Nadja Spiegelman
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Nadja Spiegelman erzählt mehr als ihre eigene Geschichte. Sie zeichnet die Lebenswege dreier Frauen nach, deren Schicksale kaum enger miteinander verknüpft sein könnten. Ein eindrucksvolles Debüt über die blinden Flecken in Familien, über die Unzuverlässigkeit unserer Erinnerung und über die Kraft des Erzählens.Als Kind glaubt Nadja Spiegelman, ihre Mutter sei eine Fee. Ein besonderer Zauber umgibt Françoise Mouly, die erfolgreiche Art-Direktorin des New Yorker. Erst Jahre später, als Nadja allmählich zur Frau wird, bricht dieser Zauber. Immer häufiger trifft sie die plötzliche W...
Nadja Spiegelman erzählt mehr als ihre eigene Geschichte. Sie zeichnet die Lebenswege dreier Frauen nach, deren Schicksale kaum enger miteinander verknüpft sein könnten. Ein eindrucksvolles Debüt über die blinden Flecken in Familien, über die Unzuverlässigkeit unserer Erinnerung und über die Kraft des Erzählens.
Als Kind glaubt Nadja Spiegelman, ihre Mutter sei eine Fee. Ein besonderer Zauber umgibt Françoise Mouly, die erfolgreiche Art-Direktorin des New Yorker. Erst Jahre später, als Nadja allmählich zur Frau wird, bricht dieser Zauber. Immer häufiger trifft sie die plötzliche Wut der Mutter, ihre Zurückweisung, ihre Verschlossenheit. Nadja ahnt, dass sich in Françoises Ausbrüchen deren eigene Familiengeschichte widerspiegelt, und sie beginnt, der Vergangenheit nachzuspüren. In langen Gesprächen mit ihrer Mutter und ihrer Großmutter stößt sie auf unsagbaren Schmerz und widerstreitende Erinnerungen, aber auch auf die Möglichkeit, im Erzählen einen versöhnlichen Blick auf die Vergangenheit zu finden. Ein poetisches, zutiefst ehrliches Buch, das offenlegt, warum uns die, die wir am meisten lieben, häufig am stärksten verletzen.
Als Kind glaubt Nadja Spiegelman, ihre Mutter sei eine Fee. Ein besonderer Zauber umgibt Françoise Mouly, die erfolgreiche Art-Direktorin des New Yorker. Erst Jahre später, als Nadja allmählich zur Frau wird, bricht dieser Zauber. Immer häufiger trifft sie die plötzliche Wut der Mutter, ihre Zurückweisung, ihre Verschlossenheit. Nadja ahnt, dass sich in Françoises Ausbrüchen deren eigene Familiengeschichte widerspiegelt, und sie beginnt, der Vergangenheit nachzuspüren. In langen Gesprächen mit ihrer Mutter und ihrer Großmutter stößt sie auf unsagbaren Schmerz und widerstreitende Erinnerungen, aber auch auf die Möglichkeit, im Erzählen einen versöhnlichen Blick auf die Vergangenheit zu finden. Ein poetisches, zutiefst ehrliches Buch, das offenlegt, warum uns die, die wir am meisten lieben, häufig am stärksten verletzen.
Spiegelman, Nadja
Nadja Spiegelman, geboren 1987, wuchs in New York City auf und lebt heute in Paris und Brooklyn. Sie ist die Tochter des berühmten Comic-Autors und Pulitzer-Preisträgers Art Spiegelman und der Art-Direktorin des New Yorker, Françoise Mouly.
Kray, Sabine
Sabine Kray, geboren 1984, lebt in Berlin und arbeitet als Autorin und Übersetzerin.
Nadja Spiegelman, geboren 1987, wuchs in New York City auf und lebt heute in Paris und Brooklyn. Sie ist die Tochter des berühmten Comic-Autors und Pulitzer-Preisträgers Art Spiegelman und der Art-Direktorin des New Yorker, Françoise Mouly.
Kray, Sabine
Sabine Kray, geboren 1984, lebt in Berlin und arbeitet als Autorin und Übersetzerin.
