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Giovannis Zimmer - Baldwin, James
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Zärtlich und zupackend erzählt Baldwin von Liebe, Begehren und Verletzlichkeit
Im Paris der Fünfziger lernt David den reizend überheblichen, löwenhaften Giovanni kennen. Die beiden beginnen eine Affäre - Verlangen und auch Scham brechen in David los wie ein Sturm. Als plötzlich seine Verlobte zurückkehrt, bringt David nicht den Mut auf, sich zu outen. Im Glauben, sich durch Verleugnung selbst retten zu können, stürzt er Giovanni in ein Unglück, das tödlich endet.
Mit "Giovannis Zimmer" brach Baldwin gleich zwei Tabus: Als schwarzer Schriftsteller schrieb er über die Liebe zwischen zwei
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Produktbeschreibung
Zärtlich und zupackend erzählt Baldwin von Liebe, Begehren und Verletzlichkeit

Im Paris der Fünfziger lernt David den reizend überheblichen, löwenhaften Giovanni kennen. Die beiden beginnen eine Affäre - Verlangen und auch Scham brechen in David los wie ein Sturm. Als plötzlich seine Verlobte zurückkehrt, bringt David nicht den Mut auf, sich zu outen. Im Glauben, sich durch Verleugnung selbst retten zu können, stürzt er Giovanni in ein Unglück, das tödlich endet.

Mit "Giovannis Zimmer" brach Baldwin gleich zwei Tabus: Als schwarzer Schriftsteller schrieb er über die Liebe zwischen zwei weißen Männern. Sein amerikanischer Verlag trennte sich daraufhin von ihm, seine Agentin riet ihm, er solle das Manuskript verbrennen. Heute gilt "Giovannis Zimmer" als Baldwins berühmtester Roman.

Ungekürzte Lesung mit Thomas Lettow
6 CDs, ca. 6h 1min
Autorenporträt
James Baldwin, 1924 in New York geboren, war und ist vieles: ein verehrter, vielfach ausgezeichneter Schriftsteller und eine Ikone der Gleichberechtigung aller Menschen, ungeachtet ihrer Hautfarbe, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres Herkunftsmilieus. Er war der erste schwarze Künstler auf einem Cover des Time Magazine. Baldwin starb 1987 in Südfrankreich, aber sein Bann ist bis heute ungebrochen.

Thomas Lettow gehört seit 2014 zum Ensemble des Münchener Residenztheaters. Er wirkte zuletzt u. a. in Schillers "Die Räuber", Sophokles' "König Ödipus" und Dostojewskijs "Der Spieler" mit. Außerdem liest er regelmäßig für das Literaturhaus München, so z. B. aus Werken von Hanya Yanagihara und James Baldwin. 2016 wurde Lettow mit dem Bayerischen Kunstförderpreis und 2017 mit dem Förderpreis der Freunde des Residenztheaters ausgezeichnet.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.02.2020

