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Wer noch nie einen Roman des Nobelpreisträgers Patrick Modiano gelesen hat, sollte jetzt damit anfangen.
Wer ist Noëlle Lefebvre? Warum verlor sich Mitte der 60er Jahre ihre Spur? Jean Eyben ist knapp zwanzig, als er in einer Pariser Detektei anheuert und auf die verschwundene Noëlle Lefebvre angesetzt wird. Alle Hinweise führen ins Leere, doch das Rätsel lässt Jean auch Jahre später nicht los. Da sind die Namen von Noëlles Kontakten, das schmale, damals heimlich entwendete Dossier und ihr sporadisch geführter Kalender mit dem geheimnisvollen Satz "Wenn ich gewusst hätte...". Als Jean einen…mehr

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Produktbeschreibung
Wer noch nie einen Roman des Nobelpreisträgers Patrick Modiano gelesen hat, sollte jetzt damit anfangen.

Wer ist Noëlle Lefebvre? Warum verlor sich Mitte der 60er Jahre ihre Spur? Jean Eyben ist knapp zwanzig, als er in einer Pariser Detektei anheuert und auf die verschwundene Noëlle Lefebvre angesetzt wird. Alle Hinweise führen ins Leere, doch das Rätsel lässt Jean auch Jahre später nicht los. Da sind die Namen von Noëlles Kontakten, das schmale, damals heimlich entwendete Dossier und ihr sporadisch geführter Kalender mit dem geheimnisvollen Satz "Wenn ich gewusst hätte...". Als Jean einen Jugendfreund trifft, erscheint ihm ein Detail plötzlich von Bedeutung: Noëlle Lefebvre stammt aus "einem Dorf in der Umgebung von Annecy". So wie er selbst. Ein verblüffender, tief berührender Roman über die Hoheit der Erinnerung und die Deutung der eigenen Geschichte.
Autorenporträt
Patrick Modiano, 1945 in Boulogne-Billancourt bei Paris geboren, ist einer der bedeutendsten Schriftsteller der Gegenwart. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den großen Romanpreis der Académie française, den Prix Goncourt, den Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur und 2014 den Nobelpreis für Literatur. Bei Hanser erschienen unter anderem die Romane Place de l'Étoile (2010), Im Café der verlorenen Jugend (2012), Der Horizont (2013), Gräser der Nacht (2014), Damit du dich im Viertel nicht verirrst (2015), der Prosatext Schlafende Erinnerungen (2018), das Theaterstück Unsere Anfänge im Leben (2018) sowie zuletzt die Romane Unsichtbare Tinte (2021) und Unterwegs nach Chevreuse (2022).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Rezensentin Iris Radisch beginnt ihre Besprechung mit einer Mischung aus Modiano-Porträt und Paris-Abgesang, um schließlich zum neuen Roman des Literaturnobelpreisträgers zu gelangen. Den liest sie, wie all die anderen Romane Modianos auch, als "Apotheose und Abwicklung des Paris-Romans", was für die Kritikerin natürlich nichts Schlechtes bedeutet. Im Gegenteil: In dem von Elisabeth Edel laut Radisch einmal mehr hervorragend übersetzten Text lässt sie sich von Modiano an der Seite eines alternden Ich-Erzählers auf der Suche nach einer verschwundenen Frau durchs 15. Arrondissement führen, getragen vom Strom der Erinnerungen. Kein Begriff umschreibt Modianos Erzählmethode besser als der von Guy Debord gepägte Begriff der "Psychogeografie" ergänzt die Kritikerin, die bei Modiano immer wieder die unterschiedlichen "psychischen Klimazonen" der Stadt kennenlernt. Darüber hinaus lauscht sie auch im neuen Roman einem Ton, so "traurig und schön", dass er ihr beinahe tröstlich klingt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.03.2021

Schule des Lebens dient der Literaturausbildung

Die milden Detektive: Patrick Modiano entfaltet in seinem neuen Roman "Unsichtbare Tinte" ein neues Vexierspiel der Erinnerung.

