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Angela Merkel bedient sich der Kernbotschaften anderer Parteien, ohne sich zu deren Werten zu bekennen. Machterhalt geht vor Parteienvielfalt. Ist Deutschland auf dem Weg zu einer Einheitspartei?, fragt Gertrud Höhler in ihrer brisanten Streitschrift. Mal liberal, mal konservativ, mal christlich-sozial. Die deutsche Kanzlerin lässt sich nicht festlegen. Sie steht nicht für bestimmte Werte oder Positionen. Vielmehr bedient sie sich - je nach politischer Stimmung und Aktualität - der Kernbotschaften anderer Parteien und schleift damit die Parteienvielfalt. Sie ist die "Patin", die unsichtbar die…mehr

Produktbeschreibung
Angela Merkel bedient sich der Kernbotschaften anderer Parteien, ohne sich zu deren Werten zu bekennen. Machterhalt geht vor Parteienvielfalt. Ist Deutschland auf dem Weg zu einer Einheitspartei?, fragt Gertrud Höhler in ihrer brisanten Streitschrift. Mal liberal, mal konservativ, mal christlich-sozial. Die deutsche Kanzlerin lässt sich nicht festlegen. Sie steht nicht für bestimmte Werte oder Positionen. Vielmehr bedient sie sich - je nach politischer Stimmung und Aktualität - der Kernbotschaften anderer Parteien und schleift damit die Parteienvielfalt. Sie ist die "Patin", die unsichtbar die Fäden zieht, um ihren eigenen Machterhalt zu sichern. Eine gefährliche Tendenz für Deutschland, sagt Gertrud Höhler. Versprechen werden vermieden, Moral wird zur Manövriermasse, die Geringschätzung von Tugenden zum Programm. Die Folgen: der Ausstieg aus den wichtigsten Spielregeln von Demokratie, Vertragstreue und Wettbewerb. So nivelliert die Politikerin Merkel allmählich die politischen Institutionen und etabliert eine zentralistische Regentschaft - Merkels neues Deutschland.
Autorenporträt
Höhler, Gertrud
PROF. DR. GERTRUD HÖHLER ist Literaturwissenschaftlerin, Publizistin und Beraterin für Wirtschaft und Politik. Mit Alfred Herrhausen entwickelte sie die strategische Kommunikation der Deutschen Bank. Sie war Board Member CIBA Chemie, der Schweizer Versicherung Bâloise Holding und des Ingenieurkonzerns Georg Fischer. Sie hat zahlreiche Bestseller veröffentlicht und wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland. Die Autorin lebt in Berlin und in der Nähe von Zürich.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Wolfgang Michal nimmt sich noch einmal Gertrud Höhlers weithin abgewehrte Attacke auf Angela Merkel vor, um doch einige Beobachtungen zu retten, die ihm bei aller Wahnhaftigkeit der Höhler'schen beachtenswert erscheinen. Völlig hanebüchen findet er natürlich Höhlers Darstellung der Kanzlerin als ein Alien-artiges Wesen, das gekommen oder geschickt worden ist, die westdeutsche Welt des erfolgreichen katholischen Konservatismus zu zerstören und in eine protestantisch-sozialdemokratische Sowjet-Hölle zu verwandeln. Was ihm aber gar nicht so falsch vorkommt, ist Höhlers Vorwurf gegen Angela Merkel, die parteipolitische Auseinandersetzung abgeschafft zu haben und durch eine Art Einparteiensystem ersetzt zu haben, das nur noch dazu da ist, die "alternativlosen" Entscheidungen des Staates zu billigen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.01.2013

Von einer, die auszog, die Politik zu verstaatlichen

Gertrud Höhler hat mit ihrer Biographie versucht, das postdemokratische "System M" aufzuschlüsseln. Aber das Buch wurde allzu rasch aus der öffentlichen Debatte gedrängt - schließlich sind zwei Drittel der Deutschen mit Angela Merkels Politik zufrieden.

