Menachem Kaiser
Gebundenes Buch
Kajzer
Mein Familienerbe und das Abenteuer der Erinnerung
Übersetzung: Hilzensauer, Brigitte
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Ein Memoir voller "Herz, Humor und Intelligenz" (Joshua Cohen) - Menachem Kaiser begibt sich auf Schatzsuche und findet sein Familienerbe.Die Geschichte seiner eigenen Familie hatte den in Toronto geborenen Menachem Kaiser nicht sonderlich interessiert, ehe er nach Polen aufbrach, ins ehemalige schlesische Industriegebiet. Dort besaßen seine Vorfahren einst ein Mietshaus, das von den Nazis enteignet wurde; Versuche einer Restitution waren bisher gescheitert.Und plötzlich befindet man sich inmitten einer abenteuerlichen Ermittlung, begleitet den Erzähler zu skurrilen Schatzsuchern, durchfors...
Ein Memoir voller "Herz, Humor und Intelligenz" (Joshua Cohen) - Menachem Kaiser begibt sich auf Schatzsuche und findet sein Familienerbe.Die Geschichte seiner eigenen Familie hatte den in Toronto geborenen Menachem Kaiser nicht sonderlich interessiert, ehe er nach Polen aufbrach, ins ehemalige schlesische Industriegebiet. Dort besaßen seine Vorfahren einst ein Mietshaus, das von den Nazis enteignet wurde; Versuche einer Restitution waren bisher gescheitert.Und plötzlich befindet man sich inmitten einer abenteuerlichen Ermittlung, begleitet den Erzähler zu skurrilen Schatzsuchern, durchforscht mit ihm Keller und Tunnel, läutet an fremden Türen, beauftragt eine mysteriöse Anwältin ... Vergangenheit und Gegenwart kommen einander in diesem ganz und gar außergewöhnlichen Erinnerungsbuch nahe. Was bedeutet es, ein Erbe anzunehmen, und gibt es überhaupt so etwas wie historische Gerechtigkeit?
Menachem Kaiser wurde 1985 geboren, studierte kreatives Schreiben an der University of Michigan und arbeitet als Autor u. a. für den New Yorker, das Wall Street Journal und The Atlantic. Er lebt in Brooklyn, New York. Für Kajzer, sein erstes Buch, erhielt er 2022 den Sami-Rohr-Preis für jüdische Literatur.
Brigitte Hilzensauer, geboren 1950 in Niedernsill/Salzburg, Studium der Geschichte und Germanistik in Wien, arbeitete zuerst als Lektorin und Redakteurin und übersetzte unter anderem Timothy Snyder, Nick Thorpe, Tim Bonyhady, Kapka Kassabova und die Bücher von Edmund de Waal. Sie lebt in Wien.
Brigitte Hilzensauer, geboren 1950 in Niedernsill/Salzburg, Studium der Geschichte und Germanistik in Wien, arbeitete zuerst als Lektorin und Redakteurin und übersetzte unter anderem Timothy Snyder, Nick Thorpe, Tim Bonyhady, Kapka Kassabova und die Bücher von Edmund de Waal. Sie lebt in Wien.
Produktdetails
- Verlag: Paul Zsolnay Verlag
- Originaltitel: Plunder. A Memoir of Family Property and Nazi Treasure
- Artikelnr. des Verlages: 551/07339
- Seitenzahl: 332
- Erscheinungstermin: 25. September 2023
- Deutsch
- Abmessung: 205mm x 133mm x 31mm
- Gewicht: 429g
- ISBN-13: 9783552073395
- ISBN-10: 3552073396
- Artikelnr.: 67664813
Herstellerkennzeichnung
Zsolnay-Verlag
Vilshofener Straße 10
81679 München
info@hanser.de
Abenteuer Restitution
Menachem Kaiser begibt sich auf eine erzählerisch starke Reise zu den alten Besitztümern seiner Familie
Menachem Kaiser bietet gleich zwei Optionen für den Anfang seiner Geschichte an. Nüchtern und sachlich betrachtet, möchte er den Restitutionsprozess weiterführen, den sein Großvater begonnen hat, aber nicht erfolgreich zu Ende führen konnte. Dabei geht es um ein Mietshaus im polnischen Teil Schlesiens, in Sosnowiec; Kaisers Opa hat eine Kopie des Hypothekenregisters von 1936, die ihn als Besitzer ausweist. Dieses Gebäude wurde von den Nationalsozialisten enteignet, der Großvater deportiert, doch er schaffte es, den Krieg zu überleben und floh über New York nach Toronto. So betrachtet ist es
Menachem Kaiser begibt sich auf eine erzählerisch starke Reise zu den alten Besitztümern seiner Familie
Menachem Kaiser bietet gleich zwei Optionen für den Anfang seiner Geschichte an. Nüchtern und sachlich betrachtet, möchte er den Restitutionsprozess weiterführen, den sein Großvater begonnen hat, aber nicht erfolgreich zu Ende führen konnte. Dabei geht es um ein Mietshaus im polnischen Teil Schlesiens, in Sosnowiec; Kaisers Opa hat eine Kopie des Hypothekenregisters von 1936, die ihn als Besitzer ausweist. Dieses Gebäude wurde von den Nationalsozialisten enteignet, der Großvater deportiert, doch er schaffte es, den Krieg zu überleben und floh über New York nach Toronto. So betrachtet ist es
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ein simpler Akt, ein später Versuch, wenigstens das bisschen mögliche Gerechtigkeit wiederherzustellen. Kaiser startet also das rechtliche Verfahren der Rückforderung des Gebäudes in Sosnowiec.