Von Niklas Bender

Eigentlich. Nach zwei Jahrzehnten mit Patrick Modiano muss der Kritiker zugeben, dass seine Besprechungen am besten mit diesem Wort beginnen sollten. Eigentlich schreibt Modiano leichte kleine Romane, deren "petite musique" (so die französische Kritik) schon mal süßlich wird. Eigentlich passiert wenig, und eigentlich ergibt das bisschen eine schlichte Handlung. Eigentlich wiederholen sich Identitätssuche, Paris-Nostalgie, ja Detailmotive und Formulierungen. Und doch: In Modianos Romanen ist alles komplexer als anfangs gedacht. Zugleich schwebender, abgründiger - gelungener.

"Unsichtbare Tinte" ist ein treffendes Beispiel dafür. Ein alternder Ich-Erzähler berichtet von seinen Recherchen nach Noëlle Lefebvre. Es handelt sich um eine spurlos verschwundene Frau, auf die ihn Anfang der sechziger Jahre der Chef der Detektei Hutte angesetzt hatte. Der damals Zwanzigjährige hatte dort nur für ein paar Monate angeheuert: "Ich hatte gedacht, diese zeitweilige Arbeit würde mir einen Haufen Material liefern, das mich später einmal inspirieren könnte, falls ich mich der Literatur widmete. Die Schule des Lebens, sozusagen." Seine Ermittlungen, finanziert von Georges Brainos, einem reichen, etwas suspekten Auftraggeber, konzentrieren sich auf Noëlles Domizil sowie wenige Orte, vor allem die Tanzbar "Dancing de la Marine" am Quai de Grenelle. Zwar gelingt es dem Jungschnüffler, den Schauspieler Gérard Mourade kennenzulernen, einen Freund der Verschwundenen; über ihn gelangt er zu ihrem letzten Aufenthaltsort, wo er Noëlles Notizbuch findet und erfährt, dass sie für ein Lederwarengeschäft gearbeitet hatte. Tatsächlich aber verlaufen die Fährten rasch im Sande.

Der junge Mann, der selbst eine Leerstelle bleibt (woher kommt der belgische Pass?), schlägt einen nicht näher bestimmten anderen Weg ein. Ihm gehen weiterhin Noëlle Lefebvre - die eigentlich anders heißt - und die mit ihr verbundenen Personen durch den Kopf, neben Brainos vor allem Sancho Lefebvre (eigentlich Serge Servoz-Lefebvre), ihr tatsächlicher Ehemann. Hin und wieder reichert er das himmelblaue Dossier an, das er aus der Agentur entwendet hat. So zehn Jahre später, als ihm ein Freund, Journalist im Ressort "Vermischtes", von einer Kriminalaffäre berichtet, in die Mourade verwickelt war, oder fünfzehn Jahre später, als ihm ein Autogeschäft auffällt, dessen Besitzer Roger Béavioure angeblich Noëlles Gatte im Moment ihres Verschwindens war. Seine jugendliche Hoffnung, die Teile würden sich wie ein Puzzle zusammensetzen lassen, schwindet, der Vergleich wird ersetzt: "Mir ging's wie Forschern, die jahrzehntelang versucht haben, eine uralte Sprache zu entziffern." Freilich eine Individualsprache: die auf den ersten Blick banalen, wie mit Zaubertinte geschriebenen Worte im Notizbuch der Flüchtigen.

