich als "Duke" apostrophiert wird. Aber sonst entspricht die Übersetzung genau Everetts Absicht: Anklang ans Vorbild von Twain.
Umso schockierender sind in dieser Jugendbuchstimmung dann die Gewalteinbrüche. Was Twain von der jugendlichen Naivität seines Ich-Erzählers verkennen lässt, die blutige Brutalität einer Sklavenhaltergesellschaft, das erkennt der wissensbegierige Jim in "James" umso deutlicher. In der Bibliothek von Richter Thatcher hat er Voltaire und John Locke gelesen, und in seinen Träumen führt er mit ihnen Gespräche, die nicht eben schmeichelhaft für die Klassiker ausgehen.
Jim und seine schwarzen Leidensgenossen erfreuen sich auch ihrer kaschierten Überlegenheit, wenn sie wieder einmal einen Weißen getäuscht haben: "'Jetzt wird er sich betrinken, nicht so sehr, weil er's kann, sondern weil wir es nicht können', sagte ich. Luke schmunzelte. 'Und wenn wir ihn dann später herumtorkeln und sich zum Narren machen sehen, ist das dann ein Beispiel von proleptischer oder von dramatischer Ironie?' 'Könnte beides sein.' 'Das wäre dann wirklich ironisch.'" Nein, witziger und dabei böser ist die amerikanische Gegenwartsliteratur lange nicht gewesen. Womöglich nicht mehr seit Mark Twain.
Besonders interessant wird es, wenn Everett sich inhaltlich von "Huckleberry Finn" löst. Im Gegensatz zur Handlung bei Twain ist die von "James" zeitlich klar situiert: im Jahr 1861, rund um den Ausbruch des Bürgerkriegs - auch das eine Zuspitzung der politischen Konnotation des Geschehens. Und Everett erzählt in "James" nicht nur Jims Geschichte neu. Dadurch, dass die Figuren von Twain bei ihm zu anderen Menschen werden, wird unsere Welt eine andere. Das ist das Gegenmodell zur Bereinigung von Klassikern wie Michael Endes "Jim Knopf"-Bücher: Bereicherung der Literatur. Natürlich ist das nichts für identitäre Eiferer; nicht umsonst ist "Ironie" ein von Everetts Jim so oft gebrauchtes Wort. Als der gegenüber Huck noch den dummen Neger spielt, stellt er einmal fest: "Da sin die Leute ehm komisch. Die nehm die Lühng, die sie hahm wollen, und schmeißen die Wahrheiten weg, die ihn Angs machng." Auch aktueller ist die amerikanische Gegenwartsliteratur lange nicht gewesen als mit "James" in diesem Wahljahr.
Percival Everett: "James". Roman.
Aus dem Englischen von Nikolaus Stingl. Hanser Verlag, München 2024. 336 S., geb., 26,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Durch Kunstfertigkeit, der es gelingt, die heikle Auseinandersetzung geistvoll zu entschärfen, und ein Königsweg dabei ist Ironie. Wie sie Percival Everett mit seinem Roman "James" beweist. Wie sehr dieser Autor, geboren 1956 in Georgia und seit mehr als einem Vierteljahrhundert an der University of Southern California in Los Angeles Literaturwissenschaft lehrend, als wichtiger Protagonist eines neuen schwarzen Selbstbewusstseins gilt, zeigt die Tatsache, dass "James" auf Deutsch einige Tage vor der amerikanischen Publikation erscheint. Der Hanser Verlag weiß, dass jenes aufgeklärte Publikum, für das Everett schreibt, polyglott ist und zum englischsprachigen Original greifen würde, um zu lesen, wie er aufs Herz der Debatte zielt.
"James" bedient sich einer literarischen Folie, eines der berühmtesten Romane überhaupt: "Huckleberry Finn" von Mark Twain, erschienen 1884. Doch auch der ist ungeachtet seines humanistischen Gegenstands - der jugendliche weiße Titelheld und der schwarze Sklave Jim fliehen gemeinsam aus ihrem Heimatort am Mississippi, um Jims Weiterverkauf zu verhindern - längst in den Fokus der Sprachkritik geraten. Was auch kaum zu verhindern war, hebt doch Mark Twains Roman mit folgender Erklärung an: "In diesem Buch werden mehrere Dialekte gesprochen, als da sind: der Negerdialekt von Missouri . . .", und dann folgen noch sechs weitere der weißen Bevölkerung, doch es ist der durch "Huckleberry Finn" kodifizierte Sklavenslang, der heute inopportun ist (um es höflich zu sagen).
