Robert Menasse
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Die Erweiterung (eBook, ePUB)
Roman Vom Autor des Bestsellers »Die Hauptstadt« Ausgezeichnet mit dem Europäischen Buchpreis
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Mateusz und Adam, die gemeinsam im polnischen Untergrund gegen das kommunistische Regime gekämpft und sich dort »Blutsbrüderschaft« geschworen haben, gehen nach dessen Zusammenbruch getrennte Wege. Mateusz macht innenpolitisch Karriere und wird schließlich polnischer Ministerpräsident. Adam geht nach dem EU-Beitritt Polens nach Brüssel, wo er in der Europäischen Kommission in der Generaldirektion für Erweiterung arbeitet. Im Streit um den Beitritt Albaniens in die Europäische Union wird aus der einstmals tiefen Verbundenheit der beiden Männer eine unversöhnliche Feindschaft von sch...
Mateusz und Adam, die gemeinsam im polnischen Untergrund gegen das kommunistische Regime gekämpft und sich dort »Blutsbrüderschaft« geschworen haben, gehen nach dessen Zusammenbruch getrennte Wege. Mateusz macht innenpolitisch Karriere und wird schließlich polnischer Ministerpräsident. Adam geht nach dem EU-Beitritt Polens nach Brüssel, wo er in der Europäischen Kommission in der Generaldirektion für Erweiterung arbeitet. Im Streit um den Beitritt Albaniens in die Europäische Union wird aus der einstmals tiefen Verbundenheit der beiden Männer eine unversöhnliche Feindschaft von schicksalhafter Dimension. Auf dem schwankenden Boden eines albanischen Kreuzfahrtschiffs kommt es zum Showdown.
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Robert Menasse wurde 1954 in Wien geboren und ist auch dort aufgewachsen. Er studierte Germanistik, Philosophie sowie Politikwissenschaft in Wien, Salzburg und Messina und promovierte im Jahr 1980 mit einer Arbeit über den »Typus des Außenseiters im Literaturbetrieb«. Menasse lehrte anschließend sechs Jahre - zunächst als Lektor für österreichische Literatur, dann als Gastdozent am Institut für Literaturtheorie - an der Universität São Paulo. Dort hielt er vor allem Lehrveranstaltungen über philosophische und ästhetische Theorien ab, u.a. über: Hegel, Lukács, Benjamin und Adorno. Seit seiner Rückkehr aus Brasilien 1988 lebt Robert Menasse als Literat und kulturkritischer Essayist hauptsächlich in Wien.

© Rafaela Pröll / Suhrkamp Verlag
Produktdetails
- Verlag: Suhrkamp Verlag
- Seitenzahl: 450
- Erscheinungstermin: 10. Oktober 2022
- Deutsch
- ISBN-13: 9783518773987
- Artikelnr.: 63681534
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Rezensent Paul Jandl hat viel Freude am zweiten Teil von Robert Menasses EU-Groteske. Dem Buch, das Jandl als "Unterhaltungsroman für die gebildeten Stände" preist, liegt erneut Menasses Plädoyer für ein Europa der Regionen zugrunde, klärt der Kritiker auf. In diesem Fall möchte Albanien in die EU, aber Macron mauert. Schon wie Menasse die "Arroganz" des Westens gegenüber dem Osten aufspießt, amüsiert den Rezensenten. Wenn dann noch kurz vor der Rückgabe der Helm des albanischen Volkshelden Skanderbeg verschwindet und die europäischen Staatschefs führerlos, aber mit einem Virus an Bord übers Meer schippern, ist der Spaß für Jandl perfekt. Mit ein paar "Redundanzen" , "Kalauern" und Erfindungen kann der Kritiker gut leben, denn: Niemand erkennt das "Absurde der Wirklichkeit" so genau wie Menasse, schließt er.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Ihm ist ganz albanisch wohl
