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Nominiert für den Deutschen Buchpreis 2021Der Stoff ist unschlagbar: ein Bad in Blut, eine schöne Frau, Gold und ein Mord, der grausam gerächt wird. So klingt das Lied der Nibelungen, die Sage von Siegfried, dem Strahlenden, seinem düsteren Gegenspieler Hagen und der schönen Kriemhild. Aber ist das die wahre Geschichte dieser europäischen Helden, die in Island oder Norwegen beginnt, am Rhein entlang spielt, die Donau runter erzählt wird und schließlich im Schwarzen Meer mündet? Niemand weiß, wie es wirklich war, meint Hoppe und erfindet die Wahrheit: hell und schnell, poetisch und po...
Nominiert für den Deutschen Buchpreis 2021
Der Stoff ist unschlagbar: ein Bad in Blut, eine schöne Frau, Gold und ein Mord, der grausam gerächt wird. So klingt das Lied der Nibelungen, die Sage von Siegfried, dem Strahlenden, seinem düsteren Gegenspieler Hagen und der schönen Kriemhild. Aber ist das die wahre Geschichte dieser europäischen Helden, die in Island oder Norwegen beginnt, am Rhein entlang spielt, die Donau runter erzählt wird und schließlich im Schwarzen Meer mündet? Niemand weiß, wie es wirklich war, meint Hoppe und erfindet die Wahrheit: hell und schnell, poetisch und politisch, wie nicht mal Tarantino es kann. Felicitas Hoppes Roman »Die Nibelungen«: Das erste gesamteuropäische Heldenepos der Gegenwart.
Der Stoff ist unschlagbar: ein Bad in Blut, eine schöne Frau, Gold und ein Mord, der grausam gerächt wird. So klingt das Lied der Nibelungen, die Sage von Siegfried, dem Strahlenden, seinem düsteren Gegenspieler Hagen und der schönen Kriemhild. Aber ist das die wahre Geschichte dieser europäischen Helden, die in Island oder Norwegen beginnt, am Rhein entlang spielt, die Donau runter erzählt wird und schließlich im Schwarzen Meer mündet? Niemand weiß, wie es wirklich war, meint Hoppe und erfindet die Wahrheit: hell und schnell, poetisch und politisch, wie nicht mal Tarantino es kann. Felicitas Hoppes Roman »Die Nibelungen«: Das erste gesamteuropäische Heldenepos der Gegenwart.
Felicitas Hoppe, geb. 1960 in Hameln, lebt als Schriftstellerin in Berlin. 1996 erschien ihr Debüt 'Picknick der Friseure', 1999 - nach einer Weltreise auf einem Frachtschiff - folgte der Roman 'Pigafetta'. Anschließend erschienen 'Paradiese, Übersee', 'Verbrecher und Versager', 'Johanna', 'Iwein Löwenritter', 'Sieben Schätze', 'Der beste Platz der Welt', 'Abenteuer - was ist das?' und 'Grünes Ei mit Speck', eine Übersetzung von Texten des amerikanischen Kinderbuchklassikers Dr. Seuss. Es folgten die Romane 'Hoppe', 'Prawda. Eine amerikanische Reise', 'Die Nibelungen. Ein deutscher Stummfilm' sowie der Essay 'Gedankenspiele über die Sehnsucht'. Für ihr Werk wurde Felicitas Hoppe mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u. a. mit dem aspekte-Literaturpreis, dem Bremer Literaturpreis, dem Roswitha-Preis der Stadt Bad Gandersheim, dem Rattenfänger-Literaturpreis, dem Georg-Büchner-Preis, dem Erich Kästner Preis für Literatur, dem Großen Preis des Deutschen Literaturfonds sowie dem Berliner Literaturpreis. Außerdem Poetikdozenturen und Gastprofessuren in Wiesbaden, Mainz, Augsburg, Göttingen, am Dartmouth College in Hanover, New Hampshire, an der Georgetown University, Washington D.C., in Hamburg, Heidelberg und Köln.Literaturpreise:u.a.:Foglio-Preis für junge Literatur (1995)Aspekte-Literaturpreis (1996)Ernst-Willner-Preis im Bachmann-Literaturwettbewerb (1996)Rauriser Literaturpreis (1997)Laurenz-Haus-Stiftung Basel (1998)Niedersächsischer Förderpreis für Literatur (1999)Spycher: Literaturpreis Leuk, Nicolas Born-Preis, Heimito von Doderer-Literaturpreis (alle 2004)Brüder Grimm-Preis der Stadt Hanau (2005)Bremer Literaturpreis (2007)Roswitha-Preis der Stadt Bad Gandersheim (2007)Rattenfänger-Literaturpreis (2010)Preisträgerin des Comburg-Stipendiums (2010)Villa Aurora (2012)Georg-Büchner-Preis (2012)Werner-Bergengruen-Preis (2015)Erich Kästner Preis für Literatur (2015)Ehrendoktorwürde der Leuphana Universität Lüneburg (2016)Großer Preis des Deutschen Literaturfonds (2020)Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor (2021) Berliner Literaturpreis (2024)
Produktdetails
- Verlag: S. Fischer Verlag GmbH
- Artikelnr. des Verlages: 1014864
- 3. Aufl.