Die jüngste der zahlreichen deutschen Übersetzungen, angefertigt 2010 von Andreas Nohl, merkt dazu kritisch an: "Die Liebenswürdigkeit des Charakters Jim kann über einen schwerwiegenden Mangel nicht hinwegtäuschen: Jim wird, obgleich er zwei Kinder hat und sicher über dreißig Jahre alt ist, in seinen Reaktionen nicht als erwachsener Mann gezeichnet. [...] Dies macht den Roman als Lektüre für afroamerikanische Kinder und Jugendliche und teilweise auch für ihre Eltern schwer erträglich, als Schulbuch indiskutabel." Gleichwohl hat "Huckleberry Finn" literarisch Schule gemacht wie sonst in den Vereinigten Staaten nur "Moby-Dick". Und Percival Everett verneigt sich am Schluss von "James" vor Mark Twain: "Sein Humor und seine Menschlichkeit haben mich beeinflusst, lange bevor ich Schriftsteller wurde."
Was aber stellt Everett nun damit an? Er verwandelt gerade das heute umstrittenste Element von "Huckleberry Finn", den Duktus von Jim, in eine große Farce, aufgeführt von den schwarzen Sklaven im Umgang mit ihren weißen Herren. Gleich zu Beginn erteilt Jim seiner Tochter und deren schwarzen Spielgefährten Sprachunterricht: "Die Weißen erwarten, dass wir auf eine bestimmte Weise klingen, und es kann nur nützlich sein, sie nicht zu enttäuschen. Wenn sie sich unterlegen fühlen, haben nur wir darunter zu leiden." So elaboriert und reflektiert diese Lektion klingt, so gewählt sprechen alle Schwarzen in Everetts Buch miteinander - bis sie in Hörweite von Weißen kommen. Dann benutzen sie den "Sklavenfilter", wie Jim dieses Verfahren nennt.
Oder besser gesagt: James. Denn Jim weiß, dass auch sein Name zur Sklavenidentität gehört. "Man nennt mich Jim", notiert er sich, als er zum ersten Mal zu schreiben wagt: "Ich muss mir erst noch einen Namen ausdenken." Das zweite Notat hebt dann schon so an: "Ich heiße James", und am Schluss, als er zurückkehrt, um seine Familie zu befreien, ist seine Selbstfindung im Schreibprozess vollendet: "Mein Name gehörte endlich mir." Auf seinem Rachefeldzug gegen die Peiniger von seinesgleichen wird er ihn einsetzen wie einen Fluch.
Jim ist ein anderer bei Everett; vor allem ist er auch Ich-Erzähler des Romans, übernimmt also die Rolle von Huck Finn, der in "James" zu einem kindlichen Jungen wird und damit wiederum jene Unselbständigkeit personifiziert, die Mark Twain für Jim reservierte. Ansonsten entspricht der neue Roman dem bekannten Verlauf des alten: Jim und Huck treffen sich zufällig auf Jackson's Island im Mississippi, wo sie beide Zuflucht gefunden haben und schlagen sich auf einem Floß nach Süden durch, um über den Ohio in einen jener Bundesstaaten zu gelangen, in denen die Sklaverei schon aufgehoben ist. Sie treffen auf das Gaunerpaar, das sich mit den Titeln eines Herzogs und des französischen Thronfolgers schmückt, werden mehrfach getrennt, und die Tatsache, dass Twain seinen Huck etliche Abenteuer ohne Jim bestreiten lässt, nutzt Everett zur Verknappung seines eigenen Romans, der nur halb so umfangreich ist wie das Vorbild. Er setzt jedoch die Kenntnis von Twains Buch voraus, wenn er etwa die tödliche Familienfehde zwischen den Sheperdsons und den Grangerfords auf nur drei Seiten abhandelt - und genauso überraschend, wie zu deren blutigem Finale bei Twain Jim wieder auftaucht, tut es nun bei Everett der Junge. Im Verlauf erweist sich "James" immer mehr als jener Rollentausch, den Percival Everett der ganzen amerikanischen Literatur nicht vor-, aber verschreibt: Schwarzes Leben rückt an die Stelle des weißen.
Das tut Everett bereits seit vierzig Jahren, aber auf Deutsch erschienen sind von seinen mehr als dreißig Büchern nur wenige: Als erste Übersetzung kam vor anderthalb Jahrzehnten "Ausradiert" (im Original "Erasure") heraus, bis heute der größte amerikanische Romanerfolg von Everett, der gerade erst unter dem Titel "American Fiction" verfilmt worden ist (und für fünf Oscars nominiert war). Bereits diesem in den Vereinigten Staaten 2001 erschienenen Buch war ein Motto von Mark Twain vorangestellt: "Ich könnte nie eine Lüge erzählen, die irgendjemand anzweifeln würde, und auch keine Wahrheit, die irgendjemand glauben würde." Everett erzählt darin die Geschichte eines schwarzen Literaturprofessors, dessen Romane kein Publikum finden, weil sie nicht in Ghettosprache abgefasst sind - bis er aus Zorn über die klischeegesättigten Bestseller anderer schwarzer Autoren auch solch ein Buch schreibt, unter Pseudonym. Natürlich wird es ein Riesenerfolg, doch nun muss der Intellektuelle die Rolle eines hartgesottenen Autors aus der Gosse spielen. Die Parallele zur erzwungenen schwarzen Selbstverleugnung als Thema von "James" zeigt, wie konsequent Everett seine Themen verfolgt.
