Anja Kampmann
Gebundenes Buch
Wie hoch die Wasser steigen
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Wenzel Groszak, Ölbohrarbeiter auf einer Plattform mitten im Meer, verliert in einer stürmischen Nacht seinen einzigen Freund. Nach dessen Tod reist Wenzel nach Ungarn, bringt dessen Sachen zur Familie. Und jetzt? Soll er zurück auf eine Plattform? Vor der westafrikanischen Küste wird er seine Arbeitskleider wegwerfen, wird über Malta und Italien aufbrechen nach Norden, in ein erloschenes Ruhrgebiet, seine frühere Heimat. Und je näher er seiner großen Liebe Milena kommt, desto offener scheint ihm, ob er noch zurückfinden kann. Anja Kampmanns überraschender Roman erzählt in dichter, ...
Wenzel Groszak, Ölbohrarbeiter auf einer Plattform mitten im Meer, verliert in einer stürmischen Nacht seinen einzigen Freund. Nach dessen Tod reist Wenzel nach Ungarn, bringt dessen Sachen zur Familie. Und jetzt? Soll er zurück auf eine Plattform? Vor der westafrikanischen Küste wird er seine Arbeitskleider wegwerfen, wird über Malta und Italien aufbrechen nach Norden, in ein erloschenes Ruhrgebiet, seine frühere Heimat. Und je näher er seiner großen Liebe Milena kommt, desto offener scheint ihm, ob er noch zurückfinden kann. Anja Kampmanns überraschender Roman erzählt in dichter, poetischer Sprache von der Rückkehr aus der Fremde, vom Versuch, aus einer bodenlosen Arbeitswelt zurückzufinden ins eigene Leben.
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Anja Kampmann wurde 1983 in Hamburg geboren. Sie studierte an der Universität Hamburg und am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. Sie debütierte bei Hanser mit dem Gedichtband 'Proben von Stein und Licht' (Lyrik Kabinett, 2016). Ihr erster Roman 'Wie hoch die Wasser steigen' (2018), wurde vielfach übersetzt, für den Preis der Leipziger Buchmesse sowie den Deutschen Buchpreis nominiert und war Finalist für den National Book Award in den USA. Zuletzt erschien der Gedichtband 'Der Hund ist immer hungrig' (2021), der mit dem Günter Kunert Literaturpreis für Lyrik ausgezeichnet wurde. Für ihr Werk erhielt sie 2024 den Marie-Luise-Kaschnitz-Preis.
Produktdetails
- Verlag: Hanser
- Artikelnr. des Verlages: 505/25815
- 3. Aufl.
- Seitenzahl: 352
- Erscheinungstermin: 29. Januar 2018
- Deutsch
- Abmessung: 208mm x 131mm x 30mm
- Gewicht: 432g
- ISBN-13: 9783446258150
- ISBN-10: 3446258159
- Artikelnr.: 49464290
Herstellerkennzeichnung
Carl Hanser Verlag
Kolbergerstraße 22
81679 München
info@hanser.de
Hauptsache, weg von der Plattform
Viel konkreter wird es nicht: In Anja Kampmanns Debütroman, nominiert für den Preis der Leipziger Buchmesse, irrt ein Ölbohrarbeiter ziellos durch Europa
Man muss es gar nicht erst nachschauen, es reicht, den Roman anzulesen, um zu wissen: Diese Frau ist Lyrikerin. Ebenfalls bei Hanser erschien 2016 ihr Gedichtband "Proben von Stein und Licht". Es geht sehr viel um Meer und Vögel, um Dörfer, Schnee und Wälder. Viel konkreter wird es nicht. Anja Kampmann verharrt im Vagen, das ist ihr Programm - und ihr Problem. Denn das Herumfühlen im Ungenauen liegt meist nur wenige Zentimeter neben dem Kitsch und kann für Leser, die sonst eher das Herumdenken im Präzisen schätzen, schnell
Viel konkreter wird es nicht: In Anja Kampmanns Debütroman, nominiert für den Preis der Leipziger Buchmesse, irrt ein Ölbohrarbeiter ziellos durch Europa
Man muss es gar nicht erst nachschauen, es reicht, den Roman anzulesen, um zu wissen: Diese Frau ist Lyrikerin. Ebenfalls bei Hanser erschien 2016 ihr Gedichtband "Proben von Stein und Licht". Es geht sehr viel um Meer und Vögel, um Dörfer, Schnee und Wälder. Viel konkreter wird es nicht. Anja Kampmann verharrt im Vagen, das ist ihr Programm - und ihr Problem. Denn das Herumfühlen im Ungenauen liegt meist nur wenige Zentimeter neben dem Kitsch und kann für Leser, die sonst eher das Herumdenken im Präzisen schätzen, schnell
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unerträglich werden. Dem Kitschverdacht entgeht Anja Kampmann immer gerade so durch bewusstes Flachhalten sämtlicher sprachlicher Bälle. Und nimmt sich damit die Möglichkeit, auch nur einmal ein bisschen aufzudrehen und lauter zu werden und flüstert eben nur so vor sich hin. Aber von vorn.
