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Übersetzungen spielen in Goethes literarischem Schaffen eine wesentliche Rolle. Die Kenntnis der Weltliteratur war ihm maßgeblich auch für die Ausbildung der eigenen ästhetischen Positionen. Goethes Übersetzungen aus fremden Sprachen und ebenso seine Bearbeitungen deutschsprachiger Bühnentexte sind eigenständige literarische Gattungen. Band 11 versammelt all diejenigen Texte, in denen die Übersetzung so bedeutsam ist, daß sie den eigenen poetischen Texten Goethes an Gewicht gleichkommt. Die berühmte Autobiographie des italienischen Renaissancebildhauers und Goldschmieds Benvenuto Cellini ist…mehr

Produktbeschreibung
Übersetzungen spielen in Goethes literarischem Schaffen eine wesentliche Rolle. Die Kenntnis der Weltliteratur war ihm maßgeblich auch für die Ausbildung der eigenen ästhetischen Positionen. Goethes Übersetzungen aus fremden Sprachen und ebenso seine Bearbeitungen deutschsprachiger Bühnentexte sind eigenständige literarische Gattungen. Band 11 versammelt all diejenigen Texte, in denen die Übersetzung so bedeutsam ist, daß sie den eigenen poetischen Texten Goethes an Gewicht gleichkommt. Die berühmte Autobiographie des italienischen Renaissancebildhauers und Goldschmieds Benvenuto Cellini ist mehrfach übersetzt worden. Seine bewegte Lebensgeschichte blieb über die Jahrhunderte faszinierend. Cellinis Lebensbericht und die Arbeit an der Übertragung waren für Goethe ein entscheidender Schritt auf seinem Weg zur eigenen Autobiographie. Auch Voltaire und seine großen Zeitgenossen haben Goethe nachhaltig beeinflußt. In Diderots Dialogroman Le Neveu de Rameau zeigte sich für Goethe exemplarisch die Fähigkeit eines Autors, durch Kreativität eine Lebenskrise zu bewältigen.
Autorenporträt
Goethe, Johann WolfgangJohann Wolfgang Goethe, am 28. August 1749 in Frankfurt am Main geboren, absolvierte ein Jurastudium und trat dann in den Regierungsdienst am Hof von Weimar ein. 1773 veröffentlichte er Götz von Berlichingen (anonym) und 1774 Die Leiden des jungen Werthers. Es folgte eine Vielzahl weiterer Veröffentlichungen, zu den berühmtesten zählen Italienische Reise (1816/1817), Wilhelm Meisters Lehrjahre (1798) und Faust (1808). Johann Wolfgang Goethe starb am 22. März 1832 in Weimar.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.03.1998

Lehrjahre eines wilden Meißlers
Benvenuto Cellini, übersetzt von Goethe / Von Andreas Beyer

Daß die Tätigkeit des Übersetzens zu den "würdigsten" Geschäften im allgemein-geistigen "Weltverkehr" zähle, war eine der Grundüberzeugungen Goethes. Er selbst hat diese Maxime lebenslang befolgt und sich immer wieder in der Kunst der Übertragung geübt. Seine sprachlichen Nachbildungen geraten zumal während der Epoche der Weimarer Klassik zum integralen Teil der eigenen dichterischen Produktion. Dabei bleibt auffällig, daß sich Goethe trotz lebenslanger Affinität zu englischen Autoren, von Shakespeare bis hin zu Byron, als Übersetzer allenfalls in Ansätzen um die englische Literatur bemühte und den romanischen Sprachen den Vorzug gab. Französisch war ihm, nach eigener Auskunft, bereits während seiner Kindheit "wie eine zweite Muttersprache zu eigen geworden"; die ebenfalls noch in der Jugend erworbenen Italienischkenntnisse hatte er während seiner Italien-Reise vertiefen und vervollkommnen können.

Der vorliegende (Teil-)Band der "Bibliothek Deutscher Klassiker" versammelt die Übersetzungen des "Tancred" und des "Mahomet" von Voltaire, Diderots "Rameaus Neffe" sowie das "Leben des Benvenuto Cellini". Die Übertragung des "Mahomet" wie auch "Rameaus Neffe" - der ja in Goethes Übersetzung überhaupt erstmals erschien - sind freilich von außen an Goethe herangetragen worden. Es war der Herzog Carl August, den es nach einer deutschen Fassung des klassischen französischen Dramas verlangte; und das Interesse an Diderots "Dialog" hatte einer der ersten Leser des nachgelassenen Manuskripts, Friedrich Schiller, in Goethe entfacht und befördert. Den "Cellini" spielte Goethe der englische Wahlweimarer Charles Gore zu und gab so zu einer der folgenreichsten Lektüreerfahrungen Goethes Anlaß.

