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Die Pest wütet in der Stadt. Oran wird hermetisch abgeriegelt. Ein Entkommen ist nicht möglich. Albert Camus' erfolgreichster Roman gehört zu den Klassikern der Weltliteratur. In ihm seziert er hellsichtig das menschliche Handeln im Angesicht der Katastrophe. Eine kongeniale Neuübersetzung von Uli Aumüller.
«Camus irrt sich nicht in seinem Roman. Das Drama sind nicht die, die durch die Hintertür zum Friedhof entwischen - und für die die Angst vor der Pest endlich vorbei war -, sondern die Lebenden, die in ihren stickigen Schlafzimmern Blut schwitzten, ohne der belagerten Stadt entfliehen zu können.» (Gabriel García Márquez)
Die Stadt Oran wird von rätselhaften Ereignissen heimgesucht. Die Ratten kommen aus den Kanälen und verenden auf den Straßen. Kurze Zeit später sterben die ersten Menschen an einem heimtückischen Fieber: Die Pest wütet in der Stadt. Oran wird hermetisch abgeriegelt. Ein Entkommen ist nicht möglich. Albert Camus' erfolgreichster Roman gehört zu den Klassikern der Weltliteratur. In ihm seziert er hellsichtig das menschliche Handeln im Angesicht einer Katastrophe.
Die Stadt Oran wird von rätselhaften Ereignissen heimgesucht. Die Ratten kommen aus den Kanälen und verenden auf den Straßen. Kurze Zeit später sterben die ersten Menschen an einem heimtückischen Fieber: Die Pest wütet in der Stadt. Oran wird hermetisch abgeriegelt. Ein Entkommen ist nicht möglich. Albert Camus' erfolgreichster Roman gehört zu den Klassikern der Weltliteratur. In ihm seziert er hellsichtig das menschliche Handeln im Angesicht einer Katastrophe.
Camus, Albert§
Albert Camus wurde am 7. November 1913 in ärmlichen Verhältnissen als Sohn einer Spanierin und eines Elsässers in Mondovi, Algerien, geboren. Von 1933 bis 1936 studierte er an der Universität Algier Philosophie. 1934 trat er der Kommunistischen Partei Algeriens bei und gründete im Jahr darauf das «Theater der Arbeit». 1937 brach er mit der KP. 1938 entstand sein erstes Drama «Caligula», das 1945 uraufgeführt wurde. Camus zog 1940 nach Paris. Neben seinen Dramen begründeten der Roman «Der Fremde» und der Essay «Der Mythos von Sisyphos» sein literarisches Ansehen. 1957 erhielt Albert Camus den Nobelpreis für Literatur. Am 4. Januar 1960 starb er bei einem Autounfall.
Das Gesamtwerk von Albert Camus liegt im Rowohlt Verlag vor.
Aumüller, Uli§
Uli Aumüller übersetzt u. a. Siri Hustvedt, Jeffrey Eugenides, Jean Paul Sartre, Albert Camus und Milan Kundera. Für ihre Übersetzungen erhielt sie den Paul-Celan-Preis und den Jane-Scatcherd-Preis.
Albert Camus wurde am 7. November 1913 in ärmlichen Verhältnissen als Sohn einer Spanierin und eines Elsässers in Mondovi, Algerien, geboren. Von 1933 bis 1936 studierte er an der Universität Algier Philosophie. 1934 trat er der Kommunistischen Partei Algeriens bei und gründete im Jahr darauf das «Theater der Arbeit». 1937 brach er mit der KP. 1938 entstand sein erstes Drama «Caligula», das 1945 uraufgeführt wurde. Camus zog 1940 nach Paris. Neben seinen Dramen begründeten der Roman «Der Fremde» und der Essay «Der Mythos von Sisyphos» sein literarisches Ansehen. 1957 erhielt Albert Camus den Nobelpreis für Literatur. Am 4. Januar 1960 starb er bei einem Autounfall.
Das Gesamtwerk von Albert Camus liegt im Rowohlt Verlag vor.
Aumüller, Uli§
Uli Aumüller übersetzt u. a. Siri Hustvedt, Jeffrey Eugenides, Jean Paul Sartre, Albert Camus und Milan Kundera. Für ihre Übersetzungen erhielt sie den Paul-Celan-Preis und den Jane-Scatcherd-Preis.

© Rowohlt Verlag
Produktdetails
- rororo Taschenbücher 22500
- Verlag: Rowohlt TB.
- Originaltitel: La Peste
- 102. Aufl.
