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"Houellebecq hat eine Erbin." (Marianne). Marion Messina blickt auf das Leben und Scheitern einer jungen Frau in Paris - ihr furioses Debüt ist ein Stich ins Herz unserer krisengeschüttelten Gegenwart.Als ihre erste Liebe scheitert, zieht die neunzehnjährige Aurélie von Grenoble nach Paris. Dort will sie endlich in vollen Zügen leben und mit ihrem Jurastudium die provinziellen Arbeiterbiographien ihrer Eltern hinter sich lassen. Aber in Paris reicht es gerade mal für einen Job als Empfangsdame, der Wohnungsmarkt entpuppt sich als anarchische Zone und die Liebe ist eine Farce zwischen fre...
"Houellebecq hat eine Erbin." (Marianne). Marion Messina blickt auf das Leben und Scheitern einer jungen Frau in Paris - ihr furioses Debüt ist ein Stich ins Herz unserer krisengeschüttelten Gegenwart.Als ihre erste Liebe scheitert, zieht die neunzehnjährige Aurélie von Grenoble nach Paris. Dort will sie endlich in vollen Zügen leben und mit ihrem Jurastudium die provinziellen Arbeiterbiographien ihrer Eltern hinter sich lassen. Aber in Paris reicht es gerade mal für einen Job als Empfangsdame, der Wohnungsmarkt entpuppt sich als anarchische Zone und die Liebe ist eine Farce zwischen freundlichen Arrangements und Pornographie. Doch dann setzt Aurélie alles auf Anfang. Voll Zorn, Klarsicht und gnadenloser Ironie blickt Marion Messina auf das Leben einer jungen Frau und ins Innerste einer neuen verlorenen Generation. "Ein furioses Debüt; beißend und unverschämt gut geschrieben" (Le Monde).
Marion Messina wurde 1990 in Grenoble geboren. Sie studierte zuerst Politik- und dann Agrarwissenschaften mit dem Vorhaben, später auf einem Bauernhof zu leben. Stattdessen begann sie als freie Journalistin für verschiedene Medien zu arbeiten und veröffentlichte ihren von der Kritik gefeierten ersten Roman "Fehlstart", der 2020 bei Hanser erschien.
Produktdetails
- Verlag: Hanser
- Originaltitel: Faux départ
- Artikelnr. des Verlages: 505/26375
- 2. Aufl.
- Seitenzahl: 168
- Erscheinungstermin: 27. Januar 2020
- Deutsch
- Abmessung: 208mm x 131mm x 22mm
- Gewicht: 263g
- ISBN-13: 9783446263758
- ISBN-10: 3446263756
- Artikelnr.: 57897691
Herstellerkennzeichnung
Carl Hanser Verlag
Vilshofener Straße 10
81679 München
info@hanser.de
© BÜCHERmagazin, Elisabeth Dietz (ed)
Ausgebeutet in jeder Hinsicht
Zwischen Bildungsverlust und Wutgewinn: Marion Messina versucht sich mit "Fehlstart" an einem Roman über die französische Misere.
Spätestens seit der moralistischen Literatur des siebzehnten Jahrhunderts sind französische Schriftsteller gern pessimistisch, und mit Kritik daran sollte man vorsichtig sein: Was haben sich deutsche Literaturkritiker und Schriftsteller diesbezüglich schon in die Nesseln gesetzt! Theodor Fontane oder Thomas Mann, die über Émile Zola herziehen, sind nur besonders prominente Beispiele literarischer Verschätzung. Der Umkehrschluss ist freilich ebenso falsch: Nur, weil ein französisches Buch ordentlich schwarzmalt, ist es noch nicht gut. Das gilt leider auch für
Zwischen Bildungsverlust und Wutgewinn: Marion Messina versucht sich mit "Fehlstart" an einem Roman über die französische Misere.