Dass Tausende Juden in die Städte ihrer Familienherkunft reisen, um Restitutionsprozesse in Gang zu setzen oder "eine Art Erinnerungs-Safari" zu betreiben, führt dazu, dass Kaisers Geschichte in dieser Hinsicht nicht außergewöhnlich ist. Das fasst der Autor selbst gekonnt in Worte. "Hier zeigt sich eine große, vibrierende Dissonanz: Einerseits hat dein Großvater jeden Einzelnen seiner Familienmitglieder verloren; andererseits ist seine Geschichte nichts Besonderes, beinahe klischeehaft."
Und doch sind Kaisers Aufzeichnungen zu seinem Familienerbe und dessen Restitution, die unter dem Titel "Kajzer" jetzt im Paul Zsolnay Verlag erschienen sind, durchaus besonders. Denn der Autor bietet von Beginn an auch eine zweite Möglichkeit, wie seine Geschichte einzuordnen ist, indem er die persönlich-emotionale Bedeutung des verlorenen Erbes schildert. Kaiser hat seinen Großvater, der vor seiner Geburt verstorben ist, nie kennengelernt und hofft, sich ihm durch den Prozess der Rückforderung des Mietshauses annähern zu können: "Vielleicht war das Gebäude das Mittel, Zugang zu einer Geschichte zu erhalten, zu einer Person, die ich immer für unzugänglich, unabänderlich verschlossen gehalten hatte."
Der Restitutionsprozess, den der Autor angestoßen hat, schlägt Wellen: Kaiser lernt die Absurdität des polnischen Rechtssystems ebenso kennen wie die ambivalenten Einstellungen, die in Polen zum Thema Rückforderung von ausländischen Juden vorherrschen. Überwiegend trifft er auf Menschen, die sein Anliegen gutheißen; Verständnis und Unterstützung erhält er insbesondere von "jenen, die in der Familie selbst ein Fluchtnarrativ hatten". Doch die Reaktionen auf seine Forderung nach Restitution fallen nicht durchweg positiv aus, skeptische Stimmen verbuchen sein Vorhaben als unrechtmäßige Aneignung. Kaiser betrachtet den eigenen Fall auch immer wieder im größeren politisch-gesellschaftlichen Kontext: "Ich war ein Jude, der zurückkam, um sich seinen Familienbesitz zu holen - eine regelrechte Trope in Polen. Seit den 1990er Jahren, seit Polen ein demokratischer Staat wurde und, zumindest prinzipiell, Ansprüche auf Privatbesitz zuließ, sind Rückforderungen ein heikles politisches und kulturelles Thema."
Schließlich entwickelt sich Kaisers Geschichte, seine Reise durch Polen, sogar noch zum Abenteuer, denn sein Familienerbe in Sosnowiec führt ihn auf die Spur der historischen Region Schlesien. Er entdeckt deren turbulente Vergangenheit, wodurch die schlesische Identität zu "einer Schichttorte aus Nationalitäten, Loyalitäten, Zugehörigkeitsgefühlen und Sprachen" wurde. Diese Zusammensetzung führt außerdem dazu, dass Mythenbildung eine lange Tradition in dieser Region hat, es eine regelrechte "schlesische Kultur des Mysteriums" gibt. Und eines davon hat es Kaiser besonders angetan: das Projekt Riese, ein unterirdisches Tunnelsystem im Eulengebirge, angelegt von den Nazis in den knapp letzten drei Jahren des Kriegs. Dieses größte aller schlesischen Mysterien entwickelt einen solchen Sog auf den Autor, dass er dessen Erforschung einen großen Teil seines Buchs widmet.
Kaiser gelangt in eine Community aus Schatzsuchern und Entdeckern, die rund um das Projekt Riese kleinen und großen Abenteuern nachjagen, auf der Suche nach Nazi-Gold und anderen im Erdreich verborgenen Artefakten, die irgendetwas mit dem Zweiten Weltkrieg zu tun haben. Der Autor beschreibt diese Entdecker als eine "dreiste Mischung aus Amateur-Historikern, sehr amateurhaften Archäologen, Höhlenforschern und Verschwörungstheoretikern". Von hier an wird es dann richtig skurril, die Verworrenheit des polnischen Rechtssystems war dagegen noch harmlos. Kaiser begleitet die Schatzjäger in die Höhlen, schaut sich ihre Sammlungen aus NS-Artefakten an, die ganze Wohnhäuser füllen, und lässt sich auch ein Saufgelage im Wald nicht entgehen.
Obwohl man sich "bedrängt und niedergeknüppelt fühlt von der Absurdität" der Schatzsucher, folgt aus der Begegnung mit ihnen eine historisch reflektierende Passage, die das bedeutsamste Kapitel des Buchs ausmacht. Der Autor führt darin aus, warum es unverantwortlich sei, die Verschwörungstheorien rund ums Projekt Riese nur zu belächeln. "Denn unter den durchgeknallten Behauptungen lauert ein hinterhältiger Anspruch: dass deine Vorstellung vom Krieg falsch ist. Die Verschwörungstheorie beharrt darauf, das Narrativ umzugestalten. Sie überbetont auf radikale Weise die Nazi-Agenda und unterbetont auf radikale Weise die Toten. Der Genozid wird zu etwas Zufälligem gemacht. Solche Theorien zu dulden, auch im Spott, bedeutet, ihnen Macht zu verleihen. Man muss bezahlen dafür, über etwas zu lachen, was verurteilt werden sollte."