- Seitenzahl: 349
- Erscheinungstermin: 21. Februar 2001
- Deutsch
- Abmessung: 188mm x 26mm
- Gewicht: 314g
- ISBN-13: 9783499225000
- ISBN-10: 349922500X
- Artikelnr.: 07629933
Herstellerkennzeichnung
Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Noch einmal Albert Camus
"Die Pest", wiedergelesen · Von Georges-Arthur Goldschmidt
Daß "Die Pest", der berühmte Roman von Albert Camus, jetzt wieder in einer neuen Übersetzung (von Uli Aumüller) vorliegt, verwundert nicht, denn Camus hat der heutigen Zeit noch oder wieder vieles zu sagen. Die Klarheit der Konstruktion und des Inhalts, die Ausbreitung der Pest in Oran, der zweitwichtigsten Stadt Algeriens, hat dieses 1947 erschienene Buch weltberühmt gemacht, fast so berühmt wie Kafkas "Prozeß". Wie "Der Fremde", ein Roman, in dem Camus die völlig unpathetische Selbstentfremdung des Menschen in einem schlicht-kalten Stil beschreibt, ist auch "Die Pest" zum Allgemeingut der europäischen Kultur
"Die Pest", wiedergelesen · Von Georges-Arthur Goldschmidt
Daß "Die Pest", der berühmte Roman von Albert Camus, jetzt wieder in einer neuen Übersetzung (von Uli Aumüller) vorliegt, verwundert nicht, denn Camus hat der heutigen Zeit noch oder wieder vieles zu sagen. Die Klarheit der Konstruktion und des Inhalts, die Ausbreitung der Pest in Oran, der zweitwichtigsten Stadt Algeriens, hat dieses 1947 erschienene Buch weltberühmt gemacht, fast so berühmt wie Kafkas "Prozeß". Wie "Der Fremde", ein Roman, in dem Camus die völlig unpathetische Selbstentfremdung des Menschen in einem schlicht-kalten Stil beschreibt, ist auch "Die Pest" zum Allgemeingut der europäischen Kultur
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geworden.
Das Thema ist von einer fast erschreckenden Einfachheit. Daß Camus mit der Pest auch den Nazismus meinte, ist bekannt und muß nicht weiter hervorgehoben werden. Man erinnere sich nur an seine Briefe an einen deutschen Freund. Es wäre aber verfehlt, das Buch auf eine einzige Deutung, so überzeugend sie auch sei, festlegen zu wollen. Die Pest geht jeden an, jeder kennt sie, und jeder kann von ihr angesteckt werden. Die Evidenz des Romans von Albert Camus macht das Thema zugleich einfach und unerschöpfbar, wie es auch die Romane Kafkas sind. Mit Präzision hält Camus nicht nur die Entwicklung der Krankheit fest, sondern auch die Art und Weise, wie sie die ganze Stadt heimsucht, um sich greift, sich aber auch in der Seele der Menschen festfrißt, wie Abstumpfung dem Fieber folgt. Camus zeigt, wie die einen sich mit der Seuche arrangieren, sogar davon profitieren, er zeigt, wie sie der politischen Manipulation zugute kommt und wie andere wiederum sich aufopfern und helfen.
Rieux, Tarrou, Rambert, sie alle verkörpern etwas von einem Menschheitsbegriff, den man 1947, am Anfang des sogenannten "Kalten Krieges", vor allem in Jean-Paul Sartres Umgebung volksschullehrerhaft fand. Das Problem der individuellen Verantwortung, wie es in "Die Pest" aufgeworfen wurde, war sowenig "marxistisch" wie nur möglich und entsprach überhaupt nicht der damals vorherrschenden Ansicht von der Allmacht der geschichtlichen Bestimmungen.
Heute könnte man dem Buch eine gewisse Naivität vorwerfen und einen feierlich-steifen Stil, aber das Verschwinden der Ideologien und die Neubesetzung des individuell moralischen Bereiches als Möglichkeit des politischen Denkens lassen die Kritik Sartres an der "Pest" doch ein wenig kurzsichtig erscheinen. Jeder Leser kann "Die Pest" so verstehen, wie er es will. Es kann keine endgültige Interpretation dieses Buches geben. Daß dieser Roman sich so offenkundig jeder unmittelbaren Deutung zur Verfügung stellt, macht ihn als Forschungsobjekt für Spezialisten natürlich völlig wertlos.
Im Grunde hat man Camus nie verziehen, ein zugänglicher und lesbarer "Intellektueller" zu sein. Das wurde auch Victor Hugo oder sogar Emile Zola zur Last gelegt: Wer einen unschuldigen Juden verteidigt (den Hauptmann Dreyfus), so sah es eine rechts orientierte Kritik, kann doch nur ein miserabler Schriftsteller sein! Vor allem jedoch hat man es Camus übelgenommen, daß er sich erlaubte, außerhalb der vorgeschriebenen Denkregeln die Positionen und Zusammenhänge zu überprüfen und sein Gewissen nicht vorgefertigten oder diktierten Einsichten zu unterwerfen. Er brauchte keine Garantien, er mußte sich seine Meinungen nicht bestätigen lassen, um zu wissen, ob er "richtig" dachte.
