Christine Wunnicke
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Die Dame mit der bemalten Hand (eBook, ePUB)
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Nominiert für den Buchpreis 2020 Bombay, 1764. Indien stand nicht auf dem Reiseplan und Elephanta, diese struppige Insel voller Schlangen und Ziegen, schon gar nicht. Carsten Niebuhr aus dem Bremischen ist hier gestrandet, obwohl er doch in Arabien sein sollte. Ebenso Meister Musa, persischer Astrolabienbauer aus Jaipur, obwohl er doch in Mekka sein wollte. Man spricht leidlich Arabisch miteinander, genug, um die paar Tage bis zu ihrer Rettung gemeinsam herumzubringen. Um sich öst-westlich misszuverstehen und freundlich über Sternbilder zu streiten. Es könnte übrigens alles auch ein Fiebe...
Nominiert für den Buchpreis 2020
Bombay, 1764. Indien stand nicht auf dem Reiseplan und Elephanta, diese struppige Insel voller Schlangen und Ziegen, schon gar nicht. Carsten Niebuhr aus dem Bremischen ist hier gestrandet, obwohl er doch in Arabien sein sollte. Ebenso Meister Musa, persischer Astrolabienbauer aus Jaipur, obwohl er doch in Mekka sein wollte. Man spricht leidlich Arabisch miteinander, genug, um die paar Tage bis zu ihrer Rettung gemeinsam herumzubringen. Um sich öst-westlich misszuverstehen und freundlich über Sternbilder zu streiten. Es könnte übrigens alles auch ein Fiebertraum gewesen sein. Doch das steht in den Sternen. "Wunnicke ist eine große, unterschätzte Romanautorin." Sigrid Löffler, Deutschlandfunk Kultur
Bombay, 1764. Indien stand nicht auf dem Reiseplan und Elephanta, diese struppige Insel voller Schlangen und Ziegen, schon gar nicht. Carsten Niebuhr aus dem Bremischen ist hier gestrandet, obwohl er doch in Arabien sein sollte. Ebenso Meister Musa, persischer Astrolabienbauer aus Jaipur, obwohl er doch in Mekka sein wollte. Man spricht leidlich Arabisch miteinander, genug, um die paar Tage bis zu ihrer Rettung gemeinsam herumzubringen. Um sich öst-westlich misszuverstehen und freundlich über Sternbilder zu streiten. Es könnte übrigens alles auch ein Fiebertraum gewesen sein. Doch das steht in den Sternen. "Wunnicke ist eine große, unterschätzte Romanautorin." Sigrid Löffler, Deutschlandfunk Kultur
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Christine Wunnicke, geboren 1966, lebt in München. Sie wurde mit dem Bayerischen Staatsförderpreis für Literatur und dem Tukan-Preis ausgezeichnet. Bei Berenberg erschienen u.¿a. ihre Romane "Der Fuchs und Dr. Shimamura" (2015) und "Katie" (2017), die beide für den Deutschen Buchpreis nominiert waren (Longlist), sowie, im Taschenbuch, die Novelle "Nagasaki, ca. 1642" (2020).
Produktdetails
- Verlag: Berenberg Verlag GmbH
- Seitenzahl: 168
- Erscheinungstermin: 25. August 2020
- Deutsch
- ISBN-13: 9783946334835
- Artikelnr.: 59980286
Keine Seele, die nicht ein Fieber gleich den Tollen fühlte
Doppelt erzählt hält besser: Christine Wunnickes neuer Roman "Die Dame mit der bemalten Hand" setzt ihre Reihe von Vergangenheitsfiktionen aufs schönste, klügste und witzigste fort. Und für Shakespeare-Freunde steckt auch noch etwas drin.
Der Berenberg Verlag muss etwas geahnt haben. Im Frühjahr wurde, als wäre es ein Hors d'oeuvre, Christine Wunnickes vor zehn Jahren in der mittlerweile untergegangenen Edition Epoca publizierte Novelle "Nagasaki, ca. 1642" wiederaufgelegt. Das eigentliche Festmenü aber hat uns Wunnicke erst jetzt beschert: mit ihrem neuen Roman "Die Dame mit der bemalten Hand", der sich seit gestern auf der Shortlist des diesjährigen
Doppelt erzählt hält besser: Christine Wunnickes neuer Roman "Die Dame mit der bemalten Hand" setzt ihre Reihe von Vergangenheitsfiktionen aufs schönste, klügste und witzigste fort. Und für Shakespeare-Freunde steckt auch noch etwas drin.
