PAYBACK Punkte
0 °P sammeln!
Von einem Ort, der die Zukunft hätte sein sollenNach Jahren kehrt Heather zurück nach Kolchis. In das Sanatorium, in das sie als Teenager evakuiert wurde - durch eine Zeitreise. Heather leidet seitdem, wie viele Evakuierte, unter »Phantomerinnerungen« und dem Schmerz der Einsamkeit, denn sie hat ein Leben und eine Zukunft zurückgelassen, die sie kaum gekannt hat. Sie hofft, innere Ruhe zu finden, doch auch Kolchis hat sich verändert. Das Sanatorium ist verfallen, die übrig gebliebenen Bewohner haben sich in ihre eigene Welt zurückgezogen. Matthias, der aus der Zeit der Bauernkriege eva...
Von einem Ort, der die Zukunft hätte sein sollen
Nach Jahren kehrt Heather zurück nach Kolchis. In das Sanatorium, in das sie als Teenager evakuiert wurde - durch eine Zeitreise. Heather leidet seitdem, wie viele Evakuierte, unter »Phantomerinnerungen« und dem Schmerz der Einsamkeit, denn sie hat ein Leben und eine Zukunft zurückgelassen, die sie kaum gekannt hat. Sie hofft, innere Ruhe zu finden, doch auch Kolchis hat sich verändert. Das Sanatorium ist verfallen, die übrig gebliebenen Bewohner haben sich in ihre eigene Welt zurückgezogen. Matthias, der aus der Zeit der Bauernkriege evakuiert wurde, wird für Heather dennoch zu einem Vertrauten, der ihr zeigt, dass Kapitulation das Ende von Menschlichkeit bedeutet.
Virtuos erzählt Franz Friedrich von einer Zukunft, in der alle verpassten Chancen der Vergangenheit präsent sind. Aber auch von Freundschaft, Gemeinschaft und dem unstillbaren Begehren nach Veränderung.
Der Roman »Die Passagierin« stand auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis 2024.
Nach Jahren kehrt Heather zurück nach Kolchis. In das Sanatorium, in das sie als Teenager evakuiert wurde - durch eine Zeitreise. Heather leidet seitdem, wie viele Evakuierte, unter »Phantomerinnerungen« und dem Schmerz der Einsamkeit, denn sie hat ein Leben und eine Zukunft zurückgelassen, die sie kaum gekannt hat. Sie hofft, innere Ruhe zu finden, doch auch Kolchis hat sich verändert. Das Sanatorium ist verfallen, die übrig gebliebenen Bewohner haben sich in ihre eigene Welt zurückgezogen. Matthias, der aus der Zeit der Bauernkriege evakuiert wurde, wird für Heather dennoch zu einem Vertrauten, der ihr zeigt, dass Kapitulation das Ende von Menschlichkeit bedeutet.
Virtuos erzählt Franz Friedrich von einer Zukunft, in der alle verpassten Chancen der Vergangenheit präsent sind. Aber auch von Freundschaft, Gemeinschaft und dem unstillbaren Begehren nach Veränderung.
Der Roman »Die Passagierin« stand auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis 2024.
Franz Friedrich, geboren 1983, studierte Experimentalfilm an der Universität der Künste Berlin und in Leipzig am Deutschen Literaturinstitut. Mit seinem Debüt 'Die Meisen von Uusimaa singen nicht mehr' wurde er mit dem Literaturpreis der Jürgen-Ponto-Stiftung ausgezeichnet und war für den Deutschen Buchpreis nominiert. Zuletzt erschien der Roman 'Die Passagierin', der auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis 2024 stand. Franz Friedrich lebt in Berlin. Literaturpreise: Literaturpreis der Jürgen Ponto-Stiftung 2014
Produktdetails
- Verlag: S. Fischer Verlag GmbH
- 2. Aufl.