Aber erst seit der heute Siebenundsechzigjährige jüngst ins Programm von Hanser aufgenommen wurde - vor "James" erschienen dort 2022 "Erschütterung" und 2023 "Die Bäume", beide ebenfalls von Nikolaus Stingl übersetzt -, hat er ein deutsches Publikum gefunden, obwohl es schon 2014 so aussah, als könnte er sich hierzulande etablieren: Damals erschienen gleich zwei Romane, "God's Country" und "Ich bin nicht Sidney Poitier", beides ebenso hochironische Spiele mit literarischen Topoi schwarzer Identität wie die drei Hanser-Titel. Aber es besteht kaum Zweifel, dass "James" die Wahrnehmung von Everett auf eine neue Ebene heben wird, nachdem sich die aberwitzig schwarze (humoristisch wie soziologisch) Krimifarce "Die Bäume" zum Verkaufsschlager entwickelt hat.
Stingl stand bei "James" vor ganz anderen Herausforderungen als bei seinen beiden früheren Everett-Romanen: "Versucht man, die speziellen Eigenarten des von Schwarzen gesprochenen Südstaatenenglisch im Deutschen nachzubilden, stößt man rasch an Grenzen bzw. läuft Gefahr, eine Art retardiertes, einfältiges Idiom zu produzieren." Durch Schaffung eines künstlichen Dialekts in phonetischer Schreibweise hat er das Problem gelöst, wobei Andreas Nohl oder Friedhelm Rathjen (zwei "Huckleberry Finn"-Kollegen) bei Twains Jim ähnlich vorgegangen sind. Ein einziges Mal haben Stingl und das Lektorat versagt: als der bis dahin stets als "Herzog" bezeichnete Gauner plötzlich als "Duke" apostrophiert wird. Aber sonst entspricht die Übersetzung genau Everetts Absicht: Anklang ans Vorbild von Twain.
Umso schockierender sind in dieser Jugendbuchstimmung dann die Gewalteinbrüche. Was Twain von der jugendlichen Naivität seines Ich-Erzählers verkennen lässt, die blutige Brutalität einer Sklavenhaltergesellschaft, das erkennt der wissensbegierige Jim in "James" umso deutlicher. In der Bibliothek von Richter Thatcher hat er Voltaire und John Locke gelesen, und in seinen Träumen führt er mit ihnen Gespräche, die nicht eben schmeichelhaft für die Klassiker ausgehen.
Jim und seine schwarzen Leidensgenossen erfreuen sich auch ihrer kaschierten Überlegenheit, wenn sie wieder einmal einen Weißen getäuscht haben: "'Jetzt wird er sich betrinken, nicht so sehr, weil er's kann, sondern weil wir es nicht können', sagte ich. Luke schmunzelte. 'Und wenn wir ihn dann später herumtorkeln und sich zum Narren machen sehen, ist das dann ein Beispiel von proleptischer oder von dramatischer Ironie?' 'Könnte beides sein.' 'Das wäre dann wirklich ironisch.'" Nein, witziger und dabei böser ist die amerikanische Gegenwartsliteratur lange nicht gewesen. Womöglich nicht mehr seit Mark Twain.
Besonders interessant wird es, wenn Everett sich inhaltlich von "Huckleberry Finn" löst. Im Gegensatz zur Handlung bei Twain ist die von "James" zeitlich klar situiert: im Jahr 1861, rund um den Ausbruch des Bürgerkriegs - auch das eine Zuspitzung der politischen Konnotation des Geschehens. Und Everett erzählt in "James" nicht nur Jims Geschichte neu. Dadurch, dass die Figuren von Twain bei ihm zu anderen Menschen werden, wird unsere Welt eine andere. Das ist das Gegenmodell zur Bereinigung von Klassikern wie Michael Endes "Jim Knopf"-Bücher: Bereicherung der Literatur. Natürlich ist das nichts für identitäre Eiferer; nicht umsonst ist "Ironie" ein von Everetts Jim so oft gebrauchtes Wort. Als der gegenüber Huck noch den dummen Neger spielt, stellt er einmal fest: "Da sin die Leute ehm komisch. Die nehm die Lühng, die sie hahm wollen, und schmeißen die Wahrheiten weg, die ihn Angs machng." Auch aktueller ist die amerikanische Gegenwartsliteratur lange nicht gewesen als mit "James" in diesem Wahljahr.