Produktdetails
- Verlag: Aufbau-Verlag
- Artikelnr. des Verlages: 641/1
- Seitenzahl: 394
- Erscheinungstermin: 7. März 2018
- Deutsch
- Abmessung: 219mm x 143mm x 35mm
- Gewicht: 596g
- ISBN-13: 9783351037055
- ISBN-10: 3351037058
- Artikelnr.: 49747151
Herstellerkennzeichnung
Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Therapie ohne Therapeut
Familiäre Dreiecksbeziehung zwischen Frauen: Nadja Spiegelmans jugendweises Buch über ihre Mutter und Großmutter
Im Original heißt dieses Buch "I'm Supposed to Protect You from All This", und dieses Ich des Titels ist nicht das der Ich-Erzählerin, sondern das ihrer Mutter. Die hatte sich in jungen Jahren einem älteren Mann hingegeben, den sie bewunderte, aber so, wie die Sache sich abgespielt hat - ganz à la Weinstein -, muss man wohl eher von einer Vergewaltigung sprechen. Doch die Mutter sagt der Tochter Jahrzehnte später: "Es wäre an mir gewesen, es besser zu wissen. Es lag in meiner Verantwortung." Und dann sagt sie: "Es tut mir so leid. Mein armes Mädchen." Als die Tochter sie
Familiäre Dreiecksbeziehung zwischen Frauen: Nadja Spiegelmans jugendweises Buch über ihre Mutter und Großmutter
Im Original heißt dieses Buch "I'm Supposed to Protect You from All This", und dieses Ich des Titels ist nicht das der Ich-Erzählerin, sondern das ihrer Mutter. Die hatte sich in jungen Jahren einem älteren Mann hingegeben, den sie bewunderte, aber so, wie die Sache sich abgespielt hat - ganz à la Weinstein -, muss man wohl eher von einer Vergewaltigung sprechen. Doch die Mutter sagt der Tochter Jahrzehnte später: "Es wäre an mir gewesen, es besser zu wissen. Es lag in meiner Verantwortung." Und dann sagt sie: "Es tut mir so leid. Mein armes Mädchen." Als die Tochter sie
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daraufhin fragt, warum es ihr denn leid tun sollte, folgt jene Antwort, die dem Buch den Originaltitel gegeben hat: "Weil ich deine Mutter bin. Es ist meine Aufgabe, solche Dinge von dir fernzuhalten."
Im Deutschen heißt das Buch "Was nie geschehen ist", und das mag zwar ein weniger sperriger Titel sein, aber er kann sich nicht unmittelbar auf den Inhalt berufen. Vielmehr deutet er das, was erzählt wird, auf bestimmte Weise aus. Gegenstand des Buchs ist das Bemühen seiner Verfasserin, etwas über das Leben ihrer Mutter zu erfahren, ihr Vorleben, ehe die Tochter zur Welt kam. Und da auch die Großmutter noch lebt, lässt sich die Enkelin sich auch von dieser über die Mutter erzählen, und einiges davon kommt nicht zur Deckung. Das wirft die Frage auf, was denn nun wirklich geschehen ist. Ob etwas davon nie geschehen ist, diese Frage stellt sich jedoch nie. Denn es geht in diesem Buch nicht um Wahrheit und Lüge.
Es geht darum, wie Eltern ein Leben prägen, und zwar nicht durch Erziehung, sondern durch Verschweigen. Und zwar aus besten Absichten - um gewisse Dinge von ihren Kindern fernzuhalten. Aber das macht diese Dinge gerade nicht ungeschehen, ganz im Gegenteil werden sie unausgesprochen zu bestimmenden Einflüssen, weil ihre Existenz wiederum die Eltern bestimmt hat.