Diese Überlegungen verleihen Kaisers Buch eine dringliche Aktualität und markieren einen wichtigen Standpunkt in der Debatte um Erinnerungspolitik. Trotzdem ist "Kajzer" kein reines Sachbuch: In der erwähnten Dualität aus sachlich-nüchternem und emotional-persönlichem Zugang liegt eine weitere Stärke. Denn Kaiser erzählt sein Memoir nicht nur als Abenteuergeschichte, er lässt auch teilhaben an den Emotionen, die ihn begleiten, und er reflektiert seine Position in dem Restitutionsprozess im Spezifischen ebenso wie in der Geschichte im Allgemeinen. Noch dazu verleiht auch seine Sprache dem Buch eine erzählerische Note; die Übersetzung von Brigitte Hilzensauer konnte seine Metaphorik und den Humor gut ins Deutsche transportieren. Menachem Kaiser hat mit seinem ersten Buch bewiesen, dass die Aufarbeitung des familiären Erbes sich gelohnt hat. EMILIA KRÖGER
Menachem Kaiser:
"Kajzer". Mein Familienerbe und das Abenteuer der Erinnerung.
Aus dem Englischen von Brigitte Hilzensauer. Paul Zsolnay Verlag, Wien 2023. 336 S., geb., 28,- Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Dass Tausende Juden in die Städte ihrer Familienherkunft reisen, um Restitutionsprozesse in Gang zu setzen oder "eine Art Erinnerungs-Safari" zu betreiben, führt dazu, dass Kaisers Geschichte in dieser Hinsicht nicht außergewöhnlich ist. Das fasst der Autor selbst gekonnt in Worte. "Hier zeigt sich eine große, vibrierende Dissonanz: Einerseits hat dein Großvater jeden Einzelnen seiner Familienmitglieder verloren; andererseits ist seine Geschichte nichts Besonderes, beinahe klischeehaft."
Und doch sind Kaisers Aufzeichnungen zu seinem Familienerbe und dessen Restitution, die unter dem Titel "Kajzer" jetzt im Paul Zsolnay Verlag erschienen sind, durchaus besonders. Denn der Autor bietet von Beginn an auch eine zweite Möglichkeit, wie seine Geschichte einzuordnen ist, indem er die persönlich-emotionale Bedeutung des verlorenen Erbes schildert. Kaiser hat seinen Großvater, der vor seiner Geburt verstorben ist, nie kennengelernt und hofft, sich ihm durch den Prozess der Rückforderung des Mietshauses annähern zu können: "Vielleicht war das Gebäude das Mittel, Zugang zu einer Geschichte zu erhalten, zu einer Person, die ich immer für unzugänglich, unabänderlich verschlossen gehalten hatte."
Der Restitutionsprozess, den der Autor angestoßen hat, schlägt Wellen: Kaiser lernt die Absurdität des polnischen Rechtssystems ebenso kennen wie die ambivalenten Einstellungen, die in Polen zum Thema Rückforderung von ausländischen Juden vorherrschen. Überwiegend trifft er auf Menschen, die sein Anliegen gutheißen; Verständnis und Unterstützung erhält er insbesondere von "jenen, die in der Familie selbst ein Fluchtnarrativ hatten". Doch die Reaktionen auf seine Forderung nach Restitution fallen nicht durchweg positiv aus, skeptische Stimmen verbuchen sein Vorhaben als unrechtmäßige Aneignung. Kaiser betrachtet den eigenen Fall auch immer wieder im größeren politisch-gesellschaftlichen Kontext: "Ich war ein Jude, der zurückkam, um sich seinen Familienbesitz zu holen - eine regelrechte Trope in Polen. Seit den 1990er Jahren, seit Polen ein demokratischer Staat wurde und, zumindest prinzipiell, Ansprüche auf Privatbesitz zuließ, sind Rückforderungen ein heikles politisches und kulturelles Thema."
Schließlich entwickelt sich Kaisers Geschichte, seine Reise durch Polen, sogar noch zum Abenteuer, denn sein Familienerbe in Sosnowiec führt ihn auf die Spur der historischen Region Schlesien. Er entdeckt deren turbulente Vergangenheit, wodurch die schlesische Identität zu "einer Schichttorte aus Nationalitäten, Loyalitäten, Zugehörigkeitsgefühlen und Sprachen" wurde. Diese Zusammensetzung führt außerdem dazu, dass Mythenbildung eine lange Tradition in dieser Region hat, es eine regelrechte "schlesische Kultur des Mysteriums" gibt. Und eines davon hat es Kaiser besonders angetan: das Projekt Riese, ein unterirdisches Tunnelsystem im Eulengebirge, angelegt von den Nazis in den knapp letzten drei Jahren des Kriegs. Dieses größte aller schlesischen Mysterien entwickelt einen solchen Sog auf den Autor, dass er dessen Erforschung einen großen Teil seines Buchs widmet.
Kaiser gelangt in eine Community aus Schatzsuchern und Entdeckern, die rund um das Projekt Riese kleinen und großen Abenteuern nachjagen, auf der Suche nach Nazi-Gold und anderen im Erdreich verborgenen Artefakten, die irgendetwas mit dem Zweiten Weltkrieg zu tun haben. Der Autor beschreibt diese Entdecker als eine "dreiste Mischung aus Amateur-Historikern, sehr amateurhaften Archäologen, Höhlenforschern und Verschwörungstheoretikern". Von hier an wird es dann richtig skurril, die Verworrenheit des polnischen Rechtssystems war dagegen noch harmlos. Kaiser begleitet die Schatzjäger in die Höhlen, schaut sich ihre Sammlungen aus NS-Artefakten an, die ganze Wohnhäuser füllen, und lässt sich auch ein Saufgelage im Wald nicht entgehen.