Man erahnt das gewohnte modianeske Arsenal an existentiellen Zerbrechlichund Flüchtigkeiten: die Ungreifbarkeit eines Menschenlebens, seine Leerstellen, Abbrüche und dünnen Spuren, den Trug von Namen, die Unzuverlässigkeit der Zeugen. Die schriftstellerische Arbeit wider das Vergessen illustriert ein originelles Bild: "Sich auf keinen Fall unterbrechen, sondern beim Bild des Skifahrers bleiben, der für alle Ewigkeit einen ziemlich steilen Hang hinabgleitet, wie der Füller über die weiße Seite." Das ist die Gegenmetapher zur abschüssigen Straße, zum Schwindel des Sichverlierens, die Modiano häufig evoziert. Andere Begriffe und Motive kennt man: von banalen Reminiszenzen wie dem amerikanischen Cabrio bis zur Bezeichnung des Sommers als "metaphysische Jahreszeit", eine Formel, "die ein Philosoph, dessen Namen ich vergessen habe", geprägt habe. In "Damit du dich im Viertel nicht verirrst" (2014) wurde sie dem "Philosophielehrer Maurice Caveing" zugeschrieben, einem Philosophen, der wirklich existiert hat - man meint, einer Ausweitung von Erinnern und Vergessen aufs ganze Werk beizuwohnen.

Zum Kern: Warum interessiert sich ein Siebzigjähriger für eine Gleichaltrige, die "fast ein halbes Jahrhundert" zuvor abgetaucht ist? "Im ziemlich geradlinigen Verlauf meines Lebens war er eine ohne Antwort gebliebene Frage", stellt der Erzähler fest und meint damit den Gedanken an die Verschwundene. Der tiefere Grund ist, dass ihn die Ahnung nicht loslässt, "auf der Suche nach einem fehlenden Kettenglied in meinem Leben" zu sein: Noëlle stammt aus einem Dorf bei Annecy (Haute-Savoie), in dem er selbst einen Teil seiner Jugend verbracht hat; vermutlich hat er sie gekannt, jedoch unter anderem Namen. Die Ski-Metapher findet ihre Erklärung.

Das letzte Fünftel des Romans setzt eine beruhigende sinnstiftende Note. Es ist aus der Perspektive von Noëlle erzählt, die sich nach Rom abgesetzt und dort ihr Leben gelebt hatte. Man erfährt, wie sie einen Unbekannten trifft, in dem man den Erzähler erahnt. Offensichtlich hat seine Suche - auf der er wie in einem Wald bei Nachtanbruch "in die Irre" zu gehen drohte (Dante-Geigen klingen im Hintergrund) - ein gutes Ende gefunden. Die Begegnung findet in einer verwaisten Fotogalerie statt, ausgestellt wird dort das Werk eines gewissen Gaspard de la Nuit.

Modiano verdichtet die bedeutungsschwere Rom-Referenz weiter. Die ewige Stadt - "Hier ändert sich nichts, nie . . .", sagt Noëlle - ist von jeher ein Pol der französischen Literatur. Bei Modiano wird sie zum Ort der "endgültigen Flucht", der Amnesie ("Das Vergessen hatte das alles zugedeckt mit einer weißen und rutschigen Schicht. Schnee.") und eines möglichen Wiederfindens. Vor allem ist sie Ort einer poetisch dichten Prosa, denn der Band "Gaspard de la Nuit" (postum 1842) von Aloysius Bertrand (1807 bis 1841) ist, so ein Topos der Literaturgeschichte, der Beginn des Prosagedichts französischer Sprache. Als Prosagedicht will dieser Roman gelesen werden - eigentlich.

Patrick Modiano: "Unsichtbare Tinte". Roman.

Aus dem Französischen von Elisabeth Edl. Hanser Verlag, München 2021, 142 S., geb., 19,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.02.2021