Wobei dieses Buch nur auf ein Elternteil abzielt: die Mutter. Das ist auf den ersten Blick überraschend, denn die Verfasserin heißt Nadja Spiegelman. Sie ist die Tochter eines weltberühmten Vaters, des Comiczeichners Art Spiegelman. Allerdings ist auch ihre Mutter eine eindrucksvolle Persönlichkeit: Françoise Mouly, die Art-Direktorin des "New Yorker". Sie brachte als Französin eine ganz andere Kultur mit, als sie 1974 aus Paris nach Amerika ging. Das Buch beginnt mit einer wunderbaren Szene, in der Mouly ihre beiden Kinder, Nadja und den etwas jüngeren Dashiell, währen einer Autofahrt durch eine Gewitternacht an der Küste aussteigen lässt, um mit ihnen spontan schwimmen zu gehen, während der Vater ängstlich am Wagen bleibt. "Meine Mutter", schreibt Nadja Spiegelman, "missachtete die meisten Gefahren. Sie tat sie als amerikanische Konstrukte ab, erfunden von jenen verhuschten Frauen, die auch ihr Gemüse wuschen." Es ist fast eine Heldinnengeschichte, die hier zunächst erzählt wird, aber natürlich spielt das Wissen darum, dass Art Spiegelmans Eltern nur mit Glück die Schoa überlebt haben - wovon der Comiczeichner in seinem berühmten Buch "Maus" berichtet -, eine Rolle bei unserer Wahrnehmung dieser Situation. Wie es auch von Bedeutung ist, dass Nadja außer ihrem Vater kein anderes älteres Familienmitglied der Spiegelmans kennenlernen konnte - ihre Großmutter väterlicherseits nahm sich 1968 das Leben, der Großvater starb 1982, fünf Jahre vor Nadjas Geburt -, aber bei ihren Besuchen in Frankreich mit der zahlreichen Mouly-Sippe konfrontiert wurde.
Françoise Mouly wurde 1955 geboren, als mittlere Tochter eines Paars, das sich später entzweien sollte. Die drei Mädchen wurden aufgeteilt, und Françoise blieb in der Obhut ihrer Mutter Josée. Das Verhältnis beider zueinander war aus Sicht der Tochter angespannt, und daran ließ sie im Gespräch mit ihrer eigenen Tochter nie einen Zweifel. Seit 2009 trug sich Nadja Spiegelman mit dem Gedanken, ein Buch über ihre Mutter Françoise Mouly zu schreiben, das auf deren Erinnerungen beruhen sollte. "Du weißt schon, dass das, was wir hier machen, große Ähnlichkeit mit Maus hat", sagt Mouly zu Beginn der Gespräche. "Also mit dem, was dein Vater gemacht hat, als er seinen Vater interviewt hat." Aber ihre Tochter antwortete, dass sie nun das tue, was er nie tun konnte, weil seine Mutter bereits tot war, als er für "Maus" zu recherchieren begann. Fortan vertraute Françoise Mouly ihrer Tochter und ließ sich auf deren Vorhaben ein.
Art Spiegelman kommt im Buch nur selten vor, der Fokus liegt ganz auf seiner Frau. Wir lernen eine bemerkenswert starke Person kennen, die von ihrer Jugend an eigenständig sein wollte, aber in Frankreich immer wieder zurück ins Korsett traditioneller Erwartungen gezwungen wurde - bis hin zu einer von Josée erzwungenen Abtreibung, als Françoise mit fünfzehn schwanger wurde. Immer intimer werden die Gespräche zwischen Mutter und Tochter, bis zur Mitte des Buchs, als sich 2012, bei einem längeren Aufenthalt von Nadja in Frankreich, ein neues Vertrauensverhältnis zu ihrer mittlerweile über achtzigjährigen Großmutter entwickelt, dank dem sie erfährt, dass es eine andere Version der Familiengeschichte der Moulys gibt, die auch ein anderes Licht auf Françoise wirft. Über den Aufbruch nach Paris schreibt Nadja Spiegelman: "Ich wusste so viel über das Leben meiner Mutter, dass ich das Gefühl hatte, mich in den Jahren vor meiner Geburt regelrecht einrichten zu können, ganz so, als hätte ich sie selbst erlebt." In Frankreich wird sie aus dem wohleingerichteten Bild vertrieben werden.
Ein kluger deutscher Schriftsteller hat als Cantus firmus seines Werks den Satz "Menschen sind aus anderen Menschen zusammengesetzt". Das wird in "Was nie geschehen ist" prototypisch vorgeführt. Nicht nur, dass Françoise Mouly aus den Gesprächen mit ihrer Tochter und dann den Erinnerungen von Josée als neuer Mensch entsteht, das Gleiche gilt auch für Großmutter und Nadja Spiegelman selbst. Das Buch ist auch die Autobiographie einer jungen Amerikanerin auf der Suche nach ihrer sexuellen Orientierung, nach ihren europäischen Wurzeln und vor allem nach den Bedingungen ihres Schreibens. Deshalb hat "Was nie geschehen ist" in Amerika große Aufmerksamkeit gefunden. Für deutsche Leser wird dagegen der europäische Strang des Erzählten, das Leben von Josée und der jungen Françoise, faszinierend sein, weil darin ein intimes Porträt nicht nur dieser beiden Frauen, sondern auch des Frankreichs von Zwischenkriegs-, Kriegs- und Nachkriegszeit bis in die frühen Siebziger entsteht - ein Sittenbild aus Frauensicht, wie wir es bislang literarisch noch nicht besaßen, weil es mit dem bisweilen verwunderten Blick einer jungen Amerikanerin geschrieben ist.
