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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Brilli
Wohnort: 
Hagen

Bewertungen

Insgesamt 90 Bewertungen
Bewertung vom 10.07.2015
Ein Sommer wie kein anderer
Straub, Emma

Ein Sommer wie kein anderer


ausgezeichnet

Die Posts waren froh, das staubige, sommerschwüle Manhattan für ein paar unbeschwerte Ferientage hinter sich lassen zu können um mit kompletter Familie und Freunden die heitere, angenehm temperierte Luft Mallorcas zu genießen, deren erfrischende Brise die wunderbaren Impressionen von knorrigen Olivenbäumen, stacheligen Palmen, fruchtigen, aromatischen Getränken und wohlschmeckender, inseltypischer Küche in sich barg. Es sollte ein entspannender, lockerer Urlaub werden, in dem man die Seele baumeln ließ und der Genuss an erster Stelle stand. Grund genug hierfür war vorhanden, denn Jim und Fanny waren seit 35 Jahren glücklich miteinander verheiratet, Sohn Bobby war beruflich als Senkrechtstarter unterwegs und auf dem besten Wege seiner Langzeitfreundin Carmen einen Verlobungsring anzustecken, und Tochter Sylvia hatte ihren Highschool-Abschluss in der Tasche und einen sicheren College-Platz für den Herbst.

Aber ganz so ungetrübt wie es ausschaute war das Leben der Familie zu diesem Zeitpunkt nicht. Jim hatte Madison getroffen, die nur fünf Jahre älter als seine eigene Tochter war, ihm unerlaubte erotische Gedanken in den Kopf zauberte und dadurch seine berufliche Karriere bedrohte. Sylvia wollte auf keinen Fall als Jungfrau auf dem College einziehen, sondern setzte auf ihren Spanischlehrer Joan als Kandidat. Auch Charles, ein Freund von Fanny, der die Posts begleitete und seinen schwulen Lebenspartner Lawrence bei sich hatte, war mit den Gedanken immer wieder bei der Adoption eines Kindes, um das sich beide inständig bemühten. Und – last not least – war Bobbys berufliche Karriere wohl auch nicht komplett schuldenfrei geblieben.

Von dieser Sicht aus betrachtet war für alle der Urlaub nicht ganz so unkompliziert wie es den Anschein hatte, denn Harmonie und Entspannung waren gefährdet durch plötzlich erkennbare Konflikte, die sich durch Verdrängung nicht gelöst hatten und weitgreifende Veränderungen für alle mit sich brachten.

Emma Straub zeigt sich hier als Schöpferin einer intelligenten, vielschichtigen, humorvollen Familiengeschichte, die in ein paar kurzen Sommertagen ein detailliertes Kaleidoskop von Charakteren, Eigenschaften und Befindlichkeiten skizziert, die so authentisch und aktuell sind, dass der Leser keine Mühe hat, sich darin zurecht zu finden oder sich sogar damit zu identifizieren, denn ein kleines Stück einer Problematik wird wohl jeder in sich verschlossen haben, das darauf wartet, hervorgeholt und verarbeitet zu werden.

Die flüssige, gut gewählte Sprache lässt die Lektüre zu einem angenehmen Lese-Erlebnis werden und macht das kleine Buch zum Genuss.

Bewertung vom 29.06.2015
Ocean King
Kader, Slimane

Ocean King


ausgezeichnet

„Avec vue sous la mer“ - das ist der Titel der Originalausgabe dieses Romans von Slimane Kader, und das ist die Position, die sich Wam, der Held dieser Geschichte, für sein Leben wünscht als er auf dem Luxusliner „Ocean King“ anheuert, der 6000 Touristen durch die Karibik schippert. Er will der bedrückenden Aura der Pariser Vorstädte entfliehen, will dahin wo Sonne und Palmen glitzernden Wohlstand und Überfluss versprechen, will eine Welt voll Unbeschwertheit und Müßiggang erobern.
Aber dieser Kreuzfahrtriese, der seinem Namen mit königlicher Größe alle Ehre macht, hat nicht nur 6000 Passagiere an Bord, die genussvoll schwelgend ihre Urlaubstage in der Bläue der Karibik verbringen, sondern hält in seinem Bauch 2000 Arbeitskräfte bereit, die ständig im Einsatz sind, um den reibungslosen Ablauf des High Society Programms zu gewährleisten. Das sind die, denen man für die Dauer ihrer Arbeitszeit die Pässe weggenommen hatte, damit sie dem wellenpflügenden Moloch bis zum Ende der Fahrt zu Diensten sein mussten, weil sie ihre Papiere erst dann zurück bekamen, wenn der Luxus-Gigant sein endgültiges Ziel erreichte und alle Menschenfracht ausspie.