Obwohl man sich "bedrängt und niedergeknüppelt fühlt von der Absurdität" der Schatzsucher, folgt aus der Begegnung mit ihnen eine historisch reflektierende Passage, die das bedeutsamste Kapitel des Buchs ausmacht. Der Autor führt darin aus, warum es unverantwortlich sei, die Verschwörungstheorien rund ums Projekt Riese nur zu belächeln. "Denn unter den durchgeknallten Behauptungen lauert ein hinterhältiger Anspruch: dass deine Vorstellung vom Krieg falsch ist. Die Verschwörungstheorie beharrt darauf, das Narrativ umzugestalten. Sie überbetont auf radikale Weise die Nazi-Agenda und unterbetont auf radikale Weise die Toten. Der Genozid wird zu etwas Zufälligem gemacht. Solche Theorien zu dulden, auch im Spott, bedeutet, ihnen Macht zu verleihen. Man muss bezahlen dafür, über etwas zu lachen, was verurteilt werden sollte."
Diese Überlegungen verleihen Kaisers Buch eine dringliche Aktualität und markieren einen wichtigen Standpunkt in der Debatte um Erinnerungspolitik. Trotzdem ist "Kajzer" kein reines Sachbuch: In der erwähnten Dualität aus sachlich-nüchternem und emotional-persönlichem Zugang liegt eine weitere Stärke. Denn Kaiser erzählt sein Memoir nicht nur als Abenteuergeschichte, er lässt auch teilhaben an den Emotionen, die ihn begleiten, und er reflektiert seine Position in dem Restitutionsprozess im Spezifischen ebenso wie in der Geschichte im Allgemeinen. Noch dazu verleiht auch seine Sprache dem Buch eine erzählerische Note; die Übersetzung von Brigitte Hilzensauer konnte seine Metaphorik und den Humor gut ins Deutsche transportieren. Menachem Kaiser hat mit seinem ersten Buch bewiesen, dass die Aufarbeitung des familiären Erbes sich gelohnt hat. EMILIA KRÖGER
Menachem Kaiser:
"Kajzer". Mein Familienerbe und das Abenteuer der Erinnerung.
Aus dem Englischen von Brigitte Hilzensauer. Paul Zsolnay Verlag, Wien 2023. 336 S., geb., 28,- Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Emilia Kröger bekommt mit Menachem Kaisers Buch viel mehr als ein Memoir, das sich der Aufarbeitung der eigenen Familiengeschichte widmet. Indem der Autor nicht nur den Restitutionsprozess des großväterlichen Eigentums betreibt und dokumentiert, sondern dabei auch Exkurse zu schlesischen Mythen, zu den Absurditäten der polnischen Justiz oder den Nazischatz-Suchern und Verschwörungstheoretikern rund um das "Projekt Riese" unternimmt, verleiht er seiner Arbeit laut Kröger Aktualität. Der Mix aus nüchternen und emotionalen Passagen und Kaisers Humor, den Brigitte Hilzensauer für Kröger überzeugend ins Deutsche übersetzt hat, stehen dem Buch zudem gut, findet die Rezensentin.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
"Interessante Charaktere, überraschende Wendungen, spannende Momente, ein offenes Ende, dazu noch Sprachwitz und Erzählkunst." René Schlott, Cicero, März 2024 "Kurzweilig, pointiert und mit viel Sinn für Humor erzählt ... eine große, lesenswerte und erhellende Reportage." Michael Schleicher, Münchner Merkur, 14.11.23 "Das Echo einer großen Geschichte. Spannend, lebendig und sehr persönlich erzählt." New York Times "Was 'Kajzer' von anderen ähnlichen Berichten unterscheidet, ist sein hinterfragender, satirischer Ton, der einige der moralischen Gewissheiten des Genres ins Wanken bringt und dessen Klischees auf den Kopf stellt." London Review of Books "Dieses Buch ist hervorragend geschrieben und liest sich wie ein packender Abenteuerroman." Publishers Weekly "Eines Thrillers würdig ... Ein beispielhafter Beitrag zur neueren Literatur über die bewegte Geschichte der Shoah." Kirkus Reviews
Klappentext:
„Die Geschichte seiner eigenen Familie hatte den in Toronto geborenen Menachem Kaiser nicht sonderlich interessiert, ehe er nach Polen aufbrach, ins ehemalige schlesische Industriegebiet. Dort besaßen seine Vorfahren einst ein Mietshaus, das von den Nazis enteignet wurde; …
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Klappentext:
„Die Geschichte seiner eigenen Familie hatte den in Toronto geborenen Menachem Kaiser nicht sonderlich interessiert, ehe er nach Polen aufbrach, ins ehemalige schlesische Industriegebiet. Dort besaßen seine Vorfahren einst ein Mietshaus, das von den Nazis enteignet wurde; Versuche einer Restitution waren bisher gescheitert.