Spätestens seit der moralistischen Literatur des siebzehnten Jahrhunderts sind französische Schriftsteller gern pessimistisch, und mit Kritik daran sollte man vorsichtig sein: Was haben sich deutsche Literaturkritiker und Schriftsteller diesbezüglich schon in die Nesseln gesetzt! Theodor Fontane oder Thomas Mann, die über Émile Zola herziehen, sind nur besonders prominente Beispiele literarischer Verschätzung. Der Umkehrschluss ist freilich ebenso falsch: Nur, weil ein französisches Buch ordentlich schwarzmalt, ist es noch nicht gut. Das gilt leider auch für
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"Fehlstart", den Erstling von Marion Messina, der in Frankreich sehr positiv und prominent besprochen wurde: Unter den Rezensenten sind David Foenkinos und - gewichtiger - Benoît Duteurtre, der in der jungen Freelance-Journalistin gar eine Erbin Michel Houellebecqs ausmachen will, was insofern ernst zu nehmen ist, als Duteurtre mit Letzterem befreundet ist und darum, so kann man annehmen, den Titel nicht allzu leichtfertig vergibt.
Der titelgebende "Fehlstart" meint den des Erwachsenenlebens von Aurélie Lejeune, einer jungen Frau aus Grenoble. Die Achtzehnjährige entstammt einer Arbeiterfamilie und beginnt ein Jura-Studium in ihrer Heimatstadt; nebenbei arbeitet Aurélie als Putzkraft und lernt Alejandro kennen, einen kolumbianischen Studenten, in dessen Armen sie die erste große Liebe erlebt. Aus Freiheitsdrang verlässt Alejandro sie am Ende ihres ersten Studienjahres; deshalb, und weil das Studium sie enttäuscht, geht sie nach Paris. Dort arbeitet sie als stets einsatzbereite Empfangsdame für eine Zeitarbeitsagentur, schläft sechs Monate in der Jugendherberge und zieht dann zu Franck, dem wesentlich älteren Finanzchef einer der Firmen, für die sie schuftet. Zufällig trifft sie Alejandro wieder und zieht zu ihm; die Liebe will nicht recht wiederkehren. Der kurze Roman verlässt seine Heldin, als Aurélie in ihrer beruflichen und existentiellen Sackgasse endgültig feststeckt.
Marion Messina, 1990 geboren, hat mehrere Studiengänge begonnen und wird ähnliche Erfahrungen wie Aurélie gemacht haben. Jedenfalls kann man, wenn man das französische Bildungssystem kennt, ihre beißende Kritik daran nachvollziehen: Das Versprechen gleicher Karrierebedingungen dank Abitur und Studium für (fast) alle wird durch eine radikale Senkung des Niveaus und eine weitgehende Verwahrlosung der Universität erreicht; von dieser Misere heben sich wenige grandes écoles ab, von denen die wenigsten wirklich Kenntnis haben und die daher de facto der Reproduktion von Eliten dienen. Mit den Worten der Autorin: "Zwar hatte theoretisch jeder Schüler Zugang zum Hochschulstudium, aber nur ein sehr beschränkter Teil konnte ein Studium aufnehmen, das diesen Namen verdiente. Für die übergroße Mehrheit der jungen Franzosen war die Universität eine Wahl mangels Alternativen, ein Universum, in dem sie geparkt wurden, um die Arbeitslosenzahlen nicht explodieren zu lassen."
Dementsprechend ist die Ausbildung: "Ihr Stolz war angekratzt, weil ihr schmerzhaft bewusst wurde, dass sie ihr Abitur ohne große Mühe erlangt hatte, aber auf einem Bildungsniveau, von dem keiner ihrer Großeltern hätte träumen können, immer noch nichts über die Geschichte des Römischen Reiches wusste und keine Fabel von La Fontaine auswendig kannte, während ihre Großmutter, erst Hausfrau, dann Putzfrau und Kantinengehilfin, die Genealogie der Kapetinger aus dem Effeff beherrschte." Dieser Kritik räumt "Fehlstart" beträchtlichen Raum ein; die ähnlich ätzende Beschreibung der Pariser Zustände kann man ebenfalls nachvollziehen. Messina beschreibt die Hauptstadt als einen Ort, der sinnvoll nur von Vermögenden bewohnt und genossen werden kann, während sich die Mehrheit der franciliens zwischen Arbeit, beengten Wohnverhältnissen und Transportproblemen verschleißt. Das Problem ist, dass die Romanfiguren in der Provinz keine Alternative sehen, sondern nur eine öde Schwundstufe von Paris.
