Anna Weidenholzer
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Weshalb die Herren Seesterne tragen
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Longlist Deutscher Buchpreis 2016Karl, ein pensionierter Lehrer, macht sich eines Tages auf, herauszufinden, was das Glück sei. Einen nur leicht veränderten Fragebogen im Gepäck, mithilfe dessen das 'Bruttonationalglück' in Bhutan ermittelt wird, lässt sich der Glücksforscher in einem schneelosen Skiort nieder, dessen Bewohner er nun in unbekanntem Auftrag nach ihrer Lebenszufriedenheit befragen will. Das Hotel Post, in dem Karl als einziger Gast unterkommt, wird bewirtschaftet von einer namenlosen Frau und ihrer Hündin Annemarie. Von hier aus beginnt er seine Forschungen, unterbrochen ...
Longlist Deutscher Buchpreis 2016
Karl, ein pensionierter Lehrer, macht sich eines Tages auf, herauszufinden, was das Glück sei. Einen nur leicht veränderten Fragebogen im Gepäck, mithilfe dessen das 'Bruttonationalglück' in Bhutan ermittelt wird, lässt sich der Glücksforscher in einem schneelosen Skiort nieder, dessen Bewohner er nun in unbekanntem Auftrag nach ihrer Lebenszufriedenheit befragen will. Das Hotel Post, in dem Karl als einziger Gast unterkommt, wird bewirtschaftet von einer namenlosen Frau und ihrer Hündin Annemarie. Von hier aus beginnt er seine Forschungen, unterbrochen von konfliktgeladenen Telefongesprächen mit seiner Frau Margit. Bald erhält seine Reise Züge einer Flucht, und der Fragende wird unmerklich zum Objekt der Befragung anderer.
Karl, ein pensionierter Lehrer, macht sich eines Tages auf, herauszufinden, was das Glück sei. Einen nur leicht veränderten Fragebogen im Gepäck, mithilfe dessen das 'Bruttonationalglück' in Bhutan ermittelt wird, lässt sich der Glücksforscher in einem schneelosen Skiort nieder, dessen Bewohner er nun in unbekanntem Auftrag nach ihrer Lebenszufriedenheit befragen will. Das Hotel Post, in dem Karl als einziger Gast unterkommt, wird bewirtschaftet von einer namenlosen Frau und ihrer Hündin Annemarie. Von hier aus beginnt er seine Forschungen, unterbrochen von konfliktgeladenen Telefongesprächen mit seiner Frau Margit. Bald erhält seine Reise Züge einer Flucht, und der Fragende wird unmerklich zum Objekt der Befragung anderer.
Anna Weidenholzer, geboren 1984 in Linz, lebt in Wien. Mit ihrem ersten Buch, Der Platz des Hundes (2010), war sie 2011 für das Europäische Festival des Debütromans in Kiel nominiert. Ihr zweiter Roman Der Winter tut den Fischen gut war für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert. 2013 wurde sie mit dem Reinhard-Priessnitz-Preis ausgezeichnet. Ihr Roman Weshalb die Herren Seesterne tragen wurde 2016 für den Deutschen Buchpreis nominiert. 2017 erhielt sie den Outstanding Artist Award für Literatur der Republik Österreich.
