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Eine Kindheit in unkonventionellen Verhältnissen, das geteilte Berlin, Familienbande und Wahlverwandtschaften, lange, glückliche Sommer am Meer. Judith Hermann spricht über ihr Schreiben und ihr Leben, über das, was Schreiben und Leben zusammenhält und miteinander verbindet. Wahrheit, Erfindung und Geheimnis - Wo beginnt eine Geschichte und wo hört sie auf? Wie verlässlich ist unsere Erinnerung, wie nah sind unsere Träume an der Wirklichkeit.Wie in ihren Romanen und Erzählungen fängt Judith Hermann in »Wir hätten uns alles gesagt« ein ganzes Lebensgefühl ein: Mit klarer poetische...
Eine Kindheit in unkonventionellen Verhältnissen, das geteilte Berlin, Familienbande und Wahlverwandtschaften, lange, glückliche Sommer am Meer. Judith Hermann spricht über ihr Schreiben und ihr Leben, über das, was Schreiben und Leben zusammenhält und miteinander verbindet. Wahrheit, Erfindung und Geheimnis - Wo beginnt eine Geschichte und wo hört sie auf? Wie verlässlich ist unsere Erinnerung, wie nah sind unsere Träume an der Wirklichkeit.
Wie in ihren Romanen und Erzählungen fängt Judith Hermann in »Wir hätten uns alles gesagt« ein ganzes Lebensgefühl ein: Mit klarer poetischer Stimme erzählt sie von der empfindsamen Mitte des Lebens, von Freundschaft, Aufbruch und Freiheit.
Wie in ihren Romanen und Erzählungen fängt Judith Hermann in »Wir hätten uns alles gesagt« ein ganzes Lebensgefühl ein: Mit klarer poetischer Stimme erzählt sie von der empfindsamen Mitte des Lebens, von Freundschaft, Aufbruch und Freiheit.
Judith Hermann wurde 1970 in Berlin geboren. Ihrem Debüt 'Sommerhaus, später' (1998) wurde eine außerordentliche Resonanz zuteil. 2003 folgte der Erzählungsband 'Nichts als Gespenster'. Einzelne dieser Geschichten wurden 2007 für das Kino verfilmt. 2009 erschien 'Alice', fünf Erzählungen, die international gefeiert wurden. 2014 veröffentlichte Judith Hermann ihren ersten Roman, 'Aller Liebe Anfang'. 2016 folgten die Erzählungen 'Lettipark', die mit dem dänischen Blixen-Preis für Kurzgeschichten ausgezeichnet wurden. Für ihr Werk wurde Judith Hermann mit zahlreichen Preisen geehrt, darunter dem Kleist-Preis und dem Friedrich-Hölderlin-Preis. 2021 erschien der Roman 'Daheim', der für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert wurde, und für den Judith Hermann mit dem Bremer Literaturpreis 2022 ausgezeichnet wurde. Zuletzt erschien 2023 bei S. FISCHER 'Wir hätten uns alles gesagt', basierend auf den Frankfurter Poetikvorlesungen, die Judith Hermann im Frühjahr 2022 hielt. Dafür erhielt sie den Wilhelm-Raabe-Literaturpreis. Die Autorin lebt und schreibt in Berlin. Literaturpreise: Wilhelm-Raabe-Literaturpreis 2023 Preis der LiteraTour Nord 2022 Bremer Literaturpreis 2022 Rheingau Literatur Preis 2021 Blixenprisen 2018 für 'Lettipark' Erich-Fried-Preis 2014 Friedrich-Hölderlin-Preis 2009 Kleist-Preis 2001 Hugo-Ball-Förderpreis 1999 Förderpreis zum Bremer Literaturpreis 1999
Produktdetails
- Fischer TaschenBibliothek 52364
- Verlag: FISCHER Taschenbuch
- 1. Auflage
- Seitenzahl: 208
- Erscheinungstermin: 26. Februar 2025
- Deutsch
- Abmessung: 143mm x 93mm x 17mm
- Gewicht: 132g
- ISBN-13: 9783596523641
- ISBN-10: 3596523648
- Artikelnr.: 71907610
Herstellerkennzeichnung
FISCHER Taschenbuch
Hedderichstr. 114
60596 Frankfurt
produktsicherheit@fischerverlage.de
Bestimmte Dinge kunstvoll zu verschweigen und dem Ausgesprochenen damit so etwas wie Tiefendimensionen zu verleihen [...] Ein raffiniertes Stilmittel. Günter Kaindlstorfer Österreichischer Rundfunk, Ö1 (Ex libris) 20230528
Hermanns intimstes Buch - und ihr bestes. Christine Steffen NZZ am Sonntag 20241124
Das Verschweigen des Eigentlichen
Auf der Suche nach den Quellen ihres Sounds: Judith Hermanns Frankfurter Poetikvorlesungen
Seit Beginn ihrer literarischen Laufbahn wird Judith Hermann ein besonderer Sound zugeschrieben. Ihrer Ausdrucksweise haftet trotz zahlreicher Analysen, Besprechungen, Lesungen und Interviews stets etwas Unergründliches an, und es scheint ihr gelungen zu sein, das als stilistisches Wiedererkennungspotential für sich wirksam zu machen. Aus diesem Grund dürfte den Frankfurter Poetikvorlesungen Hermanns - die schon als Veranstaltungen im Mai 2022 gut besucht waren und jetzt unter dem Titel "Wir hätten uns alles gesagt" erschienen sind - größere Aufmerksamkeit zuteilwerden. Sie könnten über
Auf der Suche nach den Quellen ihres Sounds: Judith Hermanns Frankfurter Poetikvorlesungen
Seit Beginn ihrer literarischen Laufbahn wird Judith Hermann ein besonderer Sound zugeschrieben. Ihrer Ausdrucksweise haftet trotz zahlreicher Analysen, Besprechungen, Lesungen und Interviews stets etwas Unergründliches an, und es scheint ihr gelungen zu sein, das als stilistisches Wiedererkennungspotential für sich wirksam zu machen. Aus diesem Grund dürfte den Frankfurter Poetikvorlesungen Hermanns - die schon als Veranstaltungen im Mai 2022 gut besucht waren und jetzt unter dem Titel "Wir hätten uns alles gesagt" erschienen sind - größere Aufmerksamkeit zuteilwerden. Sie könnten über
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Literaturkritik und -wissenschaft hinaus Hermanns große Leserschaft interessieren: auf der Suche danach, was den Sound ihrer gefeierten Autorin ausmacht.