- Seitenzahl: 512
- Erscheinungstermin: 24. April 2024
- Deutsch
- Abmessung: 207mm x 132mm x 45mm
- Gewicht: 606g
- ISBN-13: 9783103971170
- ISBN-10: 3103971176
- Artikelnr.: 69164263
Herstellerkennzeichnung
FISCHER, S.
Hedderichstraße 114
60596 Frankfurt
produktsicherheit@fischerverlage.de
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensent Stefan Michalzik erkennt in diesem Roman eine "sichere Hand", die "ungeheuer viel" zu den großen Themen der Gesellschaft sage, ohne dabei ins Maßlose zu kippen. So erscheine Franz Friedrichs Buch an der Schwelle zum Essay, in dem viel über die Bedingungen des Gemeinwohls nachgedacht werde oder etwa darüber, ob seelisches Leiden beim Einzelnen liege oder durch die Gesellschaft hervorgerufen werde. In ein zukünftiges Kolchis als utopischen Ort an der Schwarzmeerküste holt Friedrich in einem "fantastisch-realistischen" literarischen Gestus hoffnungslose Schicksale aus vergangenen Epochen. In Kolchis herrscht kein Mangel, hier können verzweifelte Seelen Zuflucht finden
Mehr anzeigen
und friedlich geheilt werden, resümiert Michalzik. Auch Heather kommt dorthin, die hofft, sich von "Phantomerinnerungen" retten zu können. Hier geht es aber weniger um die Handlung, betont Michalzik, vielmehr werden Schicksale beobachtet, "sehr eingehend" sogar. Wie das von Matthias, dem Heather begegnet, einem Söldner aus dem Mittelalter, der seine Rettung als ungerecht empfindet und am liebsten alle Menschen retten würde - nur droht dadurch "das Boot" zu überladen. Gerade durch Friedrichs unaufgeregten Erzählstil habe der Roman eine reflexive Kraft und essayistische Wirkung, meint der Rezensent. Langsam und sicher lasse Friedrich literarisch eine Welt entstehen, die "Hast so wenig kennt wie das Buch selbst".
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Schließen
Ein sehr besonderer Zeitreise-Roman über verpasste Chancen, der im Dunklen leuchtet [...] wie ein Hoffnungsschimmer. Angela Wittmann BRIGITTE 20250102
Rezensent Stefan Michalzik erkennt in diesem Roman eine "sichere Hand", die "ungeheuer viel" zu den großen Themen der Gesellschaft sage, ohne dabei ins Maßlose zu kippen. So erscheine Franz Friedrichs Buch an der Schwelle zum Essay, in dem viel über die Bedingungen des Gemeinwohls nachgedacht werde oder etwa darüber, ob seelisches Leiden beim Einzelnen liege oder durch die Gesellschaft hervorgerufen werde. In ein zukünftiges Kolchis als utopischen Ort an der Schwarzmeerküste holt Friedrich in einem "fantastisch-realistischen" literarischen Gestus hoffnungslose Schicksale aus vergangenen Epochen. In Kolchis herrscht kein Mangel, hier können verzweifelte Seelen Zuflucht finden
Mehr anzeigen
und friedlich geheilt werden, resümiert Michalzik. Auch Heather kommt dorthin, die hofft, sich von "Phantomerinnerungen" retten zu können. Hier geht es aber weniger um die Handlung, betont Michalzik, vielmehr werden Schicksale beobachtet, "sehr eingehend" sogar. Wie das von Matthias, dem Heather begegnet, einem Söldner aus dem Mittelalter, der seine Rettung als ungerecht empfindet und am liebsten alle Menschen retten würde - nur droht dadurch "das Boot" zu überladen. Gerade durch Friedrichs unaufgeregten Erzählstil habe der Roman eine reflexive Kraft und essayistische Wirkung, meint der Rezensent. Langsam und sicher lasse Friedrich literarisch eine Welt entstehen, die "Hast so wenig kennt wie das Buch selbst".