Percival Everett: "James". Roman.
Aus dem Englischen von Nikolaus Stingl. Hanser Verlag, München 2024. 336 S., geb., 26,- Euro.
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"Es ist ein Sprachfeuerwerk und ein überaus kluges Buch. So geht Weltliteratur." Denis Scheck, WDR, 31.03.24 "Eine fesselnde Antwort auf Mark Twains Klassiker 'Huckleberry Finn'... Eine literarische Sensation." Jury Booker Prize zur Longlist-Nominierung, 30.07.24 "Witziger und dabei böser ist die amerikanische Gegenwartsliteratur lange nicht gewesen. Womöglich nicht mehr seit Mark Twain." Andreas Platthaus, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.03.24 "Eine literarische Auseinandersetzung mit dem Rassismus, wie es sie noch nicht gab." Martin Ebel, Tages-Anzeiger, 25.03.24 "Man kann sich vorstellen, dass diese Story alles bereithält, was ein furioser Abenteuerroman braucht: Spannung und Wendungsreichtum, Cleverness und Gefühl, mithin einen
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eingängigen und dadurch packenden Stil. Doch zur Brillanz des Textes trägt darüber hinaus seine analytische Intelligenz bei." Björn Hayer, Der Freitag, 21.03.24 "Mit 'James' revidiert Everett den amerikanischen Kanon auf subversive Weise und schafft dabei großartige Literatur. Sein kraftvoller Erzählfluss trägt die Tiefenschichten philosophischer Reflexion in sich, aber der Leser kann auch an der Oberfläche bleiben und sich von den überraschenden Wendungen der Geschichte mitreißen lassen." Martina Läubli, Neue Zürcher Zeitung, 16.03.24 "Ein meisterhaft komponierter, exzellent geschriebener, die twainsche Utopie weiterdenkender Roman... Eine grandios gebaute, satirische, anrührende, höchst unterhaltsame Abenteuergeschichte... Absolut zeitgenössisch, radikal, inspirierend." Ulrich Rüdenauer, SWR lesenswert, 17.03.24 "Eine Abenteuergeschichte, die scharfzüngig und humorvoll strukturellem Rassismus die Stirn bietet." SRF-Bestenliste April, 28.03.24 "Ein sprachliches Kunstwerk." Gerrit Bartels, Tagesspiegel, 01.08.24 "Ein wunderbar unterhaltsamer, in jede Nuance sprachbewusster Roman." Sylvia Staude, Frankfurter Rundschau, 01.06.24 "Eine rundum bereichernde Lektüre!" Das Magazin, Juni 2024
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Zum Inhalt: Jim ist intelligent und gebildet, was er jedoch gut versteckt. Für Ihn wäre es gefährlich, wenn die Weißen davon Kenntnis bekommen würden. Also spielt er den Dummen. Doch als man Jim nach New Orleans verkaufen will, flieht er zusammen mit Huck gen Norden, der …
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Zum Inhalt: Jim ist intelligent und gebildet, was er jedoch gut versteckt. Für Ihn wäre es gefährlich, wenn die Weißen davon Kenntnis bekommen würden. Also spielt er den Dummen. Doch als man Jim nach New Orleans verkaufen will, flieht er zusammen mit Huck gen Norden, der vermeintlichen Freiheit entgegen. Auf Ihrem Weg in die Freiheit, jagt auf dem Mississippi ein Abenteuer das nächste. Jim muss sehr mit seiner Schwarzen Identität jonglieren, damit er sich und seinen
jugendlichen Freund zu retten.
Meine Meinung: Bereits die Leseprobe hat mich sehr angesprochen und der ganze Roman konnte mich zu Hundert Prozent überzeugen. Die Charaktere sind sehr gut in Szene gesetzt und sind sehr liebenswert. Der Inhalt der Geschichte ist sehr anspruchsvoll und rüttelt einen auf. Der Roman passt in diese Zeit, da er es schafft, zu provozieren. Ich hatte eine angenehme Lese-Zeit, da der Schreibstil des Autors sich sehr angenehm lesen lässt. Das Buchcover finde ich auch sehr ansprechend.