Bereits Hermanns literarisches Debüt "Sommerhaus, später" brachte 1998 die deutsche Literaturszene in Aufruhr, paradoxerweise durch den auffallend ruhigen Erzählton. Noch dazu geschrieben von einer jungen Frau! Man sprach mit einem Fünfzigerjahre-Begriff vom "Fräuleinwunder". Doch trotz allen Zweifels daran, dass auch junge Frauen zu großer Literatur fähig sind, hörte Hermann nicht mit dem Schreiben auf. Nach zwei weiteren Erzählbänden erschien 2014 ihr Romandebüt, "Aller Liebe Anfang", 2016 der Erzählband "Lettipark" und 2021 ihr jüngster Roman "Daheim".
Zum fünfundzwanzigjährigen Jubiläum von Hermanns Debüt lädt diese Veröffentlichung nun dazu ein, der Autorin am Schreibtisch über die Schulter zu schauen. Als intime Werkstattführung inszeniert Hermann die Poetikvorlesungen jedenfalls im Vorwort: "Die Arbeit an dieser Vorlesung ist nicht einfach gewesen. Auf dem Weg von ihrem Anfang bis zu einem Ende hin ist unerwartet Privates im Text aufgetaucht, es wird sich zeigen, ob das zu bereuen ist." Tatsächlich sind einige aufgenommene Erinnerungen ausgefallen persönlich für diese Autorin.
In gewohntem erzählerischen Duktus erzählt Hermann Geschichten aus ihrer Kindheit, jungen Erwachsenenzeit und auch jüngsten Vergangenheit während der Pandemie in deren Frühphase 2020. Es geht beispielsweise um die Wohnung, das "Trauerhaus", in dem sie als Kleinkind gelebt hat, zusammen mit ihrer Brotsuppe kochenden russischen Oma, dem manisch-depressiven Vater und der meist abwesenden Mutter, die sich um den Verdienst der Familie kümmerte. Die Wohnung erlebte Hermann dabei als Geheimnis, was zum einen daran lag, dass alles mit rätselhaften Dingen vollgestellt war, zum anderen daran, dass ihr Vater ihr mit großer Ernsthaftigkeit Geistergeschichten erzählte wie die vom "Untermieter, einem Kleinwüchsigen", der im Hängeboden lebte. Die ihr vom Vater gebaute Puppenstube war dann eine Art Urgeschichte für Hermann, sie vermutet, dass "alle meine Geschichten in der Puppenstube angefangen haben". Solche Kindheitserinnerungen sind für ihr Schreiben bedeutsam: "Mein Schreiben ist an diese frühen Jahre gebunden."
Spätere Geschichten aus ihrem Leben handeln etwa davon, wie sie ihren Psychoanalytiker nach abgeschlossener Behandlung zufällig in einer Kneipe wiedertrifft. Mit der Erinnerung an diese Begegnung eröffnet Hermann ganz unvermittelt die Vorlesungen und führt damit beispielhaft aus, wie ihre Geschichten vom eigenen Leben inspiriert sind. Ihr "Schreiben imitiert Leben", allerdings nicht dokumentarisch als exakte Übernahme, vielmehr als Inspiration für ein Motiv, eine Figur oder ein Ereignis. Der Analytiker sei die Vorlage für die Figur des Dr. Gupka in der Erzählung "Träume" aus "Lettipark" gewesen, und als Hermann ihrem Analytiker wiederbegegnete, wollte sie von ihm erfahren, was er von der Erzählung über ihn halte. Sein Fazit bringt Hermanns Autofiktionsverständnis auf den Punkt: "Was für eine unermüdliche Detailarbeit, alles so geschickt zu entfremden, zu entstellen, dass am Ende nichts mehr richtig ist, aber alles wahr."
Die Geschichten zu "Menschen und Situationen, die das Schreiben beeinflusst haben", in den Poetikvorlesungen, seien solche, die Hermann nicht literarisch verarbeiten konnte. Absurderweise sagen gerade diese nicht geschriebenen Geschichten etwas über ihr Schreiben aus; die Poetikvorlesungen bestimmen den Erzählstil ex negativo. Das führt zu Hermanns zentralem poetischen Prinzip: den Leerstellen. Es sind diese mit den Worten der Autorin "Geheimnisse" oder "Gespenster", die Geschichten erzählenswert machen, ihnen die Eindeutigkeit nehmen und eine Interpretation vonseiten der Leser ermöglichen oder sogar erzwingen. Und einige Situationen oder Geschichten aus Hermanns Leben enthalten dieses Potential zur Leerstelle eben nicht: "Sie haben kein Geheimnis. Sie sind eindeutig, eine Wahrheit, an diesen Sätzen gibt es nichts zu rütteln."