In ihrem ersten Roman "Wie hoch die Wasser steigen", der für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert ist, geht es um einen 52 Jahre alten Mann, der auf einer Bohrinsel vor Marokko arbeitet. Dann stirbt sein Kollege und Freund Matyás bei einem Unfall, der nie aufgeklärt wird, was vor allem daran liegt, dass sich die Vorgesetzten wenig Mühe machen, irgendetwas aufzuklären. Matyás war nur globale Verschiebemasse im Energiegeschäft, ein Wanderarbeiter der besserbezahlten Sorte.
Der Ölbohrarbeiter heißt mal Waclaw und mal Wenzel, was schon gröbere Identitätsverwerfungen andeutet - denn wie heimatlos ist einer, der nicht einmal mehr weiß, wie er heißt? Er begibt sich nach Matyás Tod zunächst zu Patricía, Matyás Halbschwester, um ihr das letzte Bündel Hab und Gut zu übergeben. Er schläft mit ihr, das tut er öfter einmal am Wegesrand, und stellt dann fest, dass er nicht mehr auf die Plattform zurückkehren will, aber auch sonst wenig Ziele mehr hat. "Manchmal kam es ihm so vor, als wären diese Jahre davongerissen worden wie Brocken Ton von einer Töpferscheibe, die sie nur kurz berührten, und die Mitte der Scheibe bleibt leer."
Wer nicht weiß, wohin die Zukunft führt, der flüchtet sich gern einmal in die Vergangenheit. So auch Waclaw, der der Sohn eines polnischen Bergmannes im Ruhrgebiet war. Einer, der sich irgendwann zu Tode hustete, wie die meisten seiner Kollegen. Alois von der Esse hingegen kam rechtzeitig davon und bewohnt nun ein kleines Haus im Apennin. Über verschlungene Wege via Tanger, Malta, Norditalien, Orte, die allesamt eindruckslos vorbeiziehen, führt das Roadmovie Waclaw schließlich zum alten Alois, der noch immer seine Brieftauben züchtet wie damals. Und da bekommt er endlich eine Aufgabe. Er soll eine der Tauben mit ins Ruhrgebiet nehmen und sie dort freilassen. Denn die Brieftauben finden immer nach Hause, nur Waclaw nicht, weil er kein Zuhause hat, was jetzt nicht die subtilste Metaphorik ist, die einem dazu einfallen kann. Und auch Milena - von ihr erfahren wir immerhin, dass sie schön ist, kleine feste Brüste hat und einen Cockerspaniel - hat er irgendwann verloren, denkt aber ständig noch an sie.
Der Roman hat nichts von dem, was Romane normalerweise haben, es ist die lyrische Annäherung an einen Roman. Alles zieht in einem dissoziierten Irgendwo, einem Irgendwann an einem vorbei, vermutlich fühlt es sich so an, wenn man Waclaw ist, man nirgendwo hängenbleibt und auch nichts an einem selbst hängenbleibt. Was aber bleibt, das ist die Sprache, die ihre Gegenstände mit spitzen Fingern anfasst und es immerhin schafft, Zwischentöne des Ungefähren zu finden. "Der Fahrer drosselte die Geschwindigkeit, und während sie mit einem leisen Tuckern an den anderen Booten vorbeizogen, sah Waclaw all die Fliegen, Motten und Falter, die als weiße Schatten um die Scheinwerfer im Hafen tanzten, ein durchsichtig helles Schwärmen, irritierend schön vor dem Dunkel der Nacht. Darin all das Flirrende vieler Jahre, die sich zu nichts verbanden, die ungeordnet auftauchten im begrenzenden Kegel Licht." Ob man mit einem so hohen Ton, der vor Misstönen nicht gefeit ist, der Plackerei eines Ölbohrarbeiters gerecht wird, muss hier zum Glück nicht entschieden werden.