Produktdetails
- Verlag: Matthes & Seitz Berlin
- 1. Auflage
- Seitenzahl: 190
- Erscheinungstermin: September 2016
- Deutsch
- Abmessung: 212mm x 131mm x 20mm
- Gewicht: 299g
- ISBN-13: 9783957573230
- ISBN-10: 3957573238
- Artikelnr.: 44996474
Herstellerkennzeichnung
Matthes & Seitz Verlag
Großbeerenstraße 57A
10965 Berlin
vertrieb@matthes-seitz-berlin.de
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Am liebsten würde Rezensentin Sabine Vogel jeden einzelnen Satz aus Anna Weidenholzers neuem Roman zitieren - so hingerissen ist die Kritikerin von der Sogkraft, der "pulsierenden Zartheit" und "subtilen Wucht" dieses Buches. Und so rät die Rezensentin zu äußerst "behutsamer" Lektüre der Geschichte um den einsamen und schrulligen Rentner Karl, der auf einer Autofahrt zu seiner Margit in Gedankengängen die Bedingungen des Glücks auslotet. Beeindruckende Lakonie, feinsinnige Beobachtungen und pointierte, witzige Details machen diesen Roman für Vogel zu einem Kunstwerk.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Wie das raschelt, wenn Hühner sich schütteln
In Anna Weidenholzers feinsinnig versponnenem Roman "Weshalb die Herren Seesterne tragen" tritt ein einsamer Forschungsreisender an, das Glück zu vermessen
"Und alle Fenster finster und hier draußen ich" hebt einer der wunderlichsten Romane dieser Saison an: "Weshalb die Herren Seesterne tragen" von Anna Weidenholzer. Das "ich" des Textes gehört einem pensionierten Lehrer, Karl Hellmann, der sich zu Forschungszwecken in einem Skigebiet aufhält. Doch seine Untersuchung kreist nicht etwa um Tourismus, Reiserouten oder Schneeverhältnisse, wenngleich es dazu viele Fragen gibt in dem namenlosen Ort. Der Schnee will partout nicht fallen, und die Wintergäste bleiben fern. Karl
In Anna Weidenholzers feinsinnig versponnenem Roman "Weshalb die Herren Seesterne tragen" tritt ein einsamer Forschungsreisender an, das Glück zu vermessen
"Und alle Fenster finster und hier draußen ich" hebt einer der wunderlichsten Romane dieser Saison an: "Weshalb die Herren Seesterne tragen" von Anna Weidenholzer. Das "ich" des Textes gehört einem pensionierten Lehrer, Karl Hellmann, der sich zu Forschungszwecken in einem Skigebiet aufhält. Doch seine Untersuchung kreist nicht etwa um Tourismus, Reiserouten oder Schneeverhältnisse, wenngleich es dazu viele Fragen gibt in dem namenlosen Ort. Der Schnee will partout nicht fallen, und die Wintergäste bleiben fern. Karl
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hat Größeres im Sinn. Seine Recherche zielt auf eines der ungelösten Rätsel der Menschheit: die Frage nach dem Glück.
Den Ort unweit der Autobahn, in dessen Zentrum keine Kirche thront, dafür ein Supermarkt, hat er per Zufallsprinzip ermittelt, um den Bewohnern möglichst unvoreingenommen auf den Leib zu rücken. "Wir müssen neue Wege finden, es liegt an uns, damit zu beginnen", ist Karl überzeugt, und sei es, dass er sich dafür bloß in einen Bus Richtung Endstation setzt. Die Erfahrungen der Menschen will er zum Sprechen bringen, um die Gesellschaft zu verstehen. Abgeschaut hat er sich das beim König von Bhutan. Die Himalaja-Monarchie, eines der ärmsten Länder der Welt, lässt tatsächlich das "Bruttonationalglück" ihrer Bewohner amtlich vermessen.
Auch wenn sich Weidenholzers Glückstheoretiker, abgesehen von den Telefonaten mit seiner Frau, allein auf weiter Flur befindet, geht er seine Sache ähnlich entschieden an. Seinen Fragebogen hat er nach scheinbar messbaren Kriterien wie Gesundheit, Bildung, Zeiteinteilung oder Gemeinschaftsgefühl unterteilt. Doch schon sein Interview mit "F1", der ersten Frau, die er befragt, lässt die Aussichtslosigkeit des Unterfangens erahnen. F1 ist die Wirtin der "Post", bei der Karl als einziger Gast ein Zimmer bezogen hat. Das Tonband läuft, und der gespitzte Bleistift liegt bereit, doch schon nach wenigen Minuten nimmt die Befragte selbst das Heft in die Hand und bringt ihr Gegenüber mit anderen Fragen und weitschweifigen Überlegungen aus dem Konzept. Auch ein Redeschwall kann von unangenehmen Situationen ablenken, weiß Karl aus Erfahrung. Die Sitzung endet, indem die Wirtin ihm Tarotkarten legt. Sein Plan war das nicht.
Anna Weidenholzers Prosa lebt von der Skurrilität der Situation, die im spannungsvollen Kontrast zur nüchternen Sprache der zweiunddreißigjährigen Österreicherin steht. Die im enigmatischen Titel aufgeworfene Frage, weshalb eine Gruppe Herren auf einer historischen Fotografie Seesterne am Revers tragen, bleibt dabei so offen wie andere Fragen im Roman. Lesarten gibt es dafür viele, nicht nur, was die Seesterne betrifft, die Statussymbol, Hinweis auf Kinderreichtum oder einfach nur Dankeschön für ein Geschenk sein könnten.