Doch vor allem ist dieses Dreigenerationenporträt des weiblichen Teils einer Familie ein psychologisches Kabinettstück, das die Prinzipien von Schuld- und Verletzungsweitergabe deutlich macht - eine große literarische Therapiesitzung (und wie es die Klischeevorstellung von einem New Yorker will, lag auch Nadja Spiegelman schon in jungen Jahren auf der Couch), die aber keinen Therapeuten kennt, sondern nur Patienten. Eine heilende Erfahrung, daran lässt "Was nie geschehen ist" keinen Zweifel. Und auch eine desillusionierende, wenn Nadja einmal feststellt: "Meine Mutter hätte Josée bestimmt gemocht, wenn sie sie gekannt hätte." Was die junge Frau gelernt hat, ist, dass die beiden Älteren sich einander nie so geöffnet haben wie ihr gegenüber. Das angestrebte Kennenlernen von Mutter und Großmutter aber erfolgt nie, und am Schluss sagt Françoise Mouly über Josée: "Sie ist noch immer der Mensch, der mich kaputt machen kann, denn ich bin auch noch immer das kleine Mädchen, das dem nichts entgegenzusetzen hat." Bei ihrer eigenen Tochter gibt es nun etwas, was diese ihr entgegenzusetzen hat: dieses angesichts seiner heute dreißigjährigen Autorin jugendweise zu nennende Buch.
ANDREAS PLATTHAUS
Nadja Spiegelman: "Was nie geschehen ist".
Aus dem Amerikanischen von Sabine Kray. Aufbau Verlag, Berlin 2018. 394 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Im Deutschen heißt das Buch "Was nie geschehen ist", und das mag zwar ein weniger sperriger Titel sein, aber er kann sich nicht unmittelbar auf den Inhalt berufen. Vielmehr deutet er das, was erzählt wird, auf bestimmte Weise aus. Gegenstand des Buchs ist das Bemühen seiner Verfasserin, etwas über das Leben ihrer Mutter zu erfahren, ihr Vorleben, ehe die Tochter zur Welt kam. Und da auch die Großmutter noch lebt, lässt sich die Enkelin sich auch von dieser über die Mutter erzählen, und einiges davon kommt nicht zur Deckung. Das wirft die Frage auf, was denn nun wirklich geschehen ist. Ob etwas davon nie geschehen ist, diese Frage stellt sich jedoch nie. Denn es geht in diesem Buch nicht um Wahrheit und Lüge.
Es geht darum, wie Eltern ein Leben prägen, und zwar nicht durch Erziehung, sondern durch Verschweigen. Und zwar aus besten Absichten - um gewisse Dinge von ihren Kindern fernzuhalten. Aber das macht diese Dinge gerade nicht ungeschehen, ganz im Gegenteil werden sie unausgesprochen zu bestimmenden Einflüssen, weil ihre Existenz wiederum die Eltern bestimmt hat.