Wie treffsicher Hermanns Leerstellen-Prinzip funktioniert, lässt sich an ihrem letzten Roman "Daheim" erkennen. Bereits in der Rahmenerzählung, in der die Hauptfigur von ihrer Tätigkeit in einer Zigarettenfabrik und dem Angebot, als Assistentin eines Zauberers nach Singapur zu fahren, erzählt, tut sich eine Lücke nach der anderen auf. Warum die Protagonistin handelt, was ihre Motive sind, bleibt offen - angefangen bei ihren Lebens- und Arbeitsumständen hin zu dem Umstand, dass sie bereitwillig eine Probe als Zauberassistentin mitmacht, ihre Sachen für Singapur packt, die Wohnung ausräumt und sich schließlich doch gegen die Reise entscheidet. Hermann überlässt die Ausgestaltung der Antwort ihren Lesern.
Auch in ihren Poetikvorlesungen bleiben einige Leerstellen offen. Hermann verliert beispielsweise kaum ein Wort darüber, dass es meist die kurzen Formen sind, die ihr Schreiben bestimmen. Das "Befreiende, Beglückende" an diesen kürzeren Erzählungen gegenüber dem Roman benennt Hermann zwar, aber führt es kaum aus, verweist nur auf ihre bereits bekannten angloamerikanischen Vorbilder Hemingway, Carver und Updike oder das spezifische "scharf gestellte, frostige Schlagschlicht einer Short Story, die irgendwo beginnt, etwas einfängt, wieder abbricht, bevor es zu Conclusion und Fazit kommen kann". Doch zu mehr als diesen knappen Umschreibungen kommt es nicht. Warum Hermann die kurze Form bevorzugt, verrät sie nicht. Ähnlich verhält es sich mit ihrem Bezug zur Lyrik: Die Autorin erzählt auch von Gedichten, die Menschen beeinflusst haben, so beispielsweise ein Vers aus Gottfried Benns "Rauhreif". Warum Hermann allerdings selbst das narrative Schreiben dem poetischen vorzieht, bleibt vage.
Etwas konkreter wird die Autorin, wenn sie ihren Schreibprozess, insbesondere die Entstehung einer Geschichte, beschreibt, die bei ihr immer über einen Initialsatz führt: "Ich höre diesen Satz, und das Hören ist begleitet von einer nur sekundenlangen, aber eindeutigen und unmittelbar körperlichen Empfindung." Hermann findet also intuitiv zu ihren Erzählstoffen, indem sie ein Motiv aus ihrem Leben aufgreift und es zur Geschichte ausbaut. Der Satz stellt dann im Verborgenen einen Teil ihrer Geschichte dar, denn sie möchte ihn als Kern ihrer Erzählungen "zeigen und zugleich verbergen"; was schließlich dazu führt, dass Hermanns Literatur Wesenszüge eines Rätsels annimmt beziehungsweise eines "geteilten Rätsels" - wenn ihre Leser den Initialsatz gefunden haben.
Ein Motiv, auf das Hermann oft zurückgreift, ist die Parallelisierung vom Schreiben und Träumen. Ihr Schreibimpuls begründe sich durch ihre Traumlosigkeit: "Oder andersherum - vielleicht träume ich nicht, weil ich schreibe." Hier schließt sich der Kreis, denn das träumerische Schreiben Hermanns begründet wiederum ihr Verständnis von autofiktionaler Literatur, die sich einerseits am eigenen Leben orientiert und andererseits Leerstellen offen-, Geheimnisse und Gespenster verborgen lässt.
"Das Verschweigen des Eigentlichen zieht sich durch alle Texte" - daraus folgt der Untertitel der Poetikvorlesungen "Vom Schweigen und Verschweigen im Schreiben". Doch obwohl Verschwiegenheit in diesem Genre eher untypisch ist, sind Hermanns Poetikvorlesungen erzählerisch und stilistisch gelungen und seien jedem empfohlen, der auf der Suche danach ist, was den typischen Hermann-Sound ausmacht. EMILIA KRÖGER
Judith Hermann:
"Wir hätten uns alles gesagt".
Verlag S. Fischer,
Frankfurt am Main 2023. 187 S., geb., 23,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Bereits Hermanns literarisches Debüt "Sommerhaus, später" brachte 1998 die deutsche Literaturszene in Aufruhr, paradoxerweise durch den auffallend ruhigen Erzählton. Noch dazu geschrieben von einer jungen Frau! Man sprach mit einem Fünfzigerjahre-Begriff vom "Fräuleinwunder". Doch trotz allen Zweifels daran, dass auch junge Frauen zu großer Literatur fähig sind, hörte Hermann nicht mit dem Schreiben auf. Nach zwei weiteren Erzählbänden erschien 2014 ihr Romandebüt, "Aller Liebe Anfang", 2016 der Erzählband "Lettipark" und 2021 ihr jüngster Roman "Daheim".
Zum fünfundzwanzigjährigen Jubiläum von Hermanns Debüt lädt diese Veröffentlichung nun dazu ein, der Autorin am Schreibtisch über die Schulter zu schauen. Als intime Werkstattführung inszeniert Hermann die Poetikvorlesungen jedenfalls im Vorwort: "Die Arbeit an dieser Vorlesung ist nicht einfach gewesen. Auf dem Weg von ihrem Anfang bis zu einem Ende hin ist unerwartet Privates im Text aufgetaucht, es wird sich zeigen, ob das zu bereuen ist." Tatsächlich sind einige aufgenommene Erinnerungen ausgefallen persönlich für diese Autorin.