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Gebundenes Buch
Spannende Idee, zu wenig daraus gemacht
Die Bücher von Percival Everett lese ich immer sehr gerne, die zuletzt erschienenen Roman "Die Bäume" und "Erschütterung" haben mir besonders gut gefallen. Leider konnte mich der neue Roman "James" nicht …
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Spannende Idee, zu wenig daraus gemacht
Die Bücher von Percival Everett lese ich immer sehr gerne, die zuletzt erschienenen Roman "Die Bäume" und "Erschütterung" haben mir besonders gut gefallen. Leider konnte mich der neue Roman "James" nicht überzeugen. Die Grundidee die Geschichte "Die Abenteuer des Huckleberry Finn" aus Sicht des Sklaven "James" zu erzählen finde ich sehr spannend, allerdings ist der Roman eher langweilig geraten. Bis auf die Idee, dass die Sklaven bewusst mit einem bestimmten Akzent sprechen um unter den Weißen nicht aufzufallen, war mir das Buch nicht provokant genug. Dagegen war "Die Bäume" viel provokanter und besser umgesetzt. Durch die sehr kurzen Kapitel kommt auch kein richtiger Lesefluss auf, da die Handlung nach den kurzen Kapitel teilweise sofort wechselt und so nicht wirklich fortlaufend ist. Bis auf Anfang und Ende konnte mich der Roman leider nicht überzeugen.
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Gebundenes Buch
Aus ganz neuer Perspektive!
Das toll gestaltete Cover und der Klappentext haben mich sofort angesprochen. James, Jim genannt, ist ein Sklave. Als Baby verkauft und später noch einmal, lebt mit seiner Frau und der kleinen Tochter auf einer Farm in Missouri. Er kann lesen, ist sehr intelligent …
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Aus ganz neuer Perspektive!
Das toll gestaltete Cover und der Klappentext haben mich sofort angesprochen. James, Jim genannt, ist ein Sklave. Als Baby verkauft und später noch einmal, lebt mit seiner Frau und der kleinen Tochter auf einer Farm in Missouri. Er kann lesen, ist sehr intelligent und weiß, dass er das verstecken muss. Er übt sogar mit den Sklavenkindern die nuschelige "Niggersprache", damit die Weißen sie für dumm halten. Das ist schon sehr skurril. Als er wieder verkauft werden soll, flüchtet er. Der junge Huck schließt sich ihm an und gemeinsam versuchen sie sklavenfreies Gebiet zu erreichen. Jim will es irgendwie schaffen, seine Familie zu kaufen, um sie zu befreien. Auf der Flucht auf dem Mississippi geraten die beiden in gefährliche Situationen, werden getrennt, finden sich wieder, meistern skurrile Situationen. Und die Verhältnisse drehen sich. James ist der, der Huck berät und hilft. Dass das Buch in Ich-Form von James geschrieben ist, ermöglicht eine ganz neue Sicht auf das Thema. Ich war sehr berührt und gefesselt. Eine eindeutige Leseempfehlung von mir für alle, die sich mit dem Thema beschäftigen wollen. Keine leichte Kost, aber sehr beeindruckend!
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Gebundenes Buch
Percival Everett erkundet Mark Twains Klassiker "Huckleberry Finn" neu und wechselt dabei die Perspektive. Aus Jim wird der titelgebende James, dessen Leben wir verfolgen. Schnell löst sich der Roman von seinem Vorbild und schlägt eigene Wege ein, voller Drehungen und Wendungen, …
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Percival Everett erkundet Mark Twains Klassiker "Huckleberry Finn" neu und wechselt dabei die Perspektive. Aus Jim wird der titelgebende James, dessen Leben wir verfolgen. Schnell löst sich der Roman von seinem Vorbild und schlägt eigene Wege ein, voller Drehungen und Wendungen, wie diejenigen des Mississippi River, auf dem die Figuren treiben. Wo Huck Finn noch jugendliche Abenteuer sah, bleibt James die bittere Realität, die Grausamkeit der Welt, in der er lebt, nicht verborgen. Die Schwindler, die Sklaventreiber, die Mörder - Amerika zeigt hier seine hässliche Fratze, die noch bis heute zu sehen ist. Und doch sind da auch Momente der Menschlichkeit, der Hoffnung, der Verbindung. Der Roman ist ein auf eine stille Art subversives Unterfangen. Everett verleiht der Figur des James eine eigene Sprache, eine Identität, eine Tiefe, eine berechtigte Wut, die Würde, die sie verdient, kurz: Eine Stimme, die - wie wir bei der Lektüre feststellen - bislang schmerzlich gefehlt hat.
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Gebundenes Buch
Ein Buch, dessen Inhalt mich berührt hat
Der Roman „James“ von Percival Everett bebildert die frühere Unterdrückung der Sklaven in den Südstaaten in eindringlicher Sprache. Er erzählt die Geschichte von Huckleberry Finn und dem Neger Jim im Gegensatz zum …
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Ein Buch, dessen Inhalt mich berührt hat
Der Roman „James“ von Percival Everett bebildert die frühere Unterdrückung der Sklaven in den Südstaaten in eindringlicher Sprache. Er erzählt die Geschichte von Huckleberry Finn und dem Neger Jim im Gegensatz zum berühmten Roman von Mark Twain aus der Sicht von Jim, dem Sklaven.