Messinas Heldin nimmt ein: Aurélie ist eine "saubere, gut erzogene junge Frau", "spontan und natürlich", mit Humor und sinnlichen Charme. Umso mehr leidet man an ihrem Scheitern und verurteilt den sexualisierten Blick Alejandros ("Sie war üppig und weich, rund und straff, ihre Stimme stieg in beeindruckende Höhen, wenn er in sie eindrang und sein Becken bewegte"), den es kaum stört, dass "die Arbeitertochter" überall durchscheint, mit billigem Nagellack und ebensolcher Kleidung. Franck wiederum liebt sie, "weil er jemanden lieben musste", um der Einsamkeit eines arbeitswütigen Lebens zu entfliehen.
Die Figuren überzeugen, der Roman nicht: Sein Problem liegt darin, dass die arme Aurélie nicht nur von Liebhabern und Arbeitgebern ausgebeutet wird, sondern auch von der Autorin: Messina bläht eine bescheidene Geschichte, die Erzählungsformat hat, mit Mühe und Not zu einem Mini-Bildungsroman unter negativen Vorzeichen auf. Das geschieht dank der essayistischen Passagen, die anders als bei Houellebecq oder - um einen näherliegenden Vergleich zu ziehen - Nicolas Mathieu als ermüdende Zutat rasch aufs Gemüt schlagen. Es ist bedauerlich, dass Messina ins Schwafeln gerät, denn auch ihr pointierter Stil zeigt, dass sie eigentlich Sinn für wohldosierte Bosheit hat. Es fehlte eine richtige Geschichte und ein Lektor, der sie darauf festgelegt hätte.
NIKLAS BENDER
Marion Messina:
"Fehlstart". Roman.
Aus dem Französischen
von Claudia Steinitz.
Hanser Verlag, München 2020. 166 S., geb., 18,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der titelgebende "Fehlstart" meint den des Erwachsenenlebens von Aurélie Lejeune, einer jungen Frau aus Grenoble. Die Achtzehnjährige entstammt einer Arbeiterfamilie und beginnt ein Jura-Studium in ihrer Heimatstadt; nebenbei arbeitet Aurélie als Putzkraft und lernt Alejandro kennen, einen kolumbianischen Studenten, in dessen Armen sie die erste große Liebe erlebt. Aus Freiheitsdrang verlässt Alejandro sie am Ende ihres ersten Studienjahres; deshalb, und weil das Studium sie enttäuscht, geht sie nach Paris. Dort arbeitet sie als stets einsatzbereite Empfangsdame für eine Zeitarbeitsagentur, schläft sechs Monate in der Jugendherberge und zieht dann zu Franck, dem wesentlich älteren Finanzchef einer der Firmen, für die sie schuftet. Zufällig trifft sie Alejandro wieder und zieht zu ihm; die Liebe will nicht recht wiederkehren. Der kurze Roman verlässt seine Heldin, als Aurélie in ihrer beruflichen und existentiellen Sackgasse endgültig feststeckt.
Marion Messina, 1990 geboren, hat mehrere Studiengänge begonnen und wird ähnliche Erfahrungen wie Aurélie gemacht haben. Jedenfalls kann man, wenn man das französische Bildungssystem kennt, ihre beißende Kritik daran nachvollziehen: Das Versprechen gleicher Karrierebedingungen dank Abitur und Studium für (fast) alle wird durch eine radikale Senkung des Niveaus und eine weitgehende Verwahrlosung der Universität erreicht; von dieser Misere heben sich wenige grandes écoles ab, von denen die wenigsten wirklich Kenntnis haben und die daher de facto der Reproduktion von Eliten dienen. Mit den Worten der Autorin: "Zwar hatte theoretisch jeder Schüler Zugang zum Hochschulstudium, aber nur ein sehr beschränkter Teil konnte ein Studium aufnehmen, das diesen Namen verdiente. Für die übergroße Mehrheit der jungen Franzosen war die Universität eine Wahl mangels Alternativen, ein Universum, in dem sie geparkt wurden, um die Arbeitslosenzahlen nicht explodieren zu lassen."