Ein Herz für Europa: Robert Menasse führt mit "Die Erweiterung" seinen EU-Romanzyklus fort
Ausgerechnet Albanien. Ein Land, über das die meisten wenig wissen. Das wenige ist dann allerdings immer gleich spektakulär: spektakuläre Natur, spektakuläre Bunker, die Enver Hoxha in der paranoiden Spätphase seiner Regentschaft hunderttausendfach an die Mittelmeerküste bauen ließ, spektakulär archaische Ehrbarkeitsbräuche in den Dörfern der nordalbanischen Alpen, spektakuläre Mafiaverbrechen. Dass dieses Land, das über Kupfer- und Erdölvorkommen verfügt, aber auch die glaubwürdigsten Anstrengungen unternimmt, Mitglied der EU zu werden, und die überwiegende Mehrheit der albanischen Bevölkerung
Ein Herz für Europa: Robert Menasse führt mit "Die Erweiterung" seinen EU-Romanzyklus fort
Ausgerechnet Albanien. Ein Land, über das die meisten wenig wissen. Das wenige ist dann allerdings immer gleich spektakulär: spektakuläre Natur, spektakuläre Bunker, die Enver Hoxha in der paranoiden Spätphase seiner Regentschaft hunderttausendfach an die Mittelmeerküste bauen ließ, spektakulär archaische Ehrbarkeitsbräuche in den Dörfern der nordalbanischen Alpen, spektakuläre Mafiaverbrechen. Dass dieses Land, das über Kupfer- und Erdölvorkommen verfügt, aber auch die glaubwürdigsten Anstrengungen unternimmt, Mitglied der EU zu werden, und die überwiegende Mehrheit der albanischen Bevölkerung
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für einen EU-Beitritt ist, während EU-Mitgliedstaaten mit rechtspopulistischen Regierungen den politischen Zerfall derselben betreiben, treibt Robert Menasse schon seit Längerem um.
Der Buchpreisgewinner des Jahres 2017 hat sich dem Projekt verschrieben, die als blutleer geltende EU mit rotem Erzählsaft zu beleben. Und damit unsterblich zu machen - entgegen allen realpolitischen Prognosen. Einen Bürokratismus mit menschlichem Antlitz hatte Menasse schon zum Auftakt seiner geplanten Europa-Trilogie geschaffen. "Die Erweiterung" ist jetzt die Erweiterung dieses engagierten Schreibprojekts.
Teil eins, "Die Hauptstadt", spielte in Brüssel und im polnischen Auschwitz, das ein pfiffiger EU-Beamter, zuständig fürs fünfzigjährige Jubiläum der Kommission, zur europäischen Hauptstadt erklären wollte. Im neuen Roman verschiebt sich der Fokus. Der albanische Ministerpräsident möchte die durch ein französisches Veto blockierten Beitrittsverhandlungen wiederaufnehmen. Hierfür lässt sich der ehemalige Basketballprofi, der im Hof der Staatskanzlei von Tirana den ein oder anderen Dunking versenkt, von einem Dichter beraten.
Vieles hat Robert Menasse der Realität abgeschaut. Das französische Veto, das kurz darauf wieder zurückgenommen wurde, zum Beispiel. Aber auch das politische Personal: Menasses Ministerpräsident ist ein Abbild des amtierenden albanischen Premiers Edi Rama - ein Mann mit Basketballer-Vergangenheit und bildender Künstler wie sein Alter Ego im Roman. Dessen Berater brockt ihm eine geniale Idee ein und zugleich ein dickes Problem. Der Ministerpräsident soll sich eine auf seinen Schädel passende Kopie des im Kunsthistorischen Museum in Wien verwahrten Helms des albanischen Nationalhelden Skanderbeg anfertigen lassen. "Hatte die EU ein Symbol ihrer Einheit?", heißt es im Roman: "Nein. Aber die Albaner hatten eines, diesen Helm." Und deswegen muss der jetzt, auf dem symbolpolitischen Kampfplatz EU-Osterweiterung, wieder zu Ehren kommen.