- Seitenzahl: 249
- Erscheinungstermin: 8. September 2021
- Deutsch
- Abmessung: 211mm x 131mm x 30mm
- Gewicht: 374g
- ISBN-13: 9783100324580
- ISBN-10: 3100324587
- Artikelnr.: 61534508
Herstellerkennzeichnung
S. FISCHER Verlag GmbH
Hedderichstr. 114
60596 Frankfurt am Main
www.fischerverlage.de
+49 (069) 6062-0
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Rezensent Carsten Otte ist hocherfreut über Felicitas Hoppes Neubearbeitung des Nibelungenstoffes. Mit Blick vor allem auf die Absurditäten der kanonischen Erzählung und ihrer Rezeption, so Otte, schreibe die Autorin über eine Nibelungen-Inszenierung, in deren Umkleidepausen die Darsteller sich Luft machen dürfen, und über einen Reisenden, der die historischen Schauplätze abklappert. Der Kritiker lobt, wie Hoppe dabei gleichzeitig Blutbäder à la Tarantino veranstaltet, Geschlechterverhältnisse befragt und den "Aberwitz" der Legende betont, wenn sie Siegfrieds Tod beispielsweise auf die Frage nach der Ehre eines Lindenblattes zulaufen lässt. Bei allem Witz arbeite die Autorin aber auch als "wichtiges literarisches Erbe" des Nibelungenlieds heraus, dass gute Geschichten auf rätselhafte Aspekte angewiesen seien, so der von Hoppes "schillernder Prosa" begeisterte Rezensent.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Quecksilber schlägt Gold
Als die Schätze in die Welt zogen: Felicitas Hoppe macht in "Die Nibelungen" aus einem alten Stoff mit größter Raffinesse ein reines literarisches Vergnügen.
Zwischen den Akten sollten Schauspieler ihre Ruhe haben. Diese aber, beschäftigt bei einer Aufführung der "Nibelungen" in Worms, stehen einem aufdringlichen Reporter Rede und Antwort - vielleicht auch einer Reporterin, so genau weiß man das nicht, schließlich bekommen wir nur die Protokolle der Interviews zu lesen. Etwa das Gespräch mit der Darstellerin der Brunhild ("1998 in Hamburg geboren, im Besitz eines Schauspiel- und Lotsenpatents"), die über ihre Rolle sagt, die Königin sei "eine Sammlerin, die Köpfe wie andre Auszeichnungen
Als die Schätze in die Welt zogen: Felicitas Hoppe macht in "Die Nibelungen" aus einem alten Stoff mit größter Raffinesse ein reines literarisches Vergnügen.
Zwischen den Akten sollten Schauspieler ihre Ruhe haben. Diese aber, beschäftigt bei einer Aufführung der "Nibelungen" in Worms, stehen einem aufdringlichen Reporter Rede und Antwort - vielleicht auch einer Reporterin, so genau weiß man das nicht, schließlich bekommen wir nur die Protokolle der Interviews zu lesen. Etwa das Gespräch mit der Darstellerin der Brunhild ("1998 in Hamburg geboren, im Besitz eines Schauspiel- und Lotsenpatents"), die über ihre Rolle sagt, die Königin sei "eine Sammlerin, die Köpfe wie andre Auszeichnungen
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sammelt. Hat man einmal mit der Sammelei angefangen, hört man nie wieder damit auf. Wer den ersten Kopf hat, will auch den letzten haben." Oder mit dem Darsteller des alten Kämpfers Dietrich von Bern, der über den Unterschied zwischen Tortenschlachten und echtem Gemetzel spricht. Und schließlich der Schauspieler, der den Rüdiger von Bechelaren gibt und den Reiz des Nibelungen-Stoffes so bestimmt: "Ganz egal, wer darin welche Rolle spielt, am Ende kommen fast alle um und damit alle auf ihre Kosten, jeder verliert seinen eigenen Kopf und ist damit buchstäblich bei sich."
