Gabriel Zuchtriegel
Gebundenes Buch
Vom Zauber des Untergangs
Was Pompeji über uns erzählt Vom Direktor des weltberühmten Archäologieparks Pompeji
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Ein neuer Blick auf Pompeji und die befreiende Kraft der KulturGarküchen, ein Sklavenzimmer, griechische Theater, Villen, Thermen und Tempel - die Ausgrabungen in Pompeji offenbaren eine Welt. Doch was hat sie mit uns zu tun? Gabriel Zuchtriegel, der neue Direktor des Weltkulturerbes, legt eindrucksvoll dar, dass verschüttete Altertümer, starre Ruinen und schweigende Bilder uns noch heute verändern können.Fast täglich kommt Gabriel Zuchtriegel bei seiner Arbeit an der Kreuzung der zwei Hauptachsen Pompejis vorbei, steht da, wo am Morgen des 25. Oktober im Jahr 79 n. Chr. eine ganze Stadt...
Ein neuer Blick auf Pompeji und die befreiende Kraft der Kultur
Garküchen, ein Sklavenzimmer, griechische Theater, Villen, Thermen und Tempel - die Ausgrabungen in Pompeji offenbaren eine Welt. Doch was hat sie mit uns zu tun? Gabriel Zuchtriegel, der neue Direktor des Weltkulturerbes, legt eindrucksvoll dar, dass verschüttete Altertümer, starre Ruinen und schweigende Bilder uns noch heute verändern können.
Fast täglich kommt Gabriel Zuchtriegel bei seiner Arbeit an der Kreuzung der zwei Hauptachsen Pompejis vorbei, steht da, wo am Morgen des 25. Oktober im Jahr 79 n. Chr. eine ganze Stadt unter Asche und Geröll versank. Wenn Zuchtriegel die Skulptur des im Schlaf überraschten Fischerjungen sieht, muss er an seinen Sohn denken, der sich genauso einrollt, um nicht zu frieren. Dass solche Momente wesentlich sind, um zu vermitteln, was die Antike mit uns zu tun hat, darum geht es in diesem Buch. Gabriel Zuchtriegel bringt uns anhand der archäologischen Entdeckungenvom 19. Jahrhundert bis heute neben Ausgrabungstechniken auch Fragestellungen näher, die mit dem Wandel der Gesellschaft und unserer Gegenwart verknüpft sind. Das alles verbindet er mit seinem Werdegang als Archäologe, der Pompeji nicht nur als Weltkulturerbe erhalten möchte, sondern sich dafür einsetzt, dass alle diesen Ort als den ihren begreifen.
»Ein kluges und auf zurückhaltende Weise persönliches Buch« FAS
»Liebeserklärung an die Archäologie« FAZ
»So lebendig wurde noch nie über Archälogie erzählt« Die Zeit
Garküchen, ein Sklavenzimmer, griechische Theater, Villen, Thermen und Tempel - die Ausgrabungen in Pompeji offenbaren eine Welt. Doch was hat sie mit uns zu tun? Gabriel Zuchtriegel, der neue Direktor des Weltkulturerbes, legt eindrucksvoll dar, dass verschüttete Altertümer, starre Ruinen und schweigende Bilder uns noch heute verändern können.
Fast täglich kommt Gabriel Zuchtriegel bei seiner Arbeit an der Kreuzung der zwei Hauptachsen Pompejis vorbei, steht da, wo am Morgen des 25. Oktober im Jahr 79 n. Chr. eine ganze Stadt unter Asche und Geröll versank. Wenn Zuchtriegel die Skulptur des im Schlaf überraschten Fischerjungen sieht, muss er an seinen Sohn denken, der sich genauso einrollt, um nicht zu frieren. Dass solche Momente wesentlich sind, um zu vermitteln, was die Antike mit uns zu tun hat, darum geht es in diesem Buch. Gabriel Zuchtriegel bringt uns anhand der archäologischen Entdeckungenvom 19. Jahrhundert bis heute neben Ausgrabungstechniken auch Fragestellungen näher, die mit dem Wandel der Gesellschaft und unserer Gegenwart verknüpft sind. Das alles verbindet er mit seinem Werdegang als Archäologe, der Pompeji nicht nur als Weltkulturerbe erhalten möchte, sondern sich dafür einsetzt, dass alle diesen Ort als den ihren begreifen.