In gewohntem erzählerischen Duktus erzählt Hermann Geschichten aus ihrer Kindheit, jungen Erwachsenenzeit und auch jüngsten Vergangenheit während der Pandemie in deren Frühphase 2020. Es geht beispielsweise um die Wohnung, das "Trauerhaus", in dem sie als Kleinkind gelebt hat, zusammen mit ihrer Brotsuppe kochenden russischen Oma, dem manisch-depressiven Vater und der meist abwesenden Mutter, die sich um den Verdienst der Familie kümmerte. Die Wohnung erlebte Hermann dabei als Geheimnis, was zum einen daran lag, dass alles mit rätselhaften Dingen vollgestellt war, zum anderen daran, dass ihr Vater ihr mit großer Ernsthaftigkeit Geistergeschichten erzählte wie die vom "Untermieter, einem Kleinwüchsigen", der im Hängeboden lebte. Die ihr vom Vater gebaute Puppenstube war dann eine Art Urgeschichte für Hermann, sie vermutet, dass "alle meine Geschichten in der Puppenstube angefangen haben". Solche Kindheitserinnerungen sind für ihr Schreiben bedeutsam: "Mein Schreiben ist an diese frühen Jahre gebunden."
Spätere Geschichten aus ihrem Leben handeln etwa davon, wie sie ihren Psychoanalytiker nach abgeschlossener Behandlung zufällig in einer Kneipe wiedertrifft. Mit der Erinnerung an diese Begegnung eröffnet Hermann ganz unvermittelt die Vorlesungen und führt damit beispielhaft aus, wie ihre Geschichten vom eigenen Leben inspiriert sind. Ihr "Schreiben imitiert Leben", allerdings nicht dokumentarisch als exakte Übernahme, vielmehr als Inspiration für ein Motiv, eine Figur oder ein Ereignis. Der Analytiker sei die Vorlage für die Figur des Dr. Gupka in der Erzählung "Träume" aus "Lettipark" gewesen, und als Hermann ihrem Analytiker wiederbegegnete, wollte sie von ihm erfahren, was er von der Erzählung über ihn halte. Sein Fazit bringt Hermanns Autofiktionsverständnis auf den Punkt: "Was für eine unermüdliche Detailarbeit, alles so geschickt zu entfremden, zu entstellen, dass am Ende nichts mehr richtig ist, aber alles wahr."
Die Geschichten zu "Menschen und Situationen, die das Schreiben beeinflusst haben", in den Poetikvorlesungen, seien solche, die Hermann nicht literarisch verarbeiten konnte. Absurderweise sagen gerade diese nicht geschriebenen Geschichten etwas über ihr Schreiben aus; die Poetikvorlesungen bestimmen den Erzählstil ex negativo. Das führt zu Hermanns zentralem poetischen Prinzip: den Leerstellen. Es sind diese mit den Worten der Autorin "Geheimnisse" oder "Gespenster", die Geschichten erzählenswert machen, ihnen die Eindeutigkeit nehmen und eine Interpretation vonseiten der Leser ermöglichen oder sogar erzwingen. Und einige Situationen oder Geschichten aus Hermanns Leben enthalten dieses Potential zur Leerstelle eben nicht: "Sie haben kein Geheimnis. Sie sind eindeutig, eine Wahrheit, an diesen Sätzen gibt es nichts zu rütteln."
Wie treffsicher Hermanns Leerstellen-Prinzip funktioniert, lässt sich an ihrem letzten Roman "Daheim" erkennen. Bereits in der Rahmenerzählung, in der die Hauptfigur von ihrer Tätigkeit in einer Zigarettenfabrik und dem Angebot, als Assistentin eines Zauberers nach Singapur zu fahren, erzählt, tut sich eine Lücke nach der anderen auf. Warum die Protagonistin handelt, was ihre Motive sind, bleibt offen - angefangen bei ihren Lebens- und Arbeitsumständen hin zu dem Umstand, dass sie bereitwillig eine Probe als Zauberassistentin mitmacht, ihre Sachen für Singapur packt, die Wohnung ausräumt und sich schließlich doch gegen die Reise entscheidet. Hermann überlässt die Ausgestaltung der Antwort ihren Lesern.
Auch in ihren Poetikvorlesungen bleiben einige Leerstellen offen. Hermann verliert beispielsweise kaum ein Wort darüber, dass es meist die kurzen Formen sind, die ihr Schreiben bestimmen. Das "Befreiende, Beglückende" an diesen kürzeren Erzählungen gegenüber dem Roman benennt Hermann zwar, aber führt es kaum aus, verweist nur auf ihre bereits bekannten angloamerikanischen Vorbilder Hemingway, Carver und Updike oder das spezifische "scharf gestellte, frostige Schlagschlicht einer Short Story, die irgendwo beginnt, etwas einfängt, wieder abbricht, bevor es zu Conclusion und Fazit kommen kann". Doch zu mehr als diesen knappen Umschreibungen kommt es nicht. Warum Hermann die kurze Form bevorzugt, verrät sie nicht. Ähnlich verhält es sich mit ihrem Bezug zur Lyrik: Die Autorin erzählt auch von Gedichten, die Menschen beeinflusst haben, so beispielsweise ein Vers aus Gottfried Benns "Rauhreif". Warum Hermann allerdings selbst das narrative Schreiben dem poetischen vorzieht, bleibt vage.
Etwas konkreter wird die Autorin, wenn sie ihren Schreibprozess, insbesondere die Entstehung einer Geschichte, beschreibt, die bei ihr immer über einen Initialsatz führt: "Ich höre diesen Satz, und das Hören ist begleitet von einer nur sekundenlangen, aber eindeutigen und unmittelbar körperlichen Empfindung." Hermann findet also intuitiv zu ihren Erzählstoffen, indem sie ein Motiv aus ihrem Leben aufgreift und es zur Geschichte ausbaut. Der Satz stellt dann im Verborgenen einen Teil ihrer Geschichte dar, denn sie möchte ihn als Kern ihrer Erzählungen "zeigen und zugleich verbergen"; was schließlich dazu führt, dass Hermanns Literatur Wesenszüge eines Rätsels annimmt beziehungsweise eines "geteilten Rätsels" - wenn ihre Leser den Initialsatz gefunden haben.