Dementsprechend ist die Ausbildung: "Ihr Stolz war angekratzt, weil ihr schmerzhaft bewusst wurde, dass sie ihr Abitur ohne große Mühe erlangt hatte, aber auf einem Bildungsniveau, von dem keiner ihrer Großeltern hätte träumen können, immer noch nichts über die Geschichte des Römischen Reiches wusste und keine Fabel von La Fontaine auswendig kannte, während ihre Großmutter, erst Hausfrau, dann Putzfrau und Kantinengehilfin, die Genealogie der Kapetinger aus dem Effeff beherrschte." Dieser Kritik räumt "Fehlstart" beträchtlichen Raum ein; die ähnlich ätzende Beschreibung der Pariser Zustände kann man ebenfalls nachvollziehen. Messina beschreibt die Hauptstadt als einen Ort, der sinnvoll nur von Vermögenden bewohnt und genossen werden kann, während sich die Mehrheit der franciliens zwischen Arbeit, beengten Wohnverhältnissen und Transportproblemen verschleißt. Das Problem ist, dass die Romanfiguren in der Provinz keine Alternative sehen, sondern nur eine öde Schwundstufe von Paris.
Messinas Heldin nimmt ein: Aurélie ist eine "saubere, gut erzogene junge Frau", "spontan und natürlich", mit Humor und sinnlichen Charme. Umso mehr leidet man an ihrem Scheitern und verurteilt den sexualisierten Blick Alejandros ("Sie war üppig und weich, rund und straff, ihre Stimme stieg in beeindruckende Höhen, wenn er in sie eindrang und sein Becken bewegte"), den es kaum stört, dass "die Arbeitertochter" überall durchscheint, mit billigem Nagellack und ebensolcher Kleidung. Franck wiederum liebt sie, "weil er jemanden lieben musste", um der Einsamkeit eines arbeitswütigen Lebens zu entfliehen.
Die Figuren überzeugen, der Roman nicht: Sein Problem liegt darin, dass die arme Aurélie nicht nur von Liebhabern und Arbeitgebern ausgebeutet wird, sondern auch von der Autorin: Messina bläht eine bescheidene Geschichte, die Erzählungsformat hat, mit Mühe und Not zu einem Mini-Bildungsroman unter negativen Vorzeichen auf. Das geschieht dank der essayistischen Passagen, die anders als bei Houellebecq oder - um einen näherliegenden Vergleich zu ziehen - Nicolas Mathieu als ermüdende Zutat rasch aufs Gemüt schlagen. Es ist bedauerlich, dass Messina ins Schwafeln gerät, denn auch ihr pointierter Stil zeigt, dass sie eigentlich Sinn für wohldosierte Bosheit hat. Es fehlte eine richtige Geschichte und ein Lektor, der sie darauf festgelegt hätte.
NIKLAS BENDER
Marion Messina:
"Fehlstart". Roman.
Aus dem Französischen
von Claudia Steinitz.