Im Herbst 1995, als Angela Merkel noch Helmut Kohls "Mädchen" war, startete der Film "Species", dessen Science-Fiction-Story sich eng an den berühmten Vorläufer "Alien" anlehnt: Bei der Suche nach außerirdischer Intelligenz empfangen Wissenschaftler Funksignale aus einer fremden Galaxie, später sogar den Code einer bislang unbekannten DNA. Durch Einbringung des Codes in menschliche Eizellen gelingt es den Forschern, eine lebensfähige Spezies zu züchten - Ergebnis ist Sil, das Mädchen aus Anderland. Sil lebt unter der ständigen Beobachtung und väterlichen Fürsorge eines Wissenschaftlers in einem hermetisch von der Außenwelt abgeriegelten Labor.

Eines Tages erhält der Leiter des Labors die Weisung, Sil zu töten. Aus Sicherheitsgründen. Sil bricht aus, verpuppt sich, entwickelt in rasender Geschwindigkeit übermenschliche geistige und körperliche Kräfte und streift nun mit kaltem Reptilien-Blick durch die westliche Zivilisation: stets auf der Suche nach dem geeigneten Partner, mit dem sie sich fortpflanzen kann. Dabei räumt Sil einen Mann nach dem anderen aus dem Weg, entweder weil diese Männer sich als drogensüchtig oder krank erweisen, oder weil sie Memmen sind. Endlich findet Sil einen für die Paarung tauglichen Kerl - doch ausgerechnet der gehört zu jenen, die Jagd auf sie machen. Äußerlich (da kann meine Erinnerung aber auch täuschen) ähnelt Sils Wunschpartner dem SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück verblüffend.

Diese Reminiszenz ist nötig, wenn man begreifen will, warum Angela Merkels Erfolg für viele westdeutsche Kritiker so überirdisch und unbegreiflich ist. Gerade erst hat der "Deutschlandtrend" des Umfrageinstituts Infratest dimap ergeben, dass 65 Prozent aller Deutschen mit Merkels Politik zufrieden sind. Einsam steht sie an der Spitze der beliebtesten deutschen Politiker. Sie kann also gar nicht von hier sein, sie muss den Deutschen von einer fremden Macht auf die Erde geschickt worden sein.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass Gertrud Höhler den Film "Species" bewusst oder unbewusst als Vorlage für ihr hochambitioniertes, aber grandios gescheitertes Buch "Die Patin" (Orell Füssli Verlag, Zürich 2012) verwendet hat. Denn sie beschreibt die "fremde" Angela Merkel von der ersten bis zur letzten Zeile als "bindungslosen", "unlesbaren", alle Werte verachtenden "Alien"; als "Außerirdische", die plötzlich aus einer fremden protestantischen Galaxie (aus "Anderland") in den Westen kam und dort alle braven katholischen Männer der West-CDU in einem so kaltherzigen wie sehnsüchtigen Blutrausch dezimierte.

Höhler ist offenbar besessen von dieser rätselhaften Frau, die sich nicht in die Karten schauen lässt. Sie ist so okkupiert vom Zerrbild einer gut "getarnten", "undercover" agierenden "Außerirdischen", dass sie in ihrer knapp dreihundertseitigen Abrechnung mit dem "System Merkel" einen wütenden Rosenkranz nach dem anderen betet. Es sind immer wieder die gleichen Formulierungen, die gleichen Vorwürfe, die gleichen Beispiele - so, als hätte sie hundertmal den gleichen Brief an Angela Merkel begonnen, aber immer wieder verworfen und schließlich im Zorn über die eigene Unfähigkeit, eine halbwegs stringente Analyse zu liefern, alle Fassungen blindwütig aneinandergeklebt.