Robert Menasse ist nicht nur ein Chronist der diplomatischen Verwicklungen zwischen Brüssel und Albanien. Er ist auch ein Spieler. 650 Seiten über einen EU-Beitritt wollen zusammengehalten werden durch ein Leitmotiv, das die Romanhandlung durchwirkt. So wird ihr erzähltechnisch der Helm des Skanderbeg aufgesetzt. Und der entwickelt sich vom Dingsymbol, zum Diebesgut, von dort weiter zur Hehlerware, dann zum Beweismittel und schließlich auch zur slapstickhaften Lachnummer. Denn nicht nur wird der Originalhelm von Unbekannten aus der Wiener Rüstkammer gestohlen, was den Verdacht auf den albanischen Neuskanderbeg wirft. Auch kommt die Kopie des Helms auf Abwege beziehungsweise in die Hände einer ehrbaren Familie, die sich normalerweise nicht mit Kunstraub abgibt, weswegen ihr Boss gleich ein paar unmissverständliche Zeichen in Form von rollenden Köpfen an die eigene Sippe schickt.
Es würde zu weit führen, alle Wege des Helms hier nachzuerzählen. Mit ihm kommt jedenfalls die Handlung ordentlich ins Rollen. Robert Menasse gibt etwa zehn Hauptfiguren samt biographischen Hintergründen und aktuellen Funktionen als Regierungssprecher, EU-Beamter, Polizeichef, Politikberater und Ministerpräsident eine Bühne. Hinzu kommen mindestens zehn Nebenfiguren. Dadurch entsteht ein episches Geflecht an Handlungen und Befindlichkeiten, das Menasse souverän als Page Turner präsentiert.
Antagonistische Prinzipien prallen aufeinander, symbolische Handlungen (sämtliche Einsatzgebiete des echten und des gestohlenen Volkshelden-Helms) auf den Brüsseler Pragmatismus einer oftmals frustrierenden Abstimmungsroutine. Die Rationalität des Amtes steht der Irrationalität ihrer Amtsträger gegenüber. Und rechtsstaatliche Selbstverständlichkeiten konkurrieren mit archaischen Ehrbegriffen, die nicht nur von der albanischen Mafia hochgehalten werden.
Robert Menasse hat sich in die Kulturgeschichte seines Schauplatzes hineingearbeitet. Und kann mit dem ein oder anderen Kuriosum aus dem Ethnologenlehrbuch aufwarten. So gibt es im Roman eine jüdische Figur, die nur deswegen der Judenhatz der Gebirgsdivision SS Skanderbeg entkommen ist, weil ihr albanischer Gastgeber die lokalen Gesetze des sogenannten Kanun, des albanischen Ehrenkodex, einhalten musste. Dieser besagt unter anderem, dass ein Gast unter allen Umständen den Schutz seines Gastgebers genießt. So schickt der tapfere Albaner, als es eines Tages auch an seiner Tür klopft, nicht den jüdischen Flüchtling hinaus, sondern den eigenen gleichaltrigen Sohn. Eine Geschichte von biblischer Drastik, die kontrastiert wird mit den Rechtsauffassungen jener politischen Organisation, der sich Menasse auch als Vortragsredner und engagierter Intellektueller verschrieben hat.
Auffällig und vielleicht nicht einmal dem Autor bewusst: Eine schmerzhafte Mutterlosigkeit zieht sich durch den gesamten Roman. Ob es ein verzopfter EU-Beamter ist, der bei seiner Großmutter aufwuchs, oder der albanische Regierungssprecher, dessen Vater eines der letzten Opfer des Hoxha-Regimes wurde, woraufhin sich die Mutter das Leben nahm. Auf den letzten zweihundert Seiten lernen wir noch eine Radiojournalistin besser kennen, deren Mutter bei der Geburt verstarb.
Auch wenn Menasse am Ende die gesamte europäische Elite in einer Art Flüchtlingsgeisterschiff auf dem Mittelmeer herumschippern lässt, ohne Aussicht auf Aufnahme, nirgends: In diesem Roman schlägt das Herz eines Europäers zum zweiten Mal laut und vernehmlich und auch irgendwie flehentlich. KATHARINA TEUTSCH
Robert Menasse: "Die Erweiterung". Roman.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2022.
654 S., geb., 28,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Buchpreisgewinner des Jahres 2017 hat sich dem Projekt verschrieben, die als blutleer geltende EU mit rotem Erzählsaft zu beleben. Und damit unsterblich zu machen - entgegen allen realpolitischen Prognosen. Einen Bürokratismus mit menschlichem Antlitz hatte Menasse schon zum Auftakt seiner geplanten Europa-Trilogie geschaffen. "Die Erweiterung" ist jetzt die Erweiterung dieses engagierten Schreibprojekts.