»Ein kluges und auf zurückhaltende Weise persönliches Buch« FAS
»Liebeserklärung an die Archäologie« FAZ
»So lebendig wurde noch nie über Archälogie erzählt« Die Zeit
Gabriel Zuchtriegel, geboren 1981, studierte in Berlin und Rom Archäologie und griechische Literaturgeschichte. Nach seiner Promotion an der Universität Bonn erhielt er ein zweijähriges Forschungsstipendium der Alexander-von-Humboldt-Stiftung in Süditalien. Doch daraus wurden mehr als zehn Jahre, in denen er in Italien forschte, lehrte und im Denkmalschutz arbeitete. Seit April 2021 ist er Direktor des Archäologischen Parks Pompeji.
Produktbeschreibung
- Verlag: Propyläen
- 5. Aufl.
- Seitenzahl: 240
- Erscheinungstermin: 27. April 2023
- Deutsch
- Abmessung: 221mm x 145mm x 30mm
- Gewicht: 436g
- ISBN-13: 9783549100486
- ISBN-10: 3549100485
- Artikelnr.: 66214468
Herstellerkennzeichnung
Propyläen Verlag
Friedrichstraße 126
10117 Berlin
Info@Ullstein-Buchverlage.de
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Rezensentin Sabine Seifert freut sich über den frischen Wind, den Gabriel Zuchtriegel mit seinem Buch in die archäologische Szene bringt. Denn der 1981 geborene und damit als Vertreter einer neuen Generation gehandelte Direktor des Archäologischen Parks von Pompeji setzt sich in seinem Buch über die untergegangene Stadt auch mit Themenfeldern auseinander, die in seinem Fachgebiet bisher wenig Beachtung erfuhren, lobt Seifert: So etwa mit sexueller Gewalt, die die antike Mythologie durchzog und dabei so selbstverständlich war, dass es gar keine Begriffe dafür gab, oder auch mit Postkolonialismus und Diskursanalyse, so die Kritikerin. Dass Zuchtriegel sein Buch in Richtung solcher Themen öffne und in diesem Zuge auch sein eigenes Hadern mit der Archäologie in seinem beruflichen Werdegang thematisiere, findet Seifert spannend. Auch andere Kapitel, die sich etwa um das erste freigelegte Sklavenzimmer oder um ein nicht altehrwürdiges, sondern alltägliches Pompei mit Werkstätten, Schenken und Wohnungen drehen, findet sie so "lebendig", dass ihr eine Vorkenntnis zu Pompeji nicht notwendig scheint. Einzig über die "Probleme der Konservierung und des Denkmalschutzes" bezüglich der Ausgrabungen hätte sie gern noch etwas mehr gelesen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Die Kunst der Griechen mit der Seele suchend
Liebeserklärung an die Archäologie: Gabriel Zuchtriegel, Direktor der Welterbestätte Pompeji, lädt ein zu Entdeckungen in der untergegangen Stadt.
Rund sechshundertmal im Jahr rückt im Archäologischen Park von Pompeji der medizinische Notdienst aus. Bei etwa jedem fünften Einsatz handelt es sich um Herz-Kreislauf-Probleme. Das heiße Wetter gilt als nur ein Grund dafür. In den Medien wird über das Stendhal-Syndrom spekuliert, benannt nach dem französischen Schriftsteller, den die Besichtigung der Basilica di Santa Croce in Florenz 1817 "in eine Art Ekstase" versetzte, die in Erschöpfung umschlug, "mein Lebensquell war versiegt, und ich fürchtete umzufallen". Die
Liebeserklärung an die Archäologie: Gabriel Zuchtriegel, Direktor der Welterbestätte Pompeji, lädt ein zu Entdeckungen in der untergegangen Stadt.
Rund sechshundertmal im Jahr rückt im Archäologischen Park von Pompeji der medizinische Notdienst aus. Bei etwa jedem fünften Einsatz handelt es sich um Herz-Kreislauf-Probleme. Das heiße Wetter gilt als nur ein Grund dafür. In den Medien wird über das Stendhal-Syndrom spekuliert, benannt nach dem französischen Schriftsteller, den die Besichtigung der Basilica di Santa Croce in Florenz 1817 "in eine Art Ekstase" versetzte, die in Erschöpfung umschlug, "mein Lebensquell war versiegt, und ich fürchtete umzufallen". Die
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Psychologin Graziella Magherini hat die kulturelle Reizüberflutung bei ausländischen Touristen der Kunstmetropole diagnostiziert und 1979 mehr als hundert Fallgeschichten in einem Buch beschrieben: Herzrasen, Atemnot und Hyperventilation, Ohnmacht, Schwindel, Schweißausbrüche, Übelkeit, Halluzinationen zählen zu den Symptomen.