Die Fatties – wie die Touristen auf Grund ihres meist offensichtlichen Übergewichts genannt werden – bevölkern die Decks mit verzogenen, kreischenden Kindern, bequemen, ausladenden Sonnenliegen, die den sorgfältig eingeölten, von kosmetischen Operationen mühsam in Form gehaltenen Körpern eine bequeme Unterlage bieten und lassen keinen ihrer Ansprüche ungenutzt. Warum auch, wenn ein Fingerschnippen eine ganze Hierarchie von Untergebenen auf den Plan zu rufen vermag, denen nichts mehr eingebleut wurde, als absolutes touristisches Wohlbefinden zu erzeugen, damit die existenzsichernden Lobeshymnen, auf welche die Schifffahrtsgesellschaft angewiesen ist, nicht abreißen.
In diesem perfekt funktionierenden Räderwerk unten in schweißüberströmender, geschäftiger Tiefe hat jeder seinen Platz. Eine Armada von Bediensteten, vom Koch bis zur Revue-Tänzerin, vom Mechaniker über Wäschereihelfer, Oberkellner und Gigolos sind Menschen verschiedenster Nationalitäten hier gelandet, um Geld zu verdienen, ihren ärmlichen Verhältnissen in der Heimat zu entfliehen und vielleicht eines Tages den Schritt aus dem Bauch heraus an Deck, ans Tageslicht zu schaffen. Aber bis dahin gelten die Gesetze einer dunklen Arbeitswelt, die mit hohem Gewaltpotential, Angst und Neid dafür sorgt, dass Niemand diesem Kastensystem entfliehen kann, dass jeder „funktioniert“ und sich vertragsgemäß abrackert. Aber in allem Schweiß und erstickender Hitze gibt es doch das Gefühl einer Solidarität, die ab und zu das gemeinsame Schicksal spüren lässt und dadurch das Negative zu neutralisieren versteht.
Wams Position könnte man mit einer Portion Ironie als die facettenreichste innerhalb der „Bauchbesatzung“ bezeichnen – er ist ein „Joker“ - ein Mann für alle Fälle – vom „Hundeausführer“ über Rohrreiniger und Cookie-Bäcker bis hin zum Kinder-Animateur im Eisbär-Fell und hundertfachen Kakerlaken-Mörder, dessen berufliche Zugehörigkeitsgrenzen sich dadurch verwischen und einen Aufstieg vom Joker zum Teamchef oder vom Dunkel ins Licht erleichtern könnten.
Slimane Kader hat ein brillantes Bild unserer Gesellschaft gezeichnet. Mit reichhaltiger, flüssiger Sprache schreibt er über Banales und Bedeutsames, Absurdes und Normales, Enttäuschendes und Rührendes. Mit humorvollen Metaphern und intelligenten, sensiblen Beobachtungen holt er den Leser in unglaublicher Dringlichkeit zu sich an Bord und versteht, die widersprüchlichsten Gefühle in ihm zu wecken – Abneigung gegen die abstoßende, gedankenlose Dekadenz in der „upper-class“ und Partei zu ergreifen für die bezahlte Masse, die in eigener Gesetzmäßigkeit den Rücken für ein paar Dollars krümmt.
Ein Buch, das nachdenklich stimmt, neue Blickwinkel öffnet und doch viel versöhnlichen Humor zulässt, der allen menschlichen Stärken und Schwächen ihren Raum zubilligt.
Absolute Leseempfehlung.

Bewertung vom 14.06.2015
Beim nächsten Mann links abbiegen
Martini, Caro

Beim nächsten Mann links abbiegen


ausgezeichnet

Heute muss es nicht mehr der Glücksklee sein .....