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Schließen
Jahre nach ihrer Evakuierung zieht es Heather nach Kolchis zurück. Wie tausende andere ist sie via Zeitreise hierher gerettet worden. Im mittlerweile ziemlich heruntergekommenen Sanatorium hat sie ihre Teenagerjahre verbracht und seltsame Phantomerinnerungen aus dieser Zeit suchen sie heim. …
Mehr
Jahre nach ihrer Evakuierung zieht es Heather nach Kolchis zurück. Wie tausende andere ist sie via Zeitreise hierher gerettet worden. Im mittlerweile ziemlich heruntergekommenen Sanatorium hat sie ihre Teenagerjahre verbracht und seltsame Phantomerinnerungen aus dieser Zeit suchen sie heim. Eigentlich will sie sich mit ihrer eigenen Vergangenheit beschäftigen, aber die der anderen Rückkehrer nimmt ihre Aufmerksamkeit mindestens ebenso gefangen. Was ist es, das sie alle in Kolchis zu finden hoffen?
Ich mochte es, dass man sich hier erstmal irgendwie zurechtfinden muss. Was sind das für Leute auf die Heather trifft? Was hat es mit Kolchis und den verschiedenen Gebäuden des Sanatoriums auf sich? In welchem Jahr befinden wir uns überhaupt? Was waren das für Rettungsmissionen und warum gibt es sie aktuell nicht mehr? Nach und nach klärt sich all das, auch wenn es nicht Friedrichs Fokus ist, uns seine fiktive Zukunft in all ihren Details zu erklären. Hier und da gibt es eine Information aber lieber konzentriert er sich auf seine Figuren. Warum sind sie nach Kolchis zurückgekehrt und woher kommen sie ursprünglich? Aber auch hier wird mit vielen Worten oft gar nicht so viel gesagt. Die teils spleenigen Bewohner kreisen um sich selbst, hadern mit Details und haben sich in Kolchis ihre eigene kleine Welt geschaffen. Allerdings scheint sich heraus zu kristallisieren, dass Glück und Dankbarkeit der Geretteten stets mit einem kleinen „aber“ versehen sind – auch wenn niemand wirklich zurück will.
Besonders interessant ist natürlich Matthias. Der zurückhaltende und freundliche junge Mann kommt aus dem tiefsten Mittelalter. Einst ein Söldner in den Bauernkriegen, blick er nun absolut reflektiert auf seine Zeit zurück und wünscht sich, diese mit kleinen Erfindungen erträglicher machen zu können. Und obwohl Heather bei weitem nicht so einen langen Weg hinter sich hat, hat sie ihre Vergangenheit weit von sich geschoben. Und das obwohl sie selbst Rettungsmissionen geflogen ist und die Möglichkeit hatte einen Blick zu riskieren.
Friedrichs Idee ist stark: Was tust du, wenn du aus deiner Zeit in eine ferne Zukunft gerettet wirst, alles und alle zurücklässt und nun weißt, dass Eingriffe in der Vergangenheit möglich sind aber eben nur in Kleinen. Verzweifelst du an denen, die nicht gerettet werden konnten? Lässt es dich nicht los, dass man nichts gegen Kriege und Hunger in deiner Zeit tun kann? Dass du deine Familie zurückgelassen hast? Oder bist du einfach dankbar am Leben zu sein und für all die Errungenschaften, an denen du nun teilhaben kannst? Ich kann mir allerdings vorstellen, dass sie Umsetzung dieser Story nicht jedem gefällt. All diese Fragen werden wie nebenbei gestreift. All die Science-Fiction meist nur angedeutet. Es ist ruhig erzählt, es wird viel geredet und die Handlung ist erstaunlich sparsam und unspektakulär bei so einer Vorlage.
Mir hat der Roman trotzdem gut gefallen, weil ich die Stimmung mochte, die im verfallenen Kolchis herrscht. Weil ich es mag, nicht gleich alles zu verstehen und nur langsam dies und das herauszufinden. Und weil mir Friedrichs Sprache und Figuren gut gefallen haben. Wer also auf nachdenkliche dialoglastige Geschichten mit Sci-Fi-Touch steht, der sollte es hiermit durchaus einmal versuchen!