Hanser Verlag, München 2020. 166 S., geb., 18,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Dlf-Rezension
Rezensent Christoph Vormweg hat den Debütroman von Marion Messina ausgesprochen gern gelesen. Messinas Humor kennt keine Tabus, lobt er. Erotik, Eltern, Arbeitgeber und Unialltag beschreibe die Autorin nüchtern, direkt und stets mit einer ordentlichen Prise Humor. Wie Michel Houellebecq werfe ihre Erzählerin einen schonungslosen Blick auf ihre Mitmenschen und sich selbst, allerdings wenig "obszön", aber mit mehr Ironie, findet er. Die Besonderheit und die große Stärke dieses Entwicklungsromans liegt für Vormweg jedoch in der Perspektive der Erzählerin. Die kommt nämlich von "ganz unten", aus dem französischen Arbeiter-Millieu und will sich nach ihrem Abitur erst in Grenoble als Jura-Studenten, später in Paris als Hostesse durchschlagen, erfahren wir. Aurélies Versuch, die "französische Gegenwart" zu verstehen, machen diesen Roman für den Rezensenten absolut lesenswert.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"'Fehlstart' ist ein wütender Aufschrei, der zum Glück nun auch bei uns Gehör findet." Dina Netz, WDR3 Mosaik, 02.03.2020 "Schon auf den ersten Seiten fasziniert der nur vordergründig sachliche, pointierte Ton von Marion Messina. ... 'Fehlstart' ist ein in seiner Hellsichtigkeit erstaunliches und herzzerreißendes Buch - an dessen Ende zumindest beim Leser aus der Frustration Wut erwächst." Katja Weise, NDR Kultur, 13.02.2020 "Marion Messina besticht durch überraschende Beobachtungen und ungewohnte Biografien - bis hin zu ihren liebevoll gnadenlosen Eltern-Porträts. Hier schreibt eine Autorin, die auf die immer ungemütlicheren französischen Alltags-Realitäten mit tabulosem Witz und verbaler Schlagkraft reagiert." Christoph Vormweg,
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Deutschlandfunk Büchermarkt, 12.02.2020 "Der neue Stern am französischen Schriftstellerinnenhimmel. Sie gibt vor allem den vielen jungen Menschen eine literarische Stimme, die genau wie ihre Protagonistin Aurelie weiterkommen wollen im Leben, aber durch das aktuelle politische System ständig ausgebremst werden." ZDF aspekte, 31.01.20 "'Houellebecqs Erbin' ist Marion Messina in Frankreich genannt worden. Das stimmt einerseits, denn Messina schreibt wie Houellebecq pointiert und gnadenlos. ... Andererseits schreibt Messina nicht so kalt wie Houellebecq. Sie leidet spürbar mit ihren Figuren, die für ihr Scheitern wenig können, sondern sich schlicht an der französischen Wirklichkeit aufreiben. ... Marion Messina beschreibt in gestochen scharfen Bildern eine Generation, der die Hoffnung fehlt." Dinia Netz, WDR 5, 31.01.20 "Marion Messina hat mit 'Fehlstart' eine fulminante Coming-of-Age-Geschichte weiblicher Sexualität geschrieben - dringlich und vehement. ... [Sie] verfügt über den selbstsicheren Sound einer mit soziologischem Röntgenblick ausgestatteten Schriftstellerin." Meike Feßmann, Deutschlandfunk Kultur, 30.01.2020
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Die 19jährige Aurélie träumt von einem besseren Leben: raus aus der Armut ihres Stadtviertels, weg von ihrer Unterschichtfamilie und hin zu Wissen, Bildung und der Gewissheit, etwas Sinnvolles im Leben zu tun. Doch tatsächlich landet sie an der Universität ihres …
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Die 19jährige Aurélie träumt von einem besseren Leben: raus aus der Armut ihres Stadtviertels, weg von ihrer Unterschichtfamilie und hin zu Wissen, Bildung und der Gewissheit, etwas Sinnvolles im Leben zu tun. Doch tatsächlich landet sie an der Universität ihres Heimatortes Grenoble, wo sie weiterhin bei ihren Eltern in ihrem alten Kinderzimmer wohnt. Auch die Universität entpuppt sich als Ort der Langeweile mit uninteressanten und öden Vorlesungen. Erst Alejandro, ein junger Kolumbianer, der ebenfalls in Grenoble studiert, weckt ihre Lebensfreude und setzt Energien in ihr frei, die sogar ihre Lernfreude für das Studium wecken. Doch als er sie verlässt, scheint ihr jegliche Motivation wieder abhanden zu kommen.