Flucht in Kreisen
Patrick Modianos neuer Roman „Unsichtbare Tinte“ und die Kunst, den Abglanz
aufzuzeichnen, den ein Leben im Gedächtnis von Freunden und Bekannten hinterlässt
VON MARIE SCHMIDT
Es gibt dieses charakteristische Wetter in Patrick Modianos Romanen: „An einem anderen Nachmittag in Paris, Juli, bei Gluthitze“, das „menschenleere Viertel, die Fassade mit den geschlossenen Fensterläden“ in einem Licht, so weiß wie ein Blatt Papier. Totale Reizarmut der „metaphysischen Jahreszeit“, in der schlagartig die Spur einer vermissten Person auftauchen kann, eine verlorene Erinnerung in einem Namen auf einem Firmenschild, auf einem Foto in einem alten Buch, als Echo eines aufheulenden Motors.
Wie fast immer in Modianos Büchern verschwindet auch im jüngsten Roman „Unsichtbare Tinte“ eine Frau. Vielleicht mit Absicht, oder ohne zu wissen, dass sie gesucht wird. Jedenfalls bleibt kaum etwas von ihr zurück, nur ein Ausweis auf den Namen Noëlle Lefebvre, mit dem man ihre Briefe postlagernd abholen kann. Der Ich-Erzähler, junger Berufsanfänger in einer nicht näher bezeichneten „Agentur“, geht immer wieder zur Post. Es kommen aber keine Briefe. Er folgt ein, zwei schwachen Hinweisen, vergisst den Fall, wird in den nächsten dreißig Jahren aber immer wieder an die schattenhafte Existenz dieser Frau erinnert. Womöglich geht seine Suche sehr langsam, aber doch einem Ziel entgegen.
Patrick Modiano hat 2014 den Literaturnobelpreis für etwas bekommen, das man sinnvollerweise ein „Werk“ nennen kann. Er selbst sagt, es sei „nur eine lange Flucht nach vorn“. Eine Flucht in Kreisen, denn in jedem seiner schmalen Romane wiederholt er dieselbe Übung: Die Reste eines Daseins aufzuzeichnen, den Abglanz, den es im Gedächtnis eines Freundes oder Nachbarn hinterlässt.
Buch für Buch baut Modiano so einen enormen Erinnerungsraum der verschiedenen Menschenleben auf, die besonders in großen Städten nebeneinanderher gehen, ohne voneinander zu wissen. Von seinem Debüt „Place de l’Étoile“ (1968) an hat er für diese Erzählungen unterschiedliche Atmosphären und Techniken entwickelt, hat sie als Film Noir geschrieben, wie in „Hochzeitsreise“ (1990), als Autofiktion, etwa in „Ein Stammbaum“ (2005), oder als Dokumentation wie in „Dora Bruder“ (1997), dem Buch über eine Zeitungsannonce, mit der ein jüdisches Elternpaar während der Okkupationszeit nach seiner Tochter sucht. Bei aller Gefahr, in die sie das Mädchen damit bringen konnten.
In seiner Nobelpreisvorlesung hat Modiano dann das Offensichtliche erklärt, dass nämlich alle seine Geschichten auf die Besatzungszeit zurückgehen, die er selber, 1945 geboren, gar nicht mehr erlebt hat. Er sei aber unter Leuten aufgewachsen, die ihre unmittelbare Vergangenheit „sehr schnell vergessen“ wollten, „oder sich nur an alltägliche Einzelheiten erinnern, an solche, die vortäuschen, das Alltagsleben sei im Grunde genommen nicht viel anders gewesen als das Leben in normalen Zeiten.“ Während doch die Sperrstunden die Stadt ausgeleert hatten und jüdische Menschen verschwunden waren, „ohne irgendeine Spur zu hinterlassen“. Aus der „Ur-Nacht“ des besetzten Paris, seinem Schweigen und später dem absichtlichen Vergessen, dieser doppelten Auslöschung heraus, schreibt Modiano.
In „Unsichtbare Tinte“ hat er nun alle historischen Daten getilgt und die Erzählung so stark reduziert, dass er das Vergessen selbst nachzubilden scheint. Er gibt dem Roman ein Motto von Maurice Blanchot: „Wer sich erinnern will, muss sich dem Vergessen anheimgeben.“ Das ist eine Kunst für sich. Mit jedem Anhaltspunkt, den der Erzähler für die Existenz von Noëlle Lefebvre findet, rückt sie ferner, mit jedem Zeitsprung, den die Geschichte macht, wird der Erzähler unzuverlässiger. Womöglich, überlegt er plötzlich, sucht er gar keine Fremde: „Vielleicht war ich ihr begegnet, dieser Noëlle Lefebvre? Es gibt Leerstellen in einem Leben und Aussetzer des Gedächtnisses.“ Aber selbst ihre Bekannten, die er schließlich ausmacht, verdunkeln ihr Bild nur: „Kann man Zeugen trauen?“, fragt Modiano.