Weniger
Antworten 1 von 1 finden diese Rezension hilfreich
Antworten 1 von 1 finden diese Rezension hilfreich
Ich habe ein Faible für Dystopien. Eine Dystopie gepaart mit Zeireisen ist umso perfekter. Dachte ich. Der Klappentext vom Buch machte mich sehr neugierig. Heather, die Protagonistin kehrt an den Ort zurück aus dem sie evakuiert wurde.
Alles ist wie damals nur anders. Sie trifft auf …
Mehr
Ich habe ein Faible für Dystopien. Eine Dystopie gepaart mit Zeireisen ist umso perfekter. Dachte ich. Der Klappentext vom Buch machte mich sehr neugierig. Heather, die Protagonistin kehrt an den Ort zurück aus dem sie evakuiert wurde.
Alles ist wie damals nur anders. Sie trifft auf Menschen, die aus einer anderen Zeitepoche dort gestrandet sind und sie trifft auf Menschen, die auf eine Evakuierung warten. Das Evakuierungsprogramm wurde jedoch eingestellt, niemand dort ahnt etwas davon.
Heather möchte zunächst nur ein paar Tage bleiben, wird aber ihren Aufenthalt um einige Wochen ausdehnen. Und so kam mir auch das Lesen vor. Sehr ausgedehnt. In langen Sitzungen sprechen die Bewohner:innen u.a. über ihre Zeit in den anderen Epochen, über ihre Schuld, über ihre Geschichten. Ich befürchte ich bin anfangs so oft angeschweift, dass sich mir bis zum Ende einiges nicht erschlossen hat.
Heather fasst Vertrauen zu Matthias, der aus weit zurück liegenden Kriegszeiten stammt und seinen Platz genau hier gefunden zu haben scheint. Alle anderen Figuren bleiben blass und distanziert, was vermutlich beabsichtigt ist. Mir fehlte der Strang in der Geschichte, an dem ich mich langhangeln konnte.
Wer langwierige Gedankenspiele mag, wird dieses Buch gern lesen.
Weniger
Antworten 0 von 0 finden diese Rezension hilfreich
Antworten 0 von 0 finden diese Rezension hilfreich
Zeitreisen nach Kolchis
Die Szenerien spielen in Kolchis und den verschiedenen, mittlerweile abgewrackten Gebäuden des Sanatoriums, dem Bahnhof und dem Postamt. Das Zusammenleben in dieser seltsamen Gemeinschaft einiger Evakuierter verschiedener Zeitreisen wird besonders detailliert und …
Mehr
Zeitreisen nach Kolchis
Die Szenerien spielen in Kolchis und den verschiedenen, mittlerweile abgewrackten Gebäuden des Sanatoriums, dem Bahnhof und dem Postamt. Das Zusammenleben in dieser seltsamen Gemeinschaft einiger Evakuierter verschiedener Zeitreisen wird besonders detailliert und eindrucksvoll beschrieben. Die Nebenfiguren bilden ein buntes Rahmengeflecht. In tief gehenden Dialogen, besonders zwischen den Hauptfiguren Heather und Matthias, geht es um allzeit gültige Gedankenspiele. Während er, aus Frankenhausen als Söldner aus dem tiefsten Mittelalter kommend, schuldbewusst über den damaligen schlimmen Ausgang des Bauernkrieges in Mitteldeutschland und Thomas Müntzer sinniert im Gespräch mit Heather aus Bad Schandau an der Elbe, die mit 15 Jahren vor 52 Jahren evakuiert wurde, geht es z.B. um das Nowikow-Gesetz, um das Wissen, diese verdrehte Vorstellung, aus der Knechtschaft der einen einen Vorteil zu ziehen, anstatt den Reichtum aller für alle zu nutzen oder die Katastrophe hier des Bürgerkriegs nicht einfach so hinzunehmen. Was sind die Gefahren von Zeitreisen? Wie ist es, z.B. aus deiner altertümlichen Zeit herausgerissen in eine weit entfernte Zukunft quasi gerettet zu werden unter Zurücklassung aller Güter und menschlicher Bezugspersonen? Verzweifelt man bei dem Gedanken, dass nicht alle evakuiert, gerettet werden können? Nicht jeder kommt in dieser neuen Welt an und möchte zurück, nicht nur um Schuldgefühle zu beruhigen. Der Sprachstil und die Figuren gefallen, auch wenn die erste Hälfte etwas langatmig ist.
