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Wie groß ist der Einfluss Einzelner auf den Lauf der Geschichte? Bestsellerautor Ian Kershaw über die prägendsten politischen Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts: Lenin, Mussolini, Hitler, Stalin, Churchill, De Gaulle, Adenauer, Franco, Tito, Thatcher, Gorbatschow und Kohl
Zwölf Mächtige, elf Männer und eine Frau, die das 20. Jahrhundert in Europa tief geprägt haben, rücksichtslose, mörderische Diktatoren oder demokratische Staatenlenker: Was zeichnete diese Menschen aus, dass sie große Macht erlangten und Geschichte machten? Welche Voraussetzungen brachten sie mit? Wie weit wurden sie…mehr

Produktbeschreibung
Wie groß ist der Einfluss Einzelner auf den Lauf der Geschichte? Bestsellerautor Ian Kershaw über die prägendsten politischen Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts: Lenin, Mussolini, Hitler, Stalin, Churchill, De Gaulle, Adenauer, Franco, Tito, Thatcher, Gorbatschow und Kohl

Zwölf Mächtige, elf Männer und eine Frau, die das 20. Jahrhundert in Europa tief geprägt haben, rücksichtslose, mörderische Diktatoren oder demokratische Staatenlenker: Was zeichnete diese Menschen aus, dass sie große Macht erlangten und Geschichte machten? Welche Voraussetzungen brachten sie mit? Wie weit wurden sie von den Umständen ihrer Zeit und Umgebung befördert oder getrieben? Vor dem Hintergrund der aktuellen Erfahrungen mit autoritären Führern ergründet der englische Historiker Ian Kershaw, einer der besten Kenner der europäischen Geschichte des 20. Jahrhunderts, die Bedingungen für den Aufstieg zur Macht und analysiert dabei grundsätzlich die Möglichkeiten und Grenzen »starker« Führungspersönlichkeiten.
Autorenporträt
Ian Kershaw, geboren 1943, zählt zu den bedeutendsten Historikern der Gegenwart. Bis zu seiner Emeritierung war er Professor für Modern History an der University of Sheffield, seine große zweibändige Biographie Adolf Hitlers gilt als Meisterwerk der modernen Geschichtsschreibung. Für seine Verdienste um die historische Forschung wurde Ian Kershaw mit zahlreichen Preisen geehrt, darunter mit dem Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung und der Karlsmedaille. 1994 erhielt er das Bundesverdienstkreuz, 2002 wurde er zum Ritter geschlagen. Bei DVA sind außerdem von ihm erschienen 'Hitlers Freunde in England' (2005), 'Wendepunkte. Schlüsselentscheidungen im Zweiten Weltkrieg' (2010) und 'Das Ende' (2013). Die beiden Bände seiner großen Geschichte des 20. Jahrhunderts in Europa, 'Höllensturz' (2016) und 'Achterbahn' (2019), sind hochgelobte Bestseller. Zuletzt erschien von ihm 'Der Mensch und die Macht. Über Erbauer und Zerstörer Europas' (2022).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Auch das neue Buch von Ian Kershaw über das 20. Jahrhundert hat Rezensent Otto Langels mit Gewinn gelesen. Der englische Historiker beschreibt in zwölf Porträts, wer die Weltgeschichte mit welchen Mitteln in außergewöhnlicher Weise beeinflusst hat. Chronologisch beginnt Kershaw bei Lenin, um Hitler, Mussolini und Stalin besonders hervorzuheben und mit Adenauer, Thatcher, Gorbatschow und Kohl in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts zu landen, fasst Langels das Spektrum des Buches zusammen. "Vorzüglich" und anekdotenreich sind die einzelnen Kapitel geschrieben, in denen Kershaw Biografie und Analyse voneinander trennt, lobt Langels. Zwar warte das Buch nicht mit Überraschungen auf, aber mehr über die historischen Bedingungen zu erfahren, die Menschen zu so prägenden Machthabern werden ließen, wirkt auf den Rezensenten wie eine "komprimierte Geschichte Europas".