Wobei dieses Buch nur auf ein Elternteil abzielt: die Mutter. Das ist auf den ersten Blick überraschend, denn die Verfasserin heißt Nadja Spiegelman. Sie ist die Tochter eines weltberühmten Vaters, des Comiczeichners Art Spiegelman. Allerdings ist auch ihre Mutter eine eindrucksvolle Persönlichkeit: Françoise Mouly, die Art-Direktorin des "New Yorker". Sie brachte als Französin eine ganz andere Kultur mit, als sie 1974 aus Paris nach Amerika ging. Das Buch beginnt mit einer wunderbaren Szene, in der Mouly ihre beiden Kinder, Nadja und den etwas jüngeren Dashiell, währen einer Autofahrt durch eine Gewitternacht an der Küste aussteigen lässt, um mit ihnen spontan schwimmen zu gehen, während der Vater ängstlich am Wagen bleibt. "Meine Mutter", schreibt Nadja Spiegelman, "missachtete die meisten Gefahren. Sie tat sie als amerikanische Konstrukte ab, erfunden von jenen verhuschten Frauen, die auch ihr Gemüse wuschen." Es ist fast eine Heldinnengeschichte, die hier zunächst erzählt wird, aber natürlich spielt das Wissen darum, dass Art Spiegelmans Eltern nur mit Glück die Schoa überlebt haben - wovon der Comiczeichner in seinem berühmten Buch "Maus" berichtet -, eine Rolle bei unserer Wahrnehmung dieser Situation. Wie es auch von Bedeutung ist, dass Nadja außer ihrem Vater kein anderes älteres Familienmitglied der Spiegelmans kennenlernen konnte - ihre Großmutter väterlicherseits nahm sich 1968 das Leben, der Großvater starb 1982, fünf Jahre vor Nadjas Geburt -, aber bei ihren Besuchen in Frankreich mit der zahlreichen Mouly-Sippe konfrontiert wurde.
Françoise Mouly wurde 1955 geboren, als mittlere Tochter eines Paars, das sich später entzweien sollte. Die drei Mädchen wurden aufgeteilt, und Françoise blieb in der Obhut ihrer Mutter Josée. Das Verhältnis beider zueinander war aus Sicht der Tochter angespannt, und daran ließ sie im Gespräch mit ihrer eigenen Tochter nie einen Zweifel. Seit 2009 trug sich Nadja Spiegelman mit dem Gedanken, ein Buch über ihre Mutter Françoise Mouly zu schreiben, das auf deren Erinnerungen beruhen sollte. "Du weißt schon, dass das, was wir hier machen, große Ähnlichkeit mit Maus hat", sagt Mouly zu Beginn der Gespräche. "Also mit dem, was dein Vater gemacht hat, als er seinen Vater interviewt hat." Aber ihre Tochter antwortete, dass sie nun das tue, was er nie tun konnte, weil seine Mutter bereits tot war, als er für "Maus" zu recherchieren begann. Fortan vertraute Françoise Mouly ihrer Tochter und ließ sich auf deren Vorhaben ein.
Art Spiegelman kommt im Buch nur selten vor, der Fokus liegt ganz auf seiner Frau. Wir lernen eine bemerkenswert starke Person kennen, die von ihrer Jugend an eigenständig sein wollte, aber in Frankreich immer wieder zurück ins Korsett traditioneller Erwartungen gezwungen wurde - bis hin zu einer von Josée erzwungenen Abtreibung, als Françoise mit fünfzehn schwanger wurde. Immer intimer werden die Gespräche zwischen Mutter und Tochter, bis zur Mitte des Buchs, als sich 2012, bei einem längeren Aufenthalt von Nadja in Frankreich, ein neues Vertrauensverhältnis zu ihrer mittlerweile über achtzigjährigen Großmutter entwickelt, dank dem sie erfährt, dass es eine andere Version der Familiengeschichte der Moulys gibt, die auch ein anderes Licht auf Françoise wirft. Über den Aufbruch nach Paris schreibt Nadja Spiegelman: "Ich wusste so viel über das Leben meiner Mutter, dass ich das Gefühl hatte, mich in den Jahren vor meiner Geburt regelrecht einrichten zu können, ganz so, als hätte ich sie selbst erlebt." In Frankreich wird sie aus dem wohleingerichteten Bild vertrieben werden.
Ein kluger deutscher Schriftsteller hat als Cantus firmus seines Werks den Satz "Menschen sind aus anderen Menschen zusammengesetzt". Das wird in "Was nie geschehen ist" prototypisch vorgeführt. Nicht nur, dass Françoise Mouly aus den Gesprächen mit ihrer Tochter und dann den Erinnerungen von Josée als neuer Mensch entsteht, das Gleiche gilt auch für Großmutter und Nadja Spiegelman selbst. Das Buch ist auch die Autobiographie einer jungen Amerikanerin auf der Suche nach ihrer sexuellen Orientierung, nach ihren europäischen Wurzeln und vor allem nach den Bedingungen ihres Schreibens. Deshalb hat "Was nie geschehen ist" in Amerika große Aufmerksamkeit gefunden. Für deutsche Leser wird dagegen der europäische Strang des Erzählten, das Leben von Josée und der jungen Françoise, faszinierend sein, weil darin ein intimes Porträt nicht nur dieser beiden Frauen, sondern auch des Frankreichs von Zwischenkriegs-, Kriegs- und Nachkriegszeit bis in die frühen Siebziger entsteht - ein Sittenbild aus Frauensicht, wie wir es bislang literarisch noch nicht besaßen, weil es mit dem bisweilen verwunderten Blick einer jungen Amerikanerin geschrieben ist.