Mit diesen "Risiken und Nebenwirkungen" eröffnet Gabriel Zuchtriegel, seit gut zwei Jahren Direktor der Welterbestätte, sein Buch. "Ich selbst blieb bisher verschont", gesteht er und räumt ein, an einigen Orten in Pompeji für sich "eine gewisse Gefährdung" zu sehen: So bei der Skulptur eines im Schlaf überraschten Fischerjungen, der sich in seinen Kapuzenmantel eingerollt hat, "wie mein achtjähriger Sohn das manchmal macht". Das eigentliche Problem aber ist für den Archäologen ein anderes, er nennt es "Sammlersyndrom": Die Einstellung, antike Kunstwerke zu Besitztümern herabzuwürdigen und unter den Pompeji-Besuch einen Haken zu setzen, womöglich gar eine Scherbe mitgehen zu lassen. Da ist ihm Stendhal näher, der beim Verlassen der Kirche empfand, "das alles spricht lebendig zu meiner Seele", und zur Gruppe der "spirituellen Pilger" gehört, die ins Museum gehen, "um Energie zu tanken, sich selbst besser kennenzulernen", Verlustgefühle inklusive. "Wir können alle dieser Gruppe beitreten", ruft Zuchtriegel dem Leser zu: "Probieren Sie es selbst aus!"
Das Buch ist weniger eine Anleitung als eine Einladung dazu. Keine wissenschaftliche Studie, vermittelt es auch Grundwissen und Ergebnisse der Forschung, vor allem aber eine unakademische Zuwendung, die nicht von der eigenen Erfahrungswelt abstrahiert, sondern mit den Altertümern in Dialog treten und eine sinnliche Wahrnehmung erschließen lässt. "Emotionale Triebfeder" ist ein Schlüsselbegriff des 1981 geborenen Autors, seine Biographie steht dafür: Angefangen bei dem Gymnasiasten als von den Eltern seiner Mitschüler engagierter Latein-Nachhilfelehrer in Oberschwaben über den Studenten der Humboldt-Universität, der sich mit seiner Abschlussarbeit über Latrinen und Abwassersysteme in antiken griechischen Städten als Nestbeschmutzer des Fachs auszeichnet, und den Direktor des Archäologischen Parks von Paestum und Vela bis zur für ihn selbst überraschenden Berufung zum Hüter des Archäologischen Parks von Pompeji mit gerade einmal 39 Jahren.
Leben und Archäologie, Archäologie und Leben: Zuchtriegel trennt sie auch nicht in der Darstellung, Stationen der Biographie werden nicht chronologisch aneinandergereiht, sondern eingeflochten. Wie er dabei vom einen zum anderen (und wieder zurück) kommt, die Geschichte der im Jahre 79 n. Chr. untergegangenen Stadt wie auch die der 1748 begonnenen Ausgrabung rekapituliert, Funde und Werke einordnet, Fragen der Interpretation und Restaurierung erörtert und immer wieder aktuelle Bezüge herstellt, wie er ab- und wieder zurückschweift, sich in Debatten stürzt, die Absurditäten der Bürokratie oder die Sensationslust der Presse kritisch streift, das alles und manches mehr fügt sich, farbig und luzide erzählt, zu einer Liebeserklärung an die Archäologie: Fremd und faszinierend, wie sie der Gegenwart entgegentritt, zeigt sie dieser ihre Grenzen und ihre Veränderbarkeit auf.
Das biographische Band verknüpft vier essayistische Kapitel. "Was ist dran an klassischer Kunst?", fragt das erste. Dass die Römer in der griechischen Kunst, mit der sie Tempel, Häuser und Gärten schmückten, ihre "Klassik" hatten, nimmt Zuchtriegel als Ausgangspunkt, den Begriff neu zu bedenken: zunächst an der Statue des Apollo Citarista, dann an der Gestalt des Hermaphroditus, die ihn Vorstellungen zum antiken Umgang mit Körpern und Sexualität sondieren lässt. "Im Sog des Ritus" geht der engen Verzahnung von Religion und Kunst nach, erklärt den Aufstieg des Dionysus zum "neuem Gott", würdigt die "Operation Mysterienvilla" von Amedeo Maiuri während des Faschismus als maßstabsetzende Grabung und diskutiert die konträren Deutungen des Freskenzyklus in ihrem Saal von Paul Veyne und Gilles Sauron.