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.10.2022

Stempel
der Geschichte
Kann ein einzelner Mensch das Schicksal
seines Landes bestimmen? Ian Kershaw hat
sich zwölf „Geschichtsmacher“ vorgenommen
Der Vorsitzende sprach in wuchtigen Worten. „Niemand von uns weiß, ob diese schwelende Krise nicht irgendwann – vielleicht noch in Zeiten unserer Generation – wie ein Vulkan ausbricht.“ Er forderte einen „wirklichen Beitrag für den Frieden“, wohlwissend, dass seine Ideen weder in der Öffentlichkeit noch in der eigenen Partei sonderlich populär waren. Aber, so fuhr er fort, „nicht das, was populär ist, ist vor der Geschichte richtig. Es kommt darauf an, dass wir erkennen, dass der Mantel der Geschichte durch Zeit und Raum geht und wir uns unserer Verantwortung gemäß entsprechend einrichten“. Das Protokoll vermerkt Beifall.
Helmut Kohl sprach diese Worte im Oktober 1978 beim CDU-Parteitag in Ludwigshafen, es ging damals um Konflikte in der Entwicklungspolitik. Dass Kohl einmal Regierungschef oder gar der „Kanzler der Einheit“ werde könnte, war damals in keiner Weise abzusehen. Und der Mantel der Geschichte war natürlich auch nicht Kohls Erfindung, aber er wusste als Machtmensch um dessen Bedeutung. Und 1989, da ergriff er einen Zipfel dieses Mantels.
Und genau deshalb schaffte er es nun hinein in das neue Buch des britischen Historikers Ian Kershaw mit dem Titel „Der Mensch und die Macht“, das in diesen Tagen auf Deutsch erscheint. Man könnte von einer großen Ehre sprechen, Kershaw hat nur zwölf Menschen Aufnahme zwischen die beiden Buchdeckel gewährt. Zwölf Menschen – elf Männer, eine Frau –, die das Schicksal Europas im 20. Jahrhundert (mit)bestimmt haben. Was Kershaw
interessiert, ist nicht weniger als der Einfluss des Einzelnen auf den historischen Wandel. Es geht also um den Mantel der
Geschichte, wer ihn ergreift und unter
welchen Umständen – auch wenn im
Buch immer vom „Stempel“ und dessen Prägekraft die Rede ist.
Allerdings relativiert sich das mit der
Ehre, wenn man sich die porträtierten Gestalten einmal näher anschaut. Zahlreiche lupenreine Diktatoren, autoritäre bis autokratische Staatenlenker und nur drei, vier Demokraten hat Kershaw da versammelt.
Nun ist über Lenin, Benito Mussolini, Adolf Hitler, Stalin, Winston Churchill, Charles de Gaulle, Konrad Adenauer, Francisco Franco, Josip Broz Tito, Margaret Thatcher, Michail Gorbatschow und eben Kohl eigentlich so ziemlich alles bekannt. Und Kershaw hat außer über Hitler, wie er selbst sagt, keine Primärforschung betrieben, er stützt sich hier auf die zahllosen großen Biografien. Nach seiner eigenen Definition sind die einzelnen – chronologisch sortierten – je 30 bis 40 Seiten langen Kapitel dann auch keine Minibiografien, sondern „interpretative Essays“. Die Auswahl erfolgte mit Blick auf „Führertypen“, die während einer Systemkrise ans Staatssteuer kamen und wie sie in solchen Zeiten zur „Machtvollkommenheit“ gelangten. Kohl ist also in dem Sinn eine Ausnahme – seine Zeit kam erst lange nach seiner Kanzlerwahl.
Warum so ein Buch über zwölf zum großen Teil sehr unsympathische, schreckliche und grenzwertige Persönlichkeiten? Kershaw, 79, emeritierter Historiker der Universität Sheffield und berühmt geworden mit seiner fantastischen Hitler-Biografie (DVA, 1998ff.) hat in den vergangenen Jahren mit „Höllensturz. Europa 1919-1949“ (DVA, 2016) und „Achterbahn. Europa 1950 bis heute“ (DVA, 2019) zwei wegweisende Bände über Europa im 20. Jahrhundert vorgelegt. Er kannte also seine Pappenheimer, sein Urteil ist gefragt, eine Art „Spin-off“ war die logische Folge.
Aber natürlich belässt es Kershaw nicht bei einer Aufzählung der Taten und vor allem der Untaten dieser Staats- und Regierungschefs. Er will erkunden, wie die „markante Persönlichkeit“ und die äußeren Umstände, die die Person an die Macht brachten, zusammenwirkten, innerhalb welcher vor allem sozioökonomischer Rahmenbedingungen sich die Macht entfaltete und was am Ende davon übrig blieb. Darum sind alle Kapitel recht schematisch in „Charakterzüge/Herkunft“, „Vorbedingungen der Macht“, „Regierungszeit“ und „Hinterlassenschaft“ gegliedert.
Weil er also viel mit unpersönlichen Bedingungen, „Veränderungsmustern“ und Strukturen arbeitet, erklärt Kershaw die sich aufdrängende Frage nach der „Größe“ oder der „charismatischen Herrschaft“ von Führerpersonen gleich in der Einleitung für irrelevant. Er befreit sich auf diese Weise recht elegant von der Last, diese zwölf Personen moralisch bewerten zu müssen – und das ist die große Stärke des Buches: Er schreibt so nüchtern es geht und dennoch elegant in gleicher Weise über Diktatoren und demokratische Führer, ohne ein Ranking der Besten oder Bösesten aufzustellen oder gar Millionen Tote gegeneinander aufrechnen zu müssen. Jedes Beispiel steht für sich.