Der Berenberg Verlag muss etwas geahnt haben. Im Frühjahr wurde, als wäre es ein Hors d'oeuvre, Christine Wunnickes vor zehn Jahren in der mittlerweile untergegangenen Edition Epoca publizierte Novelle "Nagasaki, ca. 1642" wiederaufgelegt. Das eigentliche Festmenü aber hat uns Wunnicke erst jetzt beschert: mit ihrem neuen Roman "Die Dame mit der bemalten Hand", der sich seit gestern auf der Shortlist des diesjährigen
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Deutschen Buchpreises befindet. Das sollte der 1966 geborenen Münchner Autorin, die schon seit mehr als zwanzig Jahren im Geschäft ist, endlich den verdienten Durchbruch beim großen Publikum bescheren, nachdem sie seit vielen Jahren ein Liebling der Kritik ist und mit dem Literaturpreis der Landeshauptstadt München kürzlich auch die erste bedeutende Auszeichnung erhalten hat. Da ihre Bücher allesamt kurz sind, freut man sich, zwei auf einmal lesen zu können. Und noch dazu zwei so thematisch wahlverwandte.
Der Titel der wiederaufgelegten Novelle ist bezeichnend für Wunnickes Literaturverständnis: Das "ca." ist paradox bei einer fiktiven Geschichte, die die Autorin doch nach Gutdünken gestalten, also auch mit einer eindeutigen Handlungszeit versehen kann. Aber das Unbestimmte, Zeitlose ihrer historischen Stoffe ist deren Charakteristikum, und so ist die Geschichte des auf seinen Karrierehöhepunkt zusteuernden Samurai Seki Keijiro, der in Nagasaki auf den jungen Abel van Rheenen trifft, welcher als Dolmetscher in die niederländische Handelsniederlassung auf der künstlichen Insel Dejima gekommen ist, eine Parabel nicht nur aufs familiäre und gesellschaftliche Leben, sondern auch eine über das Missverstehen der Kulturen an der sprachlichen Oberfläche, das aber in ein viel tieferes Verständnis münden kann, wenn man überhaupt beginnt, miteinander zu sprechen. Und all das bildet auch wieder den Kern der Handlung von "Die Dame mit der bemalten Hand".
Darin sind wir ein Jahrhundert weiter und ein paar tausend Kilometer näher an Europa. Exotisch aber ist auch dieses Setting allemal. Wieder ist ein junger Mann ausgeschickt worden: Carsten Niebuhr, und zwar als "Mathematicus", sprich Kartograph, einer von einem Göttinger Orientalisten angeregten und vom dänischen König finanzierten Forschungsreise nach Arabien, von der sich der Gelehrte reichen wissenschaftlichen und der Monarch reichen finanziellen Ertrag versprach. Beide werden enttäuscht, denn außer Niebuhr kehrt keiner der anderen fünf Expeditionsteilnehmer zurück. So weit, so wahr.
Wunnicke vernebelt aber einmal mehr geschickt die historischen Fakten in ihrem Roman. Ihr Niebuhr ist ein Jahr später geboren als der echte, doch die Reise geht dafür ein Jahr früher los. Und die führt den zur Haupthandlungszeit dreißigjährigen Deutschen nicht nur bis nach Persien wie in der Wirklichkeit, sondern weit darüber hinaus (über Persien wie die Wirklichkeit), bis nach Indien nämlich, auf eine kleine Flussinsel nahe der Metropole Bombay: Gharapuri, von den Europäern Elephanta genannt nach der Steinskulptur eines Elefanten, die sich heute im Britischen Museum befindet. Auf Gharapuri geblieben aber sind bis heute zahlreiche Darstellungen der hinduistischen Götterwelt, die aus den Wänden eines ausgebauten Höhlensystems herausgemeißelt wurden. Seit 1997 ist die Insel deshalb Weltkulturerbe.