Und plötzlich befindet man sich inmitten einer abenteuerlichen Ermittlung, begleitet den Erzähler zu skurrilen Schatzsuchern, durchforscht mit ihm Keller und Tunnel, läutet an fremden Türen, beauftragt eine mysteriöse Anwältin …
Vergangenheit und Gegenwart kommen einander in diesem ganz und gar außergewöhnlichen Erinnerungsbuch nahe. Was bedeutet es, ein Erbe anzunehmen, und gibt es überhaupt so etwas wie historische Gerechtigkeit?“
Autor Menachem Kaiser will uns hier in seinem aktuellen Buch seine jüdische Familiengeschichte erzählen. Um diese aber erzählen zu können muss er auf Spurensuche gehen. Vorab: Das Buch ist weder Roman noch Sachbuch noch Roadtrip. So richtig in ein Genre lässt es sich nicht stecken und es fällt auch schwer hier zu bewerten. Warum? Kaiser verzettelt sich einfach mehr und mehr in seinem Geschreibe und seinem Erzählstoff. Zudem bin ich hin und her gerissen ob er überhaupt einen Fokus für sich gesetzt hat. Zum Einen wird schnell klar, eigentlich will er gar nichts weiter über seine Familie wissen aber dann irgendwie doch - sei’s drum. Also begibt er sich auf Spurensuche gen Polen. Woher der Sinneswandel? Mal findet er etwas von seinem Großvater dann von dem dann von dem und bleibt schlussendlich bei der Geschichte des Bruders seines Großvaters stecken. Zum Anderen verbeißt er sich in all den ganzen Geschichten und sein Forscherdrang und der Drang seine Wurzeln kennenzulernen wird immens groß. Man kann das alles ja verstehen aber es ist wahrlich schwierig dem Autor zu folgen und irgendeinem roten Faden zu folgen. Kaiser erlebt und entdeckt so viel und muss dies erstmal verarbeiten. Keine Frage sind Schatzsuche und Co. mehr als spannend aber findet er denn das was er sucht? Was sucht er denn wirklich? Nur die Geschichten oder aber Geschichten und somit Einblicke in seine Familie und somit auch zu seinen Wurzeln? Kann er eine Beziehung zu all dem aufbauen? Oft wirkt dies leider nicht so, sondern eher nach Effekthascherei. Als Leser folgt man Kaiser mühselig und ist irgendwie Teil einer Reise aber der Tenor bzw. Kaisers eigentliche Erkenntnis geht in all dem Wirrwarr unter oder taucht vielleicht auch gar nicht auf. Es gibt einfach zu viele Längen im Buch, bei denen man als Leser schon Durchhaltevermögen braucht. Neben all der Ahnenforschung gibt Kaiser aber auch Einblicke in die polnische Politik und das Geschehen wie dort mit der Nazi-Vergangenheit umgegangen wird. Dieser Part war für mich der spannendste da ich hier selbst Erfahrungen aus meiner Familie vergleichen konnte die ebenfalls mal auf Spurensuche in Schlesien unterwegs war. Zumal es höchst interessant ist, wenn plötzlich „Auswärtige“ auftauchen, die in alten Wunden bohren und nach Dingen fragen, die man einfach gern verdrängt und über die man eben nich spricht. Aber mehr interessantes gab es für mich in diesem Buch leider nicht. Ich hatte große Erwartungen aber leider wurden die nicht erfüllt. neutrale 2,5 Sterne von mir.
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Interessante Familiengeschichte
"Kajzer" ist eine abenteuerliche Reise, auch wenn der Autor manchmal den roten Faden zu verlieren scheint, wodurch die ein oder andere Passage langatmig wirkt und sich im Nichts verliert. Der Autor bezeichnet sein Buch als Sachbuch, das kann ich nicht so …
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Interessante Familiengeschichte
"Kajzer" ist eine abenteuerliche Reise, auch wenn der Autor manchmal den roten Faden zu verlieren scheint, wodurch die ein oder andere Passage langatmig wirkt und sich im Nichts verliert. Der Autor bezeichnet sein Buch als Sachbuch, das kann ich nicht so ganz verstehen. Für mich ist eine Geschichte auf der Suche nach der Vergangenheit der eigenen Familie sowie das Aufzeichnen der Probleme, die sich ergeben, wenn man ehemaligen Familienbesitz wieder zurück in die Familie bringen möchte.
Der Autor hat seinen Großvater nicht kennengelernt und macht sich hartnäckig auf die Reise in die Vergangenheit. Das hat mir sehr gut gefallen und mich auch sehr angeregt über meine Vorfahren nachzudenken. Bei uns gibt es einen Stammbaum, der weit zurückgeht, aber über meine Vorfahren habe ich nur wenig erfahren, da ich weder meine Opas, die im Krieg gefallen sind, noch meine Omas, die schon früh gestorben sind, kennengelernt habe. Jetzt hat mich das Buch sehr nachdenklich gemacht über meine eigene Familie. Wie kann ich mehr darüber erfahren? Das will ich nun auch in die Hand nehmen.
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Abenteuerliche Reise in die eigene Familiengeschichte
"Kajzer" ist ein flott geschriebenes Buch über die Reise von Menachem Kaiser, um den Besitz seines Großvaters in Polen zurückzuerlangen, der seiner Familie während des Holocausts gestohlen wurde. Menachem Kaiser …
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Abenteuerliche Reise in die eigene Familiengeschichte
"Kajzer" ist ein flott geschriebenes Buch über die Reise von Menachem Kaiser, um den Besitz seines Großvaters in Polen zurückzuerlangen, der seiner Familie während des Holocausts gestohlen wurde. Menachem Kaiser hat außer seinem Vater keinen seiner familiären Vorfahren gekannt, ist aber mit den Geschichten vieler seiner Verwandten, einschließlich seines Großvaters, während des Holocausts aufgewachsen. Auf seiner Reise nach und durch Polen erfährt der Autor Neues und Unbekanntes über seine Vorfahren und begegnet Nazi-Schatzsuchern, die nach vergrabenen Schätzen und versteckten Relikten aus der Nazizeit suchen.
Es geht um Nazi-Verschwörungstheorien, Mythenbildung, Nostalgie und Erinnerung. Zudem wird man Zeuge der polnischen Bürokratie, taucht in die Lager von Nazi-Schatzsuchern ein und lernt vergessene Geschichte und Geheimnisse kennen.
Kaisers Beobachtungen sind scharfsinnig, er liefert keine moralische und historische Klarheit, sondern zeigt die Zweideutigkeit seiner Suche nach Antworten auf und dass es die eine Wahrheit nicht gibt.