Doch vor allem ist dieses Dreigenerationenporträt des weiblichen Teils einer Familie ein psychologisches Kabinettstück, das die Prinzipien von Schuld- und Verletzungsweitergabe deutlich macht - eine große literarische Therapiesitzung (und wie es die Klischeevorstellung von einem New Yorker will, lag auch Nadja Spiegelman schon in jungen Jahren auf der Couch), die aber keinen Therapeuten kennt, sondern nur Patienten. Eine heilende Erfahrung, daran lässt "Was nie geschehen ist" keinen Zweifel. Und auch eine desillusionierende, wenn Nadja einmal feststellt: "Meine Mutter hätte Josée bestimmt gemocht, wenn sie sie gekannt hätte." Was die junge Frau gelernt hat, ist, dass die beiden Älteren sich einander nie so geöffnet haben wie ihr gegenüber. Das angestrebte Kennenlernen von Mutter und Großmutter aber erfolgt nie, und am Schluss sagt Françoise Mouly über Josée: "Sie ist noch immer der Mensch, der mich kaputt machen kann, denn ich bin auch noch immer das kleine Mädchen, das dem nichts entgegenzusetzen hat." Bei ihrer eigenen Tochter gibt es nun etwas, was diese ihr entgegenzusetzen hat: dieses angesichts seiner heute dreißigjährigen Autorin jugendweise zu nennende Buch.
ANDREAS PLATTHAUS
Nadja Spiegelman: "Was nie geschehen ist".
Aus dem Amerikanischen von Sabine Kray. Aufbau Verlag, Berlin 2018. 394 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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" Mit "Was nie geschehen ist" legt Nadja Spiegelman einen außergewöhnlichen Coming-of-Age-Roman vor. " STERN 20180328
Nadja Spiegelmann erzählt in diesem Roman ihre Familiengeschichte, die Geschichte dreier Frauen, ihre eigene, die ihrer Mutter Francoise und ihrer Großmutter Josette. Die männlichen Familienmitglieder werden eher am Rande erwähnt, obwohl ihr Vater, Art Spiegelmann, der bekannte …
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Nadja Spiegelmann erzählt in diesem Roman ihre Familiengeschichte, die Geschichte dreier Frauen, ihre eigene, die ihrer Mutter Francoise und ihrer Großmutter Josette. Die männlichen Familienmitglieder werden eher am Rande erwähnt, obwohl ihr Vater, Art Spiegelmann, der bekannte Autor der berühmten Comic-Maus-Bücher ist. Ihre Mutter ist Art Direktorin beim New Yorker. Es mutet für mich eher wie eine Familienbiographie an, als ein Roman.
Als Nadja klein ist, glaubt sie ihre Mutter sei eine Fee. Weil ein Zauber sie umgibt. Doch als sie älter wird, trifft sie immer öfter die Wut und Zurückweisung ihrer Mutter. Sie möchte wissen, woher das kommt und warum ihre Mutter ein schlechtes Verhältnis zu ihrer eigenen Mutter hat. Sie beginnt, der Vergangenheit nachzuspüren und stößt auf unsagbaren Schmerz.
Es wird aus unterschiedlichen Perspektiven und verschiedenen Sichtweisen der drei Hauptprotagonistinnen erzählt, was sehr verwirrend für mich war. Die Erinnerungen der einen widersprachen sich teilweise mit denen der anderen beiden Frauen. Unangekündigte Zeitenwechesel machten das Lesen dieses Romans nicht leichter. Ich empfand es als verwirrend und anstrengend, es war kein Buch klarer Linien oder eines klaren Konzepts. Es wurden interessante und auch sehr private Dinge erzählt, doch durch die verschiedenen Sichtweisen und Perspektiven kam bei mir alles eher verworren an, deshalb konnte meine Begeisterung für diesen Roman leider auch dadurch nicht geweckt werden. Es sollten Konflikte gelöst werden, blinde Flecken gefunden werden, doch es taten sich eher neue Konflikte auf. Es werden so private Dinge der Familie erzählt, dass man das Gefühl hat, es ist einem peinlich dies alles zu erfahren und dass es doch eigentlich nur für die Familie bestimmt ist.