ANDREA DIENER
Anja Kampmann: "Wie hoch die Wasser steigen". Roman.
Hanser Verlag, München 2018. 352 S., geb., 23,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
In ihrem ersten Roman "Wie hoch die Wasser steigen", der für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert ist, geht es um einen 52 Jahre alten Mann, der auf einer Bohrinsel vor Marokko arbeitet. Dann stirbt sein Kollege und Freund Matyás bei einem Unfall, der nie aufgeklärt wird, was vor allem daran liegt, dass sich die Vorgesetzten wenig Mühe machen, irgendetwas aufzuklären. Matyás war nur globale Verschiebemasse im Energiegeschäft, ein Wanderarbeiter der besserbezahlten Sorte.
Der Ölbohrarbeiter heißt mal Waclaw und mal Wenzel, was schon gröbere Identitätsverwerfungen andeutet - denn wie heimatlos ist einer, der nicht einmal mehr weiß, wie er heißt? Er begibt sich nach Matyás Tod zunächst zu Patricía, Matyás Halbschwester, um ihr das letzte Bündel Hab und Gut zu übergeben. Er schläft mit ihr, das tut er öfter einmal am Wegesrand, und stellt dann fest, dass er nicht mehr auf die Plattform zurückkehren will, aber auch sonst wenig Ziele mehr hat. "Manchmal kam es ihm so vor, als wären diese Jahre davongerissen worden wie Brocken Ton von einer Töpferscheibe, die sie nur kurz berührten, und die Mitte der Scheibe bleibt leer."
Wer nicht weiß, wohin die Zukunft führt, der flüchtet sich gern einmal in die Vergangenheit. So auch Waclaw, der der Sohn eines polnischen Bergmannes im Ruhrgebiet war. Einer, der sich irgendwann zu Tode hustete, wie die meisten seiner Kollegen. Alois von der Esse hingegen kam rechtzeitig davon und bewohnt nun ein kleines Haus im Apennin. Über verschlungene Wege via Tanger, Malta, Norditalien, Orte, die allesamt eindruckslos vorbeiziehen, führt das Roadmovie Waclaw schließlich zum alten Alois, der noch immer seine Brieftauben züchtet wie damals. Und da bekommt er endlich eine Aufgabe. Er soll eine der Tauben mit ins Ruhrgebiet nehmen und sie dort freilassen. Denn die Brieftauben finden immer nach Hause, nur Waclaw nicht, weil er kein Zuhause hat, was jetzt nicht die subtilste Metaphorik ist, die einem dazu einfallen kann. Und auch Milena - von ihr erfahren wir immerhin, dass sie schön ist, kleine feste Brüste hat und einen Cockerspaniel - hat er irgendwann verloren, denkt aber ständig noch an sie.
Der Roman hat nichts von dem, was Romane normalerweise haben, es ist die lyrische Annäherung an einen Roman. Alles zieht in einem dissoziierten Irgendwo, einem Irgendwann an einem vorbei, vermutlich fühlt es sich so an, wenn man Waclaw ist, man nirgendwo hängenbleibt und auch nichts an einem selbst hängenbleibt. Was aber bleibt, das ist die Sprache, die ihre Gegenstände mit spitzen Fingern anfasst und es immerhin schafft, Zwischentöne des Ungefähren zu finden. "Der Fahrer drosselte die Geschwindigkeit, und während sie mit einem leisen Tuckern an den anderen Booten vorbeizogen, sah Waclaw all die Fliegen, Motten und Falter, die als weiße Schatten um die Scheinwerfer im Hafen tanzten, ein durchsichtig helles Schwärmen, irritierend schön vor dem Dunkel der Nacht. Darin all das Flirrende vieler Jahre, die sich zu nichts verbanden, die ungeordnet auftauchten im begrenzenden Kegel Licht." Ob man mit einem so hohen Ton, der vor Misstönen nicht gefeit ist, der Plackerei eines Ölbohrarbeiters gerecht wird, muss hier zum Glück nicht entschieden werden.