Schon lange vor seinem Tod 1960 hatte Camus mit den intellektuellen Autoritäten seiner Zeit zu kämpfen. Er hat nie konform gedacht, er hat sich nie eingefahrenen politischen Optionen unterworfen, wie es die meisten Intellektuellen getan haben. Er war sich seiner Ansichten sicher genug, um sich wenig darum zu scheren, ob sie auch der Parteilinie entsprachen oder nicht. Vielmehr hat er ganz im Sinne von Descartes von Anfang an jede Behauptung auf ihren Inhalt geprüft, anstatt sie als Glaubensartikel hinzunehmen. Dagegen waren für ihn das Leiden und die Verzweiflung, das Schicksal und die Verantwortung des einzelnen Menschen viel wichtiger als der Erfolg oder Mißerfolg einer ihm nahestehenden politischen Partei. Was er über Nietzsche oder Kafka im "Mythos von Sisyphos" schrieb, sollte man deshalb unbedingt wieder lesen.
Für Jean-Paul Sartre und vor allem für Simone de Beauvoir, die ihn doch so "großzügig" aufgenommen hatten, wurde dieser algerische Prolet, Sohn einer armen, des Lesens und Schreibens nicht kundigen Putzfrau, bald zu einer fast unangenehmen Erscheinung. Er war nicht der Proletarier aus dem Bilderbuch, wie ihn Jean Genet darstellte. Camus hatte die beiden enttäuscht, weil er nicht handelte und schrieb, wie sie es erwarteten. Für diese gutsituierten Großbürger verkörperte gerade er, der Benachteiligte, den Kolonialisten, vielleicht sogar den "Profiteur", der sich in die gute Gesellschaft eingeschlichen hatte.
Dabei hielt sich Camus nicht einmal an die Spielregeln der meisten anderen Intellektuellen. Er bezog zum Beispiel im Algerienkrieg eine besonders unbequeme Position. Da er einer der wenigen Pariser Intellektuellen war, die Algerien wirklich aus der Innenperspektive kannten, war es ihm unmöglich, sich auf eine Seite zu schlagen. Für ihn war Algerien Frankreich, aber er hatte nichts mit der rechtsradikalen Bewegung von "Algérie française" zu tun, im Gegenteil.
Im Vergleich zu den ziemlich abgehobenen Stellungnahmen von "Les Temps modernes", der Zeitschrift Sartres, war Albert Camus' Denken viel offener, weniger theoretisch bedingt und befangen, Widersprüchen zugänglicher. Sartre hat sich oft geirrt und eingelenkt. Was ihn von Camus trennte, war letztlich nur die Taktik oder die Anpassungsbereitschaft des Denkens. Zur Verteidigung von Dreyfus hätten sie sich wohl wieder vereint, wie sich Sartre und Raymond Aron zur Zeit der Boat people Seite an Seite, trotz aller Gegensätze, wiederfanden. So ist es auch von besonderer Bedeutung, daß René Char, der große Dichter und Widerstandskämpfer, immer einer seiner besten Freunde geblieben ist.
Camus wurde mit Haßausbrüchen überschüttet, vergleichbar denen, wie man sie in Deutschland für Heine bereit gehabt hatte. Denn in "Der Mensch in der Revolte" oder in seinen aktuellen Aufsätzen nahm er nicht nur die Thematik seiner Erzählungen wieder auf, sondern vor allem eine alte französische Tradition der Unangepaßtheit. Wenn es einen Autor geben sollte, von dem jedes Wort gegen jede Form von Faschismus oder Anbiederung mit dem Unmenschlichen gerichtet ist oder die stalinistische Diktatur anklagt, bei dem man beim Lesen auch einer noch so rein "literarischen" Erzählung sofort weiß, daß sein Denken den sich selbst verherrlichenden Autoritäten beständig widerspricht, dann ist es eben Albert Camus. Sein politisches Denken war immer von Zivilcourage, nicht von Theorie geleitet, nicht unähnlich dem von Heinrich Böll.