Wie aufregend ist eigentlich so ein Alltag, wenn man einen sicheren Job an der Uni hat, dort in seinen Chef, den Anglistikprofessor David Engelbrecht verliebt ist, der menschlich gesehen eigentlich zu den „Nullen“ zählt, wenn man eine Freundin hat, deren Liebesleben einem Kamasutra gleicht, während man selbst sich mit dem Lesen der „Pesthure“ begnügt oder man nicht weiß, wie putzmunter ein aktiver Vierbeiner die Wohnung umzugestalten vermag? Eigentlich ist das tägliche Einerlei recht öde, muss man dann irgend wann feststellen – aber dann ist man schon mitten drin in den Turbulenzen!
Welch sonderbare Wendungen ihr Leben durch ein simples Navi nehmen würde, hätte Lucie Stein vorher nicht in ihren kühnsten Träumen geahnt. Auch wenn dieses ungewöhnliche Navigationsgerät auf nicht alltägliche Weise in ihre Hände geriet, indem sie es auf dem Trödelmarkt einem geheimnisvollen Mann in weitem, rotem Mantel abkaufte, der anschließend vom Boden verschwunden schien, deutete doch nichts daraufhin, dass es anscheinend für sie gemacht war und von diesem Moment an Weg und Ziel in ihrer Lebensplanung übernahm. Mit umwerfend schmeichlerischer „George-Cloony-Stimme“ dirigierte das Navi sie auf unvorhersehbare Art immer wieder dem Glück ihrer Zukunft entgegen - manchmal „undercover“ und beileibe nicht offensichtlich, aber auf humorvolle und kapriziöse Weise stets gelungen und unentrinnbar. George veränderte alles im Leben von Lucie Stein und nach kurzem Zögern und zerstreuten Zweifeln fuhr sie auf neuen Strecken und - der ausgeklügelten, fantasievollen Navigationstechnik sei Dank – dem auf sie zugeschnittenen Glück entgegen.
Caro Martini hat ein heiteres, fantasievolles Buch geschrieben, in dem der Humor und die vielen kleinen Weisheiten des Lebens ebenso ihren Platz haben wie Selbsterkenntnis und schmunzelnd-kritische Nasenstüber für Handlungsorte und Situationen der Gesellschaft, unterhaltsam und feinfühlig beobachtet. Dem Leser bereitet es Vergnügen, zusammen mit wunderbar skizzierten Protagonisten in flüssiger Sprache durch die bunte Palette einer federleichten Sommergeschichte geführt zu werden, und anschließend recht gut unterhalten seine Leseempfehlung auszusprechen.

Bewertung vom 05.05.2015
Panthertage
Bischof, Sarah E.

Panthertage


ausgezeichnet

Ein anderes Leben beginnt, als die junge Sarah Elise ihren ersten epileptischen Anfall erleidet. Ein anderes Leben hätte sowieso begonnen – jetzt, nachdem sie ihre Schule absolviert hatte und voller Neugierde und Enthusiasmus ins verheißungsvolle Leben starten wollte. Aber wie fremd, bedrückend und angsteinflößend war der Schlund, in den sie nun stattdessen hineingezogen wurde. Epilepsie – das Wort hatte man schon gehört, irgendwie schien es nicht gesellschaftsfähig zu sein und war verkapselt in einer Aura von Nichtwissen und Berührungsangst. Und jetzt plötzlich war es ganz nah', man gehörte dazu und war dieser unberechenbaren Spontanität erniedrigender und sogar lebensbedrohender Hirnaktivität ausgesetzt, die eigener Steuerung entglitten war. Zuerst musste das Begreifen kommen, das Verinnerlichen dieser Tatsache und dann das Einnehmen einer Position, das Finden des eigenen Platzes in diesem neuen, anderen Dasein. Erst dann beginnt das Leben mit der Behinderung – ganz gleich, wie sie sich auch immer darstellt, welche Anforderungen sie auch an uns stellt, wenn sie ins Leben mit eingebaut werden muss.
Und hier trifft der Leser auf Sarah Elise in einem wunderbar berührenden Roman voller Kraft und Humor - voller Ängste und Einsamkeit in den schwarzen Panther-Momenten, aber auch lichtdurchflutet in den Augenblicken der Freundschaft und der Tag-Träume, die der Seele Heilung bringen. Die junge Frau lässt den Leser in überraschend offenherziger Weise an den Belastungen teilhaben, die diese Erkrankung ihr auferlegt. Wir erleben Diskriminierung und Unverständnis, Bürokratie und gleichgültiges Abwenden aber ebenso freundschaftliche Hingabe, Zuwendung und intensive Fürsorge für einen geliebten Menschen. Diese große Palette menschlicher Gefühle vereint die Autorin in ihrem Buch, das sofort Einlass ins Herz des Lesers erhält und ihn erstaunt sein lässt über soviel Tapferkeit und Lebensfreude. Man spürt sehr wohl die dunklen Momente, in denen die junge Frau eine Gratwanderung macht, in denen ein Quentchen „mehr“ absolut zuviel sein würde und man ist glücklich, wenn wieder einmal die drohende Schattenseite überwunden ist. Aber man weiß auch, dass da ein Gegner ist, der keine Schwäche duldet, in einem Kampf, der immer wieder gewonnen werden muss, und man wünscht von ganzem Herzen, dass Willenskraft und Liebe zum Leben den Sieg davon tragen.
Sarah Elises Buch ist für mich so persönlich und intim, dass ich während des Lesens das Gefühl hatte, sie bäte mich um meine Freundschaft – und sehr glücklich sagte ich „Ja“.