Das Nibelungenlied, um 1200 verfasst und seit etwa 200 Jahren der bekannteste mittelalterliche Stoff neben der Artus-Legende, ist Ausgangspunkt von Felicitas Hoppes Roman "Die Nibelungen" mit der aparten Gattungsbezeichnung "Ein deutscher Stummfilm". Unter den für den Deutschen Buchpreis nominierten Titeln gehört er zu den verspieltesten, formal anspruchsvollsten und zugleich zu den witzigsten.
Wer sich da allerdings eine plane Nacherzählung der Nibelungen-Handlung erhofft hat, wird sich enttäuscht sehen, muss sich allerdings auch fragen lassen, warum er nicht zu einem der dutzendfach vorhandenen Texte greift, die genau das leisten: die Wiedergabe einer Geschichte des jungen Drachentöters Siegfried, der mit seinem Goldschatz nach Worms kommt, um die schöne Kriemhild zu heiraten, deren Bruder Gunther hilft, die ebenso schöne Brunhild auf Island zu gewinnen, vom finsteren Hagen ermordet und später seines Schatzes beraubt wird. Kriemhild aber findet sich mit beidem nicht ab und entwirft einen monströsen Racheplan, der praktisch allen Burgunderrittern den Tod bringt und am Ende auch ihr.
All das erzählt Hoppe auch, aber aus diesem Stoff wird bei ihr ein Kunstwerk mit inhaltlich wie formal aufs schönste fließenden Grenzen. Unter Großkapiteln wie "Der Rhein", "Die Donau" und "Die Klage" wird die Handlungsstruktur der Vorlage sichtbar, die in zwei Teile und einen dritten zerfällt, der oft vernachlässigt wird und doch im Kontrast zu den anderen für das Gefüge des Werks unverzichtbar ist. Hoppe aber setzt mit noch zwei weiteren Kapiteln, beide mit "Pause" überschrieben und zwischen den drei anderen platziert, einen Akzent, der schon allein einem allzu planen Handlungsfluss von der Quelle - Siegfrieds Ankunft - zur Mündung - dem großen Gemetzel - geradewegs zuwiderläuft.
Am Ende finden drei Erzählebenen in diesem Buch zusammen: die Nibelungen-Geschichte als modernes Theaterstück in Worms samt Zuschauerreaktionen, zweitens als stummfilmartig dargebotene Handlung mit rasanten Szenen, kaum Dialog und genretypischen Texttafeln und schließlich die Pausengespräche über Rollen und ihre Darsteller. Natürlich weiß Hoppe, dass jede heutige Beschäftigung mit dem Nibelungen-Stoff in einer übermächtigen Tradition steht, die etwa mit den Adaptionen von Heinrich Steinfest oder Ulrike Draesner bis in die Gegenwart reicht. Weder ignoriert Hoppe sie oder wendet sich bewusst von ihr ab, sondern spielt mit beiläufiger Eleganz darauf an - ihre Wormser Regisseurin "Frau Kettelhut" trägt den Namen des Filmarchitekten von Fritz Langs Nibelungen-Film, der Hinweis auf die allen Deutschen bekannte Geschichte der Nibelungen stammt aus Quentin Tarantinos "Django Unchained" und vieles mehr -, ohne dass ihre Leser genötigt wären, diesen Hinweisen im Einzelnen zu folgen. Eher wird damit ein Bewusstsein dafür erzeugt, wie viele Wege man in der produktiven Aneignung des Nibelungen-Stoffes einschlagen kann. Und welche hier gegangen werden.