Das Kapitel "Eine Stadt am Rande der Katastrophe" wartet mit einer neuen Schätzung der Größe Pompejis auf: Nicht nur zwölf- oder zwanzigtausend, sondern eher 45.000 Menschen lebten in einer "vollgestopften Stadt" und mithin auf sehr engem Raum. Was den jüngsten Fund des Sklavenzimmers der Civita Giuliana so bedeutend macht, ist der "Seltenheitswert des Alltäglichen": Ein Titel, der, so Zuchtriegel, auch Programm ist und "als Überschrift für meinen persönlichen Zugang zur Archäologie und zu Pompeji stehen könnte". "Was am Ende zählt", muss aber der Leser dieses Buches, in seiner Entdeckerfreude gestärkt, selbst bestimmen.
Schon Zuchtriegels Vorgänger Massimo Osanna, der 2014 antrat und "die (tatsächlichen und angeblichen) Skandale (...) vergessen ließ", hatte die Ausgrabungsstätte geöffnet. Sein "Grande Progetto Pompei" schärfte die Aufmerksamkeit für das Alltagsleben und entwarf das neue Bild einer lebendigen, kompletten Stadt, deren Bewohner - im Schnitt waren es vor der Pandemie mehr als zehntausend Besucher - sich aber meist nur einen Tag in ihr aufhalten. Zuchtriegel, der, fast eine Generation jünger als Osanna, diesen Maestro nennt, baut das aus. Leidenschaftlich berichtet er von dem Vorhaben, das er im ersten Jahr für sein wichtigstes hält: Ein Theaterworkshop mit Jugendlichen aus dem von Arbeitslosigkeit, Wirtschaftsemigration und der Camorra kontaminierten Umland, der eine emotionale Bindung zu der von vielen "als eine Art Ufo" wahrgenommenen antiken Stadt herstellte und diese zu einem Teil ihres Lebens machte. Aristophanes' Komödie "Die Vögel" wurde adaptiert und zum "Traum vom Fliegen", mit dem der nächste große Fund, was für ein schöner Zufall, in Verbindung trat: Marcus Venerius Secundio, der sich das Grab bauen ließ, war ein freigelassener Sklave, der zu Wohlstand gelangt war und, so die Inschrift, "allein griechische und lateinische Spiele über vier Tage veranstaltete". Vielleicht wird damit angedeutet, wo Zuchtriegel mit Pompeji hinwill. Das Theaterprojekt unternimmt den Versuch, die antike Stadt vom Bann des Vergangenen zu befreien: So verstanden und belebt, ist sie keine eingefrorene Welt, kein "nur" musealer Ort mehr.
"Neapel ist ein Paradies, jedermann lebt in einer Art von trunkner Selbstvergessenheit. Mir geht es ebenso, ich erkenne mich kaum, ich scheine mir ein ganz anderer Mensch", notiert Goethe am 16. März 1787, fünf Tage nach dem Besuch in Pompeji, in der "Italienischen Reise", nachdem er sich schon bei seiner Ankunft in Italien "wie neu geboren" vorgekommen war. Eine Art Wandlung hat auch Zuchtriegel, der die Annahme der italienischen Staatsbürgerschaft 2020 eine "Herzensangelegenheit" nennt, an sich beobachtet. Schon bei seiner ersten Grabung mit einem rein italienischen Team hatte er das Gefühl, "in Italien irgendwie besser reinzupassen", formuliert er salopp: "Tatsächlich sagen mir Freunde, die mich sowohl als 'Deutschen' als auch als 'Italiener' kennen, dass ich in der italienischen Fassung wesentlich extrovertierter wirke . . ." Gut möglich, dass das dem auf Deutsch, doch entspannt und unvergrübelt geschriebenen Buch zugutegekommen ist. ANDREAS ROSSMANN
Gabriel Zuchtriegel: "Vom Zauber des Untergangs". Was Pompeji über uns erzählt.