Die Seestern-Episode, nur eine der zahlreichen maritimen Metaphern, die sich in dieser Gebirgsgeschichte finden, ist beispielhaft für den kühn-verschmitzten Text, der gleichwohl von traurigem Ernst grundiert ist. Erst im Laufe der Erzählung begreift man warum: dass dieser Karl Hellmann sich auf Glückssuche begibt, weil er sich selbst abhandengekommen ist. Und so kippt die Suche nach dem Glück mehr und mehr um in die bohrende Frage nach der Angst. Dieses Gefühl, das sich für Karl so unaufhaltsam ausbreitet wie der Flügelknöterich im Garten.
Dem traurigen Glückssucher läuft die Recherche auch sonst aus dem Ruder. Nicht nur hat er Mühe, Gesprächspartner zu finden, nach denen er im Telefonbuch oder auf der Straße fahndet. Bald tuscheln die Bewohner im Ort über ihn, die Frauen fürchten den seltsamen Fremden. "Da kommen Sie mit Ihren Fragen und bringen alles durcheinander", wirft man ihm vor. Das größte Durcheinander freilich herrscht im Forschungsreisenden selbst.
Findet Karl doch einmal Gehör und wird etwa von einem Handwerker, "M1" genannt, in dessen Haus gebeten, dann sieht er sich mit so viel Intimität konfrontiert, die sich beim besten Willen nicht objektivieren lässt. Auch andere Bewohner des Ortes haben eigentümliche Strategien entwickelt gegen das Unvorhergesehene im Leben. Sie klauen Einkaufswagen im Supermarkt oder horten Postkarten, Mineralien oder Servietten bei sich zu Hause. Karl, der vor lauter Information längst den Überblick und die Distanz verloren hat, kommen immer mehr Zweifel an seinem Vorhaben.
"Sie haben sich den Ort ausgesucht", sagt ihm darauf einer auf den Kopf zu, "jetzt müssen Sie auch damit zurechtkommen." Dass Karl am Ende mehr Fragen als Antworten haben würde, ist die simple Pointe, auf der sich die Erzählung aber nicht ausruht. Die feinsinnig versponnene Parabel lebt vielmehr von kleinen hinreißenden Beobachtungen, etwa "wie das raschelt, wenn Hühner sich schütteln", oder warum ein Schlafkleid, das Beinfreiheit ermöglicht, glücklich macht, ein Möbelhaus dagegen nicht. Karl selbst faltet, wenn er nicht mehr weiterweiß, die Pullover im Schrank. Darin findet er seine Ablenkung von der Welt. "Happiness is a warm gun", sangen einst die Beatles. Glück ist keine Frage von brutto und netto, sondern eine Waffe, an der man sich auch die Finger verbrennen kann.
SANDRA KEGEL
Anna Weidenholzer: "Weshalb die Herren Seesterne tragen". Roman.
Verlag Matthes &Seitz, Berlin 2016. 192 S., geb., 20,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Den Ort unweit der Autobahn, in dessen Zentrum keine Kirche thront, dafür ein Supermarkt, hat er per Zufallsprinzip ermittelt, um den Bewohnern möglichst unvoreingenommen auf den Leib zu rücken. "Wir müssen neue Wege finden, es liegt an uns, damit zu beginnen", ist Karl überzeugt, und sei es, dass er sich dafür bloß in einen Bus Richtung Endstation setzt. Die Erfahrungen der Menschen will er zum Sprechen bringen, um die Gesellschaft zu verstehen. Abgeschaut hat er sich das beim König von Bhutan. Die Himalaja-Monarchie, eines der ärmsten Länder der Welt, lässt tatsächlich das "Bruttonationalglück" ihrer Bewohner amtlich vermessen.