Weniger
Antworten 0 von 0 finden diese Rezension hilfreich
Antworten 0 von 0 finden diese Rezension hilfreich
Dystopische Zeitreise
Nach zehn Jahren hat der Schriftsteller Franz Friedrich seinen zweiten Roman veröffentlicht, der dann, wie schon sein Debüt, ebenfalls für die Longlist des Deutschen Buchpreises 2024 ausgewählt wurde. Es ist die ebenso originelle wie gewagte Kombination …
Mehr
Dystopische Zeitreise
Nach zehn Jahren hat der Schriftsteller Franz Friedrich seinen zweiten Roman veröffentlicht, der dann, wie schon sein Debüt, ebenfalls für die Longlist des Deutschen Buchpreises 2024 ausgewählt wurde. Es ist die ebenso originelle wie gewagte Kombination einer Dystopie mit einer sowohl in die Vergangenheit als auch in die Zukunft springenden Zeitreise für ausgesuchte Menschen. Ort der Handlung ist eine nach der antiken Landschaft Kolchis benannte, kleine Gemeinde am Meer, quasi ein Kurort für Zeitreisende. In dem befinden sich viele mit wunderlichen Namen benannte Sanatorien, die den, aus ihrer jeweils persönlich erlebten Zeit dorthin evakuierten Menschen eine neue Heimstatt bieten. Sie sind durch ihre Zeitreise ihrem historischen Schicksal entkommen und sollen jetzt auf ihr neues, besseres Leben vorbereitet werden. «Es ist ein großer Wartesaal, abgeschirmt wie unter einer Glocke, seiner Zeit entrückt», hat der Autor dazu erklärt.
Protagonistin und Ich-Erzählerin der Geschichte ist Heather, eine Frau aus der ehemaligen DDR, die dort groß geworden ist und dann 1989 die «Wende» miterlebt hat. Als Teenager war sie schon mal nach einer Zeitreise in Kolchis, nun kehrt sie als Erwachsene zurück. Heather leidet seit damals an «Phantom-Erinnerungen» und hofft, ihre innere Ruhe wiederzufinden und dem Schmerz der Einsamkeit zu entfliehen. Nun will sie nach etlichen Jahren ein paar Tage dort verbringen, - aber aus den Tagen werden Wochen. Ihr ehemaliges «Sanatorium 9» ist verfallen, nur wenige Räume sind noch bewohnbar, und das gilt auch für all die anderen Sanatorien und Gebäude in Kolchis, wie sie feststellen muss, alles ist scheinbar verlassen und dem langsamen Verfall anheim gegeben. Die Bewohner, die dort noch leben, stammen alle aus einer anderen historischen Epoche, dem Spätmittelalter zum Beispiel, der Zeit der Kolonialreiche, der Weltkriege, bis hinein in unsere Gegenwart. Sie alle warten auf eine Evakuierung, die sie aus Kolchis wieder wegbringen soll. Was aber niemand von ihnen ahnt: Die Rettungs-Missionen des Evakuierungs-Programms gibt es gar nicht mehr!