Im Falle des Cellini muß zunächst und vor allem die Wahl des Künstlers erstaunen. Der manieristische Goldschmied, Medailleur und Bildhauer Benvenuto Cellini (1500 bis 1571) ist, ungeachtet eines ebenso polyglotten wie aufgepeitschten Lebens, mit keinem anderen Ort so verbunden geblieben wie mit seiner Heimatstadt Florenz. Kaum eine andere Stadt aber hat Goethe während seiner italienischen Reise in vergleichbarem Maße ignoriert, wie die toskanische Kunstmetropole. Dieses Versäumnis sollte er allerdings in der Folge wiederholt lebhaft bereuen.

Noch 1830 schreibt er seinem aus Italien Bericht auf Bericht häufenden Sohn August: "Durch Deine Beschreibungen wird mir Florenz wieder lebendig, das ich nicht so ausführlich und gründlich gesehen habe wie Du; denn, auf meiner Hinfahrt, riß michs unwiderstehlich nach Rom, und auf der Rückreise, war ich mit Tasso beschäftigt, so daß ich, durch das innere poetische Leben, gegen diese herrliche Außenwelt mich gleichsam verdüstert fand."

Nachweislich in Florenz hatte Goethe nach seiner Abreise aus Rom den Gedanken an Tasso "wieder angeknüpft" und war dabei dem Künstler, der ihm erst ein Jahrzehnt später in seiner Autobiographie bekannt werden sollte, doch näher, als er es ahnte und je wieder sein sollte. Denn nicht nur war die Arno-Stadt einer der zentralen Schauplätze des stürmischen Abenteurerlebens Cellinis. Das, was Goethe im "Tasso" zur Tragödie verwandelt, ist zugleich das in sein prospektives, zupackendes Gegenteil verkehrte Thema von Cellinis Lebensbericht: der Künstler als "cortigiano".

Cellinis Vita stand im Zeichen des Saturn: gegen alle Widerstände setzte er seine früh selbst erkannte Bestimmung zum Künstler durch und gelangte bald nach Rom, wo er Förderer und Mäzene in höchsten Kirchenkreisen fand. Er erlebte den "Sacco di Roma", die Plünderung Roms durch die Söldner Karls V., als kampfesmutiger Artillerist auf der Engelsburg, floh später vor Kabalen nach Frankreich an den Hof seines Gönners Franz I., war danach wieder in seiner Heimat, wo er im Auftrag des Herzogs Cosimo de'Medici sein unumstrittenes Hauptwerk, den "Perseus", schuf und sollte endlich in Florenz bleiben, wo Mißgunst und Mißerfolge seine stets gefährdete, dennoch meist strahlende Karriere beendeten. Durchweg ist sein zwischen Glanz und Elend irisierendes Leben dabei gepaart mit kaum glaublicher krimineller Energie: mit dem Degen nicht weniger gewandt als mit Zunge und Meißel ist er wiederholt wegen gewalttätiger Händel, sexueller Nötigung, verbotener homosexueller Ausschweifungen, Diebstahls - etwa aus der Pretiosensammlung des Papstes - und wenigstens dreier nachgewiesener Morde im Kerker; allein in Florenz haben sich siebenhundert Dokumente über gerichtliche Auseinandersetzungen erhalten. (Beruhigend wäre es allerdings, wenn sich hierzulande herumspräche, daß mit dem Begriff der "Sodomia" im Italienischen vornehmlich der gleichgeschlechtliche Verkehr gemeint ist und er deshalb nicht mit Sodomie übersetzt werden solle.)

In einer entscheidenden Krisenzeit, als sich Cosimo I. Mitte der sechziger Jahre von ihm abwendet, diktiert Cellini sein "Leben". Darin reihen sich Mantel- und Degenepisoden an dramatisch entworfene Zeitzeugenberichte, Schilderungen unbürgerlichen Künstlerlebens an solche erstaunlich vertrauten höfischen Umgangs und endlich enormer Kunstverstand an nahezu virtuos gepflegten Künstlerneid. Zu seinen Lebzeiten blieb dieses frühe Dokument künstlerischer Selbstbehauptung und -verwirklichung unveröffentlicht. Cellini war bis zum Erstdruck 1728 allenfalls als Autor zweier gewichtiger Traktate zur Goldschmiede- und zur Bildhauerkunst (1569) bekannt.