Der Mantel der Geschichte weht dann über 550 Seiten durch Zeit und Raum in Form von Revolutionen, Weltkriegen, Wirtschaftskrisen, schwachen Demokratien, falsch kalkulierenden Machteliten, faschistischen oder kommunistischen Massenbewegungen – um nur einige zu nennen – oder schlicht dem Zufall. Manchmal war auch einfach gerade kein anderer da.
Gerade durch den Fokus auf die Bedingungen der jeweiligen „Machtergreifung“ (steht öfter auch mal ohne Anführungszeichen im Buch) erschafft Kershaw ein einzigartiges Panorama eines Jahrhunderts, dessen zerstörerische Kraft, dessen Millionen Tote und dessen hoffnungslose Düsternis in den ersten 50 Jahren für viele schon weit entrückt ist. Und er erinnert daran, dass es danach zwar vielerorts aufwärtsging, dass bis 1989/90 der Kalte Krieg Europa aber weiter elementar bedrohte. Nicht von ungefähr zeichnet er dann Kohl und Gorbatschow (Letzteren mit deutlicher Bewunderung) am positivsten. Natürlich hat diese Häppchen-Strategie große Schwächen: Man vermisst vor allem die US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt, Ronald Reagan und George Bush senior, die dann doch eine erhebliche Rolle in Europas Geschichte gespielt haben. Die Einteilung in Einzelkapitel (mit teils albern verkürzten Zuschreibungen) erlaubt es auch nicht, die Interaktion der einzelnen „Führer“, die zur gleichen Zeit lebten und die einander etwa im Zweiten Weltkrieg bekämpften, zu beleuchten. Und natürlich verengt sich die Sichtweise stark auf die zwölf Fallbeispiele, deren engsten Zirkel und die jeweilige (bisherige) Führungselite. Die übrige Gesellschaft der jeweiligen Länder kommt kaum vor – ohne dass sie etwa im Falle Hitlers von ihrer
Mitverantwortung exkulpiert wird. Und weil nicht genügend Platz ist, alle Verbrechen genau zu erklären, wird der Leser
oft mit Adjektiven wie „grotesk“, „haarsträubend“ oder „himmelschreiend“ traktiert.
Trotz aller Unterschiedlichkeit und Tiefe der Durchdringung der Fallbeispiele erkennt Kershaw bei allen zwölf am Schluss „ungewöhnliche Zielstrebigkeit“, „unbändigen Erfolgswillen“ und „ein Maß an Egozentrik, das extreme Loyalität verlangte und jeden und alles dem Erreichen des angestrebten Ziels unterordnete“. „Instinktiv autoritär“ als Charaktereigenschaft und die Lust am Befehlen wird auch noch aufgezählt.
Autokratisches Temperament muss übrigens nicht in jedem Fall negativ sein, meint Kershaw, und nennt große Krisen oder einen Krieg als Beispiele, wo „langsame und häufig schwerfällige Entscheidungsprozesse in der Regel unzweckmäßig“ seien. Andererseits: „In allen Systemen, einschließlich der Demokratien, gelangen Führer, die in der Lage sind, ihre Macht zu festigen und über lange Zeit auszuüben, in eine Position, die es ihnen erlaubt, Einschränkungen der Machtausübung auszuhebeln.“ Mal sehen, was dereinst über Angela Merkel in dem Zusammenhang geschrieben wird.
Mit Rezepten für das 21. Jahrhundert mit „Führern“ wie Wladimir Putin, Recep Tayyip Erdoğan oder Xi Jinping hält sich Kershaw zurück. „Versuchungen des Autoritarismus“ zu widerstehen, lautet sein Rat. Die Quintessenz aus „Der Mensch und die Macht“ ist so banal wie richtig: Man sollte nicht nur immer auf die Person an der Spitze schauen, sondern auch die anderen Machtfaktoren im Blick behalten. Ein Mensch kann den Mantel der Geschichte zwar niemals allein bändigen; aber hat er/sie einmal große Staatsmacht angehäuft, wird die Welt in aller Regel nicht besser.
Kohls „Mantel“ war dann übrigens die Strickjacke, die er trug, als er mit Gorbatschow die deutsche Einheit aushandelte. Die Jacke und auch „Gorbis“ Pullover waren lange Zeit ein Publikumsmagnet im Bonner Haus der Geschichte. Doch 2001 kam beides in die Abstellkammer. Als hätten die Museumsmacher geahnt, dass im 21. Jahrhundert mit Strickware kein Staat mehr zu machen ist.
ROBERT PROBST
Lupenreine Diktatoren,
Autokraten aller Art – und ja,
auch ein paar Demokraten
Autokratisches Temperament
muss nicht in jedem Fall
ein Problem sein
Ian Kershaw: Der Mensch und die Macht. Über
Erbauer und Zerstörer Europas im 20. Jahrhundert. Aus dem Englischen von Klaus-Dieter Schmidt.
DVA, München 2022.
592 Seiten, 36 Euro.
(im Handel vom Mittwoch, 19. Oktober, an)
Betreten Sie Buchhandlungen in Ländern, deren Sprache Sie nicht beherrschen, Tanja Maljartschuk?
Wenn ich die Sprache eines Landes, das ich besuche, nicht kenne, schäme ich mich aus irgendeinem Grund, seine Buchhandlungen zu betreten. Als hätte ich kein Recht dazu. Stattdessen betrachte ich lange die Schaufenster, um zu verstehen, welche Weltautoren in diesem Land auch geschätzt werden. Tanja Maljartschuk („Blauwal der Erinnerung“) bei Oechsli Buch & Papier in Wien.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.11.2022