Dieses Buch ist das Resultat einer Paranoia. Das Mädchen Angela - so die Höhlersche Wahnvorstellung - sei aus der piefigen Sowjet-Welt zu uns "herübergeweht" worden, um nacheinander die CDU, die Liberalen, das Parlament, die Demokratie, das Recht, den gesunden Wettbewerb, die westlichen Werte, Deutschland und Europa zu zerstören. Alle Schändungen konservativer Werte, alle Verletzungen demokratischer Spielregeln werden von Höhler auf die (angeblich doch gar nicht vorhandenen) Eigenschaften der "unlesbaren" Angela projiziert. Deren Gefühlskälte und deren Werte-Relativismus hätten wir es zu danken, dass das wehrlose Deutschland schwach und schwächer werde und sich im Sarrazinschen Sinne selbst abschafft. Gertrud Höhler versteigt sich gar zu der Verschwörungstheorie, Angela Merkel sei in den Westen gekommen (geschickt worden?), um "undercover" und "im Tarnkappenmodus" einen sozialistischen "Einparteienstaat" zu errichten, dem keine christlichen Werte mehr heilig seien und in dem nur noch nach pragmatischen Nützlichkeitserwägungen entschieden werde. Wobei das oberste Nützlichkeitsgebot für alle politischen Positionen laute: Dienen sie Merkels Machterhalt oder nicht?

Ein solcher Gedanke mag als satirische Zwischenbemerkung amüsant erscheinen, aber ein ganzes Buch lang den immer gleichen psychologisierenden Sermon zu wiederholen verärgert den wohlwollendsten Kritiker. Auf die Betrachtung der Merkelschen Oberfläche folgt leider keine profunde Analyse. Es gibt keinen Versuch, Angela Merkels "totalitären" Regierungsstil, ihr "autoritäres System M" aus anderen (etwa strukturellen) Entwicklungen abzuleiten. Es liegt immer nur am bösen, bösen Machtwillen der "fremdsozialisierten" Kanzlerin mit dem "Alien-Faktor".

Diese Eindimensionalität mit ihrer peinlichen Fixierung auf die "egomanische Außerirdische" sorgte in der medialen Rezeption dafür, dass Buchthese und Autorin schnell und mit spitzen Fingern entsorgt wurden. Zwei, drei verunglückte Talkshow-Auftritte, einige Verrisse, auch unter Mithilfe des merkeltreuen Biographen Gerd Langguth - schon war die Aufmerksamkeit für Höhlers Buch erloschen. Innerhalb von nur zwei Wochen wurde der kühl kalkulierte Bestsellerhype durch den ebenso kühl kalkulierten Hype einer anderen Wutbürgerin aus der öffentlichen Debatte gedrängt. Auf Gertrud Höhler folgte Bettina Wulff.

Das ist vor allem deshalb ärgerlich, weil Höhlers Buch viele Ansätze einer ernstzunehmenden Kritik enthält, die im gegenwärtigen Diskurs über postdemokratische Tendenzen ihren Platz hätten: Die CDU-Vorsitzende, so Höhler, habe "den ganzen christsozialen und christliberalen Plunder über Bord" geworfen und besetze skrupellos die Themen der Grünen und der SPD. Diese "Raubzüge im Bekenntnisvorrat der Wettbewerber" mache die CDU aber verwechselbar. Die Entmachtung bislang konkurrierender Parteien durch das Absaugen ihrer Kernthemen führe zu einem Allparteienmischmasch. Der notwendige Wettbewerb um die bessere Lösung werde eingeschläfert, und an die Stelle des zur "Einheitspartei" degenerierten Parteiensystems trete der Staat, dem die Einheitspartei die erwünschte Akklamation liefere.

Diese Verstaatlichung und Zentralisierung der Politik gehe einher mit rüden Rechtsbrüchen, die sich am Bedarf orientierten und deshalb flexibel gehandhabt werden könnten. Das staatlich verordnete Moratorium für Kernkraftwerke nach dem Super-GAU in Fukushima und der Bruch des Lissabon-Vertrags im Rahmen der Euro-Rettungspolitik deuteten in diese Richtung. Hier wird Höhler ganz bitter. Sie spricht von "Wohlstandsvernichtung mit Staatsstreichcharakter", gezieltem Verfassungsbruch, Putsch und permanentem Ausnahmezustand. Und sie beruft sich dabei nicht auf Carl Schmitt, sondern auf die linksliberalen Ökonomen George Soros, Paul Krugman und Amartya Sen.

