William Shakespeare (1564-1616) und seine Theatertruppe im London des Jahres 1595. Als langjähriger Theaterfreund reizte mich gerade dieses Thema, zum ersten Mal einen historischen Roman des britischen Bestseller-Schriftstellers Bernard Cornwell (74) zu lesen. Cornwell wird dank der Vielzahl seiner
in über 20 Sprachen übersetzten und mit mehr als 20 Millionen Exemplaren verkauften Romane als…mehrWilliam Shakespeare (1564-1616) und seine Theatertruppe im London des Jahres 1595. Als langjähriger Theaterfreund reizte mich gerade dieses Thema, zum ersten Mal einen historischen Roman des britischen Bestseller-Schriftstellers Bernard Cornwell (74) zu lesen. Cornwell wird dank der Vielzahl seiner in über 20 Sprachen übersetzten und mit mehr als 20 Millionen Exemplaren verkauften Romane als „unangefochtener König des historischen Abenteuerromans“ gepriesen. Doch sein neuestes Werk „Narren und Sterbliche“ (2017), im Juli im Wunderlich-Verlag auf Deutsch erschienen, war für mich mehr als enttäuschend. Es ist nur ein allzu seichter Unterhaltungsroman, der sich allenfalls als Vorlage für einen zweitrangigen Kostüm- oder Mantel-und-Degen-Film eignen könnte, in dem Schauspieler Schauspieler spielen, die in einem Schauspiel ein Schauspiel spielen.
So kompliziert sich dies in einem zusammenfassenden Satz formuliert anhören mag, breitet Cornwell die bescheidene Handlung auf 510 Seiten aus, so dass jegliche Dramatik der Story um Eifersucht, Verrat, Liebe und die Kunst zwangsläufig auf der Strecke bleiben muss. Wir befinden uns in dem noch mittelalterlichen anmutenden London des ausgehenden 16. Jahrhunderts. Schauspieltruppen, so auch die des 31-jährigen William Shakespeare, die früher mit Possen und Tierschauen über die Jahrmärkte Englands tingeln mussten, haben inzwischen vor der Stadtmauer riesige Theater mit Platz für tausende Zuschauer gebaut. Die Einwohner Londons sind trotz oder gerade wegen des herrschenden Puritanismus von der Traumwelt des Theaters fasziniert. Zwar sind die Schauspieler - so auch Shakespeares Truppe - in den Augen der puritanischen Obrigkeit „halbseidenes Gesindel“, doch selbst der Hochadel und die Königin lieben das Theater. Bei einer Adelshochzeit will Shakespeare seine gerade fertiggestellte Komödie „Ein Sommernachtstraum“ mit dem wiederum darin eingebauten Stück „Pyramus und Thisbe“ uraufführen. Mitglied dieser Truppe ist – als Erzähler des Romans - Williams acht Jahre jüngerer Bruder Richard, der wie damals üblich als Nachwuchstalent bislang nur in Frauenrollen auftrat. Der Leiter eines konkurrierenden Theaters lässt ihm nun das einzige Textbuch stehlen. Unser junger Held Richard will es zurückstehlen, um sich bei William dadurch den erhofften Respekt zu verschaffen und endlich eine Männerrolle spielen zu dürfen. Zu jeder Mantel-und-Degen-Handlung gehört natürlich eine Liebesgeschichte, weshalb Richard im Schloss der Braut mit dem Dienstmädchen Silvia anbandelt. Dass diese Romanze glücklich endet und Richard tatsächlich seine erste Männerrolle bekommt, dürfte jetzt kaum noch verwundern.
Der geschichtliche Hintergrund des Romans mit der Beschreibung des historischen Londons und der Wandlung des früheren Gauklertums zur ernsthaften Schauspielerei, wie wir sie heute kennen, ist von Cornwell gut recherchiert. Doch auch hier stört, abgesehen von der rein fiktiven und belanglosen Handlung des Romans, die sich in einer netten Kurzgeschichte schildern ließe, die auf über 500 Seiten ausgewälzte epische Breite, die Langeweile aufkommen lässt. Er beschreibt ausgiebig die mit Kot und Dreck bedeckten Straßen Londons und die für diese Zeit typische Garderoben der einfachen Menschen oder des Adels. Besonders störend sind dabei mehrmalige Wiederholungen von Fakten, die ein halbwegs intelligenter Leser eigentlich schon beim ersten Mal verstanden haben sollte.
Historisch wirklich interessant sind allenfalls die ersten zehn Seiten von Cornwells Nachwort. Darin schildert er die realen Sachverhalte und Zusammenhänge im London des ausgehenden 16. Jahrhunderts in kompakter Form. Wer diese zehn Seiten gelesen hat, kann sich eigentlich die Lektüre des Roman ersparen - es sei denn, er ist ein Liebhaber genau solcher märchenhaften Unterhaltungsromane.