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Der Aufruhr in einer kleinen Straße offenbart den Wahnsinn der Welt Mina Wolf, Journalistin und Gelegenheitstexterin, opfert den Sommer, um einen Aufsatz über den Dreißigjährigen Krieg für die Festschrift einer Kleinstadt zu schreiben. Eine irre Nachbarin, die Tag für Tag von morgens bis abends auf ihrem Balkon lauthals singt, zwingt sie, nur noch nachts zu arbeiten. Die kleine, enge Straße gerät in Aufruhr, und in Minas Kopf vermischen sich der Dreißigjährige Krieg, die täglichen Nachrichten über Krieg und Terror mit der anschwellenden Aggression in der Nachbarschaft. Schließlich taucht auch…mehr

Produktbeschreibung
Der Aufruhr in einer kleinen Straße offenbart den Wahnsinn der Welt
Mina Wolf, Journalistin und Gelegenheitstexterin, opfert den Sommer, um einen Aufsatz über den Dreißigjährigen Krieg für die Festschrift einer Kleinstadt zu schreiben. Eine irre Nachbarin, die Tag für Tag von morgens bis abends auf ihrem Balkon lauthals singt, zwingt sie, nur noch nachts zu arbeiten. Die kleine, enge Straße gerät in Aufruhr, und in Minas Kopf vermischen sich der Dreißigjährige Krieg, die täglichen Nachrichten über Krieg und Terror mit der anschwellenden Aggression in der Nachbarschaft. Schließlich taucht auch noch eine Krähe in Minas nächtlicher Einsamkeit auf. Sie nennt sie Munin und beginnt mit ihr ein Gespräch über Gott und die Welt. Das Chaos in Minas Kopf ist komplett.
Autorenporträt
Maron, MonikaMonika Maron ist 1941 in Berlin geboren, wuchs in der DDR auf, übersiedelte 1988 in die Bundesrepublik und lebt seit 1993 wieder in Berlin. Sie veröffentlichte u. a. die Romane "Flugasche", "Die Überläuferin", "Stille Zeile sechs", "Animal triste", "Pawels Briefe. Eine Familiengeschichte", "Endmoränen" und "Ach Glück", außerdem mehrere Essaybände. Zuletzt erschien die Reportage "Bitterfelder Bogen". Sie wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet, darunter dem Kleist-Preis (1992), dem Friedrich-Hölderlin-Preis der Stadt Bad Homburg (2003), dem Deutschen Nationalpreis (2009) und dem Lessing-Preis des Freistaats Sachsen (2011).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.03.2018

Die Menschen
werden gereizter
„Die Menschen waren gereizter und je nach Naturell fatalistisch oder aggressiv geworden, was nicht nur die Bewohner unserer Straße betraf, sondern auch alle anderen, und das nicht, weil die Welt sich in den letzten zwölf Monaten so verändert hätte, sondern gerade weil sie sich nicht verändert hatte, weil das, was schon vor Jahren begonnen und sich im vergangenen Jahr in Krieg, Krisen und weltweitem Terror entladen hatte, alltäglich geworden war.“ – So klingt ein Angebot zur Krisendiagnostik, verfasst von Mina Wolf, die in einer kleinen Straße in Berlin-Schöneberg wohnt, des Honorars wegen einen Aufsatz über den Dreißigjährigen Krieg schreiben will, Besuch von einer Krähe bekommt. Der explosiven Stimmung spürt Monika Maron in ihrem neuen Roman nach, der im besten Sinne ein Zeitroman ist, weil er die gegenwärtigen Stimmungen und das Durcheinander der Stimmen erfasst.
Monika Maron ist eine erfahrene Leserin, ruhig, konzentriert, mit angenehmer Stimme, an deren Bildung viele Zigaretten mitgewirkt haben. Sie zieht den Hörer von Anfang an in den Mikrokosmos der kleinen Straße, wo eine Irre auf dem Balkon unentwegt singt und kein Weg in Aussicht ist, ihr Einhalt zu gebieten, wo die Nachrichten des neuesten Irrsinns eintreffen. Kann man die Nervosität und Gereiztheit registrieren, ohne sie zu befeuern? Wie das Chaos ordnen? Vielleicht, indem man sich dem „anonymen Rauschen der Stadt“ hingibt, das Monika Maron eingangs beschwört, als Zeichen schöner Nähe in stiller Nacht.
JBY
Monika Maron: Munin oder Chaos im Kopf. Autorinnenlesung. Argon Verlag, Berlin 2018. 4 CDs, 264 Minuten, 19,95 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.03.2018

So klingt anschwellendes Krähengekrächz
Vernunft ist keine Perspektive mehr: Monika Marons neuer Roman setzt auf eine allwissende tierische Protagonistin

Als im vergangenen Jahr Robert Menasse mit seinem EU-Roman "Die Hauptstadt" den Deutschen Buchpreis und das Herz eines großen Publikums gewann, sah man, wie wenig in diesem Land Essays gelesen werden. Denn alles, was Menasse an der Brüsseler Bürokratie zu loben oder auszusetzen hatte, also das, was am Buch als besonders originell gelobt wurde, war auch schon im "Europäischen Landboten" enthalten, den Menasse 2012 publiziert hatte, als ihm der bereits geplante Roman noch nicht so recht von der Hand gehen wollte. Zur Überbrückung schrieb er damals seine Gedanken schon einmal als teilnehmende Beobachtung auf. Muss man es beklagen oder beklatschen, dass Romanciers in pointierter Form die Gegenstände ihrer eigentlichen Romanprojekte vorwegnehmen?