Auch wenn sich Weidenholzers Glückstheoretiker, abgesehen von den Telefonaten mit seiner Frau, allein auf weiter Flur befindet, geht er seine Sache ähnlich entschieden an. Seinen Fragebogen hat er nach scheinbar messbaren Kriterien wie Gesundheit, Bildung, Zeiteinteilung oder Gemeinschaftsgefühl unterteilt. Doch schon sein Interview mit "F1", der ersten Frau, die er befragt, lässt die Aussichtslosigkeit des Unterfangens erahnen. F1 ist die Wirtin der "Post", bei der Karl als einziger Gast ein Zimmer bezogen hat. Das Tonband läuft, und der gespitzte Bleistift liegt bereit, doch schon nach wenigen Minuten nimmt die Befragte selbst das Heft in die Hand und bringt ihr Gegenüber mit anderen Fragen und weitschweifigen Überlegungen aus dem Konzept. Auch ein Redeschwall kann von unangenehmen Situationen ablenken, weiß Karl aus Erfahrung. Die Sitzung endet, indem die Wirtin ihm Tarotkarten legt. Sein Plan war das nicht.
Anna Weidenholzers Prosa lebt von der Skurrilität der Situation, die im spannungsvollen Kontrast zur nüchternen Sprache der zweiunddreißigjährigen Österreicherin steht. Die im enigmatischen Titel aufgeworfene Frage, weshalb eine Gruppe Herren auf einer historischen Fotografie Seesterne am Revers tragen, bleibt dabei so offen wie andere Fragen im Roman. Lesarten gibt es dafür viele, nicht nur, was die Seesterne betrifft, die Statussymbol, Hinweis auf Kinderreichtum oder einfach nur Dankeschön für ein Geschenk sein könnten.
Die Seestern-Episode, nur eine der zahlreichen maritimen Metaphern, die sich in dieser Gebirgsgeschichte finden, ist beispielhaft für den kühn-verschmitzten Text, der gleichwohl von traurigem Ernst grundiert ist. Erst im Laufe der Erzählung begreift man warum: dass dieser Karl Hellmann sich auf Glückssuche begibt, weil er sich selbst abhandengekommen ist. Und so kippt die Suche nach dem Glück mehr und mehr um in die bohrende Frage nach der Angst. Dieses Gefühl, das sich für Karl so unaufhaltsam ausbreitet wie der Flügelknöterich im Garten.
Dem traurigen Glückssucher läuft die Recherche auch sonst aus dem Ruder. Nicht nur hat er Mühe, Gesprächspartner zu finden, nach denen er im Telefonbuch oder auf der Straße fahndet. Bald tuscheln die Bewohner im Ort über ihn, die Frauen fürchten den seltsamen Fremden. "Da kommen Sie mit Ihren Fragen und bringen alles durcheinander", wirft man ihm vor. Das größte Durcheinander freilich herrscht im Forschungsreisenden selbst.
Findet Karl doch einmal Gehör und wird etwa von einem Handwerker, "M1" genannt, in dessen Haus gebeten, dann sieht er sich mit so viel Intimität konfrontiert, die sich beim besten Willen nicht objektivieren lässt. Auch andere Bewohner des Ortes haben eigentümliche Strategien entwickelt gegen das Unvorhergesehene im Leben. Sie klauen Einkaufswagen im Supermarkt oder horten Postkarten, Mineralien oder Servietten bei sich zu Hause. Karl, der vor lauter Information längst den Überblick und die Distanz verloren hat, kommen immer mehr Zweifel an seinem Vorhaben.
"Sie haben sich den Ort ausgesucht", sagt ihm darauf einer auf den Kopf zu, "jetzt müssen Sie auch damit zurechtkommen." Dass Karl am Ende mehr Fragen als Antworten haben würde, ist die simple Pointe, auf der sich die Erzählung aber nicht ausruht. Die feinsinnig versponnene Parabel lebt vielmehr von kleinen hinreißenden Beobachtungen, etwa "wie das raschelt, wenn Hühner sich schütteln", oder warum ein Schlafkleid, das Beinfreiheit ermöglicht, glücklich macht, ein Möbelhaus dagegen nicht. Karl selbst faltet, wenn er nicht mehr weiterweiß, die Pullover im Schrank. Darin findet er seine Ablenkung von der Welt. "Happiness is a warm gun", sangen einst die Beatles. Glück ist keine Frage von brutto und netto, sondern eine Waffe, an der man sich auch die Finger verbrennen kann.
SANDRA KEGEL
Anna Weidenholzer: "Weshalb die Herren Seesterne tragen". Roman.