Als Jim erfährt, dass er verkauft werden soll, flieht er. Er will in den Norden, Geld verdienen, um seine Frau und seine Tochter freizukaufen.
Der Junge Huckleberry schließt sich ihm an. Auf ihrer Flucht haben die beiden viele Abenteuer zu bestehen. Für mich war interessant, zu erkennen, dass Jim ein sehr intelligenter Sklave ist, der Lesen und Schreiben kann und dies vor den Weißen verbirgt. Er bringt auch den Kindern der anderen Sklaven das richtige Verhalten bei, wenn Weiße anwesend sind. Keinen Blickkontakt herstellen, nie etwas zuerst benennen, nicht ungefragt reden.
Die Sklaven haben sich einen vernuschelten Slang angewöhnt, den sie nur anwenden, wenn Weiße dabei sind. Jim gibt den Kindern auch Unterricht in dieser Sklaven-Sprache.
Bei all den Abenteuern und Gefahren zeichnet sich ein klares Bild der Situation der Sklaven. Das Leben eines Sklaven zählt nichts. Es zählt nur den Wert, den der Sklave auf dem Markt verkörpert.
Lynchjustiz, Morde, Schläge und körperliche Züchtigung durch die Besitzer bei kleinsten Vergehen sind an der Tagesordnung.
Dies alles begreift man durch die Geschehnisse, die Gedanken und Gespräche von Jim mit anderen.
Für mich war der Roman ein großes und beeindruckendes Gefühlskino. Er hat mein Wissen über diese menschenunwürdige Zeit erweitert und mir liebenswerte Charaktere wie Jim, Huckleberry und Norman nähergebracht. Ich empfehle diesen anderen Blick auf die Geschichte von Huck und Jim.
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Der amerikanische Autor Percival Everett erzählt in seinem neuen Roman die Geschichte von Mark Twains Klassiker "Huckleberry Finn" neu, und zwar aus der Perspektive des Sklaven Jim.
James, der von allen nur Jim genannt wird, soll verkauft werden. Er flieht zusammen mit Huck Richtung …
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Der amerikanische Autor Percival Everett erzählt in seinem neuen Roman die Geschichte von Mark Twains Klassiker "Huckleberry Finn" neu, und zwar aus der Perspektive des Sklaven Jim.
James, der von allen nur Jim genannt wird, soll verkauft werden. Er flieht zusammen mit Huck Richtung Norden entlang des Mississippi. Es drohen überall Gefahren, Naturgewalten, Begegnungen mit Betrügern. Doch Jim ist klug, hat sich selbst das Lesen und Schreiben beigebracht, er stellt sich nur in Gegenwart der Weißen dumm. In ihrer Anwesenheit spricht er eine Art Slang, damit sie sich überlegen fühlen können.
Everett erzählt eindringlich, aber auch spannend und mit feiner Ironie. Es ist eine Abenteuergeschichte mit Tiefgang, die laufend neue Wendungen nimmt und deren Ende nicht ganz ohne Hoffnung ist. Es ist eine zeitgenössische Adaption des Klassikers, die den Abenteuercharakter bewahrt, aber einen kritischen Blick auf ein düsteres Kapitel amerikanischer Geschichte wirft. Ein Buch, das man unbedingt lesen muss.
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Der Autor Percival Everett ist afroamerikanischer Abstammung und daher geht es in seinen Romanen genau um solche Themen. Es geht um Rassismus und die damit einhergehende Ungerechtigkeit, die in den USA bis heute besteht und dadurch greift der Autor diese Thematik auf.
In seinem neuen Buch …
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Der Autor Percival Everett ist afroamerikanischer Abstammung und daher geht es in seinen Romanen genau um solche Themen. Es geht um Rassismus und die damit einhergehende Ungerechtigkeit, die in den USA bis heute besteht und dadurch greift der Autor diese Thematik auf.
In seinem neuen Buch "James" entführt uns der Autor in die Blütezeit der Sklaverei, als die Afroamerikaner wie Arbeitstiere behandelt wurden. Es gab keinerlei Rechte für Individualität, keine Rechte zum Handel, um seinen Lebensstandard zu steigern und absolut keine Möglichkeit der Sklaverei zu entkommen.
