Nach dem Motto »Es waren zwei Königskinder…« erzählt Paolo Giordano in seinem Debütroman, der 2oo8 mit Italiens renommiertestem Literaturpreis 'Premio Strega' ausgezeichnet wurde, die Geschichte von Alice und Mattia, Königskinder oder eben Primzahlen, die eigentlich zueinander gehören, aber sich
einfach nicht finden können.
Beide Charaktere sind Außenseiter. So sehr Alice auch versucht, dazu zu…mehrNach dem Motto »Es waren zwei Königskinder…« erzählt Paolo Giordano in seinem Debütroman, der 2oo8 mit Italiens renommiertestem Literaturpreis 'Premio Strega' ausgezeichnet wurde, die Geschichte von Alice und Mattia, Königskinder oder eben Primzahlen, die eigentlich zueinander gehören, aber sich einfach nicht finden können.
Beide Charaktere sind Außenseiter. So sehr Alice auch versucht, dazu zu gehören, es gelingt ihr einfach nicht. Ein Unfall in ihrer Kindheit, für den sie ihrem Vater die Schuld gibt, hat sie nicht nur die Beweglichkeit eines ihrer Beine einbüßen lassen, sondern auch einen tiefen Riss in ihrer Seele verursacht. Ihr Bestreben nach Normalität gipfelt in Magersucht, Ärger mit den Eltern und immer weiteren Demütigungen.
Mattia hingegen grenzt sich selbst von vornherein aus. Nachdem seine behinderte Zwillingsschwester mit sechs Jahren aus seiner Obhut verschwand, kapselt er sich immer mehr ab und verleiht seinem Schmerz heimlich Ausdruck, indem er anfängt, sich selbst zu verletzten.
Einzig Alice schafft es, nach und nach zu ihm durchzudringen, auch wenn sie lange nur an der Oberfläche kratzt und nicht ganz klar ist, welche Absichten sie dabei hegt.
Von 1983 bis 2007 begleitet der Leser Mattia und Alice auf ihrem Lebensweg, den letztlich jeder für sich bestreiten soll, ohne dass der Kontakt zum anderen aber völlig abbricht.
Hierbei rückt der Autor nicht nur seine Figuren in die Rolle der unglückseligen Primzahlen, sondern gibt auch dem Leser das Gefühl, Mattia und Alice über all die Jahre und Seiten hinweg nur sehr bedingt nahe kommen zu können, obwohl er ihn doch erstaunlich tief in ihre traumatisierte Psyche blicken lässt.
Giordanos Sprache ist schnörkellos und klar, hält den Leser kühl auf Distanz, ist aber gleichzeitig eindringlich und ruft intensive Bilder hervor, wenngleich diese – bestärkt durch die teilweise großen Zeitsprünge – vielmehr Momentaufnahmen darstellen. Augenblicke, in denen Alice aufdringlich und Mattia zu passiv ist, um sympathisch zu sein – und doch fühlt man mit ihnen und verfolgt ohnmächtig, wie die beiden Helden sich in ihr Unglück manövrieren.
Auch wenn am Ende ein leichter Hoffnungsschimmer aufglimmt, ist »Die Einsamkeit der Primzahlen« definitiv keine Lektüre für schwermütige Zeiten, denn das ungute Gefühl, dass da etwas völlig falsch läuft, zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte und lässt den Leser aufgewühlt und vor allem traurig zurück.
FAZIT: Eine tragische (Liebes)Geschichte, die schon nach den ersten beiden Kapiteln schwer im Magen liegt und trotzdem (oder gerade deshalb) schön zu lesen ist.