Propyläen Verlag, Berlin 2023. 240 S., Abb., geb., 29,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Mit diesen "Risiken und Nebenwirkungen" eröffnet Gabriel Zuchtriegel, seit gut zwei Jahren Direktor der Welterbestätte, sein Buch. "Ich selbst blieb bisher verschont", gesteht er und räumt ein, an einigen Orten in Pompeji für sich "eine gewisse Gefährdung" zu sehen: So bei der Skulptur eines im Schlaf überraschten Fischerjungen, der sich in seinen Kapuzenmantel eingerollt hat, "wie mein achtjähriger Sohn das manchmal macht". Das eigentliche Problem aber ist für den Archäologen ein anderes, er nennt es "Sammlersyndrom": Die Einstellung, antike Kunstwerke zu Besitztümern herabzuwürdigen und unter den Pompeji-Besuch einen Haken zu setzen, womöglich gar eine Scherbe mitgehen zu lassen. Da ist ihm Stendhal näher, der beim Verlassen der Kirche empfand, "das alles spricht lebendig zu meiner Seele", und zur Gruppe der "spirituellen Pilger" gehört, die ins Museum gehen, "um Energie zu tanken, sich selbst besser kennenzulernen", Verlustgefühle inklusive. "Wir können alle dieser Gruppe beitreten", ruft Zuchtriegel dem Leser zu: "Probieren Sie es selbst aus!"
Das Buch ist weniger eine Anleitung als eine Einladung dazu. Keine wissenschaftliche Studie, vermittelt es auch Grundwissen und Ergebnisse der Forschung, vor allem aber eine unakademische Zuwendung, die nicht von der eigenen Erfahrungswelt abstrahiert, sondern mit den Altertümern in Dialog treten und eine sinnliche Wahrnehmung erschließen lässt. "Emotionale Triebfeder" ist ein Schlüsselbegriff des 1981 geborenen Autors, seine Biographie steht dafür: Angefangen bei dem Gymnasiasten als von den Eltern seiner Mitschüler engagierter Latein-Nachhilfelehrer in Oberschwaben über den Studenten der Humboldt-Universität, der sich mit seiner Abschlussarbeit über Latrinen und Abwassersysteme in antiken griechischen Städten als Nestbeschmutzer des Fachs auszeichnet, und den Direktor des Archäologischen Parks von Paestum und Vela bis zur für ihn selbst überraschenden Berufung zum Hüter des Archäologischen Parks von Pompeji mit gerade einmal 39 Jahren.
Leben und Archäologie, Archäologie und Leben: Zuchtriegel trennt sie auch nicht in der Darstellung, Stationen der Biographie werden nicht chronologisch aneinandergereiht, sondern eingeflochten. Wie er dabei vom einen zum anderen (und wieder zurück) kommt, die Geschichte der im Jahre 79 n. Chr. untergegangenen Stadt wie auch die der 1748 begonnenen Ausgrabung rekapituliert, Funde und Werke einordnet, Fragen der Interpretation und Restaurierung erörtert und immer wieder aktuelle Bezüge herstellt, wie er ab- und wieder zurückschweift, sich in Debatten stürzt, die Absurditäten der Bürokratie oder die Sensationslust der Presse kritisch streift, das alles und manches mehr fügt sich, farbig und luzide erzählt, zu einer Liebeserklärung an die Archäologie: Fremd und faszinierend, wie sie der Gegenwart entgegentritt, zeigt sie dieser ihre Grenzen und ihre Veränderbarkeit auf.
Das biographische Band verknüpft vier essayistische Kapitel. "Was ist dran an klassischer Kunst?", fragt das erste. Dass die Römer in der griechischen Kunst, mit der sie Tempel, Häuser und Gärten schmückten, ihre "Klassik" hatten, nimmt Zuchtriegel als Ausgangspunkt, den Begriff neu zu bedenken: zunächst an der Statue des Apollo Citarista, dann an der Gestalt des Hermaphroditus, die ihn Vorstellungen zum antiken Umgang mit Körpern und Sexualität sondieren lässt. "Im Sog des Ritus" geht der engen Verzahnung von Religion und Kunst nach, erklärt den Aufstieg des Dionysus zum "neuem Gott", würdigt die "Operation Mysterienvilla" von Amedeo Maiuri während des Faschismus als maßstabsetzende Grabung und diskutiert die konträren Deutungen des Freskenzyklus in ihrem Saal von Paul Veyne und Gilles Sauron.
Das Kapitel "Eine Stadt am Rande der Katastrophe" wartet mit einer neuen Schätzung der Größe Pompejis auf: Nicht nur zwölf- oder zwanzigtausend, sondern eher 45.000 Menschen lebten in einer "vollgestopften Stadt" und mithin auf sehr engem Raum. Was den jüngsten Fund des Sklavenzimmers der Civita Giuliana so bedeutend macht, ist der "Seltenheitswert des Alltäglichen": Ein Titel, der, so Zuchtriegel, auch Programm ist und "als Überschrift für meinen persönlichen Zugang zur Archäologie und zu Pompeji stehen könnte". "Was am Ende zählt", muss aber der Leser dieses Buches, in seiner Entdeckerfreude gestärkt, selbst bestimmen.