Für Niebuhr und mehr noch den Mann, den er auf Gharapuri trifft, den persischstämmigen Astronomen Musa al-Lahuri, sind die vom Zahn der Zeit angenagten Skulpturen indes weniger künftiges Weltkulturerbe als Weltalbträume. Weder der Christ noch der Muslim können mit diesen Gestaltwandlergöttern und ihrer hochsexualisierten Codierung allzu viel anfangen, wobei Musa immerhin eine Erklärung für das Unerklärliche der indischen Darstellungen hat: "Sie bedecken die Flächen mit Chaos, damit man die Geometrie ihres Bauwerks nicht sieht."
Musa ist ein rationaler Geist - wie auch nicht bei seiner Profession? Er baut die besten Astrolabien des Subkontinents, und auf der Pilgerfahrt nach Mekka hat er noch einen Seitenabstecher zu einem ignoranten Kunden gemacht und ist danach auf Gharapuri hängengeblieben, weil er sich um den dort fieberkrank liegenden Deutschen gekümmert hat. Das triste Eiland fährt kein Boot mehr an. Neben den beiden Männern gibt es auf der Insel nur noch Malik, Musas jungen persischen Gehilfen und künftigen Schwiegersohn, sowie eine indische Bettlerkolonie.
Eine Multikulti-Truppe also, die sich viel zu sagen hätte, wenn sie über eine gemeinsame Sprache verfügte. Das aber tun nur Musa und Niebuhr. Ersterer ist ein polyglotter Tausendsassa, dem bisweilen das gestelzte Sanskrit den Wortsinn verdunkelt, doch Letzterer beherrscht genug Arabisch, um sich mit ihm zu unterhalten. Dabei gelingt es Wunnicke großartig, Niebuhrs Versuch der wörtlichen Übertragung von deutschen Begriffen ins Arabische anschaulich zu machen: Das Märchen vom "Tischlein deck dich" wird zum "Deck dich selbst, oh kleiner Tisch des Wunders", die Wendung "Maulaffen feilhalten" zu "Affen des Mundes zu Markte tragen", oder jemand "lügt wie gestempelt". Die Missverständnisse und Mischverhältnisse zwischen Kulturen finden in den Gesprächen von Musa und Niebuhr schönsten, auch witzigsten Ausdruck, und die wechelseitige Fassungslosigkeit über das ihnen jeweils am anderen so Irritierende wird doch immer wieder gemildert durch das für die beiden ganz Fremde um sie herum: Indien.
Verständigung erfolgt über den Nachthimmel, vor allem das Sternbild Kassiopeia, das im arabischen Verständnis nur Teil einer viel größeren Konstellation ist, die die Bezeichnung "Dame mit der bemalten Hand" trägt. Das kleinere Bild im größeren (und umgekehrt) findet bei Wunnicke seine höchst irdische Entsprechung in Musas Familienkonstellation mit zwei Frauen und einem ganzen Schock Kinder, von dem ihm das liebste die Tochter Nayyirah ist, die ihren großen Auftritt im fast zwanzig Jahre später angesiedelten Schlusskapitel bekommt, und zwar buchstäblich als Dame mit (henna-)bemalter Hand. Alles ist in diesem Roman mit allem verknüpft: die Götter- mit der Menschenwelt, der Himmel mit der Erde, Orient und Okzident, aber mit der Intelligenz von Shakespeares "Sturm", der sich die Grundkonstellation verdankt, wie im Finale noch einmal deutlich gemacht wird, schwebt auch alles im Imaginären - dem Proprium des Romans.
War alles doch nur ein Fieberbild, geträumt irgendwo in Persien? Eine Bemerkung Niebuhrs nach der Rückkehr legt es nahe. Auch Malik, so lernen wir gegen Ende von Musa, war gar nicht mit ihm auf Gharapuri. Als Niebuhrs Reiseaufzeichnungen in französischer Sprache ihren Weg nach Indien finden, nennt Musa sie das dümmste Buch der Welt, aber er selbst erzählt Nayyirah von dem gemeinsamen Inselabenteuer. "Ihr lügt!", rügt die Tochter den Vater und fordert doch sofort: "Erzählt! Wie ging das zu?" Wir können nie genug erzählt bekommen, aber zwei Bücher von Christine Wunnicke sind schon mal ein Festschmaus. Nun bitte noch als Digestif den Buchpreis für das eine davon.
ANDREAS PLATTHAUS
Christine Wunnicke: "Nagasaki, ca. 1642". Novelle.