Ich bin mit sehr großen Erwartungen an diesen Roman herangegangen, doch leider konnten diese nicht erfüllt werden.
Fazit:
Ein Roman, der eher wie eine Familienbiographie erscheint, und mich beim Lesen durch ständig wechselnde Perspektiven, Zeiten- und Sichtweisen eher verwirrt als begeistert hat. Die Idee und der Ansatz überaus interessant, aber die Umsetzung für mich leider nicht gelungen.
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Mein Erkenntnisgewinn nach Beendigung des Romans: Die Kunst, gute Geschichten erzählen zu können, ist nicht vererbbar.
Denn sonst hätte ich mich wohl kaum derart durch die vorliegende (Auto-)Biografie quälen müssen.
Autorin Nadja Spiegelmann ist die Tochter des …
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Mein Erkenntnisgewinn nach Beendigung des Romans: Die Kunst, gute Geschichten erzählen zu können, ist nicht vererbbar.
Denn sonst hätte ich mich wohl kaum derart durch die vorliegende (Auto-)Biografie quälen müssen.
Autorin Nadja Spiegelmann ist die Tochter des berühmten Cartoonisten und Pulitzer-Preisträgers Art Spiegelmann (Comic "Maus - die Geschichte eines Überlebenden) und der künstlerischen Leiterin und Redakteurin des New Yorkers, Francoise Mouly. Spiegelmann hat über Jahre hinweg Gespräche mit Familienmitgliedern geführt, allen voran mit ihrer Mutter und Großmutter. Entstanden ist eine Biografie, die für mich vor allem eines ist: überflüssig.
Anfangs war ich durchaus neugierig, was in dieser unkonventionellen Künstlerfamilie alles passiert ist, wodurch Nadja geprägt wurde und wie sie zu der Person wurde, die sie ist. Schnell schlug dies aber in Enttäuschung um: Der Erzählstil ist anstrengend, der Wechsel der Perspektive erfolgt oft unvermittelt, so dass man als Leser manchmal erst nach einigen Abschnitten merkt, dass nun nicht mehr aus Sicht Nadjas, sondern aus der ihrer Mutter oder Großmutter erzählt wird.
So bewundernswert es einerseits sein mag, mit welcher Offenheit hier intimste Details ans Licht gebracht werden, so oberflächlich fand ich es, wie sich die Geschichte praktisch ausschließlich um das Familiengeflecht dreht. Geschichtliche Ereignisse wie der Holocaust oder der Anschlag auf das World Trade Center werden nur angerissen, verkommen zur Kulisse.
Spiegelmann schreibt ausschweifend, es wimmelt nur so von öden Wiederholungen und detailverliebten Nichtigkeiten, schnell war ich beim Lesen nur eins: gelangweilt.
Eine der zentralen Erkenntnisse, die das Buch wohl vermitteln soll (siehe auch die Wahl des Titels) ist die Tatsache, dass sich verschiedene Familienmitglieder völlig unterschiedlich an gemeinsame Erlebnisse erinnern. Dass die Vergangenheit durch Erzählungen verändert wird, das es anhand von Befragung von Zeugen extrem schwierig bis unmöglich sein kann, die Wahrheit zu finden. Ach wirklich? Und dazu braucht es so viele Kapitel?
Vielleicht bin ich nicht voyeuristisch genug, vielleicht interessieren mich intimste Details der Spiegelmanns zu wenig - für mich war das Lesen dieser Biografie leider größtenteils vergeudete Zeit.