"Kajzer" ist eine abenteuerliche und fesselnde Reise, auch wenn der Autor manchmal den roten Faden zu verlieren scheint, wodurch die ein oder andere Passage langatmig wirkt und sich im Nichts verliert. Es wirkt etwas unfertig. Dennoch ist es dank des lebendigen Schreibstils des Autors eine kurzweilige und sehr interessante Reise in die Familiengeschichte des Autors und eine etwas andere Geschichte über den Holocaust, die durchaus zum Nachdenken anregt.
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Wie bedeutsam es ist, seine Vorfahren zu ehren
Menachem Kaiser nimmt uns mit auf die Spuren seiner jüdischen Vorfahren, die in Polen gelebt haben. "Kajzer" ist ein Sachbuch und kein ausschmückender Roman, so dass wir stellenweise wie in einem Geschichtsbuch blättern und …
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Wie bedeutsam es ist, seine Vorfahren zu ehren
Menachem Kaiser nimmt uns mit auf die Spuren seiner jüdischen Vorfahren, die in Polen gelebt haben. "Kajzer" ist ein Sachbuch und kein ausschmückender Roman, so dass wir stellenweise wie in einem Geschichtsbuch blättern und erstarren. Der Einstieg beginnt mit sehr wenigen Hinweisen über seinen Großvater, den er selbst nicht gekannt und der, als einziger seiner Familie, den Holocaust überlebt hat. Sein Vater berichtet über ein erfolgloses Ansuchen seines Vaters, ein in Polen befindliches Familienanwesen wiederzuerlangen. Hier beginnt ein mühsames Puzzlespiel. Wir erfahren von dem immer noch ungeklärten unterirdischen Naziprojekt "Riese", in dem sich Schatzsucher, wie Hobbygräber mit modernstem Gerät tummeln und lesen von den schrecklichen Konzentrationslagern, die relativ geballt in Schlesien angelegt wurden. Wir erleben wie der Autor mit Hilfe eines Freundes, einer Übersetzerin, polnischer Anwältin und einer Portion zufälliges Glück mehr und mehr über seine Familie in Erfahrung bringt. Eine unglaubliche und doch leider wahre Geschichte erwartet den Leser und sollte ihn hellhörig werden lassen, um daraus zu lernen und zu verstehen. Unbedingt Lesen!
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Kaiser oder Kejzer?!
Menacham Kaiser schreibt über seine Familie - die Familie Kajzer oder Kaiser, die im Polen lange lebte, bis der Nationalsozialismus kam, die meisten der Familie in den Konzentrationslagern ermordet wurden und der überlebende Großvater in die USA emigrierte. …
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Kaiser oder Kejzer?!
Menacham Kaiser schreibt über seine Familie - die Familie Kajzer oder Kaiser, die im Polen lange lebte, bis der Nationalsozialismus kam, die meisten der Familie in den Konzentrationslagern ermordet wurden und der überlebende Großvater in die USA emigrierte. Menacham ist nun der Enkel und schreibt darüber, wie es ist, wenn man jahrzente später, ohne den Großvater gekannt zu haben, sich diesem über die hinterlassenen Zeugnisse zu näher und wie es ist, wenn da plötzlich ein Haus ist, das eigentlich seiner Familie gehört, aber dessen Besitzverhältnisse nun unklar sind und es wohnen ja auch schon längst andere Menschen darin.
Kaiser schweift auf dieser Reise zu sich selbst, seiner Familie und diesem Erbe immer wieder ab, aber dabei ist er dennoch immer irgendwie mit dem Thema Nationalsozialismus, Judentum oder einfach Beziehung zu Familienmitgliedern verhaftet. Dabei habe ich viel gelernt, wurde dennoch gut unterhalten und bin interessiert mich mit einigen Themen mehr zu beschäftigen.
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Über seinen Großvater wusste Menachem Kaiser kaum etwas, obwohl sie den gleichen Namen tragen - eigentlich nur, dass dieser als Einziger seiner Familie die Shoah überlebt hat. Als er aus beruflichen Gründen in Schlesien ist, wo sein Großvater geboren wurde, …
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Über seinen Großvater wusste Menachem Kaiser kaum etwas, obwohl sie den gleichen Namen tragen - eigentlich nur, dass dieser als Einziger seiner Familie die Shoah überlebt hat. Als er aus beruflichen Gründen in Schlesien ist, wo sein Großvater geboren wurde, beschließt er aber, das Haus dessen Kindheit aufzusuchen. An diesem emotionalen und geographischen Startpunkt beginnt für Kaiser eine mehrjährige Reise durch Polen, Deutschland und Israel, auf der er versucht, der Geschichte seines ihm so unbekannten Großvaters näher zu kommen.
Diese Reise nimmt so viele unerwartete Wendungen und streift so viele überraschende Themen, dass das Buch mehr ist als die anfangs erwartete Spurensuche eines jungen Mannes nach den Wurzeln seiner Familie. Es ist ein Werk über die Auswirkungen der Shoah auf jüdische Traditionen und den Umgang mit den nationalsozialistischen Verbrechen in Polen, vor allem aber über die Frage, wie wir uns erinnern, wie wir Familiengeschichte erzählen, welche Verbindungen zu Orten über Generationen bestehen und was es heißt, auf der Suche danach sich selbst zu finden. Ein wichtiges, nachdenklich stimmendes Buch!
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Interessant bis spannend
Ich bin mit einer bestimmten Erwartung an das Buch gegangen. Ich dachte, es würde sich darum drehen, jüdischen Grundbesitz in Polen zurück zu erhalten. Aber das trifft nur für einen Teil dieses Buches zu.
