“Fängt man an zu schreiben, weil es jemanden gibt, dem man alles erzählen will? Fängt man an zu erzählen, weil der Gedanke, dass alles einfach verschwinden soll, unerträglich ist?”
Ein Roman, der mit solchen Sätzen, die einen gleich aus den Schuhen hauen vor lauter Wahrheit, beginnt, MUSS
einfach gut sein!
Ich habe Recht behalten. In wenigen Tagen hatte ich Astrid Rosenfelds Erstlingswerk…mehr“Fängt man an zu schreiben, weil es jemanden gibt, dem man alles erzählen will? Fängt man an zu erzählen, weil der Gedanke, dass alles einfach verschwinden soll, unerträglich ist?”
Ein Roman, der mit solchen Sätzen, die einen gleich aus den Schuhen hauen vor lauter Wahrheit, beginnt, MUSS einfach gut sein!
Ich habe Recht behalten. In wenigen Tagen hatte ich Astrid Rosenfelds Erstlingswerk verschlungen.
Im ersten Teil des Buches lernte ich Edward kennen. Und seine Mutter. Nicht jedoch seinen Vater, der war längst wieder in Norwegen oder in Schweden; jedenfalls hat auch Edward ihn nie kennen gelernt. Überhaupt ist in Edwards Leben wenig so, wie es sein sollte. Seine Mutter hat es nie geschafft sich von ihrer eigenen Mutter zu lösen und steht auch als längst erwachsene Frau noch stark unter deren Einfluss. Sein Großvater lebt völlig zurückgezogen auf dem Dachboden und ist kaum fähig am Familienleben teilzunehmen. Eine Familie also, die ganz offensichtlich alte Geheimnisse und Verletzungen mit sich herum trägt über die niemand spricht. Wird er je erfahren, was es mit seinem Großonkel Adam auf sich hat, dem er laut seinem Großvater so unglaublich ähnlich sieht? Als Edwards Mutter schließlich heiratet wird alles noch viel abenteuerlicher, als Edward sich je vorzustellen gewagt hatte.
Jahre später, als das Schicksal Edward nach einer Odyssee quer durch Deutschland wieder nach Berlin zurück bringt, findet er auf dem Dachboden Adams Aufzeichnungen und lässt uns damit an dessen Leben teilhaben.
Denn Adam hat geschrieben weil der Gedanke, dass alles einfach verschwinden soll, unerträglich für ihn war. Er erzählt seine Geschichte, die 1938 beginnt, und auch ein Stück der Geschichte von Anna, seiner großen Liebe. Er erzählt die Geschichte seiner Suche. Seiner Suche nach Anna, die eines Tages spurlos verschwand und seiner Suche nach Menschlichkeit und Hoffnung in einer Welt, die so grausam schien, dass es mich, obwohl ich ja wusste was mich in etwa erwarten würde, sehr oft sprachlos zurück gelassen hat.
Adams Erbe ist ein tragisches Buch. Und ein komisches Buch. Mit tragischen und komischen Figuren. Mit Figuren, so ausgereift, so lebendig und vielfältig, dass es mir mehr als schwer fällt meine Meinung in ein paar Sätzen zusammen zu fassen, weil ich ständig das Gefühl habe, ihnen Unrecht zu tun. Moses, dem Großvater, der noch so in der Vergangenheit gefangen ist, dass er die Gegenwart nicht leben kann. Jack, dem Mann von Edwards Mutter, den seine eigene Zerrissenheit Dinge tun lässt, die man kaum verstehen kann. Adam, der aus Liebe zu den Menschen die er liebt, wahre Wunder vollbringt.
Astrid Rosenfeld schreibt mit solcher Leichtigkeit und so flüssig über so grausame Zeiten und Dinge, dass ich beim Lesen oft einen ziemlich dicken Kloß im Hals hatte. Doch ein paar Sätze später sät sie schon wieder Hoffnung und bringt ein Lächeln, manchmal sogar ein Grinsen, mitten ins Dunkel.
Der zweite Teil des Buches – Adams Geschichte – hat mir letztlich ein kleines bisschen besser gefallen als der erste Teil, der stellenweise ein bisschen konstruiert wirkte. Trotzdem – volle 5 Sterne für ein Buch und für Personen, das bzw. die ich sicher lange nicht vergessen werde.
Zitate:
“Eduard, hör niemals auf zu zweifeln.” … “Zweifle, wenn dich alle verdammen, und zweifle genauso, wenn dir alle auf die Schulter klopfen.” … “Bring die Schäfchen nicht ins Trockene. Lass sie draußen, und hol ihnen einen Schirm. Oder halt den verfluchten Regen einfach aus. Das geht vorbei. Denn drinnen, drinnen ist nichts zu holen, Eduard.” (Seite 32 / 33)
“Man weiß nie, wie viel Zeit man noch hat. Und deine Mutter hat es mehr als alle anderen Menschen auf der Welt verdient, dass ihre Wünsche in Erfüllung gehen. Weil sie…” Und dann nahm er seine rechte Hand vom Lenkrad und fasste sich an die Brust. “Weil sie… In ihrem Herzen, Ed, kann man wohnen.” (Seite 76)