ANDREA DIENER
Anja Kampmann: "Wie hoch die Wasser steigen". Roman.
Hanser Verlag, München 2018. 352 S., geb., 23,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Tobias Lehmkuhl fühlt sich an die Helden und die Weltaneignung durch Sprache in Peter Handkes Romanen erinnert mit Anja Kampmanns Debüt. Bemerkenswert findet er die Geschichte um einen verlassenen Ölbohrinselarbeiter, der die Verbindung zu seinen Gefühlen verliert und dessen Wahrnehmung der äußeren Dinge wächst, nicht so sehr als Text über eine Heimat- und Sinnsuche, sondern wegen ihrer nichtlinearen Erzählweise, die mittels Erinnerungsschüben und Bilder das Tempo drosselt und Plot und Figurenentwicklung eher abbremst. Ein ganz eigener Raum der Sinne entsteht, der dem Rezensenten das Gefühl vermittelt, die Zeit wäre mit den Händen zu greifen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"'Wie hoch die Wasser steigen' sticht aus der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur nicht nur dieses Frühjahrs heraus. Hier ist eine Autorin zu entdecken, deren umfassende Weltaneignung durch Sprache sich am ehesten mit dem Schreibfuror Peter Handkes vergleichen lässt." Tobias Lehmkuhl, Die Zeit, 22.02.18 "Ein Roman über Entwurzelung in Zeiten der Globalisierung ... Für ihre Geschichte über die Auflösung aller Bindungen, angefangen von der Klassenzugehörigkeit und Nationalität bis zu Liebesbeziehungen, wählt Anja Kampmann eine poetische Sprache ... Ihr gelingen Episoden von enormer Kraft." Maike Albath, Deutschlandfunk Kultur, 02.02.18 "Es ist ein tief beeindruckendes Buch, in dem es tost und braust, aus Farben wie mit Glutamat versetzt und
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voller unerlöster Gefühle. Und dabei ist es ein großes Buch der Stille ... Ein mit enormer erzählerischer Umsicht geschriebener und herzergreifend unsentimentaler Roman über die Weite, die zwischen dem Ich und der Welt liegt." Paul Jandl, Neue Zürcher Zeitung, 31.01.18 "Ein grandioser Debütroman." Helmut Böttiger, Süddeutsche Zeitung, 29.01.18 "Das Besondere an diesem Buch ist, dass es zugleich unbedingt im Heute und in einer nicht genau zu umreißenden, fernen Zeitlosigkeit spielt. Und es ist die Sprache, die aus hoch technisierten Abläufen auf Ölbohrplattformen im offenen Meer und einer archaischen Existenz im Gebirge dieselben poetischen Funken schlagen kann." Helmut Böttiger, Süddeutsche Zeitung, 29.01.18 "Anja Kampmann bringt etwas zur Sprache, für das uns sonst die Worte fehlen. Mit 'Wie hoch die Wasser steigen' ist ihr ein hochaktueller Roman gelungen, der von den flexiblen Tagelöhnern unserer Gegenwart erzählt." Tino Dallmann, NDR Kultur, 28.01.2018
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Ein lyrischer Roman - Und zwar einer zu einem ausgesprochen bodenständigen Thema - auf den ersten Blick zumindest. Es geht nämlich um polnischen Facharbeiter Waclaw, der einen großen Verlust erleidet, sein Kollege und Kumpel, der Ungar Matyas, mit dem er seit Jahren gemeinsam …
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Ein lyrischer Roman - Und zwar einer zu einem ausgesprochen bodenständigen Thema - auf den ersten Blick zumindest. Es geht nämlich um polnischen Facharbeiter Waclaw, der einen großen Verlust erleidet, sein Kollege und Kumpel, der Ungar Matyas, mit dem er seit Jahren gemeinsam arbeitet und auch das Leben - in diesem Falle das Zimmer bzw. die Kajüte teilt, ist nämlich abhanden gekommen. Eines Nachts ist er einfach so von der Ölplattform an der Küste Marokkos, auf der die beiden angestellt sind, gerutscht, hinunter ins Meer, unwiederbringlich und unauffindbar. Bevor er sich an den Gedanken gewöhnen kann, ohne ihn zu sein, begibt er sich auf eine Reise quer nach und durch Europa.