Teil eins, "Die Hauptstadt", spielte in Brüssel und im polnischen Auschwitz, das ein pfiffiger EU-Beamter, zuständig fürs fünfzigjährige Jubiläum der Kommission, zur europäischen Hauptstadt erklären wollte. Im neuen Roman verschiebt sich der Fokus. Der albanische Ministerpräsident möchte die durch ein französisches Veto blockierten Beitrittsverhandlungen wiederaufnehmen. Hierfür lässt sich der ehemalige Basketballprofi, der im Hof der Staatskanzlei von Tirana den ein oder anderen Dunking versenkt, von einem Dichter beraten.
Vieles hat Robert Menasse der Realität abgeschaut. Das französische Veto, das kurz darauf wieder zurückgenommen wurde, zum Beispiel. Aber auch das politische Personal: Menasses Ministerpräsident ist ein Abbild des amtierenden albanischen Premiers Edi Rama - ein Mann mit Basketballer-Vergangenheit und bildender Künstler wie sein Alter Ego im Roman. Dessen Berater brockt ihm eine geniale Idee ein und zugleich ein dickes Problem. Der Ministerpräsident soll sich eine auf seinen Schädel passende Kopie des im Kunsthistorischen Museum in Wien verwahrten Helms des albanischen Nationalhelden Skanderbeg anfertigen lassen. "Hatte die EU ein Symbol ihrer Einheit?", heißt es im Roman: "Nein. Aber die Albaner hatten eines, diesen Helm." Und deswegen muss der jetzt, auf dem symbolpolitischen Kampfplatz EU-Osterweiterung, wieder zu Ehren kommen.
Robert Menasse ist nicht nur ein Chronist der diplomatischen Verwicklungen zwischen Brüssel und Albanien. Er ist auch ein Spieler. 650 Seiten über einen EU-Beitritt wollen zusammengehalten werden durch ein Leitmotiv, das die Romanhandlung durchwirkt. So wird ihr erzähltechnisch der Helm des Skanderbeg aufgesetzt. Und der entwickelt sich vom Dingsymbol, zum Diebesgut, von dort weiter zur Hehlerware, dann zum Beweismittel und schließlich auch zur slapstickhaften Lachnummer. Denn nicht nur wird der Originalhelm von Unbekannten aus der Wiener Rüstkammer gestohlen, was den Verdacht auf den albanischen Neuskanderbeg wirft. Auch kommt die Kopie des Helms auf Abwege beziehungsweise in die Hände einer ehrbaren Familie, die sich normalerweise nicht mit Kunstraub abgibt, weswegen ihr Boss gleich ein paar unmissverständliche Zeichen in Form von rollenden Köpfen an die eigene Sippe schickt.
Es würde zu weit führen, alle Wege des Helms hier nachzuerzählen. Mit ihm kommt jedenfalls die Handlung ordentlich ins Rollen. Robert Menasse gibt etwa zehn Hauptfiguren samt biographischen Hintergründen und aktuellen Funktionen als Regierungssprecher, EU-Beamter, Polizeichef, Politikberater und Ministerpräsident eine Bühne. Hinzu kommen mindestens zehn Nebenfiguren. Dadurch entsteht ein episches Geflecht an Handlungen und Befindlichkeiten, das Menasse souverän als Page Turner präsentiert.
Antagonistische Prinzipien prallen aufeinander, symbolische Handlungen (sämtliche Einsatzgebiete des echten und des gestohlenen Volkshelden-Helms) auf den Brüsseler Pragmatismus einer oftmals frustrierenden Abstimmungsroutine. Die Rationalität des Amtes steht der Irrationalität ihrer Amtsträger gegenüber. Und rechtsstaatliche Selbstverständlichkeiten konkurrieren mit archaischen Ehrbegriffen, die nicht nur von der albanischen Mafia hochgehalten werden.