Unter Hoppes Methoden sind Wiederholung und Variation seit jeher wohl die auffälligsten, und auch "Die Nibelungen" sind davon geprägt, vor allem dort, wo die Verfahren ein inniges Bündnis eingehen: Da wird etwa gleich zu Beginn mit großer Geste etwas in den Rhein geworfen, so wie man das von der Hagen-Statue am Wormser Ufer kennt, nur ist das hier kein Nibelungen-Schatz, sondern ein Buch, genauer das Jahr für Jahr anschwellende Programmbuch zu den Nibelungen-Festspielen, was getrost für die inzwischen vollends unübersichtliche Rezeption dieses Stoffes stehen kann, den Hoppe damit zugleich, wenn auch mit Schwung, den Fluten übergibt und zitiert - Traditionspflege und -verneinung in einem. Allerdings belässt es die listige Autorin nicht dabei, sondern folgt dem im Rhein davontreibenden Buch bis in die Nordsee, wo es sich "im Land der Nibelungen, endlich erschöpft, zum Schlafen legt" - ein Verweis auf die nordische Stofftradition unter anderem in der auf Island entstandenen "Edda". Die Geschichte kommt so zu ihren Ursprüngen zurück, und erst damit ist die Bahn frei für die Erzählerin, die sich der Sache wieder annimmt.
Dieser Wechsel gilt fürs gesamte Buch. In einem bis ins Letzte determinierten mittelalterlichen Werk - die donauabwärts fahrenden Burgunder bekommen das leidvoll zu spüren, und spätestens mit der Rettung des von Hagen wiederum ins Wasser geworfenen Geistlichen ist daran nicht mehr zu deuteln - spielt Hoppe mit den Bestandteilen der Vorlage, lässt Köpfe nach Herzenslust rollen und lädt zur finalen Tortenschlacht an Etzels Hof.
"Sicher ist nur: Es gab eine Zeit, da gehörten alle Schätze der Welt einer Frau", heißt es ganz zu Beginn. Und auch, wie sich die Schätze "eines Tages auf und davon machten, sich an verschiedenen Orten versteckten und die Zauberer aller Länder bezahlten, um verzaubert und nicht gefunden zu werden". Dass Felicitas Hoppe der Frage, was Schätze eigentlich ausmacht, im Lauf der Jahre eine Reihe von großartigen Erörterungen gewidmet hat, bildet das Fundament dieser Sätze, die von der erstaunlichen Beweglichkeit dieser Schätze handeln, als ob diese nicht aus Gold, sondern Quecksilber bestünden. Das aber verbindet sie mit jeder guten Geschichte, auch der von den Nibelungen: Sie verändern permanent ihre Gestalt, fließen hierhin und dorthin, benutzen Rhein und Donau für ihre Wege und bleiben sich doch treu. In diesem Sinne hat Felicitas Hoppe zu unserem Glück den Nibelungen-Schatz gehoben und ihn sich zu eigen gemacht, um ihn verwandelt zurück in die Welt zu schicken. TILMAN SPRECKELSEN.
Felicitas Hoppe: "Die Nibelungen". Ein deutscher Stummfilm. Roman. Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main 2021. 256 S., geb., 22,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das Nibelungenlied, um 1200 verfasst und seit etwa 200 Jahren der bekannteste mittelalterliche Stoff neben der Artus-Legende, ist Ausgangspunkt von Felicitas Hoppes Roman "Die Nibelungen" mit der aparten Gattungsbezeichnung "Ein deutscher Stummfilm". Unter den für den Deutschen Buchpreis nominierten Titeln gehört er zu den verspieltesten, formal anspruchsvollsten und zugleich zu den witzigsten.
Wer sich da allerdings eine plane Nacherzählung der Nibelungen-Handlung erhofft hat, wird sich enttäuscht sehen, muss sich allerdings auch fragen lassen, warum er nicht zu einem der dutzendfach vorhandenen Texte greift, die genau das leisten: die Wiedergabe einer Geschichte des jungen Drachentöters Siegfried, der mit seinem Goldschatz nach Worms kommt, um die schöne Kriemhild zu heiraten, deren Bruder Gunther hilft, die ebenso schöne Brunhild auf Island zu gewinnen, vom finsteren Hagen ermordet und später seines Schatzes beraubt wird. Kriemhild aber findet sich mit beidem nicht ab und entwirft einen monströsen Racheplan, der praktisch allen Burgunderrittern den Tod bringt und am Ende auch ihr.