Der Autor lässt den Ich-Erzähler Jim in zwei Sprachen reden. Mit anderen Sklaven unterhält Jim sich vollkommen normal, schaltet aber sofort in eine andere Sprache um, sobald Weiße in der Nähe sind. Obwohl er intelligent ist, lesen und schreiben kann, stellt er sich dumm. Die Weißen sollen sich nicht unterlegen fühlen, deshalb spricht Jim dann in einer Art Slang, den er auch die Kinder der Sklaven lehrt. Er bringt ihnen bei, wie sie sich im Beisein Weißer zu verhalten haben, dass sie Blickkontakt vermeiden sollen und nie reden dürfen, ohne gefragt worden zu sein.
Percival Everetts Buch ist in intelligenter und mitreißender Sprache geschrieben, es hat mich gefesselt und betroffen gemacht. Der Autor schildert eindrucksvoll den Rassismus des 19. Jahrhunderts in den Südstaaten Amerikas und führt dem Leser die Unmenschlichkeit und unvorstellbare Grausamkeit der Sklaverei vor Augen. Der Roman ist keine leichte Kost, er ist spannend, herzzerreißend und oft nur schwer zu ertragen. Das Ende ist hoffnungsvoll, und es kommt zu einer mich vollkommen überraschenden Enthüllung.
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Der Autor Percival Everett hat ein großes Gespür für Sprache. Er erzählt mit viel Feingefühl und Intensität die Geschichte des Sklaven Jim. Es ist eine andere Perspektive auf die Geschichte von Huckleberry Finn - der in diesem Text ein Freund des Protagonisten ist. Der …
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Der Autor Percival Everett hat ein großes Gespür für Sprache. Er erzählt mit viel Feingefühl und Intensität die Geschichte des Sklaven Jim. Es ist eine andere Perspektive auf die Geschichte von Huckleberry Finn - der in diesem Text ein Freund des Protagonisten ist. Der junge Jim ist, wie der Leser nach und nach erfährt, ein gebildeter junger Mann, der dieses gekonnt vor den Weißen versteckt - um sich und seine Familie nicht Gefahr zu bringen. Etwas schwierig ist seine nuschelnde Aussprache teilweise zu lesen, in die er zur Tarnung immer wieder verfällt. Auch auf der gemeinsamen Flucht mit Huckleberry versteckt er seine eigentlich äußerst gebildete Sprache. All die Gedanken und das Wissen des jungen Mannes lässt Everett immer wieder gekonnt in den Text einfließen. So werden beispielsweise große Philosophen erwähnt. Und auch Jims Freude über Bücher und die Möglichkeit endlich mit einem Bleistiftstummel schreiben zu dürfen, ist äußerst berührend berührend beschrieben.
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„Man nennt mich Jim“
Die Abenteuer des Huckleberry Finn, die erstmals 1864 erschienen sind, hat Percival Everett neu interpretiert. Dabei gibt er einen tiefen Einblick in die Sklaverei der Südstaaten Amerikas im 19. Jahrhundert, die an Brutalität nicht zu …
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„Man nennt mich Jim“
Die Abenteuer des Huckleberry Finn, die erstmals 1864 erschienen sind, hat Percival Everett neu interpretiert. Dabei gibt er einen tiefen Einblick in die Sklaverei der Südstaaten Amerikas im 19. Jahrhundert, die an Brutalität nicht zu überbieten war. Das alles wird hier aus James Perspektive erzählt, beginnend mit Huck und Tom, den weißen Jungs, denen es Spaß macht, mit den Sklaven ihren Schabernack zu treiben. Und die Sklaven müssen mitmachen, sie stellen sich dumm, obwohl so mancher klüger ist als die Weißen. James zumindest ist es. Er ist intelligent und sehr belesen, er schreibt – wie ich es später lese - mit einem Bleistiftstummel sein Dasein auf. Diesen Bleistiftstummel hat ihm ein anderer Sklave beschafft, dieser wurde erwischt und aufs Härteste bestraft.
Wer kennt sie nicht, die Abenteuer des Huckleberry Finn. Auch wenn es schon eine ganze Weile her ist, so war es ein Buch meiner Kindheit. Gut, meine Erinnerungen sind weitgehend verblasst und doch sind sie mir dank „James“ wieder allgegenwärtig, denn nach dem Lesen wollte ich mit der Original-Geschichte aus Hucks Sicht meinem Gedächtnis auf die Sprünge helfen.