Was sich wie eine traurige Liebesgeschichte anhört, ist eher die ebenfalls traurige Beschreibung einer Generation, die sich in der Illusion verliert, irgendwann einmal in der Gesellschaft aufzusteigen. Wir folgen Aurélie nach Paris, wo sie sich wie zehntausende Anderer ein besseres, aufregenderes Leben verspricht, fernab von der Ödnis der Provinz und der Armseligkeit ihres Elternhauses. Doch tatsächlich landet sie in einem miserabel bezahlten Hostessenjob mit schlechteren Arbeitsbedingungen als jene ihrer Eltern, nur, um sich ihren Lebensunterhalt finanzieren zu können und eine völlig überteuerte kärgliche Unterkunft in Paris.
Marion Messina, die Autorin, macht deutlich, dass die Realität weit davon entfernt ist, allen Menschen in Frankreich die gleichen Chancen zu bieten. Wer nicht einer bestimmten Gesellschaftsschicht angehört, ist dazu verdammt, für kleines Geld so hart zu arbeiten, dass für nichts Anderes mehr Zeit und Energie übrig bleibt. Der Aufstieg in ein besseres Leben ist ein Versprechen, mit dem die Armen ruhig gestellt werden. So düster wie sich das Alles anhört, ist dieses Buch auch. Jeder Versuch eines neuen Anfangs endet mit einer Trostlosigkeit, aus der es kein Entkommen zu geben scheint.
Es ist eine zutiefst französische Lektüre; jede Menge Bezüge auf französisches Fernsehen, Literatur, Politik und so frage ich mich: Ist es wirklich so schlimm um diese Generation in Frankreich bestellt? Gibt es wirklich keine Hoffnung mehr? Nicht dass ich bezweifle, dass solche Verhältnisse existieren, die es bestimmt auch in Deutschland gibt. Aber ist es wirklich die Mehrheit wie hier beschrieben?
Ich habe eine Weile überlegt, ob ich diesem Buch zwei oder drei Sterne gebe, denn im Grunde finde ich das Thema wie auch die Schuldzuweisungen zu einseitig und das Handeln der Protagonistin häufig nicht nachvollziehbar. Doch in Vielem hat die Autorin recht und trifft mit ihren Aussagen voll ins Schwarze. Hinzu kommt ein bemerkenswerter Schreibstil, nüchtern und ausdrucksstark und so lande ich schlussendlich bei 2,5 Sternen und runde großzügig auf ;-)
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Noch nie wurde ich von einem Buch bzw. dem Inhalt so angeschrien. Es steckt so viel Wut und Frust in dieser Geschichte, dass man sie nicht lesen sollte, wenn man eine zarte Seele hat. Es gibt kaum eine Seite, die optimistisch und positiv ist. Das Buch kann den Leser herunterziehen.
Und …
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Noch nie wurde ich von einem Buch bzw. dem Inhalt so angeschrien. Es steckt so viel Wut und Frust in dieser Geschichte, dass man sie nicht lesen sollte, wenn man eine zarte Seele hat. Es gibt kaum eine Seite, die optimistisch und positiv ist. Das Buch kann den Leser herunterziehen.
Und warum?
Weil Aurélie es nicht schafft dem Arbeitermilieu ihrer Eltern zu entkommen. Weil sie es nicht schafft, das Studium in Paris erfolgreich fortzusetzen. Weil sie es nicht schafft, sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser zu halten oder sich eine eigene Wohnung leisten zu können.
Wer ist Schuld?
In diesem Buch irgendwie immer die Anderen. Doch Aurélie geht unvorbereitet nach Paris, nur mit der Wut im Bauch - weg aus dem Arbeitermilieu, aus dem kleingeistigen Kreis der Eltern. Sie zieht in eine der teuersten Städte ohne einen Job oder eine Wohnung. Das Studium langweilt sie und so lässt sie es schleifen und sich selber etwas gehen. Sie macht Jobs, die ihr nicht gefallen, die wenig Geld bringen und sie nicht geistig fordern. Das einzige, was ihr bleibt, ist die Wut nicht voran zu kommen. Oder ist es nicht doch nur Selbstmitleid und die Unfähigkeit etwas anzupacken und dranzubleiben? Warum ausgerechnet Paris und keine kleinere Stadt mit geringeren Mieten und vielleicht besseren Jobs, da die Konkurrenz nicht so groß ist?