Es ist ein Sachbuch, kein Roman. Das machte es …
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Interessant bis spannend
Ich bin mit einer bestimmten Erwartung an das Buch gegangen. Ich dachte, es würde sich darum drehen, jüdischen Grundbesitz in Polen zurück zu erhalten. Aber das trifft nur für einen Teil dieses Buches zu.
Es ist ein Sachbuch, kein Roman. Das machte es manchmal schwierig für mich, wenn sich der Autor ein wenig in philosophische Betrachtungen seiner Erlebnisse und Entdeckungen verstieg.
Aber die Hartnäckigkeit, mit der Kaiser über Jahre mit seiner Anwältin kämpfte, um in Polen so etwas wie Recht gesprochen zu bekommen, ist schon bemerkenswert. Ich wusste nicht, dass es einen Unterschied gibt, jemanden für tot zu erklären oder anzuerkennen, dass jemand tot ist. Polen macht es offensichtlich den Holocausterben nicht einfach, verlorenen Besitz wieder zu erhalten.
Überhaupt glaube ich, auch in heutiger Zeit in Polen eine Art Antisemitismus aus den Erlebnissen des Autors zu erkennen.
Ich muss gestehen, von der Aktion Riese der Nazis habe ich zum ersten Mal gelesen. Allerdings kann man im Internet ja über fast alles recherchieren und deshalb weiß ich nun etwas mehr darüber.
Über den legendären Goldzug der Nazis habe ich vor ein paar Jahren neue Entwicklungen, die offensichtlich im Sande verliefen, mitbekommen. Auch interessante Einblicke in ein Stück Verbrechensgeschichte.
Sehr spannend empfand ich die Entdeckung eines „Großvaters“ von Kaiser, eigentlich der Cousin seines Großvaters. Was Kaiser hier herausgefunden hat, ist sehr interessant und war auch völlig unerwartet. Für mich der sympathischste Teil dieses Buches.
Wer also nur eine Geschichte über ein verlorenes Haus erwartet, sieht sich mit vielen anderen Geschichten konfrontiert, die alle gut recherchiert erscheinen. Es lohnt sich, dieses Buch zu lesen.
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Ambivalenz und Aufarbeitung
„[…] wogende Hügel, fette Heuballen, Berge in der Ferne. Ein paar große moderne Häuser, weit genug auseinander, um als Teil der Szenerie durchzugehen. Es fühlte sich vertraut an, oder vielleicht meine ich nicht vertraut, sondern …
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Ambivalenz und Aufarbeitung
„[…] wogende Hügel, fette Heuballen, Berge in der Ferne. Ein paar große moderne Häuser, weit genug auseinander, um als Teil der Szenerie durchzugehen. Es fühlte sich vertraut an, oder vielleicht meine ich nicht vertraut, sondern erwartet: So sieht ein Ort mit der schrecklichsten Geschichte aus, so etwas geschieht, wenn die Zeit sich darüber hergemacht hat. Je düsterer die Geschichte, desto opulenter die Landschaft? Schotterwerk hatte zumindest elf Baracken und beherbergte mindestens 1250 Häftlinge. Ich blieb nicht länger; das Malerische verstimmte mich.“ (S. 235)
Menachem Kaiser, kanadischer Autor mit Jüdischen Wurzeln, macht sich auf, die Geschichte seiner Familie zu ergründen. Schnell gerät sein Großvater, den er nie kennengelernt hatte, in den Fokus seines Interesses. Wenig weiß er über ihn, doch plötzlich findet er heraus, dass sich der Vater seines Vaters über 20 Jahre darum bemüht hatte, Restitution für ein Haus in einer polnischen Stadt, welches die Familie durch die Shoa verloren hatte, zu erlangen. Hier beginnt die abenteuerliche Reise, die den Autor zahlreiche Male nach Polen führt; die ihn wundersame Menschen treffen; die berührende Geschichten über seine Verwandtschaft zutage treten und die ihn die schrecklichste aller Geschichten ein Stück weit aufarbeiten lässt.
Die Erzählung über seine Familie und die Idee seines Großvaters, das Haus in Polen wieder in Familienbesitz zurückzuholen, wiederaufzunehmen und selbst dabei sein Glück zu versuchen, beginnt spannend und kurzweilig. Immer wieder lässt der Autor die Leser/innen an seinen teils philosophischen und moralischen Gedankengängen teilhaben. Es ist durchaus erhellend mitzuverfolgen, wie er sich in Polen auf Spurensuche begibt, die Bewohner/innen des mutmaßlichen Familienhauses kennenlernt und sich mit dem Polnischen Justizsystem durchschlägt. Doch dann, nach rund 60 Seiten, beginnen weitere knapp 100 Seiten, die mich fast zur Aufgabe getrieben hätten. Für meinen Geschmack viel zu ausführlich beschreibt er Begegnungen mit sogenannten Schatzsuchern, die eine Obsession mit einem mysteriösen, unterirdischen Nazi-Bauwerk, genannt „Riese“, entwickelt haben und ihr Leben scheinbar der Schatzsuche in diesem Gebilde verschrieben haben. Kaiser fühlt sich wohl von ihnen angezogen als auch abgestoßen zugleich – die Faszination muss aber doch so stark gewesen sein, dass er es wert fand, beinahe 100 Seiten über sie zu schreiben. Warum dies so ausführlich geschehen musste und was das zum Fortgang der Geschichte, die er erzählen mag, beigetragen hat, ist mir nach (doch noch geschaffter) Beendigung des Buches überhaupt nicht klar. Ein kurzes Kapitel darüber wäre meines Erachtens ausreichend gewesen. So habe ich das Buch genommen, ein paar Seiten gelesen, es aus Langeweile wieder weggelegt, pflichtbewusst wieder aufgenommen – und nach kurzer Zeit wieder weggelegt. Immer und immer wieder habe ich mir gedacht, ich muss dem Buch noch eine Chance geben. Und nachdem die Ergüsse über die Schatzsucher ein Ende nahm, wurde ich belohnt: es wurde wieder lesbar! Wie ein Detektiv ergründet er die Geschichten seiner Verwandtschaft – besonders jene von Abraham, einem Cousin seines Großvaters (auf den er zugegebenermaßen durch die Schatzsucher gekommen ist) – seine Erlebnisse sind berührend und unergründlich zugleich. Das Ende des Buches finde ich jedoch irgendwie wieder unbefriedigend. Für mich wirkt es nicht abgerundet – eine Sache bleibt unabgeschlossen – ich möchte hier nicht spoilern, aber er hätte mit dem Abschluss des Buches ruhig noch den Ausgang abwarten können. Auch wenn das noch 20 Jahre gedauert hätte, die erzählte Geschichte hat nichts an Dringlichkeit.