Nun aber zu „James“, dem Sklaven, der Jim genannt wird. Er ist mit Frau und Kind einer von Mrs. Watsons Sklaven. Und natürlich hat ein Sklave dumm zu sein, auch wenn so mancher intelligenter als die Weißen ist, so drückt schon der Slang der Schwarzen ihre Beschränktheit aus. Diese Sklavensprache dient ihnen auch als Schutzwall, denn wer so redet, kann in der Vorstellung der überlegenen Weißen nicht allzu viel Grips haben. Percival Everett hat eine eigene, grammatisch falsche Sprache mit einer verwaschenen Aussprache verwendet. Auch die deutsche Übersetzung von Nikolaus Stingl, die ich hier lese, finde ich sehr gelungen. Das Einfinden in diesen ganz speziellen Dialekt ist mir leicht gefallen, dieser Slang gehört hier zu den Sklaven, zu James, zu Jim.
Als Jim erfährt, dass Mrs. Watson ihn verkaufen will, flüchtet er auf eine nahe gelegene Insel mit dem Vorsatz, sobald er in Sicherheit ist und Geld hat, seine Familie nachzuholen. Er will weiter gen Norden, weg von der Sklaverei des Südens. Auch Huck muss verschwinden, denn sein gewalttätiger Vater ist wieder aufgetaucht, es kommt zwischen den beiden zur Rangelei, Huck nimmt Reißaus, ladet auf der Insel und trifft hier auf Jim. Ihre abenteuerliche Reise auf dem Mississippi beginnt.
Ihre Flucht mit einem Boot und einem selbstgebauten Floß ist ein gar tollkühnes Unterfangen, sie begegnen allerlei seltsamen Typen und nicht nur einmal soll Jim verkauft werden. Der Rassismus jener Zeit ist allgegenwärtig, die Denkweise und vor allem die schweren Misshandlungen, die Brutalität der weißen Herrschaften den Schwarzen gegenüber ist kaum auszuhalten. Ein Schwarzer gilt nicht als Mensch, er ist Besitz, mit dem man machen kann, was immer man will.
Percival Everett lässt Jim träumen, von John Locke etwa, den Philosophen und Vordenker der Aufklärung, mit dem er im Traum Zwiesprache hält. Auch begegnet Jim den Virginia Minstrels, einer Gruppe von Weißen, die in Blackface einen Schwarzen mimen, sich schwarz anmalen. Es sind aber auch ganz furchtbare Szenen von brutalster, blutiger Sklavenhaltung bis hin zu deren gewaltsamen Tod zu verkraften, barbarisch und unerbittlich von den Sklavenhaltern ausgeführt. Die ganze Brutalität und Skrupellosigkeit der Sklaverei der amerikanischen Südstaaten des 19. Jahrhunderts zeigt Everett aus „James“ Perspektive. Diese andere Sicht, die Sicht eines Insiders sozusagen auf die Sklavenhaltung, hätte durchaus schief gehen können. Ist es aber beileibe nicht, es ist ein grandioses Werk geworden, eine unterhaltsame Neuinterpretierung von Mark Twains Klassiker, der einen tiefen Einblick in den Rassismus gewährt. Ein Buch, das nachdenklich macht. Ein Buch, das ich nicht missen möchte.
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Huckleberry Finn neu interpretiert
Das Buch "James" von Percival Everett hat mich vom ersten Moment an gefesselt. Der Schreibstil von Everett ist hervorragend, ohne Längen aber mit einem schön aufgebauten Spannungsbogen, welcher es nicht erlaubt, das Buch aus der Hand zu …
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Huckleberry Finn neu interpretiert
Das Buch "James" von Percival Everett hat mich vom ersten Moment an gefesselt. Der Schreibstil von Everett ist hervorragend, ohne Längen aber mit einem schön aufgebauten Spannungsbogen, welcher es nicht erlaubt, das Buch aus der Hand zu legen.
Ein jeder kennt das Buch von Mark Twain "Die Abenteuer des Huckleberry Finn" und viele haben die Geschichten um Huck Finn und Tom Sawyer in ihrer Kindheit geliebt.
Percival Everett erzählt in seinem Buch die Story aus der Sicht des Sklaven Jim. Jim, der verkauft werden soll und somit von seiner Frau und seiner Tochter getrennt werden würde, läuft weg und versteckt sich auf einer kleinen Insel im Mississippi. Dort trifft er auf Huck, der auch weggelaufen ist. Als sie von der Insel fliehen müssen, erleben sie ein Abenteuer nach dem nächsten, viele sehr unschön, bis sie einander auf ihrer Reise verlieren.
Jim, der heimlich lesen und schreiben gelernt hat und Bücher einfach liebt, stellt sich den Weißen gegenüber dumm, spricht eine "Sklavensprache", damit niemand merkt, wie schlau und gebildet er eigentlich ist. Er will einfach nicht auffallen.
Percival Everett schafft es, mit "James" dem Lesenden ein Buch an die Hand zu geben, welches nicht nur unterhalten soll, sondern auch bedrückend aus der Zeit der Sklavenhaltung in Amerika erzählt.
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