Vom seelischen Erfrieren
Zwei junge Männer, eine unmögliche Beziehung: Warum James Baldwins
schmerzhafter Liebesroman „Giovannis Zimmer“ immer noch aktuell ist
VON GUSTAV SEIBT
Wie aus einer anderen Welt dringt James Baldwins zweiter Roman zu den heutigen Lesern: zu den älteren, die das Buch schon vor Jahrzehnten lasen, vor Aids und vor der Ehe für alle, und erst recht zu den jungen Lesern von heute. „Giovannis Zimmer“, 1956 erschienen, avancierte bald zum wichtigsten schwulen Klassiker der amerikanisch-europäischen Literatur. In Deutschland war es bis vor einem Vierteljahrhundert dieses Buch und Thomas Manns Novelle vom „Tod in Venedig“, was junge männliche Homosexuelle als erstes in die Hände bekamen, wenn sie sich mit ihrem Anderssein beschäftigten. Ein trauriger Kanon, endend im Tod. Denn auch Giovanni, der Held von Baldwins kurzem, intensivem Roman, stirbt am Schluss, unter dem Fallbeil. Dorthin hat ihn zwar nicht verbotene Liebe gebracht, aber ein Mord als Affekthandlung, die aus dem Konflikt mit dem Verbot entstand.
Ein junger Amerikaner, er heißt David, hadernd mit seiner Herkunft – Vater und Stiefmutter sind ungeliebt –, unsicher über seine Art zu lieben – eine kurze Affäre mit einem Mitschüler verstörte ihn sehr –, kommt nach Paris. Das hat er mit dem Autor Baldwin gemeinsam, der nach dem Zweiten Weltkrieg vor dem Rassismus der New Yorker Stadtgesellschaft nach Frankreich floh, wo er sich bald einen Namen machte. Nicht so David, der ziellos und bald mittellos durchs Pariser Nachtleben zieht, wo er sich in den schönen italienischen Barmann Giovanni verliebt. Dabei hat David eine Verlobte, aber noch weiß er nicht, ob er sie heiraten möchte.
In einem mehrwöchigen Intervall, in dem diese Verlobte, eine amerikanische Malereistudentin, allein in Spanien unterwegs ist, verbrennt die unmögliche Liebe der beiden jungen Männer. Sie scheitert aber nicht an feindlichen äußeren Umständen, nicht an Armut und Verachtung (beides gibt es reichlich), sondern an Davids Unfähigkeit, diese Außenseiterliebe auf sich zu nehmen, so pathetisch muss man es sagen. Allerdings hat diese Unfähigkeit durchaus damit zu tun, dass die Liebe der beiden von allem dementiert wird, was ihnen ihre Umgebung, traurige und getriebene ältere Männer vor allem, vor Augen führt.
Die Handlung, im Detail farbig, seelisch eindringlich ausgearbeitet, ist simpel: David und Giovanni verlieben sich, am Ende aber verlässt und verrät David Giovanni. Der Versuch eines Zusammenlebens in Giovannis Zimmer in einem Hinterhof scheitert schon im Ansatz. Die Verlobte kehrt zurück, und David beweist sich und ihr, dass er ein gewöhnlicher Mann mit normaler Sexualität ist. Das gelingt auch; doch gelingt es um den Preis eines inneren Erfrierens, dessen Schilderung die beste Passage des Buches ist. Giovanni muss sterben, der Verratene und Verlorene hat, so scheint es, die maximale Schuld gesucht als eine Art von Selbstmord. Der Preis für die ungelebte Liebe sind zwei unglückliche überlebende Existenzen. Und so war es früher ja oft: Auf dem Altar des Verbots von Homosexualität wurde immer wieder auch das Glück der Frauen geopfert, mit denen die heimlichen Schwulen zusammenleben sollten.
Eine Geschichte von gestern also. Baldwin hat sie expressiv und diskret zugleich erzählt, mit scharfem Blick auf die Welt neben und unter der Respektabilität, in der zwar nicht Liebe, aber Affären und Gelegenheitssex möglich waren. Fremdartig berühren heute vor allem die drehbuchhaften, Nouvelle-Vague-artigen Dialoge mit ihrem künstlichen Scharfsinn und ihrem Scheinnaturalismus. Da kann auch die patinafreie Übersetzung von Miriam Mandelkow wenig retten. Sie kreisen allzu offensichtlich um das Nichtsagbare, darum langweilen sie heute.
Warum sollte man den Roman immer noch lesen, außer aus dem respektablen Motiv, einen modernen Klassiker kennenzulernen? Immerhin hat Baldwin, dessen Lebensthema die Rassenfrage war, bewiesen, dass er in die Haut eines weißen Mittelklasse-Amerikaners schlüpfen und ein nicht allzu klischeehaftes Bild vom Pariser Nachtleben zeichnen konnte. Er war imstande, Identitäten zu wechseln und zugänglich zu machen. Und so sind seine Bücher der leibhaftige Beweis gegen die Rede von der Konkurrenz der Minderheiten um Anerkennung oder die Verleugnung der Möglichkeit von Aneignung. Denn es geht um eine gemeinsame Sache, nämlich darum, auf eine selbstverständliche Weise verschieden sein zu dürfen. Das Ziel mag noch nicht erreicht sein, aber wie viel von der Strecke schon gegangen wurde, zeigt „Giovannis Zimmer“.
Interessant und gegenwärtig bleibt das Buch auf der Ebene der Psychologie, und hier geht es doch wieder um Identität. Denn der Widerstand, der David und Giovanni an ihrer Liebe hindert, ist kein bloß äußerlicher. Verbot und Verachtung sind in die beiden hineingewachsen, vor allem bei David, dem weniger kühnen der beiden. Verachtung gerinnt im Inneren zu Selbstverachtung, ja einem Selbstekel. Die erbarmungslosen Blicke auf alte Tunten, schwammige Freier und Prostituierte sind angewiderte Projektionen, in die Umwelt gestülpte Tabus. Darum dürfte Baldwins kleiner Roman so viel realistischer gewesen sein als Jean Genets gleichzeitige, literarisch weit überlegene Feier der Verworfenheit.
Genet nutzt das Verbot zu infinitesimaler Entfaltung und Steigerung des erotischen Reizes. Bei Baldwin führt das Tabu zu Trennung von Liebe und Begehren. Das Begehren kann von Fall zu Fall ausgelebt werden, Liebe und damit Dauer darf nicht sein. Darum verliert auch die Sexualität von David mit seiner Verlobten, die gelingt und gelingen muss, den Reiz des Erotischen. David muss unter einem Fluch leben, der mehr ist als nur eine äußere Hemmung. Er hat einen alten, schrecklichen Namen: Liebesverbot. Das Liebesverbot ist die nachhaltigste Wirkung der Situation von Beschämung und Beleidigung, die Didier Eribon noch in den Neunzigerjahren als Grundbedingung schwuler Existenz identifizierte. Die Welt hat sich in großen Teilen sehr verändert, das stimmt, aber noch lange nicht die ganze Welt. Solange homosexuelle Menschen irgendwo noch gehängt und gesteinigt werden, bleibt Baldwins Roman schmerzhaft gegenwärtig.
James Baldwin: Giovannis Zimmer. Roman. Aus dem amerikanischen Englisch von Miriam Mandelkow. Mit einem Nachwort von Marianna Salzmann. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2020. 208 Seiten, 20 Euro.
Der Preis für die ungelebte
Liebe sind zwei unglückliche
überlebende Existenzen
Es stimmt, dass sich die Welt
verändert hat, aber
noch lange nicht überall
Neben Thomas Manns „Tod in Venedig“ ist James Baldwins „Giovannis Zimmer“ ein Klassiker der schwulen Literatur.
Foto: imago stock&people
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.04.2020