In täglichen Sitzungen mit wechselnder Besetzung diskutieren die Bewohner ‹über Gott und die Welt›, meist aber über ihre ganz persönlichen Geschichten. Es werden dabei natürlich auch die großen philosophischen Fragen verhandelt, speziell die nach der persönlichen Schuld. Dabei freundet sich Heather mit Matthias an, einem aus dem Mittelalter stammenden, verbitterten Landsknecht, der als ehemaliger Söldner hier offenbar den idealen Platz für sich gefunden hat. Im Interview hat der Autor sein ungewöhnliches narratives Konzept erklärt: «Die Idee treibt mich schon lange um: die Vorstellung einer Flucht aus der einen Zeit, der Rettung in eine andere. Sobald man länger darüber nachdenkt, wird man merken, dass es nicht reicht, Einzelne zu holen, aber alle? Als besonders tragisch erschien mir immer das Konzept einer nicht mehr veränderbaren Vergangenheit, einer Geschichte, die man zwar bereisen kann, aber einfach geschehen lassen muss, so grausam sie auch ist. Was würde das mit einer Gesellschaft machen, würde sie das hinnehmen? Oder würde sie nicht trotzdem versuchen, ihre historischen Katastrophen zu verhindern, so gering die Chancen auf einen Erfolg auch wären.»
Aus dem Gesagten kann man unschwer erkennen, dass man von diesem Roman Plausibilität nicht erwarten kann. Seine Figuren sind durch tragische Schicksale gekennzeichnet, wie vergessene Selbstmörder zum Beispiel oder Opfer kollektiver Gewalt. Nicht jeder wird dem in diesem Roman zum Ausdruck kommenden eigenwilligen Humanismus des Autors folgen können und wollen. Bei alledem verzichtet der Autor nämlich auch noch auf eine konkrete Beschreibung seiner kafkaesken Welt. Er setzt damit für eine bereichernde Lektüre eine allzu große Fantasie voraus, deutlich zu viele, naheliegende Fragen bleiben einfach offen. Das Gros seiner Leser dürfte, erheblich überfordert, daran kläglich scheitern, - einige wenige Distopie-Fans ausgenommen!
Weniger
Antworten 0 von 0 finden diese Rezension hilfreich
Antworten 0 von 0 finden diese Rezension hilfreich
eBook, ePUB
Zeitreisende
Franz Friedrich lässt Menschen, die Opfer ihrer Zeit geworden sind, in seinem Roman 'Die Passagierin' ihrem persönlichen Schicksal entfliehen und lässt diese zu einem Ort in einer kleinen Gemeinde am Meer namens Kolchis transportieren, damit sie sich hier in einem …
Mehr
Zeitreisende
Franz Friedrich lässt Menschen, die Opfer ihrer Zeit geworden sind, in seinem Roman 'Die Passagierin' ihrem persönlichen Schicksal entfliehen und lässt diese zu einem Ort in einer kleinen Gemeinde am Meer namens Kolchis transportieren, damit sie sich hier in einem Sanatorium eine Perspektive für ihr neues Leben erarbeiten können. So führen die Protagonisten, die aus unterschiedlichen zeitlichen Epochen der Weltgeschichte stammen Gespräche miteinander, in einer sie beschützenden Umgebung. Als Heather, die Ich-Erzählerin, nach Jahren an den Ort ihrer Jugend zurückkehrt, findet sie das Sanatorium in einem desolaten Zustand vor. Sie glaubt daran hier ihre innere Ruhe endlich wieder zu finden. Wird ihr das gelingen, wo doch so vieles sich verändert hat?
Die Geschichte erfordert beim Lesen viel Konzentration und auch eine gewisse Ausdauer, um die Ereignisse in einen Kontext zu bringen. Es lohnt sich dran zu bleiben und sich den philosophierenden Fragen zu stellen, welchen Einfluss Eingriffe ins Weltgeschehen haben könnten. Der Roman wurde für den Deutschen Buchpreis 2024 nominiert.
Weniger
Antworten 0 von 0 finden diese Rezension hilfreich
Antworten 0 von 0 finden diese Rezension hilfreich
Andere Kunden interessierten sich für