Robert Menasse hat sich in die Kulturgeschichte seines Schauplatzes hineingearbeitet. Und kann mit dem ein oder anderen Kuriosum aus dem Ethnologenlehrbuch aufwarten. So gibt es im Roman eine jüdische Figur, die nur deswegen der Judenhatz der Gebirgsdivision SS Skanderbeg entkommen ist, weil ihr albanischer Gastgeber die lokalen Gesetze des sogenannten Kanun, des albanischen Ehrenkodex, einhalten musste. Dieser besagt unter anderem, dass ein Gast unter allen Umständen den Schutz seines Gastgebers genießt. So schickt der tapfere Albaner, als es eines Tages auch an seiner Tür klopft, nicht den jüdischen Flüchtling hinaus, sondern den eigenen gleichaltrigen Sohn. Eine Geschichte von biblischer Drastik, die kontrastiert wird mit den Rechtsauffassungen jener politischen Organisation, der sich Menasse auch als Vortragsredner und engagierter Intellektueller verschrieben hat.
Auffällig und vielleicht nicht einmal dem Autor bewusst: Eine schmerzhafte Mutterlosigkeit zieht sich durch den gesamten Roman. Ob es ein verzopfter EU-Beamter ist, der bei seiner Großmutter aufwuchs, oder der albanische Regierungssprecher, dessen Vater eines der letzten Opfer des Hoxha-Regimes wurde, woraufhin sich die Mutter das Leben nahm. Auf den letzten zweihundert Seiten lernen wir noch eine Radiojournalistin besser kennen, deren Mutter bei der Geburt verstarb.
Auch wenn Menasse am Ende die gesamte europäische Elite in einer Art Flüchtlingsgeisterschiff auf dem Mittelmeer herumschippern lässt, ohne Aussicht auf Aufnahme, nirgends: In diesem Roman schlägt das Herz eines Europäers zum zweiten Mal laut und vernehmlich und auch irgendwie flehentlich. KATHARINA TEUTSCH
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»Mit Die Erweiterung legt [Menasse] nach: ein gewitztes, fesselndes Werk über die Westbalkan-Politik der EU und eine nationalistische Strategie, die sich starker Symbole bedient.« Florian Baranyi orf.at 20221111
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Mit «Die Erweiterung» hat der österreichische Schriftsteller Robert Menasse nach fünf Jahren den zweiten Band seiner als Trilogie geplanten, großen EU-Erzählung vorgelegt. Der Roman stellt keine Fortsetzung des 2017 mit dem Deutschen Buchpreis …
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Mit «Die Erweiterung» hat der österreichische Schriftsteller Robert Menasse nach fünf Jahren den zweiten Band seiner als Trilogie geplanten, großen EU-Erzählung vorgelegt. Der Roman stellt keine Fortsetzung des 2017 mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichneten Erfolgsromans «Die Hauptstadt» dar. Er befasst sich vielmehr, worauf schon der Buchtitel hinweist, mit EU-Beitrittswünschen von Ländern des Westbalkans, hier speziell von Albanien. Insbesondere Polen lehnt aber die Aufnahme eines muslimischen Landes in die Europäische Union vehement ab. Nach Brüssel, Zentrale dieses aberwitzigen Bürokratie-Molochs, liegt jetzt also der Fokus des europäisch engagierten Autors auf den Außenrändern der Gemeinschaft. Für die anstehenden Erweiterungen hat die EU eine eigene Behörde geschaffen, der Moloch wächst also munter weiter.
Der umtriebige albanische Ministerpräsident verfolgt für die Verhandlungen mit Brüssel eine nationalistische Strategie. Er will ein ‹Groß-Albanien› schaffen mit den mehrheitlich albanischen Regionen im Kosovo, West-Mazedonien und anderen Randgebieten, quasi eine albanische Gemeinschaft von Regionen innerhalb der Europäischen Union. Symbol für ‹Groß-Albanien› soll der Helm des albanischen Volkshelden Skanderbeg werden, der aber leider im Besitz eines Museums in Wien ist und dort ausgestellt wird. Restitutions-Ansprüche wurden geltend gemacht, blieben aber erfolglos. Um Druck in Brüssel zu machen weist der albanische Ministerpräsident ferner darauf hin, dass China großes Interesse an den wertvollen, seltenen Bodenschätzen Albaniens zeigt und auch den wichtigsten Handelshafen bei Durrës kaufen will, - als Teil seines Seidenstraße-Projekts. Da müssten doch bei der EU die Alarmglocken klingeln und der albanische Beitritt nur noch eine reine Formsache sein, glauben der Ministerpräsident und seine engsten Berater!