All das erzählt Hoppe auch, aber aus diesem Stoff wird bei ihr ein Kunstwerk mit inhaltlich wie formal aufs schönste fließenden Grenzen. Unter Großkapiteln wie "Der Rhein", "Die Donau" und "Die Klage" wird die Handlungsstruktur der Vorlage sichtbar, die in zwei Teile und einen dritten zerfällt, der oft vernachlässigt wird und doch im Kontrast zu den anderen für das Gefüge des Werks unverzichtbar ist. Hoppe aber setzt mit noch zwei weiteren Kapiteln, beide mit "Pause" überschrieben und zwischen den drei anderen platziert, einen Akzent, der schon allein einem allzu planen Handlungsfluss von der Quelle - Siegfrieds Ankunft - zur Mündung - dem großen Gemetzel - geradewegs zuwiderläuft.
Am Ende finden drei Erzählebenen in diesem Buch zusammen: die Nibelungen-Geschichte als modernes Theaterstück in Worms samt Zuschauerreaktionen, zweitens als stummfilmartig dargebotene Handlung mit rasanten Szenen, kaum Dialog und genretypischen Texttafeln und schließlich die Pausengespräche über Rollen und ihre Darsteller. Natürlich weiß Hoppe, dass jede heutige Beschäftigung mit dem Nibelungen-Stoff in einer übermächtigen Tradition steht, die etwa mit den Adaptionen von Heinrich Steinfest oder Ulrike Draesner bis in die Gegenwart reicht. Weder ignoriert Hoppe sie oder wendet sich bewusst von ihr ab, sondern spielt mit beiläufiger Eleganz darauf an - ihre Wormser Regisseurin "Frau Kettelhut" trägt den Namen des Filmarchitekten von Fritz Langs Nibelungen-Film, der Hinweis auf die allen Deutschen bekannte Geschichte der Nibelungen stammt aus Quentin Tarantinos "Django Unchained" und vieles mehr -, ohne dass ihre Leser genötigt wären, diesen Hinweisen im Einzelnen zu folgen. Eher wird damit ein Bewusstsein dafür erzeugt, wie viele Wege man in der produktiven Aneignung des Nibelungen-Stoffes einschlagen kann. Und welche hier gegangen werden.
Unter Hoppes Methoden sind Wiederholung und Variation seit jeher wohl die auffälligsten, und auch "Die Nibelungen" sind davon geprägt, vor allem dort, wo die Verfahren ein inniges Bündnis eingehen: Da wird etwa gleich zu Beginn mit großer Geste etwas in den Rhein geworfen, so wie man das von der Hagen-Statue am Wormser Ufer kennt, nur ist das hier kein Nibelungen-Schatz, sondern ein Buch, genauer das Jahr für Jahr anschwellende Programmbuch zu den Nibelungen-Festspielen, was getrost für die inzwischen vollends unübersichtliche Rezeption dieses Stoffes stehen kann, den Hoppe damit zugleich, wenn auch mit Schwung, den Fluten übergibt und zitiert - Traditionspflege und -verneinung in einem. Allerdings belässt es die listige Autorin nicht dabei, sondern folgt dem im Rhein davontreibenden Buch bis in die Nordsee, wo es sich "im Land der Nibelungen, endlich erschöpft, zum Schlafen legt" - ein Verweis auf die nordische Stofftradition unter anderem in der auf Island entstandenen "Edda". Die Geschichte kommt so zu ihren Ursprüngen zurück, und erst damit ist die Bahn frei für die Erzählerin, die sich der Sache wieder annimmt.
Dieser Wechsel gilt fürs gesamte Buch. In einem bis ins Letzte determinierten mittelalterlichen Werk - die donauabwärts fahrenden Burgunder bekommen das leidvoll zu spüren, und spätestens mit der Rettung des von Hagen wiederum ins Wasser geworfenen Geistlichen ist daran nicht mehr zu deuteln - spielt Hoppe mit den Bestandteilen der Vorlage, lässt Köpfe nach Herzenslust rollen und lädt zur finalen Tortenschlacht an Etzels Hof.