Schon Zuchtriegels Vorgänger Massimo Osanna, der 2014 antrat und "die (tatsächlichen und angeblichen) Skandale (...) vergessen ließ", hatte die Ausgrabungsstätte geöffnet. Sein "Grande Progetto Pompei" schärfte die Aufmerksamkeit für das Alltagsleben und entwarf das neue Bild einer lebendigen, kompletten Stadt, deren Bewohner - im Schnitt waren es vor der Pandemie mehr als zehntausend Besucher - sich aber meist nur einen Tag in ihr aufhalten. Zuchtriegel, der, fast eine Generation jünger als Osanna, diesen Maestro nennt, baut das aus. Leidenschaftlich berichtet er von dem Vorhaben, das er im ersten Jahr für sein wichtigstes hält: Ein Theaterworkshop mit Jugendlichen aus dem von Arbeitslosigkeit, Wirtschaftsemigration und der Camorra kontaminierten Umland, der eine emotionale Bindung zu der von vielen "als eine Art Ufo" wahrgenommenen antiken Stadt herstellte und diese zu einem Teil ihres Lebens machte. Aristophanes' Komödie "Die Vögel" wurde adaptiert und zum "Traum vom Fliegen", mit dem der nächste große Fund, was für ein schöner Zufall, in Verbindung trat: Marcus Venerius Secundio, der sich das Grab bauen ließ, war ein freigelassener Sklave, der zu Wohlstand gelangt war und, so die Inschrift, "allein griechische und lateinische Spiele über vier Tage veranstaltete". Vielleicht wird damit angedeutet, wo Zuchtriegel mit Pompeji hinwill. Das Theaterprojekt unternimmt den Versuch, die antike Stadt vom Bann des Vergangenen zu befreien: So verstanden und belebt, ist sie keine eingefrorene Welt, kein "nur" musealer Ort mehr.
"Neapel ist ein Paradies, jedermann lebt in einer Art von trunkner Selbstvergessenheit. Mir geht es ebenso, ich erkenne mich kaum, ich scheine mir ein ganz anderer Mensch", notiert Goethe am 16. März 1787, fünf Tage nach dem Besuch in Pompeji, in der "Italienischen Reise", nachdem er sich schon bei seiner Ankunft in Italien "wie neu geboren" vorgekommen war. Eine Art Wandlung hat auch Zuchtriegel, der die Annahme der italienischen Staatsbürgerschaft 2020 eine "Herzensangelegenheit" nennt, an sich beobachtet. Schon bei seiner ersten Grabung mit einem rein italienischen Team hatte er das Gefühl, "in Italien irgendwie besser reinzupassen", formuliert er salopp: "Tatsächlich sagen mir Freunde, die mich sowohl als 'Deutschen' als auch als 'Italiener' kennen, dass ich in der italienischen Fassung wesentlich extrovertierter wirke . . ." Gut möglich, dass das dem auf Deutsch, doch entspannt und unvergrübelt geschriebenen Buch zugutegekommen ist. ANDREAS ROSSMANN
Gabriel Zuchtriegel: "Vom Zauber des Untergangs". Was Pompeji über uns erzählt.
Propyläen Verlag, Berlin 2023. 240 S., Abb., geb., 29,- Euro.
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»Zaubern mit Scherben - Gabriel Zuchtriegels so famoses wie ungewöhnliches Buch« Reinhard Brembeck Süddeutsche Zeitung 20230614
„Vom Zauber des Untergangs“. Dieser Titel befremdet zunächst. Welchen Zauber hat der Untergang einer ganzen Stadt?
Pompeji ist eine der berühmtesten Ausgrabungsorte der Welt, und seine Faszination dauert ungebrochen bis heute an. Jeder Besucher steht staunend vor …
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„Vom Zauber des Untergangs“. Dieser Titel befremdet zunächst. Welchen Zauber hat der Untergang einer ganzen Stadt?