Das Ende hat mich nicht wirklich überrascht, obwohl ich es nicht vorhersehen konnte.
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Auf der Suche nach einer Perspektive
Als die 19-jährige Aurelie von ihrer ersten großen Liebe, dem kolumbianischen Studenten Alejandro, von einem Tag auf den anderen verlassen wird, beschließt sie, ihr bisher fremdbestimmtes Leben selber in die Hand zu nehmen. Sie zieht sich aus …
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Auf der Suche nach einer Perspektive
Als die 19-jährige Aurelie von ihrer ersten großen Liebe, dem kolumbianischen Studenten Alejandro, von einem Tag auf den anderen verlassen wird, beschließt sie, ihr bisher fremdbestimmtes Leben selber in die Hand zu nehmen. Sie zieht sich aus dem Einflusskreis ihrer Eltern heraus und will in Paris ein Jurastudium beginnen. Aber hier stößt sie mit ihren gesparten siebenhundert Euro auf eine wenig soziale und gnadenlose Welt. Anstatt das Studium anzutreten übernimmt sie einen Hostessjob um sich damit über Wasser zu halten. Die Illusion einer 180-Grad-Wende in ihrem Leben, scheint sich nicht zu erfüllen...
Der Debüt-Roman der jungen französischen Autorin Marion Messina hat für viel Aufsehen gesorgt, so dass ich mit hohen Erwartungen in das Buch gestartet bin. Der außergewöhnliche und nicht immer leicht zu lesende Schreibstil verleiht dem Buch sicherlich schon einmal einen besonderen Charakter, die Handlung kann da aber aus meiner Sicht nicht ganz mitziehen. Natürlich nimmt Marion Messina in ihrem Roman die oberflächliche und egomanische Gesellschaft der heutigen Zeit aufs Korn. Ohne einen gewissen finanziellen Hintergrund besteht für einen jungen Menschen kaum die Möglichkeit aus seinem Sozialstatus zu entfliehen und sich selbst zu entfalten. Dies verleiht dem Buch aber auch eine sehr depressive Stimmung, die nicht immer leicht zu ertragen ist. Das Ganze wirkt dann zwar auch mit einem fehlenden Happy-End authentisch, konnte mich aber nicht vollends überzeugen.
Nichts desto trotz halte ich den Roman "Fehlstart" für durchaus lesens-wert, in erster Linie aber aufgrund des außerordentlichen Erzähltalents der Autorin. Man wird sicherlich nach folgenden Werken von Marion Messina die Augen offen halten müssen und darf darauf gespannt sein. Ich bewerte das Buch mit vier von fünf Sternen.
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Das Abitur bestanden, steht ihr die Welt im egalitären Frankreich offen. Sie weiß, wofür sie all die Jahre hart gearbeitet hat, doch dann muss Aurélie Lejeune eine herbe Enttäuschung nach der anderen erleben. Das Jurastudium an der Universität von Grenoble ist …
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Das Abitur bestanden, steht ihr die Welt im egalitären Frankreich offen. Sie weiß, wofür sie all die Jahre hart gearbeitet hat, doch dann muss Aurélie Lejeune eine herbe Enttäuschung nach der anderen erleben. Das Jurastudium an der Universität von Grenoble ist uninspiriert, mit ihren Kommilitonen verbindet sie nichts und zunehmend begreift sie sich als Außenseiterin. Mit den kolumbianischen Austauschstudenten scheint sie viel mehr zu verbinden und in Alejandro, den sie bei ihrem Nebenjob als Putzfrau kennenlernt, verbindet sie bald schon eine innige Liebe. Doch als dieser der Enge der Kleinstadt entflieht, fällt auch Aurélies Leben in sich zusammen, es stand ohnehin nur auf tönernen Füßen. In Paris hofft sie auf einen Neuanfang und die Realisierung ihrer Träume, die sie eigentlich schon gar nicht mehr hat. Sie will ihre soziale Herkunft als Kind einer Arbeiterfamilie hinter sich lassen, sieht sich bald aber schon einer viel prekäreren Situation ausgesetzt als ihre Eltern es jemals erlebt hatten.