"Sicher ist nur: Es gab eine Zeit, da gehörten alle Schätze der Welt einer Frau", heißt es ganz zu Beginn. Und auch, wie sich die Schätze "eines Tages auf und davon machten, sich an verschiedenen Orten versteckten und die Zauberer aller Länder bezahlten, um verzaubert und nicht gefunden zu werden". Dass Felicitas Hoppe der Frage, was Schätze eigentlich ausmacht, im Lauf der Jahre eine Reihe von großartigen Erörterungen gewidmet hat, bildet das Fundament dieser Sätze, die von der erstaunlichen Beweglichkeit dieser Schätze handeln, als ob diese nicht aus Gold, sondern Quecksilber bestünden. Das aber verbindet sie mit jeder guten Geschichte, auch der von den Nibelungen: Sie verändern permanent ihre Gestalt, fließen hierhin und dorthin, benutzen Rhein und Donau für ihre Wege und bleiben sich doch treu. In diesem Sinne hat Felicitas Hoppe zu unserem Glück den Nibelungen-Schatz gehoben und ihn sich zu eigen gemacht, um ihn verwandelt zurück in die Welt zu schicken. TILMAN SPRECKELSEN.
Felicitas Hoppe: "Die Nibelungen". Ein deutscher Stummfilm. Roman. Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main 2021. 256 S., geb., 22,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Um Furcht, gewaltige Bilder und ihre Brechung, um große Literatur und kleinliche Helden, ums Lachen und Sehnen [...] geht es. Rhein-Neckar-Zeitung 20220217
Rezensent Richard Kämmerlings hat keine Sorge um den Mythos, der überlebt alles, glaubt er. Felicitas Hoppes Adaption des Nibelungen-Stoffes sowieso, denn Hoppe schafft "subtile Meta-Narration", die allenfalls augenzwinkernd nach "der" Wahrheit hinter dem Mythos sucht, wie der Rezensent erleichtert feststellt. Die Idee, eine Nibelungen-Theaterinszenierung nachzuerzählen und Darsteller sowie die Regisseurin zu Wort kommen zu lassen, scheint für Kämmerlings aufzugehen, auch wenn von Stummfilm eigentlich keine Rede sein kann, wie er findet.
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die zweite Ebene
Ja, ja, die Nibelungensage ist ein schwarzer Fleck in meinem Bildungskanon. Diesen zu tilgen wäre mein Wunsch, aber das ist nicht der Anspruch des Buches. Hier geht es vielmehr um die Wormser Inszenierung. Stummfilm passt, es gibt keine Dialoge, dafür aber in den Pausen …
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Ja, ja, die Nibelungensage ist ein schwarzer Fleck in meinem Bildungskanon. Diesen zu tilgen wäre mein Wunsch, aber das ist nicht der Anspruch des Buches. Hier geht es vielmehr um die Wormser Inszenierung. Stummfilm passt, es gibt keine Dialoge, dafür aber in den Pausen Interviews mit den Schauspielern.
Von der Idee finde ich das gelungen, allerdings wirklich spannend war es für mich, vielleicht wegen der Geschichtsunkenntnis nicht. Vielleicht langweilen mich auch die Nibelungen. 3 Sterne
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Uns ist in alten mæren wunders vil geseit
Die Büchner-Preisträgerin Felicitas Hoppe hat mit ihrem neuen Buch «Die Nibelungen» ein weiteres originelles Werk vorgelegt, das Mythen auf eine ganz eigene Art erzählt. Waren es bisher die Jungfrau von Orleans oder der …
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Uns ist in alten mæren wunders vil geseit
Die Büchner-Preisträgerin Felicitas Hoppe hat mit ihrem neuen Buch «Die Nibelungen» ein weiteres originelles Werk vorgelegt, das Mythen auf eine ganz eigene Art erzählt. Waren es bisher die Jungfrau von Orleans oder der Rattenfänger von Hameln, so ist es nun das in Worms beginnende Heldenepos, ein deutscher Stummfilm, wie es im Untertitel heißt, welches die Autorin auf ihre Weise neu bearbeitet hat. Sie bietet damit einen ungewöhnlichen Zugang zu dem mythologischen Stoff, dessen Inhalt sie als bekannt voraussetzt. Sie sei inspiriert worden «von dem verqueren Wunsch, ihn noch einmal ganz von vorn, bis hinein in die Gegenwart aufzurollen, jenseits von Aktualisierung und Kitsch, den größten Feinden der Rezeption eines Mittelalters, von dem wir nach wie vor wenig wissen», hatte sie vorab in einem ‹Werkstattbericht› erläutert.
