Es ist das Jahr 1921 als Nikifor Begitschew gebeten wird, sich an einer internationalen Expedition zu beteiligen. Zwei Jahre zuvor waren die Norweger Paul Knudsen und Peter Tessem von der "Maud" - Amundsens Schiff, das festgefroren im Eis steckte um die Drift der Eisschollen zu erforschen - mit dem
Hundeschlitten in Richtung Heimat aufgebrochen. Sie sollten Post überbringen, der zweite Grund war,…mehrEs ist das Jahr 1921 als Nikifor Begitschew gebeten wird, sich an einer internationalen Expedition zu beteiligen. Zwei Jahre zuvor waren die Norweger Paul Knudsen und Peter Tessem von der "Maud" - Amundsens Schiff, das festgefroren im Eis steckte um die Drift der Eisschollen zu erforschen - mit dem Hundeschlitten in Richtung Heimat aufgebrochen. Sie sollten Post überbringen, der zweite Grund war, dass Peter zunehmend gesundheitliche Probleme bekam. Doch die beiden Männer kamen nie zu Hause an.
Erzählt wird eine wahre Geschichte, diesen Suchtrupp hat es wirklich gegeben. Aus den damaligen Erkenntnissen leitete Florian Wacker gekonnt ein mögliches Szenario ab. Er füllt die Fakten um die zwei im ewigen Eis verschollenen Männer mit einer anspruchsvoll konstruierten und unterhaltsamen Geschichte auf, die durch die Perspektivwechsel einen Blick auf die Welt im Norden zu Beginn des 20. Jahrhunderts wirft. Nicht einmal der erste Weltkrieg kam bis dorthin. Differenziert legt der Autor frei, was junge Männer angetrieben hat die Welt des ewigen Eises entdecken zu wollen und wie es den an Land verbliebenen ging, allen voran den Frauen, die warten und hoffen mussten.
Im fiktiven Teil geht es um Konkurrenz zwischen Paul und Peter. Was stand zwischen ihnen und wo ähnelten sie sich? Beide können nicht aus ihrer Haut, sie sind grundverschieden. Den einen zieht es raus ins Eis, zu neuen Ufern, er muss sich stets etwas beweisen. Einen Anker hat er nicht. Der andere ist nicht zum Abenteurer geboren, ist fest verwurzelt und neidet es dem besten Freund das Erlebte. Und dann ist da noch Liv und sie alle sind untrennbar miteinander verbunden.
Die Perspektivwechsel und die unterschiedlichen Zeitlinien sind großartig gelungen und tragen nach und nach zur Auflösung der tatsächlichen Ereignisse bei, angereichert mit fiktiven Ergänzungen wo die Überlieferungen Lücken aufweisen. Die unterschiedlichen Ebenen erfordern zu Beginn ein hohes Maß an Konzentration, mit Fortschreiten des Romans wird alles logischer und nachvollziehbarer und trotz der Sprünge leicht lesbar. Ich hätte mir lediglich zur geografischen Orientierung eine Karte gewünscht, das war tatsächlich schwer vorstellbar für mich, wo ich mich grade befinde.
Wenngleich der Erzähler uns die Geschichte aus Sicht aller darlegt bleibt er dabei doch nüchtern in seinen Schilderungen. Das sorgt dafür, dass mir persönlich die Charaktere nicht so nah kamen. Super beschrieben sind sie, ich sehe sie vor mir und kann mich gut in sie hineinversetzen, ich konnte jedoch keine Bindung zu ihnen aufbauen. Ab der Hälfte des Buches hatte ich aber den Eindruck, dass grade diese Distanz die Glaubhaftigkeit ausmacht. Genau so könnte es sich vor 100 Jahren zugetragen haben. Das Ende hätte ich mir persönlich anders gewünscht, aber es tut meiner Begeisterung für dieses tolle Buch keinen Abbruch.
Das Thema Polarmeerforschung ist, nicht zuletzt durch die Expedition der POLARSTERN in 2020, nach wie vor hochaktuell und es war eine große Lesefreude, die "Weiße Finsternis" so hautnah zu erleben.