Für mich ist das Buch sehr ambivalent – einerseits hochspannend und stilistisch gut geschrieben, andererseits nervtötend und das Ende nicht zufriedenstellend. Der Autor lässt einen in die Jüdische Lebenswelt eintauchen, bringt den Lesenden aber auch seine Wahrnehmung der Polnischen Gesellschaft näher und gibt Einblicke in den Umgang mit deren Nazi-Vergangenheit. Ich bin überzeugt, dass es bessere Bücher über die Spurensuche in die Jüdische (Familien-)Vergangenheit gibt, nichts desto trotz hat „Kajzer“ seine interessanten und bereichernden Seiten.
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Mühsame Suche
Menachem Kaiser ist nach seinem Großvater benannt, den er nie kennengelernt hat. Irgendwann macht er sich auf die Suche nach dessen Wurzeln in Polen und entdeckt auch das Haus, dass ehemals der Familie Kajzer in einem kleinen Ort in Schlesien gehörte. Mit Hilfe einer …
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Mühsame Suche
Menachem Kaiser ist nach seinem Großvater benannt, den er nie kennengelernt hat. Irgendwann macht er sich auf die Suche nach dessen Wurzeln in Polen und entdeckt auch das Haus, dass ehemals der Familie Kajzer in einem kleinen Ort in Schlesien gehörte. Mit Hilfe einer Rechtsanwältin möchte er die Besitzverhältnisse klären und ausloten, ob die Familie Aussicht hat das Haus zurückzuerhalten. Aber alle verheddern sich im Dickicht der polnischen Bürokratie. Statt dessen bekommt Kaiser Kontakt zu der Szene polnischer "Forscher", die im Eulengebirge nach den Resten des "Projekt Riese" der Nazis suchen. Gegen Ende des 2. Weltkriegs wollten die Nazis hier eine unterirdische Stadt errichten, in der neben dem neuen Führerhauptquartier auch Fabriken für Waffen entstehen sollten. Zwangsarbeiter mussten damals Stollen in die Berge treiben und die Forscher suchen nach Überresten der Stollen und dem legendären "Gold-Zug", der in einem der Stollen versteckt sein soll.
Auch entdeckt er das Tagebuch seines Großonkels Abraham Kaiser, der als Zwangsarbeiter in den Außenlagern des KZ "Groß Rosen" arbeiten musste und Aufzeichnungen hinterlassen hat, die in Polen als Buch erschienen.
Kaiser schreibt sehr akribisch und detailverliebt von seiner Suche, manchmal auch etwas langatmig. Trotzdem ist das Buch interessant für alle, die sich für Zeitgeschichte interessieren, denn es arbeitet viele Themen auf, die die Nachkommen der ermordeten Juden bis heute belasten. Die Forscherszene mit allen ihren Verschwörungstheorien und ihre Geisterglauben war für mich allerdings eine fremde Welt.
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Nachhallend, ehrlich, menschlich.
Menachem Kaiser wollte keinen Roman schreiben, denn das hätte aus seiner Geschichte auch genau das gemacht: eine Geschichte. Stattdessen wollte er seine Wahrheit erzählen, und deshalb ist dieses Buch ein Sachbuch geworden, ein Erinnerungsbuch, und das …
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Nachhallend, ehrlich, menschlich.
Menachem Kaiser wollte keinen Roman schreiben, denn das hätte aus seiner Geschichte auch genau das gemacht: eine Geschichte. Stattdessen wollte er seine Wahrheit erzählen, und deshalb ist dieses Buch ein Sachbuch geworden, ein Erinnerungsbuch, und das geht näher als so manch ein Roman.
Kaiser macht sich auf die Suche nach den Spuren seines Großvaters, den er nie kennengelernt hat, und nach den Spuren seiner Familie, die den Holocaust größtenteils nicht überlebt hat. Diese Suche führt ihn vor allem nach Polen, und Kaiser stellt sich auf dieser Suche Fragen - Fragen, die auch mal zwicken. Was ist Erbe und was ist Vermächtnis? Welcher Wert ist der wichtigere - der materielle, historische oder sentimentale? Was passiert, wenn Erinnerungen zu unserer eigenen Geschichte werden? Und was machen wir mit dem Unwissbaren unserer eigenen Geschichte? In all seinen Antworten schont Kaiser sich selbst nicht, er ist ehrlich zu sich selbst und zu uns und das löst das gleiche beim Leser aus (wobei man sich jedoch durchgehend aufgehoben fühlt). Dieses Buch ist intim weil persönlich, und zugleich unglaublich nahbar weil menschlich. Große Leseempfehlung.
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