Ich denke, eine Leseempfehlung muss ich nicht mehr aussprechen, das Buch liest sich wunderbar und wäre vielleicht sogar ein bisschen hilfreich, wenn es darum geht, Aufklärung und Verständnis für ein Thema zu bewirken, das immer noch tabuisiert durch die Gedanken irrt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.04.2015
Sei mein Frosch
Bähr, Julia

Sei mein Frosch


sehr gut

Nicht jeder Frosch ist ein Treffer.

Auf den ersten Blick passt alles in ihrem Leben – zumindest in beruflicher Hinsicht.

Wenn Viola Nienhaus sich so umschaut, fühlt sie sich eigentlich am richtigen Platz. Sie hat den Hörsaal hinter sich gelassen und ihr erstes eigenes Büro bezogen - über den Dächern von München gelegen, mit flauschigem Teppichboden und Panoramafenster ausgestattet – ist es ein Teil der Anwaltskanzlei von Schilo und Partner und soll für sie der Beginn ihrer juristischen Karriere sein. Man muss allerdings zugeben, dass dieser Start auch seine negativen Aspekte hat. Ihr Chef, Stefan von Schilo, ist ein ziemlich unsympathisches, hellhäutiges Ekel auf dünnen O-Beinchen und seine Sekretärin, Frau Blettinger, hat täuschende Ähnlichkeit mit den landesüblichen Bürodrachen. Kollege Haberstolz jedoch, der mit Viola zusammen das Ressort „Familienrecht“ bearbeitet, und Kollegin Liane sind erfrischend nett und sympathisch. Ganz zu schweigen von Matthias Fischer – einem echten Highlight der Kanzlei – dessen coolness Violas Herz ganz schön ins Stolpern und ihre Stimme ins Stottern bringt, was ihn leider absolut gleichgültig lässt. Ist der Mann blind oder bereits vergeben, oder ist sie wirklich ein so unscheinbares Mauerblümchen, das einfach nur unbeachtet an den Wegrand gehört?

Nachdem während des Studiums die langjährige Verbindung zu ihrem Freund in die Brüche gegangen war, ein Neubeginn mit dem Kumpel eines Kommilitonen sich als Fehlgriff herausstellte, folgten nur ein paar inhaltlose, nächtliche Dates – eine ziemlich miese Erfolgsquote , die sie da vorweisen kann, und es wird wahrhaftig Zeit, endlich den Traummann zu finden. Bei einem solchen Angebot von Fröschen, muss doch ein versteckter Prinz darunter sein. Vielleicht sollte sie bei ihrer Freundin Hanna in die Lehre gehen, die ihre zahlreichen „negativen Date-Test-Ergebnisse“ in der Kolumne einer Frauenzeitschrift zum Besten gibt und voll Motivation und Engagement ihre Erlebnisse aus Internet und Partnerbörsen vermarktet. Brenzlig wird’s nur, wenn man sich dabei gegenseitig in die Quere kommt und außerdem noch unter Zeitdruck steht, weil man der Wohngemeinschaft mit Sarah und Leo entfliehen möchte, die ein lautstarkes, nervtötendes „Permanent-Date“ im Schlafzimmer haben. ........ das kann dann schon 'mal in einem Chaos enden, in dem man normalerweise keine Prinzen trifft.


Julia Bährs Debüt ist ein frischer, amüsanter Roman, der sich aus vielen alltäglichen Begebenheiten ein paar Zutaten herauszieht und damit eine unterhaltsame, humorvolle Lektüre mixt, die den Leser zum Schmunzeln bringt. Ein unkompliziertes Stück Leben wird in einem Bild skizziert, dem man auf Grund seiner lustvollen Vergnüglichkeit auch die etwas simpel gestrickte story verzeiht. Die Voraussehbarkeit der Entwicklung ist zwar vorhanden aber nicht sonderlich störend, weil man den sympathischen Hauptprotagonisten einfach Gutes wünscht und ihre Unternehmungen gern von Erfolg gekrönt sieht.