An der Macht
Ian Kershaw porträtiert politische Figuren, die das vorige Jahrhundert prägten

Der britische Historiker Ian Kershaw hat wichtige Bücher zur neueren Geschichte geschrieben. Seine zweibändige Hitler-Biographie und die ebenfalls zwei Bände umfassende Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts ("Höllensturz" und "Achterbahn") sind Standardwerke. Seine profunden Kenntnisse der Quellen und der Forschungsliteratur hat Kershaw in dem Buch "Wendepunkte" für den Zweiten Weltkrieg ausgewertet, jetzt ist mit "Der Mensch und die Macht. Über Erbauer und Zerstörer Europas im 20. Jahrhundert" eine Art Summa oder Konzentrat seines Lebenswerkes erschienen.

Zwölf Persönlichkeiten sind es, denen Kershaw biographische Porträts widmet, von Lenin und Stalin bis Gorbatschow und Helmut Kohl, nur eine Frau ist dabei, Margaret Thatcher. Es ist selbstverständlich, dass auf jeweils etwa vierzig Seiten nicht auf biographische Details eingegangen werden kann, aber es sind, wie von Kershaw nicht anders zu erwarten, solide, teils aus den Quellen, teils aus der uferlosen Sekundärliteratur gearbeitete Kurzporträts. Die Auswahl ist gut begründet: Es geht um europäische Geschichte, also um führende europäische Politiker des zwanzigsten Jahrhunderts (neben den schon erwähnten Mussolini, Hitler, Churchill, Tito, de Gaulle, Adenauer, Franco). Die Liste umfasst also blutige Diktatoren wie demokratisch gewählte Führer.