Man könnte sagen, Modiano überschreibt in seinem Alterswerk seine Erinnerungstexte mit Vergessensliteratur. Das wäre schließlich eine wahrheitsgetreue künstlerische Taktik, nicht nur weil die Ur-Nacht des 20. Jahrhunderts immer weiter in die Vergangenheit absinkt. Auch weil die Medien, die Erinnerungsträger in Modianos Romanen, so materiell und analog sind. Seine Erzähler gehen durch die Straßen von Paris und suchen Menschen und Namen an Klingelschildern und in Ruinen, finden Notizbücher, Fotografien, alte Akten, wählen Festnetznummern.
Seine Metaphern entstammen einer historischen Welt, in der „sich ein Bild in der Dunkelkammer langsam entwickelt“, und ein Skifahrer „für alle Ewigkeit einen ziemlich steilen Hang hinabgleitet, wie der Füller über eine weiße Seite“. Das ist nicht versehentlich altmodisch, Modiano provoziert den Kontrast zwischen dem Rasen der Zeit und der Behäbigkeit der alten Aufzeichnungstechniken: „Heute, in einem anderen Jahrhundert, halte ich auf Seite 11 des Clairefontaine-Blocks für einen Augenblick inne mit dem Schreiben.“
Dabei ist es nicht so, dass Modiano nicht neugierig wäre. „Ich würde gern wissen“, sagte er in seiner Nobelpreisrede, „wie die nachfolgenden Generationen, die mit Internet, Handy, Mails und Tweets geboren sind, durch die Literatur diese Welt ausdrücken werden, mit der jeder ständig ‚vernetzt‘ ist und in der die ‚sozialen Netzwerke‘ jenes Stück Privatheit und Geheimnis antasten, das bis vor kurzem noch unseres war – Geheimnis, welches den Menschen Tiefe verlieh und ein großes Romanthema sein konnte.“
Sein Lebensthema überschreibt nun das Internet, das alles weiß und in dem man Menschen scheinbar leicht finden kann. Wie Modiano es sieht, legt es damit eine weitere, beredte Schicht des Vergessens über die flüchtigen Spuren einzelner Leben. Dieses Vergessen ist auf einer übergeordneten Ebene umso mehr Modianos Thema. Und so kommt das Internet mit komisch gespielter Hilflosigkeit auch in „Unsichtbare Tinte“ vor. Genau auf Seite 63 der deutschen Übersetzung von Elisabeth Edl steht: „Heute beginne ich die dreiundsechzigste Seite dieses Buchs und sage mir, das Internet hilft kein bisschen. (…) Der Suchmaschine zufolge gibt es drei Noëlle Lefebvres in Frankreich, doch keine stimmt mit der überein, die postlagernde Briefe erhielt.“
Womöglich verblasst Modianos Welt, in der die wichtigsten Begegnungen die zufälligen sind und entscheidende Hinweise in einem am Nebentisch mitgehörten Satz stecken können, gerade noch einmal mehr. Der entleerte Alltag der pandemischen Lockdowns, der Distanz und „nötigen“ Kontakte, löscht die meisten Spuren aus, die Modianos Figuren sein Lebenswerk lang gelesen haben. Das Erstaunliche ist, dass es dadurch an unheimlicher, metaphysischer Tiefe nur gewinnt. Er schreibe, sagt er, „von einem Vergessen zum nächsten“.
Mit jedem Zeitsprung, den
die Geschichte macht, wird
der Erzähler unzuverlässiger
Wer erinnert sich an die Menschen hinter den Fenstern? Patrick Modiano sucht ihre Spuren, im Roman „Unsichtbare Tinte“ im Viertel Grenelle im 15. Arrondissement von Paris.
Foto: AFP
Patrick Modiano:
Unsichtbare Tinte.
Roman. Aus dem
Französischen von
Elisabeth Edl.
Hanser Verlag,
München 2021.
144 Seiten, 19 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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"Modianos Schreibgebiet umfasst eine Epoche, in der so etwas Pompöses und Enzyklopädisches wie die Suche nach der verlorenen Zeit unvorstellbar geworden ist. Ihm bleibt nur, von der Vergeblichkeit des Erinnerns von Buch zu Buch noch schöner und noch trauriger zu erzählen, bis diese Traurigkeit irgendwann so tröstlich klingt wie ein alter Chanson auf einer zerkratzten Schallplatte." Iris Radisch, Die Zeit, 18.03.21