Da zu seiner Zeit nicht nur das politische, sondern das literarische und geistige Leben überhaupt von Parteien und Parolen beherrscht wurde, hatte freiheitliches, selbständiges und kritisches, also einfach menschliches, nicht autorisiertes Denken immer mehr Schwierigkeiten, Gehör zu finden. Zu keinem Augenblick seines Schaffens hat Camus "linientreu" gedacht oder gehandelt, und mehr brauchte es nicht, um des Ressentiments aller Parteifunktionäre, welcher Herkunft auch immer, sicher zu sein. Er hat einmal den Satz geschrieben: "Wir müssen die Dinge beim Namen nennen und einsehen, daß wir Millionen von Menschen töten, sobald wir uns gewisse Gedanken erlauben." Damit war der Hegelsche Gedanke gemeint, wonach der Mensch für die Geschichte geschaffen sei. Vor allem aber betrafen diese Worte die Wendung der Politik in Orthodoxie mit ihren Verurteilungen und Ausschließungen von Abtrünnigen und Andersdenkenden.
Für Camus war der einzelne, war jeder Mensch in seiner Einsamkeit und Einmaligkeit wichtiger als alle politischen Bestimmungen, welcher Art sie auch immer sein mochten. Daher sein so vehementer Kampf an der Seite Arthur Koestlers gegen die Todesstrafe, der sich dann in dem berühmten Film "Nous sommes tous des assassins" (Wir sind alle Mörder) niederschlug. Die Todesstrafe in ihrer kollektiven Form der Massenvernichtung war der eigentliche Wesenszug des zwanzigsten Jahrhunderts.
Den Staatsterrorismus der Nazis hat Camus als das definiert, was er war: als maschinell-heiteres Hinrichten im Zeichen des "Führerprinzips", als reinen Nihilismus, wie Nietzsche ihn hatte kommen sehen. Zugleich war für Camus das zwanzigste Jahrhundert das Jahrhundert des Terrorismus gerade wegen der Dominanz der Ideen, deren Verwirklichung so viele Menschen geopfert wurden. Zu Beginn von "Der Mensch in der Revolte" wagte er zu schreiben: "Es ist die Philosophie, die zu allem zu gebrauchen ist, sogar zur Verwandlung der Mörder in Richter", etwas später: "Im Zeitalter der Ideologien muß man sich mit dem Morden ins reine bringen." Diese Sätze waren eine so ungeheuerliche Entlarvung der Bereitwilligkeit, sich zu unterwerfen, wie die Ideologiehörigkeit sie erzeugt, daß man ihm seine freimütigen, ätzenden Feststellungen nur übelnehmen konnte.
Über die jetzt glücklicherweise abflauende, ebenso lächerliche wie fragwürdige Heidegger-Welle in Frankreich hätte Camus sich bestimmt lustig gemacht. Schon der eingeforderte Respekt vor irgendwelchen proklamierten und in allen Zeitungen zitierten Größen rief unweigerlich seinen immer ein wenig traurigen Spott hervor. Es ist also zu hoffen, daß diese neue Übersetzung der "Pest" Camus in Deutschland neue Leser bringt, die auch seine anderen Bücher lesen werden, so auch sein postumes Buch "Der erste Mensch", das uns französischen Lesern wieder einmal die Einheitlichkeit und Einmaligkeit seines Menschenbildes bestätigt hat.
Albert Camus: "Die Pest". Aus dem Französischen übersetzt von Uli Aumüller. Rowohlt Verlag, Reinbek 1997. 350 S., geb., 42,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das Thema ist von einer fast erschreckenden Einfachheit. Daß Camus mit der Pest auch den Nazismus meinte, ist bekannt und muß nicht weiter hervorgehoben werden. Man erinnere sich nur an seine Briefe an einen deutschen Freund. Es wäre aber verfehlt, das Buch auf eine einzige Deutung, so überzeugend sie auch sei, festlegen zu wollen. Die Pest geht jeden an, jeder kennt sie, und jeder kann von ihr angesteckt werden. Die Evidenz des Romans von Albert Camus macht das Thema zugleich einfach und unerschöpfbar, wie es auch die Romane Kafkas sind. Mit Präzision hält Camus nicht nur die Entwicklung der Krankheit fest, sondern auch die Art und Weise, wie sie die ganze Stadt heimsucht, um sich greift, sich aber auch in der Seele der Menschen festfrißt, wie Abstumpfung dem Fieber folgt. Camus zeigt, wie die einen sich mit der Seuche arrangieren, sogar davon profitieren, er zeigt, wie sie der politischen Manipulation zugute kommt und wie andere wiederum sich aufopfern und helfen.