Ein Motiv, auf das Hermann oft zurückgreift, ist die Parallelisierung vom Schreiben und Träumen. Ihr Schreibimpuls begründe sich durch ihre Traumlosigkeit: "Oder andersherum - vielleicht träume ich nicht, weil ich schreibe." Hier schließt sich der Kreis, denn das träumerische Schreiben Hermanns begründet wiederum ihr Verständnis von autofiktionaler Literatur, die sich einerseits am eigenen Leben orientiert und andererseits Leerstellen offen-, Geheimnisse und Gespenster verborgen lässt.
"Das Verschweigen des Eigentlichen zieht sich durch alle Texte" - daraus folgt der Untertitel der Poetikvorlesungen "Vom Schweigen und Verschweigen im Schreiben". Doch obwohl Verschwiegenheit in diesem Genre eher untypisch ist, sind Hermanns Poetikvorlesungen erzählerisch und stilistisch gelungen und seien jedem empfohlen, der auf der Suche danach ist, was den typischen Hermann-Sound ausmacht. EMILIA KRÖGER
Judith Hermann:
"Wir hätten uns alles gesagt".
Verlag S. Fischer,
Frankfurt am Main 2023. 187 S., geb., 23,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Echt klingt ihr empfindsames Wahrnehmen jener Wirklichkeit, die durch einen Filter von Herz, Hirn und großem Talent zu Literatur wird.«
Das Buch „Wir hätten uns alles gesagt“ von Judith Hermann ist die Nachschrift ihrer Poetikvorlesungen aus dem Jahr 2022 an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Zu einer solchen Poetikvorlesung werden Literaturschaffende eingeladen, um den Studentinnen …
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Das Buch „Wir hätten uns alles gesagt“ von Judith Hermann ist die Nachschrift ihrer Poetikvorlesungen aus dem Jahr 2022 an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Zu einer solchen Poetikvorlesung werden Literaturschaffende eingeladen, um den Studentinnen und Studenten einen Einblick in ihren persönlichen künstlerischen Schaffensprozess zu gewähren.
Jetzt, nachdem ich das recherchiert habe, wundert es mich nicht mehr, dass die Enthüllungen und Gedankengänge der Autorin mich eher verwirrt als beeindruckt haben. Ich gehöre nicht zum inneren Zirkel der Literaturwelt, und mir fehlt auch das Hintergrundwissen aus Hermanns anderen Büchern, das sie bei den Zuhörern und Lesern dieses Werks offenbar voraussetzt.
Für mich war das kein zufrieden stellendes Leseerlebnis. ich hätte mir vom Verlag einen deutlicheren Hinweis auf dem Cover zum Charakter des Buches gewünscht.
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Poetologische Einblicke oder: Nichts ist, wie es scheint
Das Cover, ein Ausschnitt aus einem Gemälde, zeigt die Innenansicht eines Zimmers: Neben einem Fenster hängen zwei Regenmäntel und ein Fernglas an der Wand, aus dem Fenster fällt der Blick auf das Meer, unter dunklen …
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Poetologische Einblicke oder: Nichts ist, wie es scheint
Das Cover, ein Ausschnitt aus einem Gemälde, zeigt die Innenansicht eines Zimmers: Neben einem Fenster hängen zwei Regenmäntel und ein Fernglas an der Wand, aus dem Fenster fällt der Blick auf das Meer, unter dunklen Regenwolken bricht die Sonne hindurch. Wahrscheinlich die Ost- oder die Nordsee, der Friesennerz deutet darauf hin, ebenso die Seesterne auf den Fenstersprossen. Das Stillleben passt sehr gut zu Judith Hermanns Texten, es strahlt dieselbe ruhige, leicht melancholische und etwas rätselhafte Atmosphäre aus.
Es ist dieser spezielle Erzählton, der Judith Hermanns Erzählungen in meinen Augen so besonders macht und der mir im Gedächtnis haften geblieben ist, auch wenn ich die (ohnehin dürftige) Handlung längst vergessen habe. Ihre Geschichten begleiten mich schon mein halbes Leben, seit 1998 ihr Debüt „Sommerhaus, später“ erschien. Ich habe sie alle gelesen, auch die beiden Romane.
Nun dieses Buch, das verspricht, Einblicke zu geben in das bisher verborgene Leben der Person hinter den Geschichten. Judith Hermann schreibt über ihr Leben und Schreiben, über Freunde und Wegbegleiter und wie diese, in verschlüsselter Form, den Weg in ihre Geschichten fanden. Das Buch selbst kommt autobiographisch daher (es sind Poetikvorlesungen), sie gibt vor, Einblick in ihren Schreibprozess zu geben. Wahrscheinlich ist es aber auch autofiktional, schwer zu sagen, wo die Grenze verläuft zwischen Realität und Fiktion. Zum Beispiel trifft die Erzählerin nachts im Späti ihren ehemaligen Psychoanalytiker und folgt ihm in eine schummrige Bar. Diese Begegnung erscheint einem erst plausibel, konkrete Details, die den Bezug zum Leben der Autorin herstellen, deuten darauf hin. Dann wieder glaubt man kaum, dass sie so stattgefunden haben könnte. Oder doch? Sehr spannend!
Fazit: Ein Muss für Fans von Judith Hermann und solche, die es werden wollen!
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Ich habe mich schon sehr auf den neuen Roman von Judith Hermann gefreut und war ganz begierig darauf, das Buch zu lesen.