Ermöglicht wird die Verstaatlichung der Parteien aber erst durch "das krypto-autoritäre System M". Höhler versteht darunter das gezielte Schweigen der Kanzlerin, den mutwilligen Verzicht auf jede Erklärung der eigenen Handlungsweise und die Darstellung dieser Handlungsweise als "alternativlos". Damit das autoritäre System M "lautlos" funktioniert, umgibt sich die Kanzlerin mit schwachen "Günstlingen" und "Vasallen", mit Leuten wie Ronald Pofalla, Eckart von Klaeden, Hermann Gröhe oder Peter Altmaier. Echte Rivalen (wie Friedrich Merz) oder kompetente Kritiker (wie Roland Koch) werden Zug um Zug durch politische Eunuchen ersetzt. Die verbleibenden Herren müssten sich durch einen Schutzwall aus abwehrbereiten Damen pflügen, der von Beate Baumann und Eva Christiansen im Kanzleramt über Ursula von der Leyen und Annette Schavan im Kabinett bis zu Christine Lieberknecht und Annegret Kramp-Karrenbauer in den Bundesländern reiche.

Parallel zur Entmachtung der Parteien und der innerparteilichen Rivalen laufe die Entmachtung des Parlaments. Die stete Zunahme der Allparteienbeschlüsse, die rüde Abstrafung und Bloßstellung von Dissidenten (wie Wolfgang Bosbach) und der dreiste Versuch, das Rederecht von kritischen Abgeordneten einzuschränken, verwiesen auf eine Fesselung des demokratischen Diskurses. Wie rücksichtslos das System Merkel offene Debatten ersticke und sich selbst unabhängiger Institutionen des Landes bemächtige, zeigten beispielhaft der Missbrauch und die Zerstörung der Autorität des Präsidentenamtes. Zweimal habe Merkel, nur um ihre persönliche Macht zu sichern, Günstlinge in dieses Amt befördert, ohne jede Rücksicht auf Eignung und Qualität. Sie habe sogar versucht, die Auswahl der Wahlmänner und Wahlfrauen für die Bundesversammlung in ihrem Sinne zu steuern.

Höhlers Kritik träfe bei einer sensibilisierten Klientel aus dem Umfeld der jüngsten Protestbewegungen auf fruchtbaren Boden - wenn ihre politischen Schlussfolgerungen nicht so abenteuerlich wären. Da sie die Marktwirtschaft auf dem Weg in den bürokratischen Sozialismus wähnt, setzt sie ganz auf die Vertreter eines ordo- oder neoliberalen Freiheitsverständnisses, auf Friedrich Merz, Rainer Brüderle und Joachim Gauck. Nein, sie will das System nicht umstürzen, sie möchte nur ihre gute alte CDU mit Hilfe der FDP "ent-sozialdemokratisieren". Dadurch entkräftet sie ihren systemkritischen Ansatz und entlarvt ihn als bloße Nörgelei.

Mit dem gleichen Gequengel hatte schon die Publizistin Cora Stephan 2011 ihre enttäuschte Abkehr von Angela Merkel begründet ("Angela Merkel. Ein Irrtum"). Pikant, dass sich sowohl Stephan wie Höhler in weiten Teilen ausgerechnet auf Evelyn Rolls hymnische Merkel-Biographie stützen. Zwei Begriffe tauchen in der Frauen-Debatte über Merkels Regierungskunst nicht auf: die Begriffe Postdemokratie und Bonapartismus. Ersterer wird bei Höhler ein einziges Mal - und nur in Frageform - gestreift, um ihn dann sogleich fallenzulassen. Letzterer fehlt völlig, obgleich der Soziologe Thomas Wagner die alternativlose Politik Angela Merkels 2011 als "Deutschlands sanften Weg in den Bonapartismus" beschrieben hat.

Warum diese Ignoranz? Weil beide Begriffe nicht dem "Wertefundus" der CDU entstammen? Weil die Autorin als Quellen lieber "Spiegel"-Artikel zitiert, die aus der Schlüssellochperspektive von Berliner Korrespondenten geschrieben sind? Oder weil hier eine Wissenschaftlerin den Stand der Debatte nicht kennt und diese Lücke mit der absurden Dämonisierung der Kanzlerin als eines hochgefährlichen "Aliens" zu füllen versucht?

PS: Nach der Paarung tötet das außerirdische Wesen Sil übrigens auch ihren netten Verfolger. Per Zungenkuss.

WOLFGANG MICHAL

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