Für ihn geht es darum, Matyas Leuten dessen Sachen zu übergeben, aber auch, einige Orte und Stellen die für ihn von Bedeutung sind - egal, ob er dort tatsächlich war oder nicht, aufzusuchen. Eigentlich sind es zwei Reisen, eine physische und die zweite, parallel stattfindende auf der Suche nach sich selbst. Gibt es dort überhaupt etwas zu finden und wenn ja, ist es das wert - für ihn selber als Menschen.
Der globale Mensch der Gegenwart beim Versuch, sich selbst zu definieren - auch so könnte man Waclaws vorhaben bezeichnen. Autorin Anja Kampmann hat bereits als Dichterin einen Namen und so hat sie mit "Wie hoch die Wasser steigen" einen sehr lyrischen Roman zu einem - zumindest in Teilen - sehr bodenständigen Thema geschaffen. Ich erkenne diese sowohl sprachlich als auch inhaltlich außerordentliche und sehr individuelle Leistung aus ganzem Herzen an, ohne sie jedoch für mich selbst als bereichernd und erfüllend zu empfinden. Zu vage die Darstellung, zu wenig Greifbares, Vorstellung und Wirklichkeit des Protagonisten Waclaw verlieren sich ineinander, ohne mich zu bewegen oder gar mitzunehmen.
Der Roman ist für den Preis der Leipziger Buchmesse im März 2018 nominiert mit folgendem Kommentar der Jury: "Eindringlich und in konzentrierter poetischer Verdichtung erzählt Anja Kampmann von der Verlorenheit des Menschen in Zeiten der Globalisierung und von dem Versuch, die eigene Identität wiederzufinden. Ein gegenwärtiger Roman, dessen Sprache überzeitlich Existentielles aufreißt."
Ich habe diese Regungen, die Botschaft der Autorin, wahrgenommen, doch traf sie bei mir leider nicht auf fruchtbaren Boden - der Roman hat mich verwirrt, wodurch sich bereits jetzt, kurz nach der Lektüre, die Eindrücke verwischen, die bleibende hätten sein können.
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Die Bohrinsel als Metapher
Was literarische Debüts oft so spannend macht ist die Überraschung, die da manchmal auf den Leser wartet, eine neue Stimme, die womöglich auch neue Wege des Erzählens aufzeigt. In ihrem Erstling «Wie hoch die Wasser steigen» …
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Die Bohrinsel als Metapher
Was literarische Debüts oft so spannend macht ist die Überraschung, die da manchmal auf den Leser wartet, eine neue Stimme, die womöglich auch neue Wege des Erzählens aufzeigt. In ihrem Erstling «Wie hoch die Wasser steigen» überrascht die bisher nur als Lyrikerin bekannt gewordene Anja Kampmann uns tatsächlich mit einer ganz eigenen Form des Prosa-Erzählens. Ihr schon vom Buchcover her an ein Roadmovie erinnernder Roman ist eine moderne Odyssee auf der Suche nach dem eigenen Ich, die sich im letzten Drittel des Buches dann auch real im Auto abspielt, der letzten Zuflucht eines total aus der Welt gefallenen Mannes. Sinnbild dieser Irrfahrt ist die Brieftaube, die hier als klug gewähltes Leitmotiv dient und deren Heimfindevermögen völlig konträr ist zur beklemmenden Unbehaustheit des ziellosen Protagonisten.