Der ‹dicke› Gesellschaftsroman überrascht mit einem spannenden Plot, der den Leser von Anfang an regelrecht hineinsaugt in das aberwitzige Geschehen, das bei aller Übertreibung doch auch einen Einblick in die realen Usancen eines gigantischen Verwaltungs-Apparates bietet. Robert Menasses sorgfältig durchdachte Geschichte wird rasant in diversen Handlungs-Strängen erzählt, seine Figuren agieren glaubwürdig in den häufig wechselnden Szenen. Sogar eine transnationale Liebesgeschichte fehlt nicht. Die albanische Dame erzählt ihrem deutschen Verehrer, wie sie zu ihrem seltsamen Vornamen gekommen ist: Ihr Vater hat eine zeitlang in Deutschland gearbeitet, in München, und war seither ein glühender Fan des FC Bayern München. «Er wollte, dass ich so heiße wie sein geliebter Fußballclub … Der Standesbeamte schrieb den Namen so, wie er ihn hörte, in mein Geburtsdokument: Baia Muniq.» Es gibt immer wieder Gelegenheit zum Schmunzeln, aber der oft ironisch, teils sogar sarkastisch erzählte Roman vermittelt auch ein sorgsam recherchiertes Bild von den Vorgängen im aufgeblähten Brüsseler Apparat mit all seinen politischen Ränkespielen und nationalen Animositäten. Die Robert Menasse nicht müde wird anzuprangern, nicht nur in seinen Romanen, sondern auch in Essays, Vorträgen und Interviews, - er ist nun mal ein glühender Europäer.
«Die Erweiterung» enthält in ihrem eng an die Realität angelehnten und in der Gegenwart angesiedelten, politischen Erzählstoff auch Kriminalistisches oder Historisches. Die Fülle von fremdsprachigen Einschüben, geschichtlichen Anspielungen oder europäischen Verstrickungen erfordert beim Lesen sehr häufig eine Internet-Recherche. Man hört aber schon bald auf zu googeln und liest ohne Verständnis-Probleme einfach über diese Stellen hinweg. Sehr ärgerlich hingegen ist allerdings der chaotische Schluss, bei dem der Autor wohl keine Lust mehr hatte und seine Geschichte einfach sinnfrei, regelrecht klamaukartig ausklingen lässt. Das Lesevergnügen wird jedenfalls brutal abwürgt. Es fehlt diesem Roman also ein der übrigen Textmasse adäquates, gut durchdachtes Finale. Was für ein ärgerliches Manko für einen ansonsten erfreulichen Roman!
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Gebundenes Buch
Im Roman „Die Erweiterung“ wirft Robert Menasse einen Blick auf den langwierigen Prozess entsprechender Anwärterländer, die der Europäischen Union beitreten möchten. Beispielhaft wählt er Albanien als Beitrittskandidaten aus. So wie im Buch des Autors „Die …
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Im Roman „Die Erweiterung“ wirft Robert Menasse einen Blick auf den langwierigen Prozess entsprechender Anwärterländer, die der Europäischen Union beitreten möchten. Beispielhaft wählt er Albanien als Beitrittskandidaten aus. So wie im Buch des Autors „Die Hauptstadt“ ein Schwein für besondere Aufmerksamkeit sorgt, ist es diesmal ein Helm, zu dem es immer wieder zu einem Zwischenspiel kommt, ganz zum Amüsement der Lesenden. Die auf dem Helm angebrachte Figur eines Ziegenkopfs zeigt sich auf dem Cover als Galionsfigur des albanischen Kreuzfahrtschiffs, das zum Ende der Geschichte hin von Bedeutung ist.