In ihrem Debutroman stellt Marion Messina gleich mehrere Mythen ihres Heimatlandes infrage. An ihren jungen Protagonisten zeigt sie auf, dass das voller Versprechen begonnene Leben sich oftmals anfühlt, als sei es schon vorbei, bevor es überhaupt begonnen hat, wie die ungeliebte B-Seite einer Schallplatte, die niemand hören will und die nur die Aufgabe hat, einen eben noch vorhandenen Platz zu füllen, an die jedoch nicht die geringsten Erwartungen gestellt werden. Wofür soll man in dieser Existenz kämpfen? Die Wirtschaftskrise von 2008, die ganz Europa unerwartet und heftig packte, hat vor allem die Jungen und Gebildeten getroffen, die sich nach jahrelanger Mühe um beste Startchancen um ihr Leben betrogen sahen, ein klassischer „Fehlstart“, sie waren zur falschen Zeit am falschen Ort.
Messina zeichnet ein erbarmungsloses Portrait einer Gesellschaft und einer Generation, das wenig Mut und Hoffnung macht. Wo sich Alejandro einer omnipräsenten Xenophobie in einem sich selbst als weltoffen und tolerant wahrnehmenden Land ausgesetzt sieht, fühlt sich Aurélie aufgrund ihrer sozialen Herkunft ausgeschlossen, sie kennt die Codes der Kleidung, des Verhaltens und der Sprache nicht und ihre Eltern sind schon lange nicht mehr in der Lage, sie zu unterstützen. Sie soll doch mit dem bescheidenen Dasein, wie sie es selbst führen, zufrieden sein. All die Bemühungen und der Verzicht werden sich nicht auszahlen, das elitär organisierte Land hat keinen Platz für Emporkömmlinge. Das muss auch Benjamin erkennen, der einzige Freund, den Aurélie in der 12 Millionen Metropole gefunden hat und der nach jahrelangem Ackern bereit ist, aufzugeben und in die Provinz zurückzukehren.
Insbesondere das Bild der Arbeitswelt, in der die Angestellten in den niedrigen Positionen nicht nur schnell austauschbar sind, sondern die durch vorgegebene Kleidung, Make-up und Phrasen auch austauschbar wirken und dafür mit dem Mindestlohn abgespeist werden, der kaum ausreicht, um Wohnung und ausreichend Nahrung zu finanzieren, wirkt brutal, aber authentisch. Die prekäre Existenz mit Zweit- und Drittjob laugt sie so dermaßen aus, dass sie gar nicht mehr am Leben teilnehmen und von Paris außer den Gängen der U-Bahn nichts mehr sehen. „Métro-Boulot-Dodo“ wird so nicht mehr nur ein ironisches Wortspiel, sondern schlichtweg Realität.
Marion Messina untermauert die falschen Versprechungen sprachlich versiert, in kursiv erscheinen die immer wieder bemühten Phrasen, die sich jedoch als leere Worthülsen entpuppen. Ihr Roman erschien 2017 noch vor den aktuellen Protesten der Gilets Jaunes, sie legt aber den Finger in genau dieselbe Wunde und erfüllt damit eine der wesentlichen Aufgaben der Literatur: sie hält der Gesellschaft und vor allen denjenigen, die diese lenken, den Spiegel vor, in dem sie bei genauen Hinschauen eine schmerzverzerrte Fratze erkennen können. Auch 2020 noch einer DER Romane der Stunde.
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