Rieux, Tarrou, Rambert, sie alle verkörpern etwas von einem Menschheitsbegriff, den man 1947, am Anfang des sogenannten "Kalten Krieges", vor allem in Jean-Paul Sartres Umgebung volksschullehrerhaft fand. Das Problem der individuellen Verantwortung, wie es in "Die Pest" aufgeworfen wurde, war sowenig "marxistisch" wie nur möglich und entsprach überhaupt nicht der damals vorherrschenden Ansicht von der Allmacht der geschichtlichen Bestimmungen.
Heute könnte man dem Buch eine gewisse Naivität vorwerfen und einen feierlich-steifen Stil, aber das Verschwinden der Ideologien und die Neubesetzung des individuell moralischen Bereiches als Möglichkeit des politischen Denkens lassen die Kritik Sartres an der "Pest" doch ein wenig kurzsichtig erscheinen. Jeder Leser kann "Die Pest" so verstehen, wie er es will. Es kann keine endgültige Interpretation dieses Buches geben. Daß dieser Roman sich so offenkundig jeder unmittelbaren Deutung zur Verfügung stellt, macht ihn als Forschungsobjekt für Spezialisten natürlich völlig wertlos.
Im Grunde hat man Camus nie verziehen, ein zugänglicher und lesbarer "Intellektueller" zu sein. Das wurde auch Victor Hugo oder sogar Emile Zola zur Last gelegt: Wer einen unschuldigen Juden verteidigt (den Hauptmann Dreyfus), so sah es eine rechts orientierte Kritik, kann doch nur ein miserabler Schriftsteller sein! Vor allem jedoch hat man es Camus übelgenommen, daß er sich erlaubte, außerhalb der vorgeschriebenen Denkregeln die Positionen und Zusammenhänge zu überprüfen und sein Gewissen nicht vorgefertigten oder diktierten Einsichten zu unterwerfen. Er brauchte keine Garantien, er mußte sich seine Meinungen nicht bestätigen lassen, um zu wissen, ob er "richtig" dachte.
Schon lange vor seinem Tod 1960 hatte Camus mit den intellektuellen Autoritäten seiner Zeit zu kämpfen. Er hat nie konform gedacht, er hat sich nie eingefahrenen politischen Optionen unterworfen, wie es die meisten Intellektuellen getan haben. Er war sich seiner Ansichten sicher genug, um sich wenig darum zu scheren, ob sie auch der Parteilinie entsprachen oder nicht. Vielmehr hat er ganz im Sinne von Descartes von Anfang an jede Behauptung auf ihren Inhalt geprüft, anstatt sie als Glaubensartikel hinzunehmen. Dagegen waren für ihn das Leiden und die Verzweiflung, das Schicksal und die Verantwortung des einzelnen Menschen viel wichtiger als der Erfolg oder Mißerfolg einer ihm nahestehenden politischen Partei. Was er über Nietzsche oder Kafka im "Mythos von Sisyphos" schrieb, sollte man deshalb unbedingt wieder lesen.
Für Jean-Paul Sartre und vor allem für Simone de Beauvoir, die ihn doch so "großzügig" aufgenommen hatten, wurde dieser algerische Prolet, Sohn einer armen, des Lesens und Schreibens nicht kundigen Putzfrau, bald zu einer fast unangenehmen Erscheinung. Er war nicht der Proletarier aus dem Bilderbuch, wie ihn Jean Genet darstellte. Camus hatte die beiden enttäuscht, weil er nicht handelte und schrieb, wie sie es erwarteten. Für diese gutsituierten Großbürger verkörperte gerade er, der Benachteiligte, den Kolonialisten, vielleicht sogar den "Profiteur", der sich in die gute Gesellschaft eingeschlichen hatte.
Dabei hielt sich Camus nicht einmal an die Spielregeln der meisten anderen Intellektuellen. Er bezog zum Beispiel im Algerienkrieg eine besonders unbequeme Position. Da er einer der wenigen Pariser Intellektuellen war, die Algerien wirklich aus der Innenperspektive kannten, war es ihm unmöglich, sich auf eine Seite zu schlagen. Für ihn war Algerien Frankreich, aber er hatte nichts mit der rechtsradikalen Bewegung von "Algérie française" zu tun, im Gegenteil.
Im Vergleich zu den ziemlich abgehobenen Stellungnahmen von "Les Temps modernes", der Zeitschrift Sartres, war Albert Camus' Denken viel offener, weniger theoretisch bedingt und befangen, Widersprüchen zugänglicher. Sartre hat sich oft geirrt und eingelenkt. Was ihn von Camus trennte, war letztlich nur die Taktik oder die Anpassungsbereitschaft des Denkens. Zur Verteidigung von Dreyfus hätten sie sich wohl wieder vereint, wie sich Sartre und Raymond Aron zur Zeit der Boat people Seite an Seite, trotz aller Gegensätze, wiederfanden. So ist es auch von besonderer Bedeutung, daß René Char, der große Dichter und Widerstandskämpfer, immer einer seiner besten Freunde geblieben ist.