Dem albanischen Ministerpräsidenten dauert es viel zu lange bis er die Genehmigung für den Beitritts seines Landes erhält. Schließlich hat er dafür bei seiner Wahl geworben und möchte nun Erfolge nachweisen. Einer seiner Berater schlägt vor, dass der Besitz des Helms des Nationalhelden Skanderberg, der sich bedauerlicherweise in einer Ausstellung in Wien befindet, ihm Anerkennung beim Volk bringen würde. Es gibt Schwierigkeiten bei der Rückgabe und daher beschließt man, ein Duplikat anzufertigen. Der Helm und seine Zweitausgabe geraten immer mehr ins Rampenlicht und werden zu einem Objekt der Begierde außerhalb der Regierungsreihen, während man sich im Gefolge des Regierungschefs weitere Gedanken über das Für und Wider seiner Bedeutung macht.
Robert Menasse schaut tief in die Ansichten seiner Charaktere hinein. Es sind nicht nur die Figuren, die in der Gegenwart agieren, sondern der Autor betrachtet sie als Personen, die sich aus ihrer Herkunft und ihrem Werdegang entwickelt haben. Er zieht die Verbindungen zu vergangenen und gegenwärtigen Freundschaften, zu Bekannten und Familienmitgliedern aus denen Abhängigkeiten sowie Anrechte entstanden sind.
Die Beschreibungen von Robert Menasse sind überspitzt dargestellt, aber an die Gegebenheiten angelehnt. Es sind viele Fakten, die er in den Roman einfließen lässt, beispielweise gibt es den Helm tatsächlich. Beitrittsverhandlungen zur Europäischen Union dauern aufgrund hoher Anforderungen an die Länder sehr lange. Mit einer gehörigen Portion Ironie, aber auch mit fundiertem Wissen stellt der Autor einen Ausschnitt aus dem aufwändigen Prozess nach. Er vermittelte mir mit manchmal weitschweifenden Schilderungen Zusammenhänge in der Europapolitik.
Nach seinem Roman „Die Hauptstadt“ ist es Robert Menasse erneut gelungen einen Teil der Steuerung des Schiffs Europa vielschichtig und mit beigemischtem Sarkasmus darzustellen. Um seine Handlungsstränge baut er einen Rahmen, der bis in die Vergangenheit reicht und an den Rändern weitläufige Verknüpfungen von Figuren und zwischenstaatlichen Handlungen der europäischen Länder aufspannt. Gerne empfehle ich das Buch weiter.
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Gebundenes Buch
Facettenreich, genial, lesenswert
„So geht Politik. Im Grunde ist Politik ein Spiel mit Kulissen, es ist wie im Theater: Vorne hast du symbolische Handlunge, dahinter die Technik.“ (Zitat Pos. 1276)
Inhalt
Begonnen hat alles mit dem Helm des Skanderbeg. Es ist ein …
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Facettenreich, genial, lesenswert
„So geht Politik. Im Grunde ist Politik ein Spiel mit Kulissen, es ist wie im Theater: Vorne hast du symbolische Handlunge, dahinter die Technik.“ (Zitat Pos. 1276)
Inhalt
Begonnen hat alles mit dem Helm des Skanderbeg. Es ist ein ungewöhnlicher Helm mit einem Ziegenkopf auf dem Helmscheitel, zu sehen im Weltmuseum in Wien und ein Symbol für die Geschichte der Skipetaren in Europa. Der Ministerpräsident von Albanien hatte vor seiner Wahl versprochen, sich dafür einzusetzen, dass Albanien Mitglied der Europäischen Union wird. Nun sollen auf Grund der Weigerung Frankreichs nicht einmal die Beitrittsverhandlungen aufgenommen werden. Genau das ist der Moment, in dem Ismael Lani, sein Pressesprecher, den Ministerpräsidenten an Skanderbeg, ihren Nationalhelden, erinnert und Fate Vasa, Künstler und ebenfalls enger Berater des Ministerpräsidenten, die Idee aufnimmt und weiterführt. Albanien fordert die österreichische Regierung auf, den Helm zurückzugeben, was abgelehnt wird. Doch kurz darauf wird der Helm aus dem Museum in Wien gestohlen und rückt so in der Mittelpunkt der Ereignisse rund um die geplante Balkan-Konferenz über eine mögliche EU-Erweiterung.
Themen und Genre
In diesem Roman geht es um Europa und die Europäische Union, um die Politik mit ihren Spielchen und Intrigen, aber auch um gesellschaftliche und persönliche Konflikte, Freundschaft, Familie, Beziehungen. Ein Kernthema ist die wechselvolle Geschichte des Westbalkans.