Worum geht es in diesem Buch? Das ist gar nicht so einfach zu beschreiben. Es geht um Familie, um die Blutsverwandschaft, aber auch um die frei gewählte Familie, um …
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Ich habe mich schon sehr auf den neuen Roman von Judith Hermann gefreut und war ganz begierig darauf, das Buch zu lesen.
Worum geht es in diesem Buch? Das ist gar nicht so einfach zu beschreiben. Es geht um Familie, um die Blutsverwandschaft, aber auch um die frei gewählte Familie, um Bücher, Freunde, im ersten Teil um den Psychoanalytiker und immer wieder "Reisen" in die Vergangenheit und die Frage, was ist jetzt Roman, was ist erfunden, was war wirklich so? Und dabei lässt uns die Autorin immer wieder genau das selbst herausfinden oder überlegen. Aber ist es wirklich so wichtig, was Realität und was Fiktion ist? - Nein, für mich nicht und für die Autorin wohl auch nicht.
Es war ein Roman, bei dem ich jede einzelne Zeile, die ich gelesen habe, genossen habe. Was für ein grandioser Schreibstil, so leicht und doch so voller Aussagen.
Ein wahrhaft virtuoser Umgang mit dem Medium Sprache.
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“Jede Entscheidung für einen Satz ist eine Entscheidung gegen unzählige andere.” S. 19
Es sind diese Einsichten, die mich zutiefst befriedigen.
Mit schlafwandlerischer Sicherheit schreibt Judith Hermann, über ihre Unsicherheit, herausgefunden zu haben, wer sie ist. …
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“Jede Entscheidung für einen Satz ist eine Entscheidung gegen unzählige andere.” S. 19
Es sind diese Einsichten, die mich zutiefst befriedigen.
Mit schlafwandlerischer Sicherheit schreibt Judith Hermann, über ihre Unsicherheit, herausgefunden zu haben, wer sie ist. Sie nimmt uns mit auf eine Reise zu ihren Ursprüngen, findet heraus, was sie ausmacht. Sie spricht von ihrer Familie, den psychisch kranken Vater, der sie in ihrer Kindheit ängstigt, weil er einen perfiden Spaß daran hat. Wie sie seine Unberechenbarkeit erlebte und sich ständig um ihn sorgte. Ihre russischen Wurzeln beleuchtet sie, diesen Anteil, den ihre Großmutter an ihrer Entwicklung hatte.
Die Autorin schreibt ruhig, gefasst, zeigt, wie präzise sie ihr Gegenüber beobachten und beschreiben kann. Ich mag ihre einzigartige Schreibweise, wie sie einen Absatz mit einem Substantiv abschließt, das mich nachdenklich macht.
Sie geht sorgfältig mit sich um, wie sie an mehreren Stellen zeigt:
“Aufmachen heißt, das Etwas aus seinem Ungefähren holen, den Wolf ans Licht. Zu erklären, was genau das Etwas ist, hieße vermutlich, den Wolf abschießen. Darauf zu verzichten bringt den Wolf in Sicherheit. Lässt ihn am Leben.” S. 151
Stellenweise wird das was sie sagt zu einem abstrakten Gemälde, vor dem ich stehe, nicht so recht wissend, was die Künstlerin mir damit sagen mag, so diffus, dass mir nicht gelingt ihr konsequent zu folgen.
Fazit:
Dennoch eine stimmige Geschichte, die nachdenklich macht und sicher nicht die letzte, die ich von Judith Hermann lesen werde.
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Sensible Einblicke in ein Autorenleben
Worum geht es in dem Buch?
Die Schriftstellerin Judith Hermann verfasste anlässlich der Frankfurter Poetikvorlesungen Texte, die Einblicke in ihr Leben und ihre Art des Schreibens geben.
Zu Anfang stellt sie dem Leser ihren Psychoanalytiker Dr. …
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Sensible Einblicke in ein Autorenleben
Worum geht es in dem Buch?
Die Schriftstellerin Judith Hermann verfasste anlässlich der Frankfurter Poetikvorlesungen Texte, die Einblicke in ihr Leben und ihre Art des Schreibens geben.
Zu Anfang stellt sie dem Leser ihren Psychoanalytiker Dr. Dreehuis vor, den sie abends zufällig trifft, als sie mit einem Freund unterwegs ist. Auch über Ada erfährt der Leser etwas – eine einstige Freundin, die ein aufbrausendes, aber auch liebreizendes Temperament an den Tag legen konnte. Judith Hermann mag Ada wegen der vielen schönen Erlebnisse, die sie mit ihr und ihren Kindern hatte.
Weiterhin bekommt man Einblicke in Judiths Kindheit. Leben in einer vollgestellten Wohnung, Erinnerungen an die Großmutter und den Vater. Klare Gedanken fassen konnte Judith in einem Haus am Meer – da konnte sie schreiben, bis die Corona-Pandemie und die daraus folgenden Maßnahmen sie verstörte. Aber es gibt Wörter, die ihr neue Schreibideen gaben.
Meine Meinung zu dem Buch:
Was mir an diesem Buch besonders gut gefällt, ist der Schreibstil der Autorin. Da gibt es Wendungen, die sich wunderschön anhören – und die ich noch nie gelesen habe.
Die Autorin erklärt auch, wie einige ihrer Kurzgeschichten und Romane entstanden. Bisher kannte ich nur einige ihrer Kurzgeschichten – die Gedanken in „Wir hätten uns alles gesagt“ haben mich jedoch neugierig auf Judith Hermanns Romane gemacht.