Camus wurde mit Haßausbrüchen überschüttet, vergleichbar denen, wie man sie in Deutschland für Heine bereit gehabt hatte. Denn in "Der Mensch in der Revolte" oder in seinen aktuellen Aufsätzen nahm er nicht nur die Thematik seiner Erzählungen wieder auf, sondern vor allem eine alte französische Tradition der Unangepaßtheit. Wenn es einen Autor geben sollte, von dem jedes Wort gegen jede Form von Faschismus oder Anbiederung mit dem Unmenschlichen gerichtet ist oder die stalinistische Diktatur anklagt, bei dem man beim Lesen auch einer noch so rein "literarischen" Erzählung sofort weiß, daß sein Denken den sich selbst verherrlichenden Autoritäten beständig widerspricht, dann ist es eben Albert Camus. Sein politisches Denken war immer von Zivilcourage, nicht von Theorie geleitet, nicht unähnlich dem von Heinrich Böll.
Da zu seiner Zeit nicht nur das politische, sondern das literarische und geistige Leben überhaupt von Parteien und Parolen beherrscht wurde, hatte freiheitliches, selbständiges und kritisches, also einfach menschliches, nicht autorisiertes Denken immer mehr Schwierigkeiten, Gehör zu finden. Zu keinem Augenblick seines Schaffens hat Camus "linientreu" gedacht oder gehandelt, und mehr brauchte es nicht, um des Ressentiments aller Parteifunktionäre, welcher Herkunft auch immer, sicher zu sein. Er hat einmal den Satz geschrieben: "Wir müssen die Dinge beim Namen nennen und einsehen, daß wir Millionen von Menschen töten, sobald wir uns gewisse Gedanken erlauben." Damit war der Hegelsche Gedanke gemeint, wonach der Mensch für die Geschichte geschaffen sei. Vor allem aber betrafen diese Worte die Wendung der Politik in Orthodoxie mit ihren Verurteilungen und Ausschließungen von Abtrünnigen und Andersdenkenden.
Für Camus war der einzelne, war jeder Mensch in seiner Einsamkeit und Einmaligkeit wichtiger als alle politischen Bestimmungen, welcher Art sie auch immer sein mochten. Daher sein so vehementer Kampf an der Seite Arthur Koestlers gegen die Todesstrafe, der sich dann in dem berühmten Film "Nous sommes tous des assassins" (Wir sind alle Mörder) niederschlug. Die Todesstrafe in ihrer kollektiven Form der Massenvernichtung war der eigentliche Wesenszug des zwanzigsten Jahrhunderts.
Den Staatsterrorismus der Nazis hat Camus als das definiert, was er war: als maschinell-heiteres Hinrichten im Zeichen des "Führerprinzips", als reinen Nihilismus, wie Nietzsche ihn hatte kommen sehen. Zugleich war für Camus das zwanzigste Jahrhundert das Jahrhundert des Terrorismus gerade wegen der Dominanz der Ideen, deren Verwirklichung so viele Menschen geopfert wurden. Zu Beginn von "Der Mensch in der Revolte" wagte er zu schreiben: "Es ist die Philosophie, die zu allem zu gebrauchen ist, sogar zur Verwandlung der Mörder in Richter", etwas später: "Im Zeitalter der Ideologien muß man sich mit dem Morden ins reine bringen." Diese Sätze waren eine so ungeheuerliche Entlarvung der Bereitwilligkeit, sich zu unterwerfen, wie die Ideologiehörigkeit sie erzeugt, daß man ihm seine freimütigen, ätzenden Feststellungen nur übelnehmen konnte.
Über die jetzt glücklicherweise abflauende, ebenso lächerliche wie fragwürdige Heidegger-Welle in Frankreich hätte Camus sich bestimmt lustig gemacht. Schon der eingeforderte Respekt vor irgendwelchen proklamierten und in allen Zeitungen zitierten Größen rief unweigerlich seinen immer ein wenig traurigen Spott hervor. Es ist also zu hoffen, daß diese neue Übersetzung der "Pest" Camus in Deutschland neue Leser bringt, die auch seine anderen Bücher lesen werden, so auch sein postumes Buch "Der erste Mensch", das uns französischen Lesern wieder einmal die Einheitlichkeit und Einmaligkeit seines Menschenbildes bestätigt hat.