"In Modianos Romanen ist alles komplexer als anfangs gedacht. Zugleich schwebender, abgründiger - gelungener. 'Unsichtbare Tinte' ist ein treffendes Beispiel dafür." Niklas Bender, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.03.21

"Ein wunderbar schwebender Erinnerungsroman." Gerrit Bartels, Der Tagesspiegel, 07.03.21

"Modiano ist ein Meister der Erinnerungskunst". Kathrin Hondl, SWR 2 Lesenswert, 14.02.21

"Patrick Modianos Literatur ist ein Erinnerungsprojekt. Nicht ohne Grund wird er manchmal als Marcel Proust der heutigen Zeit bezeichnet ... 'Unsichtbare Tinte' ist auch sprachlich ein Meisterwerk, das mit suggestiver Kraft in einen spannungsreich dahintreibenden Erzählfluss hineinzieht." Dirk Fuhrig, Deutschlandfunk Buchkritik, 16.02.21

"Patrick Modianos Romane stellen mehr Fragen, als sie Antworten liefern wollen. Weil er in seiner Übersetzerin Elisabeth Edl eine Komplizin in Sachen erzählerischer und sprachlicher Mehrdeutigkeit hat, bleibt dieses Spiel im neuen Roman spannend... Wenn Modiano mit der Zaubertinte der Erinnerung schreibt, dann geht es dabei nicht nur um Wahrheit, sondern auf unpathetisch pathetische Weise auch um wahrhaftige Empfindung." Paul Jandl, Neue Zürcher Zeitung, 17.02.21

"So leicht. So schwer. So beglückend". Peter Pisa, Kurier, 20.02.21

"Womöglich verblasst Modianos Welt, in der die wichtigsten Begegnungen die zufälligen sind und entscheidende Hinweise im Café in einem am Nebentisch mitgehörten Satz stecken können, im Augenblick noch einmal mehr. Der entleerte Alltag der pandemischen Lockdowns, der Distanz und 'nötigen' Kontakte, löscht die meisten Spuren aus, die Modianos Figuren sein Lebenswerk lang gelesen haben. Das Erstaunliche ist, dass es dadurch an unheimlicher, metaphysischer Tiefe nur gewinnt." Marie Schmidt, Süddeutsche Zeitung, 22.02.21

"Ich will es lieber gleich bekennen: Modiano, das ist meine alle zwei, drei Jahre wiederkehrende Meditationsübung. Nur mit seinen Büchern kann ich das erleben, kann mich träumend versenken in Paris, seine verschiedenen Viertel, die markanten ebenso wie die 'neutralen'." Tilmann Krause, Welt am Sonntag, 21.02.21

"Und jedes Mal fasziniert es wieder, wie jemandem auf selten mehr als 140 Seiten ein so filigranes, reiches Gewebe der Erinnerungen gelingt." Peter Körte, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 21.02.21
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