Berenberg Verlag, Berlin 2020. 112 S., br., 14,- [Euro].
Christine Wunnicke: "Die Dame mit der bemalten Hand". Roman.
Berenberg Verlag, Berlin 2020. 168 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Titel der wiederaufgelegten Novelle ist bezeichnend für Wunnickes Literaturverständnis: Das "ca." ist paradox bei einer fiktiven Geschichte, die die Autorin doch nach Gutdünken gestalten, also auch mit einer eindeutigen Handlungszeit versehen kann. Aber das Unbestimmte, Zeitlose ihrer historischen Stoffe ist deren Charakteristikum, und so ist die Geschichte des auf seinen Karrierehöhepunkt zusteuernden Samurai Seki Keijiro, der in Nagasaki auf den jungen Abel van Rheenen trifft, welcher als Dolmetscher in die niederländische Handelsniederlassung auf der künstlichen Insel Dejima gekommen ist, eine Parabel nicht nur aufs familiäre und gesellschaftliche Leben, sondern auch eine über das Missverstehen der Kulturen an der sprachlichen Oberfläche, das aber in ein viel tieferes Verständnis münden kann, wenn man überhaupt beginnt, miteinander zu sprechen. Und all das bildet auch wieder den Kern der Handlung von "Die Dame mit der bemalten Hand".
Darin sind wir ein Jahrhundert weiter und ein paar tausend Kilometer näher an Europa. Exotisch aber ist auch dieses Setting allemal. Wieder ist ein junger Mann ausgeschickt worden: Carsten Niebuhr, und zwar als "Mathematicus", sprich Kartograph, einer von einem Göttinger Orientalisten angeregten und vom dänischen König finanzierten Forschungsreise nach Arabien, von der sich der Gelehrte reichen wissenschaftlichen und der Monarch reichen finanziellen Ertrag versprach. Beide werden enttäuscht, denn außer Niebuhr kehrt keiner der anderen fünf Expeditionsteilnehmer zurück. So weit, so wahr.
Wunnicke vernebelt aber einmal mehr geschickt die historischen Fakten in ihrem Roman. Ihr Niebuhr ist ein Jahr später geboren als der echte, doch die Reise geht dafür ein Jahr früher los. Und die führt den zur Haupthandlungszeit dreißigjährigen Deutschen nicht nur bis nach Persien wie in der Wirklichkeit, sondern weit darüber hinaus (über Persien wie die Wirklichkeit), bis nach Indien nämlich, auf eine kleine Flussinsel nahe der Metropole Bombay: Gharapuri, von den Europäern Elephanta genannt nach der Steinskulptur eines Elefanten, die sich heute im Britischen Museum befindet. Auf Gharapuri geblieben aber sind bis heute zahlreiche Darstellungen der hinduistischen Götterwelt, die aus den Wänden eines ausgebauten Höhlensystems herausgemeißelt wurden. Seit 1997 ist die Insel deshalb Weltkulturerbe.
Für Niebuhr und mehr noch den Mann, den er auf Gharapuri trifft, den persischstämmigen Astronomen Musa al-Lahuri, sind die vom Zahn der Zeit angenagten Skulpturen indes weniger künftiges Weltkulturerbe als Weltalbträume. Weder der Christ noch der Muslim können mit diesen Gestaltwandlergöttern und ihrer hochsexualisierten Codierung allzu viel anfangen, wobei Musa immerhin eine Erklärung für das Unerklärliche der indischen Darstellungen hat: "Sie bedecken die Flächen mit Chaos, damit man die Geometrie ihres Bauwerks nicht sieht."
Musa ist ein rationaler Geist - wie auch nicht bei seiner Profession? Er baut die besten Astrolabien des Subkontinents, und auf der Pilgerfahrt nach Mekka hat er noch einen Seitenabstecher zu einem ignoranten Kunden gemacht und ist danach auf Gharapuri hängengeblieben, weil er sich um den dort fieberkrank liegenden Deutschen gekümmert hat. Das triste Eiland fährt kein Boot mehr an. Neben den beiden Männern gibt es auf der Insel nur noch Malik, Musas jungen persischen Gehilfen und künftigen Schwiegersohn, sowie eine indische Bettlerkolonie.