Judith ist verletzlich – manchmal bringt sie zu viel Privates in das Buch, wie sie schreibt. Aber gerade diese privaten Gedanken und Erlebnisse machen dieses Buch besonders lesenswert. Sie geben ihm eine Seele und zeigen die verletzliche Person hinter der Autorin – die sich durch ihr Schreiben selbst „retten“, selbst beglücken kann.
Ein Schreibratgeber ist dieses Buch nicht – ein Roman auch nicht. Ich bekomme einige der Arbeitsmethoden von Judith Hermann mit, alles geschrieben in einem ansprechenden literarischen Stil. Das gefällt mir und deswegen vergebe ich fünf Sterne.
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Ein wunderbar leichtes und schweres Buch
"Wir hätten uns alles gesagt" von Judith Hermann ist eine Sammlung ihrer drei Frankfurter Poetikvorlesungen. So jedenfalls steht es im Nachsatz zu den drei Abschnitten, die in römischen Zahlen durchnumeriert sind. Im Vorsatz …
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Ein wunderbar leichtes und schweres Buch
"Wir hätten uns alles gesagt" von Judith Hermann ist eine Sammlung ihrer drei Frankfurter Poetikvorlesungen. So jedenfalls steht es im Nachsatz zu den drei Abschnitten, die in römischen Zahlen durchnumeriert sind. Im Vorsatz erläutert die Autorin kurz ihren Ansatz zum Inhalt.
Die Erzählungen, die eigentlich eine Erzählung sind, nur in drei Kapitel unterteilt, steigen ohne Umschweife ins Thema ein: eine ungeplante Begegnung mit dem Psychoanalytiker der Autorin außerhalb seiner Praxis. Man will seine Ärzte ja nicht außerhalb dieser intimen Umgebung treffen. Und so beschreibt Judith Hermann die Situation genau so wie ich sie mir auch vorstellen würde.
Von dieser abendlichen Begegnung ausgehend schlägt die Autorin einen Bogen zu ihrer Analyse, ihrer Freundin Ada, die ihr den Analytiker empfohlen hat, weiter zurück zu ihren Freunden, mit denen sie vor einem halben Leben ihre Sommermonate verbracht hat hin zu ihren komplizierten Familienbeziehungen und -verhältnissen. All das beschreibt sie in einer leichten, gleichzeitig schwermütig, zuweilen anrührenden Sprache, die zumindest mich sofort in sich hineingezogen hat.
Dieser Text ist etwas sehr persönliches, und das Schreiben wird explizit nur nebenbei erwähnt. Doch mit allem, was im Text steht, wird klar, was Schreiben ausmacht, woher die Inspirationen stammen, weshalb jemand schreibt und wie er oder sie schreibt.
Fazit: Der Text ist keine Anleitung zum Schreiben. Aber er ist ein autobiographisch gefärbtes Spiel mit Sprache, mit Träumen, mit der Abarbeitung an der eigenen Familie, dem eigenen Befinden, zuletzt auch mit Corona und der damit verbundenen veränderten Zeit. Ich mochte das Buch sehr gerne. Es stimmte mich froh und melancholisch zugleich.
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Eine wunderbare Darstellung des Eigenen
Judith Hermann ist hier eine wunderbare Darstellung ihres eigenen Kosmos gelungen und zwar in jeder Hinsicht - besonders stimmig fügt es sich aus meiner Sicht, dass hier eine "Katalogisierung", eine Zuordnung zu einem literarischen …
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Eine wunderbare Darstellung des Eigenen
Judith Hermann ist hier eine wunderbare Darstellung ihres eigenen Kosmos gelungen und zwar in jeder Hinsicht - besonders stimmig fügt es sich aus meiner Sicht, dass hier eine "Katalogisierung", eine Zuordnung zu einem literarischen Genre fehlt.
Denn es ist viel, viel mehr als das: es ist Posie, Roman, Biographie (ob nun wahr oder fiktiv oder ein bisschen von beidem) und auch eine Art Sachbuch in Einem.
Ich konnte es einfach nicht aus der Hand legen, bis ich am alles andere als bitteren Ende angelangt bin, was mir dieser Tage sehr selten passiert. Judith Hermann schreibt mehr über Trauriges, Unvollständiges, Unperfektes und Mangelhaftes als über Fröhliches, Optimistisches, Erbauliches und Zuversichtliches, dennoch wirkt es aufbauend und zuversichtlich auf mich in der Art, in der sie es darstellt: schwierige Familienverhältnisse, Beziehungen, Arbeitssituationen und andere Lebenslagen sind dazu da, das Beste aus ihnen zu machen bzw. auf eine Art einen Mehrwert für sich, für die Zukunft, aber auch für die Vergangenheit daraus zu schöpfen.
Obwohl ich diesen Spruch ausgesprochen dämlich finde, kam er mir während der Lektüre doch wieder und wieder in den Sinn: Ganz, ganz großes Kino!
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In diesem Roman, beziehungsweise in dieser Autobiographie, schreibt Judith Hermann über sich, ich Leben, ihr Schreiben und vieles, das sie verarbeiten musste. Es ist nicht wie eine klassische Autobiographie aufgebaut, die Sprache faszinierend poetisch und doch karg und schlicht. Es auf jeden …
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In diesem Roman, beziehungsweise in dieser Autobiographie, schreibt Judith Hermann über sich, ich Leben, ihr Schreiben und vieles, das sie verarbeiten musste. Es ist nicht wie eine klassische Autobiographie aufgebaut, die Sprache faszinierend poetisch und doch karg und schlicht. Es auf jeden Fall ein Buch, das, für mich zumindest, nicht einfach zu lesen war.