Albert Camus: "Die Pest". Aus dem Französischen übersetzt von Uli Aumüller. Rowohlt Verlag, Reinbek 1997. 350 S., geb., 42,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Camus irrt sich nicht in seinem Roman. Das Drama sind nicht die, die durch die Hintertür zum Friedhof entwischten - und für die die Angst vor der Pest endlich vorbei war -, sondern die Lebenden, die in ihren stickigen Schlafzimmern Blut schwitzten, ohne der belagerten Stadt entfliehen zu können. Gabriel Garcia Márquez
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Als sehr gelungen beurteilt Rezensent Wolfgang Schneider die Hörspielfassung von Albert Camus' "Die Pest", wobei er besonders die Anforderung einer auf zweieinhalb Stunden gebrachten Mischung zwischen den realistischen und den philosophischen Anteilen des existentialistischen Romans gemeistert sieht. Er räumt ein, dass es für seinen Geschmack durchaus ein bisschen mehr "Heulen und Zähneklappern" hätten sein dürfen bei der Inszenierung, auch wenn er klarstellt, dass "Die Pest" kein Thrillermaterial zu bieten hat. Insgesamt aber lobt er die guten Sprecher und die musikalische Untermalung. Für ihn belegt dieses Hörspiel, dass der Existentialismus keineswegs überholt ist, sondern lediglich als "selbstverständlich" ins allgemeine Bewusstsein übergegangen ist.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Albert Camus beschreibt die Entwicklung und Auswirkungen der Pest in der französischen Präfektur Oran an der algerischen Küste im Jahr 194' aus der Perspektive von Dr. Bernard Rieux, einem couragierten Arzt, der gegen die Seuche ankämpft.
Zu Beginn sterben die Ratten und …
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Albert Camus beschreibt die Entwicklung und Auswirkungen der Pest in der französischen Präfektur Oran an der algerischen Küste im Jahr 194' aus der Perspektive von Dr. Bernard Rieux, einem couragierten Arzt, der gegen die Seuche ankämpft.
Zu Beginn sterben die Ratten und später die Menschen. Über Oran wird der Ausnahmezustand verhängt. Niemand darf die Stadt verlassen. Das geordnete Leben in der Stadt bricht zusammen. Die Menschen verkriechen sich in ihren Wohnungen.
Der atheistische Arzt Rieux kämpft aktiv gegen die Seuche an, während der Jesuitenpater Paneloux in seiner Predigt die Pest als Strafe Gottes zur Züchtigung des Menschen bezeichnet. Die Protagonisten gehen unterschiedlich mit der Situation um.
Es sind Handlungsorientierung, Liebe und Solidarität gefragt, statt Egoismus, Aberglaube und Fatalismus, auch wenn die Situation absurd erscheint. Wer die Absurdität in den Fokus rückt, verliert den Kampf gegen die Seuche.
Die Pest ist gekommen wie eine finstere Wolke und sie verschwindet auch irgendwann wieder, ohne, dass die Betroffenen es erklären können. Sie steht metaphysisch für das Böse, welches die Menschheit von Zeit zu Zeit heimsucht.
Es ist kein Zufall, dass der Roman in den 1940er Jahren entstanden ist. Das Böse steht sinnbildlich für die Okkupation Frankreichs durch die Deutschen im Zweiten Weltkrieg. Auch wenn die Gefahr gebannt ist, bleibt das Böse im Menschen latent vorhanden.
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Ich bin Buchhändlerin und habe dieses Buch schon mehrmals gelesen und verschenkt. Nachdem ich den Film "Labyrinth der Wörter" gelesen und als DVD gesehen habe habe ich es mir nochmals gekauft und auch gelesen. Es ist eine Bereicherung für jeden Leser.
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Klassiker, der depressiv macht
Klar, ich denke beim Lesen des Romans an den Ebola-Ausbruch in Afrika. Und sicher ist der Ausbruch einer Epidemie eine Sondersituation für alle Bewohner dieser Stadt, hier Oran.
Man merkt dem Autor sein Hang zur Absurdität an. Der Roman wurde sehr gut auf …
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Klassiker, der depressiv macht
Klar, ich denke beim Lesen des Romans an den Ebola-Ausbruch in Afrika. Und sicher ist der Ausbruch einer Epidemie eine Sondersituation für alle Bewohner dieser Stadt, hier Oran.
Man merkt dem Autor sein Hang zur Absurdität an. Der Roman wurde sehr gut auf Wikipedia interpretiert. Ich bewundere die Darstellung der Figuren, fand den Roman aber so deprimierend, dass ich ihn am liebsten weggelegt hätte. Daher 3 Sterne.