Julia Bährs Sprache und Stil sind flott und flüssig, das Buch liest sich angenehm und entspannend. Es schafft gute Laune wie ein Gläschen Prosecco an einem lauen Sommertag und ist hervorragend als Urlaubslektüre zu empfehlen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.03.2015
Gnadenort / Kommissar Max Kramer & Nonne Maria Evita Bd.1
Leiss-Huber, Anton

Gnadenort / Kommissar Max Kramer & Nonne Maria Evita Bd.1


ausgezeichnet

Altöttinger Mord-Impressionen.
Mit Leib und Seele heimgekehrt nach Mühldorf war der Oberkommissar Max Kramer, hatte seine Zelte in München abgebrochen und war zurück im beschaulichen Altötting, dem Ort, der den krönenden Höhepunkt vieler Pilgerreisen bildet und den Gläubigen eine andachtsvolle, geruhsame Atmosphäre bietet, die zur gemeinsamen inneren Einkehr und Zwiesprache mit Gott einlädt. Aber – der Himmel ist Zeuge – von Ruhe und innerer Einkehr konnte nun überhaupt keine Rede sein, weil der Bichler-Wirt tot in der Kirche lag und dadurch weitaus mehr Probleme machte als er's schon im lebendigen Zustand vermocht hatte. Außerdem traf Max auf seine ehemalige Jugendliebe Vevi Unterprammer, die allerdings jetzt in ein schwarzes Habit gekleidet als Maria Evita zu den Novizinnen ins Kloster eingetreten war. Was allerdings nicht hieß, dass die Vergangenheit keine Bedeutung mehr hatte. Im Gegenteil, es knisterte sogar noch recht hörbar zwischen den beiden, und der Max schätzte Marias Hilfe bei der Ermittlungsarbeit nicht nur, weil sie sich mit den „heiligen und unheiligen Bürgern“ in seiner Heimatstadt so gut auskannte. Als nun die Recherchen in der Stiftskirche unmissverständlich daraufhin deuteten, dass hier am Bichler ein eiskalter Mord verübt worden war, schlug diese Erkenntnis im ehrwürdigen Wallfahrtsörtchen Altötting ein wie der Fuchs im Hühnerstall. Im Handumdrehen entstand ein Kreis verdächtiger Bürger, deren verlogen-scheinheilige Glaubwürdigkeit doch recht massiv erschüttert wurde. Und nicht nur in der Gegenwart ging alles drunter und drüber, auch in den Kellern der Vergangenheit schienen einige Leichen verborgen zu sein, die der liebenswerte, bayrische Gesetzesvertreter Max mit seinem Dickschädel und der Hilfe von Vevis christlich gelenkten, weiblichen Intuitionen ans Licht der Gerechtigkeit holte.

Mit diesem Debütroman hat der Autor Anton Leiss-Huber eine wunderbare „christlich-kriminalistische“ Story abgeliefert. Auf der Bühne eines anheimelnden, urbayrischen Wallfahrtsortes wie Altötting lässt er ein ganzes Ensemble Schauspieler ein unterhaltsames Theaterstück aufführen, das den Leser durch seine authentische, bunte Vielfalt überzeugt. Jede einzelne Rolle ist exzellent besetzt, die Protagonisten liefern sich einen kurzweiligen, spannenden und regional so gut erkennbaren Schlagabtausch, dass man wirklich seine Freude an diesem Repertoire haben kann.

Schwierig vorauszusehen aber absolut logisch nachvollziehbar steuert die ganze Sache ohne Verlust ihres Spannungsbogens auf das Ende dieser außergewöhnlichen oberbayrischen Geschichte zu und lässt mich als zufriedenen Leser zurück.

Mag sein, dass sich die Madonna in der Stiftskirche bei manchen Ausführungen den Zipfel ihres Mantels vor die Augen hält, wenn's mal wieder einen Seitenhieb auf die Geistlichkeit gibt – es sei allerdings anzumerken, dass es im Buch nicht um mangelnde Gottesfürchtigkeit geht – hier wird nur „das Personal“ gerügt.

"Gnadenort" ist ein flotter Regional-Krimi, ein spannendes, kurzweiliges Lesevergnügen, dessen Autor Anton Leiss-Huber sicherlich die Lizenz zum Weiterschreiben besitzt.