Pompeji ist eine der berühmtesten Ausgrabungsorte der Welt, und seine Faszination dauert ungebrochen bis heute an. Jeder Besucher steht staunend vor luxuriösen Villen mit beeindruckenden lebensfrohen Wandmalereien, und das Staunen mischt sich mit Grauen und Erschütterung beim Anblick der Abgüsse von Opfern des Untergangs. Der Untergang selber ist gut dokumentiert, v. a. durch die Aufzeichnungen von Plinius d. J., der wiederum auf die Beobachtungen seines Onkels Plinius d. Ä. zurückgreift. Ein heftiges Erdbeben hatte schon Jahre vorher (62 n. Chr.) den Ausbruch angekündigt. Teile der Stadt wurden zerstört, die Reichen zogen sich in ihre Landhäuser zurück und warteten dort die Instandsetzung ihrer Stadtpaläste ab. Im Oktober 79 n. Chr. kam es dann zu der Katastrophe, die nicht nur Pompeji, sondern auch die umliegenden Städte Stabiae, Herculaneum und Oplontis zerstörte. Pompeji wurde unter einer meterhohen Schicht kleinerer und größerer Gesteinsbrocken begraben, bevor ein pyroklastischer Strom alles Leben in Sekundenschnelle vernichtete.
Zuchtriegel bezeichnet sich selber als Archäologe „mit Schlagseite“, und tatsächlich geht er mit anderen Vorstellungen an die Archäologie heran als seine Vorgänger. Ein Ansatzpunkt ist folgender Gedanke: „Wenn wir als Gesellschaft in Denkmalschutz und Forschung investieren, was können Denkmalschutz und Forschung der Gesellschaft zurückgeben?“ Er sieht also die Archäologie in der Pflicht gegenüber der Gesellschaft. Diese Auffassung setzt er um, indem er z. B. einen Theaterworkshop mit Jugendlichen aus problematischen Verhältnissen durchführen ließ, der mit der Aufführung von „Die Vögel“ von Aristophanes im Ruinentheater endete. Damit holt er nicht nur die Archäologie aus ihrem Elfenbeinturm heraus, sondern schafft zugleich eine Anbindung der Anwohner an „ihre“ Ausgrabungsstätte.
Damit zusammen hängt auch Zuchtriegels Überzeugung, die Fundstücke nicht im Museum zu präsentieren, sondern sie in ihrem Kontext zu belassen. Hier erweist sich Zuchtriegel als Anhänger der sog. Diskursanalyse von Michel Foucault, der darauf hinwies, dass jede Erkenntnis immer geprägt ist vom Forschenden selber, seinem Hintergrund, seiner Persönlichkeit, seinen Vorlieben etc. Dagegen ist es oft der Kontext eines Fundstückes, der genauere Erkenntnisse zulässt. Gleichzeitig befreit er aber damit die Ausgrabungsstätte von ihrer rein musealen Funktion und verleiht ihr Leben.
Und so wandert Gabriel Zuchtriegel in seinem Buch von einem Thema zum nächsten, und jedem Kapitel merkt man seine Begeisterung für seinen Beruf an. Er erzählt von neuen Ausgrabungen, und der Leser erfährt so von den weniger schönen Seiten der Stadt und der weniger privilegierten Bevölkerung: beengte Wohnverhältnisse, erdrückende Armut, „man aß Brot, und das war’s“, Lebensmittelknappheit. Zuchtriegel errechnet eine Zahl von 45.000 Einwohnern: eine übervölkerte Stadt, „ständig am Rand einer sozialen Katastrophe“. Diese Ausgrabung war für Zuchtriegel deshalb so außerordentlich, weil sie den „Seltenheitswert des Alltäglichen“ zeigte.
Andere Kapitel wenden sich der Verbindung von Kunst und Religion zu und der neuen monotheistischen Sekte des Christentums, andere der für unsere Begriffe wesentlich freizügigeren Sexualität, den Darstellungen von Hermaphroditen, der Bedeutung der griechischen Kunst für die Römer, dem Aufstieg des Gottes Dionysos, den Mysterienkulten, der Lage der Sklaven und der freigelassenen Sklaven, den Zusammenhang von Bild und Ritus, man liest Deutungsversuche von Fresken, quellenkritische Überlegungen und so fort – und immer belegt an Ausgrabungsfunden und mit Bildern illustriert (die man leider im Anhang nachschlagen muss).
Und damit beantwortet Zuchtriegel auch die Frage, die der Titel aufwirft: Worin liegt der Zauber eines Untergangs?