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Zwischen den Toten der Nacht und den Sterbenden des Tages
In seinem Roman «Die Pest» von 1947 hat Nobelpreisträger Albert Camus viel selbst Erlebtes verarbeitet, wozu neben dem Handlungsort Oran insbesondere das Bedrückende der politischen und militärischen Situation im …
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Zwischen den Toten der Nacht und den Sterbenden des Tages
In seinem Roman «Die Pest» von 1947 hat Nobelpreisträger Albert Camus viel selbst Erlebtes verarbeitet, wozu neben dem Handlungsort Oran insbesondere das Bedrückende der politischen und militärischen Situation im besetzten Frankreich, seine langen Klinikaufenthalte wegen seiner Tuberkulose und die ebenfalls lange Trennung von seiner Frau gehören. Innerhalb seiner mit existentialistischen Motiven angereicherten Philosophie des Absurden erscheint hier dominant das Element der Revolte im Sinne von Auflehnung, von Protest gegen die Zumutung des Daseins, die unbegreifliche Sinnlosigkeit der menschlichen Existenz. Und zur Revolte als ständiger Handlungsmaxime im Werk von Camus gehört untrennbar die Solidarität, der uneingeschränkte Respekt vor dem anderen. Insoweit ist der berühmte Roman eine Art groß angelegte Meditation über die menschliche Existenz als solche. Das Nobelkomitee erkannte ihm den Preis zu «für seine bedeutungsvolle Verfasserschaft, die mit scharfsichtigem Ernst menschliche Gewissensprobleme in unserer Zeit beleuchtet».
Zum Elend dieser Welt zählt für den Menschen ohne Zweifel an erster Stelle der Tod als unabwendbarer Endpunkt seiner Existenz. Und eine tödliche Seuche wie die Pest wirft da natürlich zuallererst die Frage der Theodizee auf, das menschliche Dasein scheint in Hinblick darauf absurd, ein um sich greifender Atheismus ist die Folge. Als Gegenkräfte nennt Camus vor allem die Solidarität, die er als neue Art des Humanismus begreift, sowie Freundschaft und Liebe, für die es sich zu kämpfen lohne und die zusammen jene menschliche «Wärme» erzeugen können, die er als elementarstes Bedürfnis der Menschheit definiert.
Ein Ich-Erzähler berichtet von einem seltsamen, rasant um sich greifenden Rattensterben in der algerischen Hafenstadt Oran in den 1940er Jahren. Der Protagonist Dr. Bernhard Rieux deutet anhand der Symptome die sich ebenfalls häufenden Todesfälle unter den Bewohnern schon bald als Beginn einer Pestepidemie und stemmt sich selbstlos der schrecklichen Seuche entgegen. Der Ausnahmezustand wird ausgerufen und die Stadt nach außen hin komplett abgeriegelt. In den folgenden Monaten herrscht in dem als ganze Stadt in Quarantäne genommenen Oran der «Schwarze Tod», dem gegenüber sich der Arzt wie Sisyphos fühlt. Die Deutung der Pest durch Pater Paneloux als Strafe Gottes für die sündigen Menschen lässt Rieux nicht gelten, er gerät darüber in einen heftigen Disput mit ihm. Während des sich in fünf Phasen über ein ganzes Jahr hinweg ersteckenden Verlaufs der Pest begegnet der Leser einer Reihe von Figuren, mit denen Rieux in Kontakt ist. Da ist sein politisch engagierter Nachbar Tarrou, oder der auswärtige Journalist Rambert, der in Oran von der Pest überrascht wurde und nun mit gefangen ist, der verhinderte Schriftsteller Grand, der einen Roman schreiben will, aber schon am ersten Satz scheitert, oder Cottard, ein zwielichtiger Rentner, der von der Pest profitiert und am Ende verrückt wird.
In diesen metaphysischen Roman des Bösen, verkörpert durch die tödliche Seuche, haben Zeitgenossen Anspielungen auf den Zweiten Weltkrieg und die Résistance hinein interpretiert. Die literarische Qualität des Romans kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Lektüre gelinde gesagt beschwerlich ist, nicht nur der bedrückenden Thematik wegen. Denn wenn Rieux, der sich letztendlich als der wahre Erzähler outet, immer wieder durch die staubigen Gassen Orans flaniert, dabei seine Freunde trifft und mit ihnen endlose Gespräche über die Pest führt, ohne dass wirklich etwas geschieht, dann gerät die Lektüre irgendwann zur Geduldsprobe. «Frühmorgens weht ein leichter Wind durch die noch ausgestorbene Stadt. Um diese Stunde zwischen den Toten der Nacht und den Sterbenden des Tages scheint die Pest ihr Wüten zu unterbrechen und wieder Atem zu schöpfen». Sätze fast identischen Inhalts finden sich gleich hundertfach, weniger wäre hier wirklich mehr gewesen!
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