Verlag Matthes &Seitz, Berlin 2016. 192 S., geb., 20,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Anna Weidenholzer holt Menschen aus den Winkeln, in denen wir sie abgestellt haben, und lässt sie erzählen. Von der komplizierten Sache mit dem Glück und der Zufriedenheit.« - Johanna Öttl, Die Presse Johann Öttl Die Presse 20161015
Die Angst vor dem Nichts
Schon der kryptische Titel «Weshalb die Herren Seesterne tragen» von Anna Weidenholzers zweitem Roman weist auf eine seltsame Geschichte hin, die junge österreichische Autorin thematisiert darin nämlich die Idee vom …
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Die Angst vor dem Nichts
Schon der kryptische Titel «Weshalb die Herren Seesterne tragen» von Anna Weidenholzers zweitem Roman weist auf eine seltsame Geschichte hin, die junge österreichische Autorin thematisiert darin nämlich die Idee vom «Bruttonationalglück». Mit der im asiatischen Königreich Bhutan entwickelten Methode zur Messung des Lebensstandards wird nicht nur nach ökonomischen, sondern auch nach soziologischen, humanistischen und psychologischen Maßstäben bewertet. Kann man Glück erforschen, fragt man sich als staunender Leser. Natürlich nicht, lautet die Antwort, nachdem man diesen 2016 für die Longlist des Deutschen Buchpreises nominierten Roman gelesen hat.
Als Hobby-Glücksforscher bricht der pensionierte Lehrer Karl Hellmann eines Tages in ein trostloses österreichisches Kaff auf, das er nach dem Zufallsprinzip ausgesucht hat, um die Einwohner seines Landes zu ihrem Glücksempfinden zu befragen. Er quartiert sich als einziger Gast in einem schäbigen Hotel des schneelosen Skiortes ein, das von einer namenlos bleibenden Frau bewirtschaftet wird. Von diesem Quartier aus startet er mit seinen Interviews, für die er an das Original aus Bhutan angelehnte Fragebogen ausgearbeitet hat, deren Beantwortung etwa drei Stunden dauert. Fast immer aber läuft die Befragung dabei in die falsche Richtung, gerät das eigentliche Thema in den Hintergrund, ändert er spontan die Fragen ab, weil sie sich als kaum zu beantworten erweisen. Und häufig ist er plötzlich selbst der Befragte, die Leute interessieren sich für den Sonderling, der da in ihrem Kaff so ganz unvermutet aufgetaucht ist. Seine Probanden werden anonym befragt, er will ihre Namen auch selber nicht wissen und führt sie ausschließlich unter verschlüsselten Kürzeln. Da trifft dann zum Beispiel M1 bei einer dörflichen Veranstaltung mit F3 zusammen in dieser seltsamen Erzählung.
Unterbrochen wird die fragmentarisch in zahlreiche kleinste Erzählschnipsel aufgeteilte Geschichte durch häufige Telefonate mit Margit, der Frau des schrulligen Helden, die an der Vorbereitung seiner Mission mutmaßlich beteiligt war. Von deren unangekündigter, plötzlicher Realisierung aber, die einer Flucht gleicht, scheint sie überrascht und wenig begeistert zu sein. Als sie seine Anrufe nicht mehr entgegen nimmt, erfolgt der tägliche Bericht an Margit rein monologisch. Dieser Ehekonflikt auf Telefonebene spiegelt narrativ die Befürchtungen und Ängste der Menschen, denen der kauzige Held begegnet, wobei all diese Kontakte oberflächlich bleiben und keine Emotionen auslösen. Dem Glück als Sehnsuchtsziel wird hier lakonisch das Existenzielle des menschlichen Daseins gegenüber gestellt, und auch wenn man als Leser den Don Quijote-artigen Protagonisten hilflos durch die Geschichte stolpern sieht, berichtet die Story gleichwohl knallhart, trocken und illusionslos vom Kampf zwischen Innen- und Außenwelt des überforderten Helden.