Matyás, der beste Freund eines 52jährigen polnischen Arbeiters auf einer Ölplattform vor der marokkanischen Küste, wird bei rauer See eines Nachts vermisst, - über Bord zu gehen aber bedeutet in dieser Situation nichts anderes als der sichere Tod. Ein schlimmer Schock für Waclav Groszak, denn der Ungar war geradezu symbiotisch mit ihm verbunden, vielleicht auch mehr, wie man ihre innigliche Beziehung - zwischen den Zeilen lesend - auch interpretieren könnte. Die Ölmanager schicken Waclaw daraufhin mit dem Hubschrauber aufs Festland zurück, in einen mehrwöchigen Urlaub. Er beginnt von Tanger aus eine Reise, die ihn zuerst nach Ungarn führt, um der Schwester seines toten Freundes dessen Hab und Gut zu überbringen. Im weiteren Verlauf seiner Reise, die in ihrer Planlosigkeit mehr einer Fahrt ins Blaue gleicht, wird ihm zunehmend bewusst, dass er niemals wieder zurückkehren wird auf eine Bohrplattform. Er reist nach Malta, wo er aus steuerlichen Gründen seinen Wohnsitz hat - und eine willige Seemannsbraut obendrein. Schließlich wandert er zu Fuß in die Alpen Norditaliens, wo Alois, der alte Freund des längst verstorbenen Vaters, als Rentner Brieftauben züchtet wie einst im Ruhrgebiet, wo die beiden früher als Kumpels im Bergbau gearbeitet hatten. Alois stellt ihm für die weitere Reise seinen alten Fiat Fiorino Pick-up zur Verfügung und gibt ihm im Transportkäfig Enni mit, seine beste Brieftaube, er soll sie in der alten Heimat auflassen. Aus Bottrop schließlich, wo er die Taube auf dem Gipfel einer Kohlenhalde auflässt, zieht es ihn zu Milena weiter, seiner großen Liebe, die er irgendwann verloren hat bei seinem gut bezahlten, aber einsam machenden, unsteten Bohrinselleben.
Im Epilog schildert die Autorin eine traumartige Szene, in der auch Waclav Flügel zu bekommen scheint und ebenfalls fliegt. Mit «alles war ganz leicht» endet denn auch dieser poetische Roman, dessen Figuren - der Protagonist eingeschlossen - blutleer bleiben, es baut sich jedenfalls keine Empathie auf zu ihnen. Was da auf 350 Seiten ebenso leicht wie wortreich geschildert wird, ist wenig konkret, so ziemlich alles bleibt im Vagen, Nebulösen. Immer wieder werden Szenen aneinander gereiht, die weder irgendwie miteinander verbunden sind noch irgendwo hinführen im Sinne einer stringenten Handlung. Die ausufernden, detailverliebten Schilderungen von Szenen, Orten, Landschaften, Behausungen, Haltepunkten auf dieser irrlichtartigen Reise weisen überdeutlich auf die Lyrikerin hin als Autorin, die sprachverliebt narrativ völlig Belangloses anhäuft in ihrem Prosadebüt.
Schön zu lesen ist dieser visuell kraftvolle Roman, in dem die Bohrinsel als Metapher dient, trotzdem, er wird mit den vielen Bildern, die er erzeugt, auch nie langweilig. Vieles wird in Rückblenden erschlossen, wie im Puzzle entsteht so allmählich das Gesamtbild eines im Hier und Jetzt verlorenen Mannes, der sich als Globalisierungsopfer ohne Zukunft total entwurzelt in die Vergangenheit flüchtet. Das ist durchaus berührend und bedingt wohl auch diese ungewöhnlich distanzierte, emotionslose Erzählweise, die dadurch aber bestens vor peinlichem Kitsch gefeit ist.
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konnte nicht am Ball bleiben
Da sitze ich in meinem stillen Kämmerlein und lese im ersten Kapitel, dass ja wohl jemand von der Ölplattform vermisst werden müsste, ich das aber gar nicht gemerkt habe. Ich lese also das Kapitel nochmal und in der Tat: Mátyás wird …
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konnte nicht am Ball bleiben
Da sitze ich in meinem stillen Kämmerlein und lese im ersten Kapitel, dass ja wohl jemand von der Ölplattform vermisst werden müsste, ich das aber gar nicht gemerkt habe. Ich lese also das Kapitel nochmal und in der Tat: Mátyás wird für tot erklärt.
Das kann ja mal passieren, aber mir gelingt es auch im Weiteren nicht Waclaw zu folgen. Dauernd denkt er zurück. Er hat schon Öl in Mexico und in der Nordsee gefördert und muss an den Brand im Golf von Mexico denken.
Jetzt liegt sein Arbeitsplatz vor Marokko. Auch auf dem Festland hat er ein Zimmer mit seinem Kollegen, klar dass man da auch an andere Dinge denken kann. Von da aus reist er nach Ungarn, um Mátyás Frau seine Sachen zu bringen, aber alles umständlich. Ständige Verweise auf die Vergangenheit.