Charaktere
Auch in diesem Roman bringt der Autor seine unterschiedlichen Figuren auf den Weg, einige völlig unabhängig voneinander, andere gemeinsam, oder ihre Wege kreuzen sich im Laufe der Handlung. Mit charmant-bissiger Eleganz definiert er Charaktere, ihre Wünsche, Träume, oder den Verlust derselben. „Wir sind, sagte er, auf der Stelle tretend einen Schritt weiter.“ (Zitat Pos. 5861)
Handlung und Schreibstil
Die Geschichte spielt während der Jahre 2019 und 2020 und wird ergänzt durch Rückblicke in Form von Erinnerungen und Erzählungen über Ereignisse, die in der Vergangenheit stattgefinden haben. Wir folgen den Hauptfiguren, die abwechselnd im Mittelpunkt der Handlung der einzelnen Kapitel stehen. Der Autor lässt sich Zeit, er schickt seine Figuren los, zeigt sie auch in ihrem persönlichen Umfeld, lässt uns an ihren Alltagsproblemen, Zweifeln und Sehnsüchten teilhaben, gleichzeitig führt er uns mit kritischem Witz durch die vielen Facetten der europäischen Politik. Doch der Schein trügt. Gerade hat man es sich noch im unterhaltsamen Lesevergnügen gemütlich gemacht, neugierig, mal schmunzelnd, mal nachdenklich, folgen wir den Entscheidungen und Wirrnissen der einzelnen Figuren, da wenden sich die Ereignisse und es beginnt ein rasanter Showdown.
Fazit
Was mit „Die Hauptstadt“ begann, wird mit diesem facettenreichen Roman, der auch sprachlich begeistert, genial und großartig weitergeführt.
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Gebundenes Buch
zweites Epos über die EU
Irre Gegensätze ziehen sich durch Europa. Die einen – wie Albanien – wollen in die EU und verändern ihre Justizsystem, um die Vollmitgliedschaft zu erreichen. Die anderen – wie Polen – sind in der EU und haben beim Abbau des …
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zweites Epos über die EU
Irre Gegensätze ziehen sich durch Europa. Die einen – wie Albanien – wollen in die EU und verändern ihre Justizsystem, um die Vollmitgliedschaft zu erreichen. Die anderen – wie Polen – sind in der EU und haben beim Abbau des Rechtsstaates kaum noch was zu befürchten.
Am besten gefällt mir die österreichische Ironie des Autors. So heißt der Vierte Teil: „Wenn das Lose abblättert vom Besinnungslosen.“ (385) Und besonders witzig, ist die falsche Lösung eines Rätsels, weil der Schreiber Raskolnikow anstatt Dostojewski für den Autor von Schuld und Sühne hielt. (357f) Ich habe versucht das Rätsel nachzuzeichnen und bin leider auf gewisse Unstimmigkeiten getroffen.
Gelungen ist die Wahl des Zentralsymbols, des Helms von Skanderbeg, der als Christ in einem mehrheitlich muslimischen Land die Albaner einte. Zunächst wird das Original aus einem Wiener Museum und dann die Kopie gestohlen.
Gelungen ist auch die Kreuzfahrt auf der SS Skanderbeg, was natürlich zu gewissen Nazivergleichen verleitet, wobei SS nur für „Streamship“ steht. Auf dem Schiff sind alle hochrangigen Politiker der EU vereint und dann bricht ein Virus an Bord aus.
Überflüssig fand ich dagegen die Reise nach Nordalbanien. Mühsam sind wie im ersten Teil „die Hauptstadt“ die vielen handelnden Personen. Auch die Liebesgeschichte zwischen dem österreichischen EU-Beamtem Karl Auer und Baya Muniq ist zu ausführlich. Vermutlich sollte die Schwierigkeit von Antikorruptionsgesetzen gezeigt werden.
Alles in allem aber eine gelungene Satire. Das Thema EU ist Menasses Alleinstellungsmerkmal. 4 Sterne
Weniger
Ich wollte noch hinzufügen, dass ich wette, dass der 3. Teil von Menasse EU-Triologie den Brexit behandelt.
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