Verstörend und betörend
James Baldwins Roman "Giovannis Zimmer"

Als der junge James Baldwin 1948 aus Brooklyn nach Paris ging, tat er es nicht aus romantischer Nachkriegssehnsucht nach einem Künstlerleben im alten Europa, wie sie exemplarisch drei Jahre später in Vincente Minnellis Filmmusical "Ein Amerikaner in Paris" porträtiert werden sollte. Für Baldwin war es eine existentielle Entscheidung: Er wurde dort überhaupt erst zum Künstler, zu einem Romancier, der alles andere sein wollte als romantisch. Auch in Frankreich blieb er Außenseiter: als Schwarzer und als Schwuler, vor allem aber als einer, der sich den diesen Gruppen entgegengebrachten Erwartungen der Mehrheitsgesellschaft nicht beugte.

1956, drei Jahre nach dem vielbeachteten Debüt "Go Tell It to the Mountains", das in Miriam Mandelkows kürzlich erschienener Neuübersetzung "Von dieser Welt" heißt (F.A.Z. vom 21. Februar 2019), erschien Baldwins zweiter Roman: "Giovannis Zimmer", den Mandelkow fast sechzig Jahre nach der ersten deutschen Ausgabe nun ebenfalls neu übersetzt hat. Bei Erscheinen machte das Buch in Amerika anders Skandal, als Baldwin es erwartet hatte: Man verübelte ihm, dass er einen weißen Ich-Erzähler unter anderen Weißen in Paris auftreten ließ und somit das eigene schwarze amerikanische Milieu verließ. In Europa dagegen eckte "Giovannis Zimmer" wie vom Autor befürchtet durch die homosexuellen Liebesszenen an. Der Ich-Erzähler David, ein junger Amerikaner in Paris, eigentlich liiert mit seiner Landsmännin Hella, verliebt sich in den Barkeeper Giovanni, kann sich aber nicht für ihn entscheiden. Giovanni wird er damit zu einem Mord und in den Tod unterm Fallbeil treiben, sich und Hella ins private Unglück.

Was die Lektüre heute noch brisant macht, ist weniger die sexuelle Neigung von David als die Intensität seiner unentschiedenen Verzweiflung. Baldwin hat damit auch ein exemplarisches Beispiel für den das intellektuelle Paris jener Jahre dominierenden Existentialismus gegeben. Aber Mandelkows Sprache wird dem nicht gerecht. Nur ein Beispiel: Aus dem ziemlich zu Beginn stehenden Satz "This is the lie which I told to Giovanni, but never succeeded in making him believe, that I had never slept with a boy before" macht sie "Die Lüge - die ich Giovanni erzählt, doch nie habe glauben machen können -, ich hätte noch nie zuvor mit einem Mann geschlafen". Warum der Verzicht aufs verstärkende this, warum die ausgestellte Apposition, warum "Mann" für boy? Baldwins Prosarhythmus und Wortwahl werden verfälscht.

Dem Rang des Romans nimmt das nichts. Hella kommentiert Davids Zerrissenheit so: "Was nützt ein Amerikaner, der nicht glücklich ist? Wir haben doch nur das Glück." Wir haben Baldwins Bücher.

ANDREAS PLATTHAUS.

James Baldwin: "Giovannis Zimmer". Roman.

Aus dem amerikanischen Englisch von Miriam Mandelkow. Dtv, München 2020. 208 S., geb., 20,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Die ungekürzte Lesung besticht durch Schauspieler Thomas Lettow. Dessen jugendliche, leicht verletzliche Stimme gibt Baldwins Ich-Erzähler David das passend flatterhafte Timbre.« kulturtipp (CH)
Der afroamerikanische Autor konnte das alles sein, schwarz, weiss, jung, alt, hetero-, homosexuell. Manuel Müller NZZ 20210925