Bewertung vom 07.03.2015
Rache auf Türkisch
Utkuseven, Askim

Rache auf Türkisch


ausgezeichnet

Türkisch gewürztes Vielerlei.
Wunderbar unterhalten und vergnüglich schmunzelnd sitzt der Leser hier in der ersten Reihe und erhält eine humorvolle Unterrichtsstunde in „Türkisch“. In fünfzehn flüssig und locker geschriebenen Kurzgeschichten bringt uns die Autorin mit den unterschiedlichsten Menschen zusammen, mit ihrem ganz normalen Alltag, mit Sorgen und Bedürfnissen, Gefühlen und Situationen, die uns allen bekannt vorkommen – nur die Handhabung unterscheidet sich ein bisschen von der unsrigen, da liegen die Unterschiede, die Askim Utkuseven mit einem Augenzwinkern und viel Gespür für Situationskomik aufzeigt.

Ob der Leser zur Fahrstunde eingeladen ist oder zur zuckersüßen „Baklava“, ob er Cems Entsetzen teilt, wenn dessen Mutter Pervin mit seiner Frau Aysel gemeinsam Front gegen ihn macht oder ob er Akif zuhört, der unfreiwillig Reklame für türkische Männer macht und dabei eine kleine, hinterhältige Rache für Natascha mit einbaut oder ob wir Zeuge werden, wie geschickt Halime ihren Plan verfolgt, einen Dönerladen zu eröffnen – das verschafft schon köstliches Amüsement. Aber auch andere, stille und ergreifende Töne finden ihren Platz in diesen Geschichten – tapfere, türkische Mädchen, denen es nicht an Mut fehlt, sich für eine Sache zu engagieren, großen Vorbildern nachzueifern und Bruder und Freund staunend und mit offenen Mündern hinter sich zu lassen.

Lebendig, bunt und vielfältig sind die Geschichten, voller Wärme und Empathie, voll menschlicher Stärken und Schwächen, eine Lektüre, die uns näher zusammenrücken lässt und einmal mehr noch zeigt, wie leicht man zueinander findet, wenn man einfach nur bereit ist, voneinander zu lernen und Neues zu entdecken.

Solche Lektüre wie sie Askim Utkuseven in ihrem Debütroman geschaffen hat, erreicht die Menschen auf ganz spezielle heiter-besinnliche Art und leistet einen liebenswerten Beitrag zur „Völkerverständigung“.

Gerne gebe ich hier eine verdiente Leseempfehlung.

Bewertung vom 06.02.2015
Sakrament des Todes

Sakrament des Todes


ausgezeichnet

Hier spricht der Tod das letzte Wort.
Eine facettenreiche, spannende Palette mörderischer Ereignisse wird dem Leser hier serviert. Heilige Stätten, Kirchen, Kapellen und ehrwürdige Domhäuser von Deutschland, über Frankreich bis nach Japan werden hier zum Schauplatz von Verbrechen, werden zum Tummelplatz niederer Instinkte, ausgeklügelter Mordpläne und menschlicher Niedertracht.

Ein Extrakt aus fein ausgewählten Kriminalgeschichten, die teils perfide und gerissen, teils humorvoll und überraschend, aber auch kindhaft gläubig und ergeben von einer auserwählten Reihe bekannter Autoren geschrieben und von Andreas Sturm herausgegeben wurden.

Es ist ein vom Kenner des Genres zusammengestelltes literarisches Menü, das dem Leser wahrhaften Krimi-Genuss bieten kann.

Eine Auswahl von richtig guten Kriminalgeschichten, in der die heiligen Orte, an denen sie sich abspielen, auf interessante, reizvolle Weise ins Augenmerk des Lesers gebracht werden und dieser Sammlung eine ganz besondere Note geben.

Der stete Wechsel zu den verschiedenen Protagonisten und den unterschiedlichsten Handlungssträngen der kriminellen Leckerbissen macht das Lesen zu einem kurzweiligen Vergnügen, bei dem auch das eigene Ermittlungstalent nicht selten gefordert wird.

Erwähnenswert ist noch das Vorwort des Herausgebers Andreas M. Sturm mit Erläuterungen zu Kirchen, Menschen und Geschichten, die wunderbar aufs Lesen einstimmen, und zum Schluss des Buches informiert ein Anhang über die Autoren, ihr Leben und ihren Werdegang.

Im wahrsten Sinne des Wortes bringt diese Sammlung von dreizehn Morden auf geheiligtem Boden ein grenzenloses Vergnügen und macht Appetit auf mehr.


Eine absolut gelungene Anthologie wurde hier von Andreas M. Sturm herausgegeben.