Eine Multikulti-Truppe also, die sich viel zu sagen hätte, wenn sie über eine gemeinsame Sprache verfügte. Das aber tun nur Musa und Niebuhr. Ersterer ist ein polyglotter Tausendsassa, dem bisweilen das gestelzte Sanskrit den Wortsinn verdunkelt, doch Letzterer beherrscht genug Arabisch, um sich mit ihm zu unterhalten. Dabei gelingt es Wunnicke großartig, Niebuhrs Versuch der wörtlichen Übertragung von deutschen Begriffen ins Arabische anschaulich zu machen: Das Märchen vom "Tischlein deck dich" wird zum "Deck dich selbst, oh kleiner Tisch des Wunders", die Wendung "Maulaffen feilhalten" zu "Affen des Mundes zu Markte tragen", oder jemand "lügt wie gestempelt". Die Missverständnisse und Mischverhältnisse zwischen Kulturen finden in den Gesprächen von Musa und Niebuhr schönsten, auch witzigsten Ausdruck, und die wechelseitige Fassungslosigkeit über das ihnen jeweils am anderen so Irritierende wird doch immer wieder gemildert durch das für die beiden ganz Fremde um sie herum: Indien.
Verständigung erfolgt über den Nachthimmel, vor allem das Sternbild Kassiopeia, das im arabischen Verständnis nur Teil einer viel größeren Konstellation ist, die die Bezeichnung "Dame mit der bemalten Hand" trägt. Das kleinere Bild im größeren (und umgekehrt) findet bei Wunnicke seine höchst irdische Entsprechung in Musas Familienkonstellation mit zwei Frauen und einem ganzen Schock Kinder, von dem ihm das liebste die Tochter Nayyirah ist, die ihren großen Auftritt im fast zwanzig Jahre später angesiedelten Schlusskapitel bekommt, und zwar buchstäblich als Dame mit (henna-)bemalter Hand. Alles ist in diesem Roman mit allem verknüpft: die Götter- mit der Menschenwelt, der Himmel mit der Erde, Orient und Okzident, aber mit der Intelligenz von Shakespeares "Sturm", der sich die Grundkonstellation verdankt, wie im Finale noch einmal deutlich gemacht wird, schwebt auch alles im Imaginären - dem Proprium des Romans.
War alles doch nur ein Fieberbild, geträumt irgendwo in Persien? Eine Bemerkung Niebuhrs nach der Rückkehr legt es nahe. Auch Malik, so lernen wir gegen Ende von Musa, war gar nicht mit ihm auf Gharapuri. Als Niebuhrs Reiseaufzeichnungen in französischer Sprache ihren Weg nach Indien finden, nennt Musa sie das dümmste Buch der Welt, aber er selbst erzählt Nayyirah von dem gemeinsamen Inselabenteuer. "Ihr lügt!", rügt die Tochter den Vater und fordert doch sofort: "Erzählt! Wie ging das zu?" Wir können nie genug erzählt bekommen, aber zwei Bücher von Christine Wunnicke sind schon mal ein Festschmaus. Nun bitte noch als Digestif den Buchpreis für das eine davon.
ANDREAS PLATTHAUS
Christine Wunnicke: "Nagasaki, ca. 1642". Novelle.
Berenberg Verlag, Berlin 2020. 112 S., br., 14,- [Euro].
Christine Wunnicke: "Die Dame mit der bemalten Hand". Roman.
Berenberg Verlag, Berlin 2020. 168 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Rezensentin Judith von Sternburg ist begeistert, dass es Christine Wunnicke gelingt, sich einen nicht-europäischen Blick auf Europäer vorzustellen. Das Zusammentreffen des deutschen Mathematikers Niebuhr und des indischen Astrolabienbauers Musa auf einer Insel bei Mumbay im 18. Jahrhundert, das sie entwirft, ist der Kritikerin zufolge eine "hervorragende Darstellung des Fremden in deutscher Sprache", aber auch eine brillante Übung im Hinterfragen von gewohnten Deutungsmustern.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Große Literatur.« Florian Welle, Münchner Feuilleton
Carsten Niebuhr ist Studio der Mathematik und hat einen nicht ungefährlichen Auftrag. Es ist das Jahr 1764 und da war das Reisen nun keineswegs so bequem wie heute. Er soll für „biblische Klarheit“ sorgen und die Stätten besuchen, die im „Buch der Bücher“ …
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Carsten Niebuhr ist Studio der Mathematik und hat einen nicht ungefährlichen Auftrag. Es ist das Jahr 1764 und da war das Reisen nun keineswegs so bequem wie heute. Er soll für „biblische Klarheit“ sorgen und die Stätten besuchen, die im „Buch der Bücher“ Erwähnung fanden. Jedoch landet er auf der Insel Elephanta und trifft dort auf recht eigenartige Menschen, die ihm das Leben retten. Der persische Astrolabienbauer zählt dazu und der ist nicht davon abzubringen, dass er in einem Sternbild eine rötlich schimmernde, bemalte Hand erkennt. Wohingegen Carsten in diesem Bild (die Kassiopeia) das Abbild einer Frau sieht.