In drei Kapiteln wird die sattsam bekannte, kanonische Geschichte in groben Zügen nacherzählt, unterbrochen jeweils von einem Kapitel «Pause». Zur Erläuterung der einzelnen Szenen werden, quasi als Reminiszenz an den Stummfilm, viele erläuternde Texttafeln zwischengeschaltet, was die Orientierung in der manchmal slapstickartig turbulenten Handlung durchaus erleichtert. Das mythische Geschehen selbst wird als alljährliches Festspiel in Worms unter freiem Himmel aufgeführt, ein wichtiges, touristisches Event. In den beiden langen Pausen werden die zahlreichen Darsteller, in einem erfrischend witzigen Plauderton, zu ihrer Rolle und ihrer Haltung zu dem Epos befragt. Als «Zeuge im Beiboot» beobachtet die im Abspann als Drehbuchautorin aufgeführte Felicitas Hoppe das kitschig inszenierte Schauspiel aus einer kritischen Distanz. Der vielbeschäftigte Tod wird dabei von einem «Laien aus Worms in einem Trainingsanzug von Woolworth» verkörpert, die Begleitmusik liefert der örtliche Männer-Gesangsverein, der Drache ist aus Pappmaschee. Mit «Die goldene Dreizehn» als Metapher bezeichnet die Autorin den im Rhein versenkten Schatz, der sich als ständig mutierender, unentwegt herum streunender Algorithmus erweist. Er ist der eigentliche Mittelpunkt in diesem blutrünstigen Tanz ums Goldene Kalb, denn darauf laufe es letzten Endes ja immer hinaus, macht uns die Autorin deutlich.
Sie benutzt dafür sehr virtuos drei Erzählebenen: Zum einen die Wormser Freilichtbühne mit ihrer massentauglichen, modernen Inszenierung der uralten Sage, die von ihr kräftig durch den Kakao gezogen wird, ferner der Stummfilm als dialogloser, künstlerisch anspruchsvoller Plot mit den Fakten sowie, kontemplativ besonders ergiebig, die schlagfertigen Pausen-Interviews, in denen auch das Theaterleben als solches karikiert wird. In einer Mischung aus intellektuell höchst anspruchsvollen Reflexionen mit immer wieder eingestreuten Späßen und Albernheiten brennt die Autorin ein erzählerisches Feuerwerk ab, das seinesgleichen sucht in der deutschsprachigen Literatur. Basis für Zitate ist die 2006 erschienene Übertragung des Nibelungenliedes von Uwe Johnson, szenisch wird auf den künstlerisch unerreichten Stummfilm von Fritz Lang Bezug genommen, der als einziger kitschfrei mit dem Stoff umgeht.
Stilistisch wortmächtig, thematisch anspruchsvoll, zugleich aber auch wohltuend albern, gelingt diesem Buch das Kunststück, mit fließenden Grenzen der abgedroschenen Sage nicht nur eine neue Sichtweise abzugewinnen, sondern auch auf witzige Art angenehm zu unterhalten. Alles in allem also ein raffiniert angelegtes literarisches Vergnügen, das im Nebeneffekt auch so manchen Leser dazu animieren dürfte, erstmals, oder mal wieder, entweder zum Original zu greifen oder diese Sage in moderner Übertragung nachzulesen, notfalls auch als Sachbuch. Und dabei stößt er womöglich dann auf den in Mittelhochdeutsch geschriebenen, ersten Satz des handschriftlich überlieferten Textes, den man früher in der Schule sogar auswendig gelernt hat: «Uns ist in alten mæren wunders vil geseit, von helden lobebæren, von grôzer arebeit».
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Ein deutscher Stummfilm ist der Untertitel, dabei ist doch Felicitas Hoppes überbordene Erzählstimme. Die bekannten Teile der Sage werden durch die Aufführung des Stoffes im Heute nacherzählt, doch es ist nicht die Handlung sondern Ton und Stimmung, die Hoppe erzeugt.
Dem …
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Ein deutscher Stummfilm ist der Untertitel, dabei ist doch Felicitas Hoppes überbordene Erzählstimme. Die bekannten Teile der Sage werden durch die Aufführung des Stoffes im Heute nacherzählt, doch es ist nicht die Handlung sondern Ton und Stimmung, die Hoppe erzeugt.
Dem entgegen steht, dass Siegfried, Brunhild, Hagen und andere aus meiner Sicht kaum zu eigenständigen, lebendigen Figuren werden und nicht wirklich Profil erlangen.
Das Buch stand auf der Longlist des deutschen Buchpreises. Das ist für mich okay, aber auch, dass es für die Short List nicht reichte.
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