In ihrem ebenso ereignisarmen wie elegischen Roman spürt die Autorin mit traurigem Ernst dem Glück als ungelöstem Rätsel der Menschheit nach, und immer wieder fügt sie dabei Rückblicke auf die scheinbar problematische Ehe des tragischen Helden ein. Auffallend ist das massenhaft Insignifikante, das in die Geschichte einfließt, alles bleibt unbestimmt, wird in der Schwebe gehalten, und allzu oft mäandert die Geschichte auch ins erzählerische Nichts. Die titelgebende Seestern-Anekdote ist ein markantes Beispiel dafür: Auf einem Foto sind einige Männer zu sehen, die alle einen Seestern am Jackett befestigt haben. Ein Einheimischer sei vor vielen Jahren nach Übersee ausgewandert, wird erklärt, und habe seinen alten Freunden später die Seesterne zugesendet. Die Freunde hätten ihm dann zum Dank das Foto geschickt, auf dem sie die Seesterne als Schmuck tragen. Alles klar soweit? Es gibt im gesamten Roman keinerlei Bezug zu dieser Anekdote! Das Glück, oder besser das Nichts und die Angst davor thematisch aufzubereiten ist hier meines Erachtens gründlich misslungen.
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Eigentlich mag ich Geschichten in denen es um Glückssuche geht. Aber diesem Buch fehlt schlicht die Handlung. Ein Karl quartiert sich in ein Hotel an der Autobahn, befragt hin und wieder Leute mit dem Glücksfragebogen aus Bhutan und denkt dauernd an seine Margit. Bis S.95 habe ich …
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Eigentlich mag ich Geschichten in denen es um Glückssuche geht. Aber diesem Buch fehlt schlicht die Handlung. Ein Karl quartiert sich in ein Hotel an der Autobahn, befragt hin und wieder Leute mit dem Glücksfragebogen aus Bhutan und denkt dauernd an seine Margit. Bis S.95 habe ich durchgehalten, länger nicht.
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Der Titel dieses schmalen Büchleins fiel mir gleich ins Auge: Ja weshalb tragen denn die Herren Seesterne? Wenn es dazu noch auf der Longlist des Deutschen Buchpreises steht, dann muss sich die Lektüre doch lohnen, oder ;-) ?
Um es kurz zu machen: eher nicht. Die Hauptfigur ist Karl, ein …
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Der Titel dieses schmalen Büchleins fiel mir gleich ins Auge: Ja weshalb tragen denn die Herren Seesterne? Wenn es dazu noch auf der Longlist des Deutschen Buchpreises steht, dann muss sich die Lektüre doch lohnen, oder ;-) ?
Um es kurz zu machen: eher nicht. Die Hauptfigur ist Karl, ein pensionierter Lehrer, der im Gegensatz zu seiner Ehefrau Margit nicht so recht etwas mit sich anzufangen weiß. Er möchte die Welt verstehen, die Menschen, "... woher diese Unzufriedenheit kommt, diese Angst, die manche in die falsche Richtung treibt." Auf der Grundlage des Fragebogens zum bhutanischen Bruttonationalglück will er seine eigene Befragung starten und fährt los, ohne Margit zu informieren. In einem kleinen Dorf quartiert er sich in einem Gasthof ein und versucht, sein Projekt umzusetzen. Doch es geht nur stockend voran...
Der Aufbau der Geschichte ist anders als meine Zusammenfassung es hier vermutlich suggeriert. Es wird konsequent Alles aus Karls Sicht berichtet und zwar nicht chronologisch, sondern mit Sprüngen in diverse Vergangenheiten. Zu Beginn ist Karl bereits wieder auf der Rückreise, auf der er sich das Geschehene nochmals durch den Kopf gehen lässt. Dabei springt er in seinen Erinnerungen auch in Zeiten davor, sodass man Margit und ihren Sohn Helmut kennenlernt (ohne ihnen im Buch als realistische Figuren zu begegnen), seine Nachbarn daheim, aber auch eine Jugendliebe.
Eine richtige Geschichte ist es eher nicht, denn der Aufenthalt im Dorf plätschert so dahin und die weiteren Erinnerungen sind eher Stückwerk. Auf mich wirkte es wie die Darstellung eines furchtsamen Mannes, der versucht zu erfahren, wie man glücklich, besser: zufrieden leben kann. Denn auch wenn er seine Frau Margit offensichtlich liebt, machte er auf mich während der ganzen Lektüre weder einen glücklichen noch zufriedenen Eindruck. Zwar ist es deutlich, dass sie die Dominante in der Ehe ist, es wird aber nie explizit dargestellt und Karl scheint nicht darunter zu leiden (oder wenn, dann nur still und leise). Vielmehr hatte ich das Gefühl, als hätte er stets Angst, seine Frau zu verärgern oder zu verlieren, ohne dass es dafür einen konkreten Hinweis gibt.