„Die Dame mit der bemalten Hand“ war für den Deutschen Buchpreis 2020 nominiert. Es ist das dritte Mal, dass die Autorin Christine Wunnicke mit einem ihrer Werke auf der Longlist des Deutschen Buchpreises steht. Niebuhr bricht mit fünf Kollegen zur Forschungsreise auf und wird später als einziger überleben. Carsten ist genervt von den Aussagen des Astrologen bezüglich der Sternbilder und meint: „Wie glotzen alle in den selben Himmel und sehen verschiedene Bilder.“ Die Autorin hat Fakten aus der Geschichte mit jenen, die ihrer Fantasie entsprangen, geschickt verwoben.
Sprachlich ist das Werk ein Genuss und nicht mit den vielen Büchern zu vergleichen, die uns täglich angeboten werden. Aber mir fehlte die Ausführlichkeit. Ich hätte gerne mehr über die schrulligen Hauptpersonen gelesen und mich länger an den mit viel Humor ausgestatteten Dialogen erfreut. Gelernt habe ich einiges, da ich immer wieder das WWW bemühte, um mir die Fakten der „Bemalten Hand“ durchzulesen. Ein schönes aber nicht einfach zu lesendes Buch.
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Buch mit Leinen-Einband
Esoterischer Kosmos
Forschungsreisen sind in der Literatur ein beliebtes Thema, auch Christine Wunnicke greift es auf in ihrem neuen Roman «Die Dame mit der bemalten Hand». Anders als bei Christoph Ransmayr oder Daniel Kehlmann jedoch geht es bei ihr um kulturelle Werte, steht das …
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Esoterischer Kosmos
Forschungsreisen sind in der Literatur ein beliebtes Thema, auch Christine Wunnicke greift es auf in ihrem neuen Roman «Die Dame mit der bemalten Hand». Anders als bei Christoph Ransmayr oder Daniel Kehlmann jedoch geht es bei ihr um kulturelle Werte, steht das west-östliche Missverstehen im Vordergrund der pittoresken Geschichte einer gescheiterten Expedition. Schon das Titelbild deutet mit dem Kometen auf die Astronomie hin. Und wie man im Buch dann erfährt, erkannten europäische Wissenschaftler im Sternbild der Kassiopeia deutlich das Abbild jener ‹Dame› aus der griechischen Mythologie, während östliche darin allenfalls deren ‹bemalte Hand› zu erkennen vermochten.
Auf Anregung eines skurrilen Göttinger Professors und finanziert durch den dänischen König bricht 1764 eine sechsköpfige Expedition in den Orient auf, vornehmlich um Überlieferungen der Bibel durch Funde vor Ort zu verifizieren, aber auch um möglichst viele unbekannte Details über Land und Leute in den besuchten Gebieten zu sammeln. Erzählt wird mit dem Fokus auf Carsten Niebuhr, einem dreißigjährigen Mathematiker aus Bremen, der für die Kartografie und Vermessungen zuständig ist. Als einziger Teilnehmer übersteht er die Strapazen der Reise und bringt allein die nicht sehr ergiebigen wissenschaftlichen Aufzeichnungen der Expedition zurück, - soweit die Fakten. Die darüber hinaus fiktional üppig angereicherte Geschichte lässt den Romanhelden weit über das Ziel Arabien hinausschießen, er landet in Indien und besichtigt die berühmte Flussinsel Elephanta bei Bombay. Die gehört übrigens heute mit ihren in den Fels gehauenen, hinduistischen Tempeln zum UNESCO-Weltkulturerbe. Dort also trifft Niebuhr auf den schon etwas älteren, persischstämmigen Astrolabien-Produzenten Musa aus Jaipur, der eigentlich auch ganz woanders sein wollte und auf dem Weg nach Mekka einen Abstecher hierher gemacht hat. Beide haben das Schiff verpasst, das sie zurückbringen sollte, und sitzen nun fest auf der Insel. Das kleine astronomische Messinstrument, das Musa baut, weckt Niebuhrs Interesse und verbindet beide trotz aller sprachlichen Hürden. Während sie auf ein Schiff warten, das sie irgendwann aus ihrer misslichen Lage befreit, führen sie äußerst anregende Gespräche.