Hermann spielt mit der Sprache, verschachtelt Sätze und umschreibt gerne. Man muss konzentriert bei der Sache bleiben, wenn man das Buch liest. Das Buch hat viele Seiten. Oft ist es poetisch, oft spannend oder deprimierend. Nur leider, finde ich, haben sich ein paar Passagen doch sehr gezogen und manche Themen haben mich nicht so ganz abgeholt.
Ebenso nimmt sie sehr oft Bezug auf andere Texte und Bücher, die sie geschrieben hat. Wenn man diese Texte und Bücher aber nicht kennt, hat man das Gefühl, dass einem eben dieses Vorwissen bei der Lektüre fehlt...
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Was wird gesagt und was wird verschwiegen?
Judith Herrmann „Wir hätten uns alles gesagt“
Mir ist der Konjunktiv im Titel direkt aufgefallen? Wir hätten uns alles gesagt, wenn wir es gekonnt hätten!?
Aber was ist damit nun genau gemeint? Das herauszufinden fand ich …
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Was wird gesagt und was wird verschwiegen?
Judith Herrmann „Wir hätten uns alles gesagt“
Mir ist der Konjunktiv im Titel direkt aufgefallen? Wir hätten uns alles gesagt, wenn wir es gekonnt hätten!?
Aber was ist damit nun genau gemeint? Das herauszufinden fand ich beim Lesen des Buches spannend.
Zum Schreibstil kann ich für mich sagen, dass ich Judith Hermanns Stil zu schreiben mag und damit gut im Verlauf des Buches zurecht kam. Für mich war es aufgrund ihres Schreibstils gut möglich in die Geschichte einzutauchen, auch wenn die Sätze erstmal lang und sperrig daherkamen, habe ich mich schnell daran gewöhnt.
Die Gestaltung des Covers fand ich persönlich sehr ansprechend, auch kleine Details wie das Fernrohr passen zum Roman, könnten sie doch für das „Hereinzoomen“ in persönliche Szenen stehen.
Beim Lesen des Buches hat mir besonders der Aufbau des Romans gefallen, von einer kleinen Zufallsbegegnung vor‘m Späti in Berlin, über Beschreibungen der Familie bis zur Metaebene: Die Schriftstellerin schreibt über das Schreiben.
Dass die Autorin es schafft, letztendlich alle Ebenen miteinander zu verbinden, hat mich begeistert. Was mir zudem sehr gut am Roman gefällt, ist das Aushandeln von autobiographischen Aspekten im fiktionalen Erzählen, wobei ich als Leser immer wieder Leerstellen füllen konnte und der Stil von Hermann mich geradezu herausforderte zwischen den Zeilen zu lesen, was wird gesagt und was wird verschwiegen?
Judith Herrmanns Roman „Wir hätten uns alles gesagt“ forderte mir Zeit und aufmerksames Lesen ab, zurückbekommen habe ich eindrucksvolle Lesemomente.
Für Leser die Tiefgang und nicht nur eine spannende Story mögen, für alle Leser, die sich von „Bandwurmsätzen“ nicht abschrecken lassen, sondern poetische Prosa schätzen und zum Denken und Nachdenken angeregt werden wollen, kann ich den Roman empfehlen
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Was ist der Kern der Geschichte? Was ist ihr Ursprung, das Samenkorn, aus dem sie entsteht und gedeiht?
Judith Hermann geht diesen Fragen für sich nach, richtet den Blick nach innen, spürt analytisch dem roten Faden nach, der die Geschichten miteinander und mit ihr selbst verbindet. Der …
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Was ist der Kern der Geschichte? Was ist ihr Ursprung, das Samenkorn, aus dem sie entsteht und gedeiht?
Judith Hermann geht diesen Fragen für sich nach, richtet den Blick nach innen, spürt analytisch dem roten Faden nach, der die Geschichten miteinander und mit ihr selbst verbindet. Der Weg führt sie dabei weit zurück: in ihre Kindheit, zu ihrer Familie – sowohl im biologischen Sinne zu verstehen als auch bezüglich ihrer sozialen Wahlfamilie –, zu den Jahren der Auseinandersetzung mit sich und ihrem Denken. Unter professioneller Anleitung.
Das Ergebnis ist erstaunlich offen. Schonungslos. Privat mag es mir sogar erscheinen, als ein Eindringen in ihren Kopf und ein Blick auf bisher gut Behütetes – auch, so betont Hermann, wenn das Eigentliche, Wesentliche von ihr weiterhin verborgen würde. Und doch erlaubt sie vieles den Leser zu sehen: die psychische Erkrankung ihres Vaters, welche die Ehe ihrer Eltern ebenso bestimmte wie ihre eigene Kindheit, die Nazivergangenheit ihres Großvaters, den Tod eines Freundes, den Verlust von weiteren.
All dies fließt für Hermann in ihr eigenes Schreiben ein, das sich an ihrem eigenen Leben entlanghangele. Ein anderes Schreiben kenne sie für sich nicht, betont Hermann, könne sie sich selbst nicht vorstellen. Damit sind ihre Texte immer auch Erzählungen über sie selbst, „verfremdet und entstellt, bis nichts mehr richtig ist und dennoch alles wahr“.
Das Ergebnis der Spurensuche ist eine offenbarende, fesselnde und hoch interessante Collage und eine Geschichte über Geschichten, welche die deutsche Gegenwartsliteratur geprägt haben – und die mir nun teils im neuen Licht und mit verändertem Zugang erscheinen, jetzt, wo ich all dies wissen und erfahren durfte. Das lädt zum erneuten Lesen und vor allem zur Hochachtung vor einer Autorin ein, die sich selbst nicht nur mit detektivischem Scharfsinn zu Leibe rückt sondern uns bei der Öffnung und Sektion einen Platz in der ersten Reihe einräumt.
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