Die Autorin versteht es durchaus, eine Atmosphäre aufzubauen und schöne Sätze zu schreiben ("Ich möchte in einer Gesellschaft leben, die so gut ist, dass keine Hoffnungen auf ein Leben nach dem Tod aufgespart werden müssen."), doch sie alleine machen ein Buch noch nicht lesenswert. Es fehlt einfach eine Geschichte, ein Ansatz, an dem sich die eigene Phantasie entlanghangeln könnte. Karl, sein Umfeld und auch sein Projekt bleiben derart farblos, dass ich vermute, dass ich Alles beim nächsten Buch schon wieder vergessen haben werde.
Und weshalb tragen die Herren nun Seesterne? Hm, tja, ich befürchte, ich weiß es schon nicht mehr so genau. War auch nicht so wichtig.
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eBook, ePUB
Karl Hellmann begibt sich auf Forschungsreise. Mit seiner Frau Margit hat er das Setting der Untersuchung genauestens studiert: ein Fragebogen, den man im fernen Bhutan verwendet, um das „Bruttonationalglück“ verwendet, wurde leicht modifiziert und in qualifizierten Gesprächen …
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Karl Hellmann begibt sich auf Forschungsreise. Mit seiner Frau Margit hat er das Setting der Untersuchung genauestens studiert: ein Fragebogen, den man im fernen Bhutan verwendet, um das „Bruttonationalglück“ verwendet, wurde leicht modifiziert und in qualifizierten Gesprächen sollen nun Deutsche – systematisch durch willkürliches Aufblättern des Telefonbuchs ausgewählt – befragt werden. In einem namenlosen Ort lässt Karl sich im Hotel Post nieder, wo zunächst außer ihm keine Gäste logieren und er sich auch von dem herabgekommenen Zimmer nicht abschrecken lässt. Die Wirtin wird seine Probandin F1, doch schon gleich das erste Interview läuft aus den Rudern und Karl ahnt, dass das Unterfangen schwieriger werden könnte als gedacht.
Anna Weidenholzers Roman steht auf der Longlist des Deutschen Buchpreises 2016, was für mich Anreiz zum Lesen des Romans war. Die Grundzüge des Plots finde ich auch durchaus attraktiv: die Suche nach dem Glück, bzw. dem, was den durchschnittlichen Menschen glücklich macht, das Auffinden der Bewohner eines x-beliebigen Ortes in ihrem Alltag. Doch leider kann mich der Roman an keiner Stelle wirklich packen.
Dies mag zum einen an der Erzählperspektive liegen, die Autorin hat sich für einen Stream of Consciousness rein aus der Perspektive des Protagonisten Karls entschieden. Hat eine solche Figur ausgesprochen unsympathische Züge – hier: Arroganz, Dummheit, gleichzeitig Abhängigkeit von einer abwesenden Person, Naivität und fehlende Zielgerichtetheit – wird das Lesen immer etwas quälend und eintönig. Es fehlen die Facetten und Nuancen, weil ungefiltert nur eine einzige Sicht auf die Dinge geschildert wird. Dies gelingt der Autorin, Karl als Figur ist in sich glaubwürdig und konsistent, nur leider schwer zu ertragen.
Das Setting hätte Begegnungen mit unterschiedlichen anderen Figuren ermöglicht, die ihrerseits interessante Ansichten hätten hervorbringen und so ein buntes und vielschichtiges Bild entstehen lassen können. Durchaus stimmig im Kontext der Figur Karl gelingt es ihm nicht, diese Personen zu finden und zu einem Interview zu motivieren, so dass die verbleidenden wiederum inhaltlich für mich nicht interessant werden.
Analytisch betrachtet passt hier sehr viel und kann man den Roman durchaus als gelungen bezeichnen, aber er kann nicht unterhalten und macht schlichtweg keine Freude. Leider steht er hier in einer guten deutschen Tradition, dass mit Preisen (bzw. Nominierungen) geehrte Romane nicht nur sperrig, sondern quälend beim Lesen sind. Blicke ich auf die Longlist des Man Booker Prize 2016, habe ich dort literarisch ausgereifte Bücher gefunden, bei denen jede Seite auch ein Genuss zu lesen ist. Es muss nicht malträtieren, um gut zu sein.
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