In zwölf Kapiteln wird abwechselnd von den beiden Männern und von ihrem unfreiwilligen Aufenthalt erzählt. Die öde Bettlerinsel wird von einigen armseligen Gestalten in primitiven Hütten bewohnt, es gibt viele Ziegen dort und eine große Affenpopulation. In den wenigen Tagen, die sie dort gemeinsam verbringen, dreht sich ihr Gespräch zunächst um Astronomie. Wobei sie den sprachlichen Hürden durch ein wenig Arabisch und viel Intuition begegnen, um sich einigermaßen verständlich machen zu können. Sie erzählen sich auch gegenseitig von ihrem Leben und den Umständen, die sie hier hergeführt haben, wo sie gar nicht sein sollten. Besonders Musa weiß nach orientalischer Tradition blumig zu erzählen, so manche seiner vielen Geschichten dürfte allerdings seiner lebhaften Phantasie entsprungen sein. Er kümmert sich auch besorgt um Niebuhr, als der, von Fieberschüben geplagt, zeitweise ins Delirium sinkt.
Die Autorin nutzt das babylonisch anmutende, sprachliche Wirrwarr für allerlei eingestreute, linguistische Vergleiche, vor allem aber für das Hinterfragen scheinbarer Gewissheiten auf beiden Seiten. Nicht nur werden da wissenschaftliche Thesen diskutiert, auch kulturelle und religiöse Unterschiede führen zu allerlei von Missverständnissen befeuerten Disputen. All das wird in einer spielerisch anmutenden Weise erzählt, die lebhaft fabulierend vieles in der Schwebe hält und eine schillernde, pittoreske Welt erschafft. Der so entstandene esoterische Kosmos, geradezu das Markenzeichen von Christine Wunnicke, dürfte auch hier wieder nur bestimmte Leser ansprechen, andere hingegen, durch die Platzierung auf der diesjährigen Shortlist des Frankfurter Buchpreises neugierig geworden, aber ziemlich enttäuschen.
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Buch mit Leinen-Einband
ost-westlicher Gedankenaustausch
Dieses kleine Büchlein erzählt von der Begegnung zweier Astronomen im 18. Jahrhundert auf einer indischen Insel vor der damaligen englischen Kolonie Bombay.
Der eine ist Carsten Niebuhr. Er ist der letzte Überlebende der Jemen-Expedition des …
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ost-westlicher Gedankenaustausch
Dieses kleine Büchlein erzählt von der Begegnung zweier Astronomen im 18. Jahrhundert auf einer indischen Insel vor der damaligen englischen Kolonie Bombay.
Der eine ist Carsten Niebuhr. Er ist der letzte Überlebende der Jemen-Expedition des Göttingen Professors Michaelis. Dieser schillernde, seinerzeit nahezu allwissende Mann wollte in diesem den Europäer nahezu unbekannte Land Fragen zu Heiligen Schrift klären. Rührend, wie uns die Autorin an seinen Vorlesungen an der Universität Göttingen teilhaben lässt.
Untereinander zerstritten erkrankten im Jemen alle Teilnehmer an Malaria, einige starben direkt dort, andere retten sich auf ein Schiff nach Indien, doch nur der Mathematicus, der die Karten der Reise erstellen sollte und seine Standort mit Hilfe der Sterne bestimmte, überlebte.
Immer noch krank besichtigt er die Insel Elephantine und begegnet dort dem persischen Astronom Musa al-Lahuri mit dem er sich dank Grundkenntnissen der arabischen Sprache mit einigen lustigen Missverständnissen unterhalten kann.