Mehr und mehr quälte ich mich mit der Frage, warum ich überhaupt das Buch lese. Ich erhöhte das Lesetempo, da ich glaubte Italien und das Ruhrgebiet könnten noch spannend werden, aber dann befindet er sich in Catania am Bahnhof (liegt das nicht auf Sizilien?) und fährt mit dem Zug und dann mit dem LKW nach Norden und sieht den Apennin links liegen (muss er nicht rechts liegen?). Ist das überhaupt wichtig?
Mein Lesezeichen befindet sich auf S.188, als ich beschließe nicht weiter zu lesen. Also leider nur 1 Stern.
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„Sie trieben auf einem sehr breiten Strom, aber anders als die Helden in den Abenteuerbüchern seiner Kindheit konnten sie fallen, und diejenigen, die fielen, kamen nicht zurück.“ (Zitat Seite 99)
Inhalt:
Es ist eine extrem dunkle Nacht und der Sturm tobt um die …
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„Sie trieben auf einem sehr breiten Strom, aber anders als die Helden in den Abenteuerbüchern seiner Kindheit konnten sie fallen, und diejenigen, die fielen, kamen nicht zurück.“ (Zitat Seite 99)
Inhalt:
Es ist eine extrem dunkle Nacht und der Sturm tobt um die Ölplattform irgendwo im Atlantik vor Marokko, doch die Bohrungen müssen weitergehen. Als die Arbeiten endlich abgebrochen werden, kommt einer der Männer nicht mehr zurück: Mátyás, der beste Freund von Waclaw. Die Suche wird aus Kostengründen rasch eingestellt. Waclaw erhält Urlaub und reist nach Ungarn, um die Sachen seines toten Freundes an dessen Familie zu übergeben. Will er wirklich wieder zurück, auf die nächste Ölplattform? Er macht sich stattdessen auf die Suche nach seinen Wurzeln, nach dem Rest seines Lebens.
Thema und Genre:
Man könnte diesen Roman als Roadmovie in einzelnen Bildern bezeichnen, Szenen, die durch plötzliche Erinnerungen wie schräg geschachtelt auftauchen und wieder verschwinden. Es geht um das Leben der Menschen in einer globalisierten Welt, wo Entfernungen ein möglicher Weg aus der Armut sind, mehr Geld für sich und die Familie. Natürlich ist auch Fernweh ein Thema, die Sehnsucht, die Enge der Kindheit zu verlassen. Es geht auch um die Frage, was der Verlust der eigenen Wurzeln mit den Menschen macht.
Charaktere:
Waclaw, schon über 50 Jahre alt, ist anders, als man sich Männer im harten, gefährlichen Leben mitten auf dem Meer vorstellt. Er ist manchmal verträumt, verloren, er ist auf der Suche nach seinem „anderen“ Leben, nach Milena, die er immer wieder verlassen hat, um das fehlende Geld auf einer Ölbohrinsel zu verdienen. Als er Enzo „Alois“ in Bobbio, Norditalien, besucht, den besten Freund seines verstorbenen Vaters, überzeugt ihn dieser, weiter nach Norden zu fahren, zu Milena. Waclaw trifft auf seiner Reise die unterschiedlichsten Personen, sie alle sind sehr gut beschrieben und überzeugen.
Handlung und Sprachstil:
Die Reise von Waclaw ist das chronologische Kernstück der Handlung, immer neue Zwischenhalte machen die Ereignisse interessant und überraschen. Die Frage, ob es eine Zukunft mit Milena geben kann, macht die Geschichte spannend. Die wie auf Stichworte bunt in die Handlung geschriebenen Erinnerungen irritieren teilweise den Ablauf und unterbrechen den Lesefluss. Wirklich großartig und beeindruckend ist die poetische Sprache dieser Autorin. Metapher und Symbolik wie die enge Bohrinsel, der enge Pick-up, Brieftauben als Symbol für Heimkehr, bereichern die Schilderungen und regen zum Nachdenken an.
Fazit:
Für mich ist es besonders die intensive Sprache, in der diese innere und äußere Reise von Afrika bis an die polnische Ostseeküste geschildert wird, die diesen Roman prägt. Keine einfach zu lesende Geschichte, teilweise deprimierend, mit einem ernsten, vielschichtigen Thema, das auch in Zukunft gesellschaftlich aktuell sein wird. Für diesen ersten Roman einer jungen Autorin braucht man Zeit, aber die sollte man sich nehmen.
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