„Wir hatten nix, nur Umlaute“ von Nils Heinrich trägt den passenden Untertitel „Meine Kreisstadtjugend mit Systemwechsel“. Der Autor wuchs in der ehemaligen DDR in der Kleinstadt Sangerhausen im Bezirk Halle auf und war 18, als es zur Wiedervereinigung kam. Noch vor der Wende begann er eine
Ausbildung zum Konditor, auf die er im Buch auch genauer eingeht. Mittlerweile ist er aber Kabarettist und…mehr„Wir hatten nix, nur Umlaute“ von Nils Heinrich trägt den passenden Untertitel „Meine Kreisstadtjugend mit Systemwechsel“. Der Autor wuchs in der ehemaligen DDR in der Kleinstadt Sangerhausen im Bezirk Halle auf und war 18, als es zur Wiedervereinigung kam. Noch vor der Wende begann er eine Ausbildung zum Konditor, auf die er im Buch auch genauer eingeht. Mittlerweile ist er aber Kabarettist und so kam es auch, dass dieses Buch nur entstand, weil einer Mitarbeiterin des Rowohlt-Verlages eine Live-CD eines seiner Auftritte gefiel.
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In dem Buch geht es nicht um die große Politik, Widerstand oder Fluchtversuche, sondern einfach um den Alltag in einer Kleinstadt in der DDR. Nils Heinrichs Familie ist unpolitisch, aber nimmt die Gegebenheiten wie sie sind, da man damals eh keine andere Wahl hatte. Und so geht es jedes Jahr zum Urlaub ins Ferienheim des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes in den Harz, Nils wird mit Schuleintritt zum Jungpionier, schaut an Feiertagen abends gemeinsam mit seinen Eltern die seltenen Erotiksendungen im DDR-Fernsehen und fährt in Ferienlager. Er nimmt an der Jugendweihe teil, aber, weil seine Familie evangelisch ist, auch an der Konfirmation und gelegentlich an Treffen der Jungen Gemeinde. Von all dem erzählt er in humorvollen Anekdoten. Gleichzeitig wird aber auch sehr wohl deutlich, dass es Jugendlichen in der DDR an vielen Dingen mangelte, ob das nun vernünftige Musikaufnahmen, wohlschmeckendes Bier oder etwas abwechslungsreichere Urlaubsziele waren. Als Nils sich nach dem Schulabschluss für eine Berufsausbildung entscheiden muss, wählt er die Ausbildung zum Konditor, ohne wirklich zu wissen, warum genau. Sehr anschaulich beschreibt er, wie man in seinem Betrieb mit dem Mangel an bestimmten Produkten und den Hygienevorschriften umging. Die Wende bringt neben dem Begrüßungsgeld und ersten CD’ s dann auch das Ende seines Ausbildungsbetriebs, sodass er anschließend erste Erfahrungen mit der Arbeitswelt in den alten Bundesländern und den Menschen dort sammelt und sehr selbstironisch über diese Zeit schreibt. Es wird aber auch deutlich, dass Nils Heinrich auch die negativen Folgen für die Menschen in seiner Heimat wahrnimmt, wie fehlende Arbeitsplätze, den damit verbundenen Wegzug und das regelrechte Sterben bestimmter Landstriche. Besonders nachdenklich machte mich eine Stelle am Ende des Buches, als er beschreibt, dass es in Sangerhausen immer mehr anonyme Feuerbestattungen gibt, weil es niemanden mehr gibt, der sich um die Gräber kümmern könnte, da alle Angehörigen weggegangen sind, wie es auch bei ihm selbst der Fall ist. Auf keinen Fall ist dieses Buch aber zu ostalgisch und insgesamt überwiegen auf jeden Fall amüsante Passagen, die aber nie plump ausfallen. Auch der Schreibstil ist gut lesbar.
So machte die Lektüre wirklich Spaß und es war interessant für mich, mehr über das alltägliche Leben in der ehemaligen DDR zu erfahren und die Wende und ihre Folgen aus dieser Perspektive mitzuerleben, während ich sie in einer Stadt im Westen, die auch nur zehn Kilometer von der ehemaligen Grenze entfernt ist, als Kind aus meiner Sicht mitbekam.