Monika Maron hat es genauso gehalten wie Robert Menasse. Zwei Jahre bevor nun "Munin oder Chaos im Kopf" erschienen ist, brachte sie den schmalen Band "Krähengekrächz" heraus. Vielleicht spekulierten Autorin und Verlag dabei auf den anhaltenden Erfolg von naturkundlichen literarischen Texten, wie sie Judith Schalansky mit ihrer Reihe im Verlag Matthes & Seitz populär gemacht hat. Vielleicht tat sich aber auch Monika Maron schwer mit dem politischen Stoff, der sie beschäftigte. Jedenfalls enthielt "Krähengekrächz" schon zentrale Passagen des Romans, vor allem jene Balkon-Begegnungen zwischen Ich-Erzählerin und Vogel, die schließlich zu so etwas wie wechselseitiger Vertrautheit und sogar Vertrauen führen. Sowie zu politischer Allegorie. Einfüßig war die Krähe übrigens auch damals schon. Und sie trug zwar noch nicht den Namen Munin, aber dass einer der beiden Raben, die den nordischen Gott Odin begleiten, so heißt, konnte man auch schon im Essay lesen.

Nun aber tritt Munin leibhaftig auf und kann nicht nur erstaunlich vernünftig agieren, sondern auch sprechen. Verstehen kann das Tier allerdings nur die Ich-Erzählerin, die fünfzigjährige Mina Wolf, ihres Zeichens freie Publizistin mit hohem Selbstanspruch. Aus ihrer Dachwohnung in einer nachbarschaftlich akut zerstrittenen Straße einer Stadt, die unschwer als Berlin zu identifizieren ist, behält sie allein den Überblick: "Die Menschen waren gereizter und je nach Naturell fatalistisch oder aggressiv geworden, was nicht nur die Bewohner unserer Straße betraf, sondern auch alle anderen, und das nicht, weil die Welt sich in den letzten zwölf Monaten so verändert hätte, sondern gerade weil sie sich nicht verändert hatte, weil das, was schon vor Jahren begonnen und sich im vergangenen Jahr in Krieg, Krisen und weltweitem Terror entladen hatte, alltäglich geworden war." Mina Wolf geht mit der politischen Gegenwart, die auch die unsere ist, hart ins Gericht.

Ihre Skepsis ist geweckt durch einen Aufsatz über den Dreißigjährigen Krieg, an dem sie während der wenigen Monate der Romanhandlung schreibt. Jene Kriegszeit war ein Fest für Raubvögel, und so findet eine Krähe im Hinterhof, die durch ihre Verstümmelung aus dem Schwarm der Artgenossen heraussticht, die besondere Aufmerksamkeit von Mina Wolf, bis der Vogel plötzlich - mehr als ein Drittel des Romans ist da schon vorbei - zu sprechen anhebt, "mit einer Stimme, die ich bei einer Krähe nicht vermutet hätte. Mir schien, als klänge sie sogar meiner eigenen nicht unähnlich."

Ob es eine innere Stimme ist, die Mina Wolf da hört, oder tatsächlich ein Wunder der Natur, lässt der Roman unentschieden. Es tut auch nichts zur Sache, denn in der auf Munin getauften Krähe findet die Publizistin die einzige ernstzunehmende Gesprächspartnerin, während sich auf der Straße die Menschen immer tiefer verfeinden. Mina Wolf diagnostiziert auf Grundlage ihrer historischen Studien eine Vorkriegszeit, und die Krähe tut nichts, ihr diese Sorge zu nehmen, im Gegenteil. Als Götterbotin kann sie höhere Weisheit bei ihrem anschwellenden Vogelgesang in Anspruch nehmen, und die Verlagerung der Weisheit erfolgt im Verlauf des Geschehens immer mehr vom Menschen- aufs Krähengeschlecht.

Man darf Monika Marons neuen Roman mit Fug und Recht ein rabenschwarzes Buch nennen, in dem es zur Auflösung der zivilisatorischen Bande kommt - zwar nicht zum Äußersten, aber doch zu einer Eskalation, die in einer Art Gottesurteil den Störfaktor in der Straße schließlich zum Schweigen bringt. Es war eine leicht gestörte Frau, die alles in Unordnung gestürzt hatte: "Chaos im Kopf, damit hebelst du jede Ordnung aus", weist Mina Wolf eine Freundin zurecht, die zuvor das Kreative am Chaos gelobt hatte. Munin dagegen, die als gehandicapte Krähe das harte, aber gerechte Naturgesetz verkörpert, definiert das Paradies mit nietzscheanischer Kälte als unmoralische Angelegenheit: "Alles, was du tust, ist richtig, weil es das Falsche nicht gibt." Aus den theologischen Debatten zwischen Frau und Krähe geht der Vogel als Sieger hervor, am Schluss gar selbst als eine Art Gott.

Mit dieser Verlagerung ins Naturwüchsige gibt Monika Maron ihren bitteren Kommentar zum aktuellen Zeitgeschehen ab. Dass sie eine unbedeutende Straße zum Vorkriegsschauplatz macht, in dem die Vernunft abdankt, und eine Krähe als Prophetin inszeniert, ist Ausdruck ihrer offenkundigen Verzweiflung am Bestehenden. Die isolierte Protagonistin von "Munin" ist eine im wörtlichen Sinne Berufene: "Ich antworte nur dir", sagt die Krähe. "Finde dich einfach damit ab. Wenn du willst, können wir uns weiter unterhalten." Man muss fürchten, dass Mina Wolf das Angebot annehmen wird und auf das anschwellende Rabengekrächz weiterhin mehr gibt als zum Beispiel auf Hilferufe in den Straßen.

ANDREAS PLATTHAUS

Monika Maron: "Munin oder Chaos im Kopf". Roman.

Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main 2018. 222 S., geb., 20,- [Euro].

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