Die Ausgrabungen begannen 1748, und seitdem hält dieser Zauber an: eine erstarrte Stadt und eine vergangene Lebensweise wird wieder lebendig und wir tauchen ein in die Alltagswelt unserer Vorfahren. Erst der Untergang und das Vergessen ermöglichen „den Zauber des Wiederfindens und Bewahrens“. Es geht Zuchtriegel nicht darum, einen musealen Katalog zu erstellen, um damit eine Sehenswürdigkeit nach der anderen abzuhaken. Dieses Vorgehen nennt er das „Sammlersyndrom“. Was Zuchtriegel will, ist etwas anderes. Ein antikes Kunstwerk ist für ihn nicht nur ein museales Objekt, sondern – frei nach Foucaults Diskurstheorie – es tritt mit uns in einen Dialog ein und sollte nicht nur rational, sondern auch emotional und in seiner Funktion erfasst werden. Zuchtriegel will, dass die Fundstücke und der Ort als Ganzes für den Betrachter lebendig werden und sein Innerstes ansprechen, ihn als Mitmenschen berühren. „Das Land der Griechen mit der Seele suchen“, nannte es Goethe.
Das Buch richtet sich daher dezidiert an Laien und spricht eine Sprache, die jeder versteht. Nichts steht der Verzauberung im Wege!
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Seit wir damals im Lateinunterricht Auszüge der Briefe von Plinius d. J. über den Ausbruch des Vesuv und den Untergang von Pompeji übersetzt haben, hat mich diese Stadt fasziniert und das Schicksan der Bewohner berührt, und auf der Abiturfahrt habe ich sie vor über 20 Jahren …
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Seit wir damals im Lateinunterricht Auszüge der Briefe von Plinius d. J. über den Ausbruch des Vesuv und den Untergang von Pompeji übersetzt haben, hat mich diese Stadt fasziniert und das Schicksan der Bewohner berührt, und auf der Abiturfahrt habe ich sie vor über 20 Jahren besucht. Als ich nun von Gabriel Zuchtriegels Buch "Der Zauber des Untergangs" hörte, wollte ich dieses sofort lesen.
Der sehr lebendige Schreibstil des Autors liest sich sehr angenehm und unterhaltsam. In sehr persönlichen Worten geht er auf seine eigene Motivation, Archäologe zu werden, ein und beschreibt für seine Entwicklung prägende Erlebnisse seines Studiums und seines Berufslebens.
Anhand bestimmter Fundstücke in den Häusern von Pompeji, wie der Statue des Apollo Citarista, Mythenbildern im Haus der Vettier oder dem Fries im Haus der Mysterien erklärt Zuchtriegel in den ersten beiden Kapiteln die Bedeutung griechischer Kultur für die Römer, das Verhältnis zur Sexualität in der Antike, altertümliche Statussymbole, Mysterienkulte und Riten. Hierbei geht er auch ausführlich auf die Schwierigkeiten ein, aus dem heutigen kulturellen Blickwinkel heraus die damaligen Bedeutungen zu erfassen und in den Kontext einzuordnen. Dies führt dazu, dass sich in der Deutung vieler Objekte und Bilder die Einschätzungen der Archäologen wesentlich unterscheiden. Im dritten Kapitel stehen mit einem antiken Prunkwagen und der Ausgrabung eines Sklavenzimmers neue Funde in einer Villa bei Civita Giuliana im Mittelpunkt. Besonders interessant fand ich im dritten und vierten Kapitel, welche gesamtgesellschaftlichen Schlüsse sich anhand von einzelnen Grabinschriften und Bestattungsriten ziehen ließen, etwa auf die Bevölkerungszahl im alten Pompeji, das kulturelle Leben (etwa Theateraufführungen in griechischer Sprache), soziale Aufstiegsmöglichkeiten und wirtschaftliche Probleme und Hungersnöte.
Am Ende des Buches befindet sich ein reichhaltiger Bildteil, der unter anderem Aufnahmen aller im Buch besprochener Objekte und Gemälde enthält. Hier wäre es sicherlich noch schöner gewesen, wenn die Bilder an den jeweils passenden Stellen im Text eingefügt worden wären, so dass man sie direkt vor Augen hat. Beim gedruckten Buch ist ein Nachschlagen im Bildteil parallel zum Text relativ komfortabel möglich, beim ebook wären entsprechende Links zum passenden Bild sehr hilfreich.
Fazit: Ein äußerst empfehlenswertes, sehr interessantes und aufschlussreiches Buch, über das ich viele neue Aspekte des antiken Lebens kennengelernt habe, und das durch den offenen und persönlichen Schreibstil von Gabriel Zuchtriegel besticht.
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