Obschon Goethe der künstlerische Rang Cellinis lebenslang zweifelhaft blieb - allein der ihm entgangene Anblick des Florentiner "Perseus" oder des heute in Wien aufbewahrten "Salzfasses" für Franz I. freilich hätten ihn mit einem Mal von aller vorsichtigen Skepsis befreit -, mußte er sich doch spontan angezogen fühlen von der in dieser Lebensbeschreibung so fulminant entfalteten Abenteurerexistenz des Künstlers. Gleichzeitig mit der Übersetzerarbeit in die Vollendung seines Erziehungsromans vertieft, erkannte Goethe im Leben des Benvenuto Cellini all jene Stationen der eigenen Lebensreise als Künstler in der Gesellschaft wieder, die ihn das Werk als gleichrangig neben dem Roman "Anton Reiser" von Karl Philipp Moritz oder "Wilhelm Meister" begreifen lassen mußten. Er bediente sich bei seiner Übersetzung - die zunächst ab 1796 in zwölf Lieferungen in den "Horen" und erst 1803 als eigenständige Schrift erschien - der Ausgabe des Antonio Cocchi von 1728, der eine fragmentarische Abschrift des Originals zugrunde lag. Erst 1829 besorgte Francesco Tassi die erste gültige Edition der später aufgetauchten ursprünglichen Fassung.

Goethes Übersetzung galt mithin nicht einem authentischen Quellentext und wird als solcher wohl auch kaum konsultiert. Gleichwohl tut die vorliegende Edition, wie schon der entsprechende Band der "Münchner Ausgabe", gut daran, in mustergültig recherchierten Stellenkommentaren die zahllosen Ereignisse, Namen und Werke detailliert nachzuweisen und kompetent zu erläutern. Damit widerfährt der panoramatischen Chronik Gerechtigkeit, als die Cellinis Lebensbericht im Zeitalter des Krieges zwischen Frankreich und dem Kaiser auch zu gelten hat. Die von ihrem Autor wie selbstverständlich über den gesamten Text verstreuten Anspielungen waren für das beim Diktat mitgedachte zeitgenössische Publikum leicht verständlich; in der historischen Distanz freilich bedürfen sie der kritischen Entschlüsselung. Erst mit einem solchen Apparat versehen, erschließt sich das von Cellini virtuos inszenierte Netzwerk der Karrieren und Leidenschaften.

Die Übersetzungsleistung Goethes ist wiederholt getadelt worden. Namentlich Karl Vossler vermißte das "dialektische Kolorit" des Florentinischen und diagnostizierte die gänzliche Verfehlung des eigentümlichen "Stilcharakters" der "Vita". Das ist aus der Sicht des Romanisten und Philologen legitim; es verkennt freilich den ganz eigenen literarischen Gestus, zu dem Goethe sich durch die Vorlage Cellinis ermuntert sah. Als stellvertretenden Lebenslauf hat er den Roman des Italieners in eine ihm zeitgemäß erscheinende Novellistik und Theatralität übertragen, deren ironischer und überlegener Tonfall dem erheblichen Lesevergnügen des Originals kaum nachsteht. Die von Dewitz und Proß hier in Auszügen gegenübergestellten Textbeispiele der von Heinrich Conrad und Alfred Semerau in unserem Jahrhundert erneut in Angriff genommenen Übersetzungen sind Belege dafür, was unvermeidlich passieren muß, wenn deutscher Philologenernst meint, sich an einem der drastischsten Schelmenromane der Neuzeit erproben zu müssen.

Wie schon in der "Münchner Ausgabe" bleibt der "Cellini" auch hier verbannt in die leicht als vernachlässigbare Gelegenheitsbeschäftigung mißzuverstehende Abteilung der "Übersetzungen". Dabei hatte doch gerade Norbert Miller in der Münchner Edition so schlüssig nachgewiesen, daß der "Cellini" an prominenter Stelle innerhalb der Reihe der von Goethe in mimetischer Bewegung nachgezeichneten Lebensläufe und Epochendarstellungen steht. Diese Erkenntnis hätte Anlaß genug sein müssen, ihn endlich in einer ebenso neuen wie sinnfälligen Versuchsanordnung zu präsentieren: gemeinsam nämlich mit den beiden anderen großen Kunstbiographien und Zeitgemälden, Goethes "Jakob Phillipp Hackert" und dem Weimarer Gemeinschaftswerk "Winckelmann und sein Jahrhundert".

Johann Wolfgang Goethe: "Leben des Benvenuto Cellini". Übersetzungen I. Sämtliche Werke, Band 11. Herausgegeben von Wolfgang Proß und Hans-Georg Dewitz. Deutscher Klassiker Verlag, Frankfurt am Main 1998. 1557 S., Abb., geb., 198,- DM.

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