Ein überaus lustiges Buch, das 5 Sterne völlig zurecht verdient.
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Buch mit Leinen-Einband
Auf nicht einmal 160 Seiten erzählt uns Christine Wunnicke von einer Begegnung zwischen Ost und West, wie sie schöner kaum sein kann.
1764 strandet der persische Astrolabienbauer und Astronom Musa al-Lahuri auf einem kleinen Eiland vor Bombay, wo er einen offenbar schwer kranken …
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Auf nicht einmal 160 Seiten erzählt uns Christine Wunnicke von einer Begegnung zwischen Ost und West, wie sie schöner kaum sein kann.
1764 strandet der persische Astrolabienbauer und Astronom Musa al-Lahuri auf einem kleinen Eiland vor Bombay, wo er einen offenbar schwer kranken Europäer findet. Es ist Carsten Niebuhr, ein Forschungsreisender aus Norddeutschland, der am Sumpffieber (Malaria) leidet und erneut einen Fieberanfall hat. Auf der kleinen Insel wollte er einen Tempel erforschen und wurde von seinem Schiff bei der Abfahrt schlicht vergessen. Musa al-Lahuri nimmt sich des Kranken an und zwischen den beiden Zurückgelassenen entsteht fast so etwas wie eine Art Freundschaft. Ihre Gespräche finden auf Arabisch statt, das Beide beherrschen und sowohl Musa al-Lahuri wie auch der wissbegierige Niebuhr erfahren und staunen über das Gesagte des jeweils Anderen. Man versteht sich im sprachlichen Sinne, aber der Sinn bleibt oft genug nebulös, sehr zur Freude der Lesenden, für die diese oft genug aneinander vorbeilaufenden Unterhaltungen ein wahrer Genuss sind.
Während die Figur des Carsten Niebuhr tatsächlich existierte und die Autorin sich weitestgehend an die historischen Begebenheiten hält, entspringt Musa al-Lahuri, der nicht weniger real wirkt als sein Gegenüber, jedoch ihrer Phantasie. In dieser glaubwürdigen fiktiven Begegnung wird deutlich, wie relativ vermeintliche Tatsachen doch sind wie beispielsweise in ihrem Gespräch über das Sternbild Kassiopeia.
„So klein“, seufzt Musa, „Ihr seht das ganze Weibsbild in den paar Sternen. Wir sehen dort nur ihre bemalte Hand“. (Seite 124)
Oder die Beschreibung der Frau, die den Weg aller Beteiligten kreuzt. Für Niebuhr ist sie
"Ein Mädchen, vielleicht fünfzehn, vielleicht achtzehn Jahre alt, hoch gewachsen, mit langem Hals und langen Fingern und Zehen. Ihr Gesicht war rund wie ein Apfel und schmutzig, die Züge weich, die Brauen dramatisch geschwungen. Ihr Haar war zu Zotteln verfilzt und eine weiße Kette … zog sich kreuz und quer hindurch …. Als Kleid trug sie nur ein Tuch, das ihre Brüste kaum bedeckte." (Seite 78)
Für Malik, den Diener Musas, ist sie hingegen
"… seine Zuflucht geworden, seine Helferin und Wohltäterin und der Gegenstand seiner Liebe. … Wäre sie kein Bettlermädchen gewesen, man hätte sie der Hoffart bezichtigen können, wie sie dort stolz einherschritt, als sei sie die Herrin der Insel." (Seite 117)
Und als endlich ein britisches Trüppchen auf der Insel landet, sehen sie
"Ein großes, hageres Frauenzimmer in Lumpen … ; … die jüngere Frau sah verhärmt und auf tragische Weise verlaust aus;" (Seite 140)
Herrlich auch die Sprache, in der die Autorin den Deutschen Niebuhr Arabisch sprechen lässt. Das Märchen ‚Tischlein deck dich‘ wird zu ‚Deck dich selbst, oh kleiner Tisch des Wunders.‘ oder Zufall zu ‚Welch lustvolle Gleichzeitigkeit der Ereignisse.‘
Heiterer und unterhaltsamer als in dieser wunderbaren Geschichte mit ihren liebenswerten Figuren sind Unterschiede und Missverständnisse der Kulturen wohl selten beschrieben worden.
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