Authentisch und ambitioniert – da schaut man schon mal über den Stil hinweg.
Alexander Wieser, 1977 geboren in Österreich, gerät nach einer ungeschützten und ungeliebten Kindheit auf die schiefe Bahn. Des ständigen gepeinigt werdens und Opfer seins im Zuhause wie in der Schule überdrüssig,
vollzieht er die Kehrtwende und wird vom Opfer zum Täter. Durchtrainiert und gewaltbereit, schließt er sich…mehrAuthentisch und ambitioniert – da schaut man schon mal über den Stil hinweg.
Alexander Wieser, 1977 geboren in Österreich, gerät nach einer ungeschützten und ungeliebten Kindheit auf die schiefe Bahn. Des ständigen gepeinigt werdens und Opfer seins im Zuhause wie in der Schule überdrüssig, vollzieht er die Kehrtwende und wird vom Opfer zum Täter. Durchtrainiert und gewaltbereit, schließt er sich den falschen Leuten an und randaliert und schlägert was das Zeug hält. Zwar kann er seine Ausbildung als Automechaniker beenden, doch stürzt ihn die falsch empfundene Loyalität zu seinem Vater, geboren aus dem verzweifelten Verlangen nach Liebe und Anerkennung, in große finanzielle Schulden und so sieht er sich gezwungen, bis zu vier Jobs gleichzeitig nachzugehen. Schließlich weiß er sich nicht mehr anders zu helfen, als sich mittels Kriminalität die notwendigen finanziellen Mittel zur Schuldenbegleichung zu besorgen.
Es kommt, wie es kommen muss: er wird verhaftet. Eine erste Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe bleibt ungenutzt, weil ihn die finanzielle Bestrafung erneut mit hohen Schulden belastet, aber auch, weil er die Falschheit seines Tuns noch immer nicht wahrnehmen will. Weiterhin bleibt er seinem Weg der Kriminalität verhaftet. So erfolgt eine erneute Verhaftung, die dieses Mal nicht mehr mit einer Bewährungsstrafe endet. Glücklicherweise ist da seine Freundin Conny, die sich nach kurzer Besinnungspause und Neuorientierung gemeinsam mit den beiden Kindern entschließt, ihm eine Chance zu geben und emotionalen Halt zu bieten.
Und Alexander Wieser nützt diese dritte Chance in seinem Leben in vielerlei Hinsicht: Da ist zum einen das Reflektieren über Ursache und Wirkung, die schlussendlich zu der Erkenntnis führt, dass es nicht sinnvoll ist, weiterhin ein Opfer der Umstände zu sein und die Verantwortung für sein verkorkstes Leben einzig anderen zuzuweisen. Da ist auch seine Haltung, die ihm selbst im Gefängnis Freundschaften ermöglicht, ihn Schwierigkeiten aus dem Weg gehen und Toleranz auch jenen entgegenbringen lässt, die aus der Gesellschaft ausgestoßen sind. Da ist zum anderen die Bereitschaft, Hilfe anzunehmen: von Therapeuten, Psychologen, seiner Beziehungspartnerin und auf seine innere Stimme zu hören, die eigentlich ein ganz anderes Leben will, was ihm sogar die Sympathie einiger Wärter einbringt. Und so geht er nach seiner Entlassung einen neuen Weg, der anfänglich steinig ist und ihn immer wieder an seine Grenzen bringt, schlussendlich aber dazu führt, dass Alexander Wieser eine berufliche Entwicklung durchlebt, die ihm ermöglicht innerhalb der nächsten Jahre seine Schulden zu begleichen und seiner Familie vorzustehen. Seine Liebe und tief empfundene Verbundenheit zu seiner Familie lässt ihn Verantwortung übernehmen, seine Vergangenheit und die Entwicklung seiner Persönlichkeit aber wecken in ihm den Wunsch, seine Erfahrungen weiterzugeben, Präventionsarbeit und Hilfe denen zu leisten, die Gefahr laufen, ähnlich abzustürzen wie er.
„Zweite Chance verpasst“ ist kein literarisches Meisterwerk, aber das will dieses Buch auch nicht sein. Das nur 132 Seiten starke Büchlein ist eine Aufzeichnung von Erlebtem und Gegenwärtigem und oft vor allem zwischen den Zeilen stark. Alexander Wieser bleibt in manchem vage, er wird nicht zum Voyeur des Handelns und Leids seiner Gefängniskollegen, sondern konzentriert sich auf sich, und hätte man sich manchmal auch ein wenig mehr Details, z. B. hinsichtlich der Therapiearbeit oder seiner Beziehung zu den Wärtern, auch vielleicht zu seiner beruflichen und privaten Entwicklung (z. B. im Hinblick auf seine Schwester) und seinem Innenleben in dieser Zeit gewünscht, so bleibt die Absicht des Autors immer sichtbar: er will bewusst machen und Möglichkeiten aufzeigen, die jenseits der Kriminalität verlaufen, die zur Persönlichkeitsentwicklung von Menschen beitragen und die motivieren, den eigenen Weg zu gehen, auch wenn er steinig scheint und das tut er ambitioniert, mit ganzem Herzen un