Die biographischen Skizzen sind alle gleich aufgebaut, sie führen von den Vorbedingungen des Machterwerbs über die politische Leistung bis zur Hinterlassenschaft. Man mag im einen oder anderen Fall zu etwas anderen Wertungen als Kershaw kommen - Gorbatschow hält er für die bedeutendste Gestalt der zweiten Hälfte des Jahrhunderts, er beurteilt ihn uneingeschränkt positiv -, aber generell sind seine Einschätzungen gut begründet und treffend. Worum es Kershaw eigentlich geht, ist das Zusammenspiel von Person und äußeren Umständen: Er führt das berühmte Marx-Zitat von den Menschen an, die ihre Geschichte "nicht unter selbstgewählten, sondern unter unmittelbar vorgefundenen (. . .) Umständen" machten. Die Biographie wird damit zum "Kreuzungspunkt", in dem Strukturen und Personen miteinander verwoben sind (Dilthey). Ohne eine Kategorie wie "Größe" zu bemühen, ist der Ausgangspunkt doch jeweils, dass die behandelten Persönlichkeiten den historischen Ereignissen ihren Stempel aufprägten und die Geschichte ohne sie wahrscheinlich anders verlaufen wäre.

Um Aufstieg und Erfolg oder Niederlage und Untergang dieser Führer zu ergründen, stellt Kershaw als verallgemeinernde "Annahmen" sieben historisch-politologische Forschungshypothesen auf. Einige davon sind leicht einzusehen ("In Kriegen unterliegen sogar mächtige politische Führer den überwältigenden Zwängen der Militärmacht"), manche grenzen auch ans Triviale ("Eine demokratische Regierungsform legt dem Einzelnen hinsichtlich seiner Handlungsfreiheit . . . die engsten Zügel an").

Das alles steht unter der gleichfalls wenig erstaunlichen Generalthese, dass die "Bedingungen, unter denen ein bestimmter Persönlichkeitstyp als politischer Führer erfolgreich sein kann" derart variieren, "dass Verallgemeinerungen schwerfallen". Damit ist schon angedeutet, was in der Schlussbetrachtung als Ergebnis zusammengefasst wird: Ja, Persönlichkeiten spielen eine Rolle, ihre Zielstrebigkeit, ihr Charisma, ihr Geschick, ihre Fortüne, aber auch ihre Brutalität und Ruchlosigkeit im Fall der Diktatoren. Verallgemeinern lässt sich dabei wenig, weil die historischen Konstellationen und Bedingungen zu verschieden sind.

Kershaws Buch ist nicht eigentlich biographisch angelegt, dazu sind seine Porträts zu skizzenhaft. Und zünftige Historiker hätten sich vielleicht eine ausführlichere Darstellung der Zeitläufte gewünscht. Aber es ist gerade eine Stärke des Buches, dass es einen einheitlichen Duktus hat und die konsequent angewandten Schemata und Fragestellungen das Vergleichen möglich machen. Umso klarer tritt hervor, dass die Umstände wie die Persönlichkeiten jeweils so unterschiedlich waren, dass sich daraus letztlich keine "Theorie" destillieren lässt. Dem historisch interessierten Laien werden allerdings gerade in der Mischung von Biographie und Strukturgeschichte aufschlussreiche Ausschnitte aus einem Panorama des zwanzigsten Jahrhunderts vor Augen geführt. GÜNTHER NONNENMACHER

Ian Kershaw: "Der Mensch und die Macht". Über Erbauer und Zerstörer Europas im 20. Jahrhundert.

Aus dem Englischen von Klaus-Dieter Schmidt. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2022.

592 S., Abb., geb., 36,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Dieses Buch kommt wie gerufen. Kershaw hilft, den Blick auf die hektische Gegenwart durch historische Tiefenschärfe zu stärken.« Welt am Sonntag