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Die Geschichte ihrer Familie, genauer gesagt, die Geschichte ihrer Mutter und ihrer Großmutter hat Nadja schon immer fasziniert, zu viele weiße Stellen, Ungereimtheiten und unglaubliche Begebenheiten hat sie gehört, weshalb sie als Erwachsene beginnt, nachzufragen, zu forschen und …
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Die Geschichte ihrer Familie, genauer gesagt, die Geschichte ihrer Mutter und ihrer Großmutter hat Nadja schon immer fasziniert, zu viele weiße Stellen, Ungereimtheiten und unglaubliche Begebenheiten hat sie gehört, weshalb sie als Erwachsene beginnt, nachzufragen, zu forschen und sie aufzuschreiben. Entstanden ist das Bild einer Frau, die nie geliebt wurde, die Außenseiterin in der eigenen Familie war und früh die Flucht ergriffen hat. Doch es gibt auch eine andere Seite, die Geschichte der Großmutter, die ebenfalls unter ihrer eigenen exzentrischen Mutter gelitten hatte. Mehrere Generationen Frauen, die nie ausgesprochen haben, was geschehen war und sich nun in diesem Buch ihrer Vergangenheit stellen.
Nadja Spiegelman ist die Tochter von Art Spiegelman, der seinerseits für „Maus“ den Pulitzer Prize gewonnen hat, einem Comic, der ebenfalls die Familiengeschichte erzählt. In diesem Kontext ist es nicht mehr ganz so verwunderlich, dass eine junge Frau eine doch schmerzliche Biographie ihrer Mutter vorlegt, die noch lebt und sich ihrer eigenen Geschichte stellen muss. Dadurch, dass Spiegelman die Lebensgeschichte mit ihrer eigenen verwebt, zeigt sie immer wieder Parallelen zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart auf, die auch durch unterschiedliche Länder und Zeiten stabil sind.
Vieles in Spiegelmans Familiengeschichte ist auch für den Leser schmerzlich und man fragt sich, wie Familienmitglieder auf diese Weise miteinander umgehen können. Vor allem das wiederkehrende Motiv der Mütter, ihre Töchter auf ihr Aussehen und ihre Essgewohnheiten zu reduzieren ist augenfällig. Auch die Dichotomie zwischen Öffentlichkeit und Privatheit, wenn es um den Körper geht, fand ich eher seltsam gelöst in der Familie, was auch zu erheblicher Unsicherheit der jungen Frauen führte. Vor allem Françoise leidet unter der Ablehnung und fehlenden Zuneigung ihrer Mutter. Die ältere Schwester wurde immer bevorzugt, was die jüngere durch extreme Leistungen versucht zu kompensieren, um so Aufmerksamkeit zu erringen.
Ein weiterer Aspekt der Erzählung schwebt über dem gesamten Bericht und stellt vieles immer wieder in Frage: wie historisch korrekt sind die Erinnerungen, die die Menschen haben? Haben sich die Ereignisse wirklich so zugetragen oder wird durch die Zeit und die eigene perspektive das Erlebte verfälscht und fügt sich zu einem stimmigen Bild, das womöglich gar nicht der Realität entspricht? Immer wieder steht Nadja vor diesem Problem: Einzelne Aspekte passen zeitlich und örtlich nicht, das Gesamtbild ist nicht stimmig und Mutter und Großmutter erinnern dasselbe Ereignis gänzlich verschieden. An dieser Stelle stritt Erzählen an Erinnern – dies kann versöhnen und das eigene Leben für die jeweilige Person erträglicher machen.
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Broschiertes Buch
Nadja Spiegelmann erzählt die Geschichte(n) der Frauen ihrer Familie, berichtet von Erlebnissen und Erkenntnissen, und begibt sich auf eine jahrelange Spurensuche nach den Ursprüngen der Chraraktere und Wesenszüge.
Dabei wiederholen sich Muster, wird Schmerz aufgedeckt und auch …
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Nadja Spiegelmann erzählt die Geschichte(n) der Frauen ihrer Familie, berichtet von Erlebnissen und Erkenntnissen, und begibt sich auf eine jahrelange Spurensuche nach den Ursprüngen der Chraraktere und Wesenszüge.
Dabei wiederholen sich Muster, wird Schmerz aufgedeckt und auch widersprüchliche Erinnerungen geschildert.
Die Erzählung hat mich berührt und zum nachdenken über die eigene Familiengeschichte angeregt.
Von der Art hat es mich etwas an Christian Berkels 'Apfelbaum' erinnert, auch bei Nadja Spiegelmann werden die Geschehnisse aus verschiedenen Perspektiven über die Zeit hinweg erzählt.
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