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Am 28. Februar 2013 macht Papst Benedikt XVI. eine sensationelle Ankündigung: Er tritt zurück. Sein Nachfolger wird der Armenprediger Jorge Bergoglio aus Argentinien. Heute wohnen sie im Vatikan fast Tür an Tür: Benedikt XVI. und Franziskus, so ähnlich und doch so verschieden. Beide fühlten sich moralisch für ein Amt ungeeignet; beide sind voller innerer Widersprüche. Und das zu einer Zeit, in der der Vatikan mit Skandalen zu kämpfen hat.

Produktbeschreibung
Am 28. Februar 2013 macht Papst Benedikt XVI. eine sensationelle Ankündigung: Er tritt zurück. Sein Nachfolger wird der Armenprediger Jorge Bergoglio aus Argentinien. Heute wohnen sie im Vatikan fast Tür an Tür: Benedikt XVI. und Franziskus, so ähnlich und doch so verschieden. Beide fühlten sich moralisch für ein Amt ungeeignet; beide sind voller innerer Widersprüche. Und das zu einer Zeit, in der der Vatikan mit Skandalen zu kämpfen hat.
Autorenporträt
Anthony McCarten, geboren 1961 in New Plymouth/Neuseeland, schrieb als 25-Jähriger mit Stephen Sinclair den Theaterhit ¿Ladies Night¿. Es folgten Romane und Drehbücher, für die er schon mehrere Male für einen Oscar nominiert war (u.a. zu den internationalen Filmen ¿The Theory of Everything¿ und ¿Darkest Hour¿ und ¿Bohemian Rhapsody¿). Er lebt in London.
Rezensionen
»Anthony McCarten hat ein Händchen für tolle Geschichten, kann ernste Themen mit viel Witz behandeln.« Antje Deistler / Westdeutscher Rundfunk Westdeutscher Rundfunk

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.10.2019

Von langer Hand geplant

Vereint in ihrer Unterschiedlichkeit, verändern sie den Lauf der Welt: Wie Anthony McCarten sich die Geschichte zweier Päpste vorstellt.

Von Hannes Hintermeier

Der Rosenmontag des Jahres 2013 war nicht nur für die mehr als eine Milliarde Katholiken ein Schock, dessen Nachbeben bis heute nicht aufgehört hat. Zwei Päpste, noch dazu beide innerhalb der Mauern des Vatikans lebend, das gab es noch nie. Der letzte Rücktritt eines Papstes datiert auf das Jahr 1415. Dafür grillte Dante Coelestin V. in der "Göttlichen Komödie", fassungslos auch er über das Denkunmögliche.

Die Einmaligkeit dieser Lage wird unserem Autor bewusst, als er am Petersplatz steht und ihm seine Freundin, deren Vater den zurückgetretenen Papst aus gemeinsamen Münchner Tagen kennt, das alles auseinandersetzt. Da setzt sich in Anthony McCartens Erzählerhirn eine Idee fest, von der man sich fragt, warum sie nicht auch andere gewiefte Autoren hatten. Der neuseeländische Romancier und Drehbuchautor, Jahrgang 1961, entstammt einer katholischen irischen Einwandererfamilie mit acht Kindern - "mehr coitus als interruptus". Katholische Schulen, Messdiener, Rosenkränze. Heute? Das "Abrakadabra" des "Mannes mit dem heißen Draht zum Himmel" hat er hinter sich gelassen.

Nun liegt "Die zwei Päpste" auf Deutsch vor, ein erzählendes Sachbuch aus McCartens Hausverlag Diogenes, der sonst keine Sachbücher verlegt. Es ist ein Buch geworden, das die Grenzen des Genres überstrapaziert. Denn die Geschichte, die McCarten hier auffährt, spickt er mit Fakten oder Anekdoten, wie sie am besten zu seinem Schöpfungsplan passen. Zudem versichert er dem Leser, seine Geschichte trüge sich - denken wir nur an die Missbrauchsskandale - inmitten der größten Glaubenskrise der gesamten Kirchengeschichte zu. An Autoren, die das Unken über eine bevorstehende Implosion der Kirche beziehungsweise ein Schisma zu ihrer Geschäftsgrundlage gemacht haben, mangelt es nicht.

Über die Beweggründe für Joseph Ratzingers auf Lateinisch vorgetragenen Rücktritt möchte McCarten zunächst nicht spekulieren, weil er diese noch für die Pointe seines Buches braucht, das nach seinem Drehbuch bereits verfilmt wurde und uns zu Weihnachten als Netflix-Produkion ins Haus steht. Sir Anthony Hopkins als Papa Emeritus und Jonathan Pryce als Franziskus liefern sich darin einen dialogischen Schlagabtausch. Der kommerzielle Erfolg kann als gesichert gelten.

Alles beginnt mit dem Konklave des Jahres 2005, das nach dem Tod des polnischen Reise-Papstes Johannes Paul II. einberufen wurde. McCarten ist nicht der erste und er wird nicht der letzte Autor sein, der die Mechanik einer Papstwahl fiktional ausschlachtet. Zuletzt unternahm das vor zwei Jahren der Brite Robert Harris mit dem Thriller "Konklave", einem wahrhaft langweiligen Roman. Bei jenem Konklave jedenfalls rückte Jorge Mario Bergoglio, damals erst seit vier Jahren im Kardinalsrang, im Alter von achtundsechzig Jahren als jüngster Wahlberechtigter nach Stimmen weit vor. Die Welt wurde aufmerksam auf den "Slum-Bischof" aus Buenos Aires, der als "mitfühlender, bescheidener und spiritueller Mann" gilt, der Luxus ebenso ablehnt wie Reformen bei gleichgeschlechtlichen Ehen, Abtreibungen und Adoptionen von gleichgeschlechtlichen Paaren.

Die Wahl fiel 2005 auf den langjährigen Präfekten der Glaubenskongregation, Joseph Kardinal Ratzinger. Bergoglio entkam auf dem zweiten Platz zunächst dem Schicksal, das Ratzinger auch lieber vermieden hätte - das Papstamt strebten beide nicht an. "Wer will schon Papst sein", schreibt McCarten: "Es ist ein Kreuz. Es ist zu lästig. Es endet stets mit dem Tod." Benedikt sprach davon, er habe sich wie unter einer Guillotine gefühlt.

Der humorlose, introvertierte deutsche Theologe, der sich im Papstamt mit Luxus umgibt. "Sport ist ihm fremd. Hat, soweit wir wissen, noch nie ein gefühlvolles Wort zu einer anderen Seele gesprochen". Wir? Wissen? Eigentlich könnte man an dieser Stelle zu lesen aufhören. Sie steht auf Seite 12, und der vermeintlich allwissende Erzähler muss sich nicht weiter erklären, wem seine Zuneigung gilt - dem Träger der billigen schwarzen Schuhe und des Blechkreuzes, der im Gästehaus wohnt. Ein Seelsorger, der in Gefängnisse geht und U-Bahn fährt. Und der von sich sagt, man habe mit ihm "einen Sünder" gewählt.

Zwei Männer, die gegensätzlicher nicht sein könnten und deren Leben wie zwei Züge aufeinander zurasen. Aber ganz so weit ist es mit den Parallelen eben doch nicht her, so sehr sich McCarten auch müht, Ratzingers Jugend im "Dritten Reich" als prägend für Autoritätsgläubigkeit herauszuarbeiten. Dazu bemüht er einmal mehr die Mitgliedschaft in der Hitler-Jugend, gleichwohl es keinen weniger soldatischen Knaben in Traunstein gegeben haben dürfte als den begeisterten Lateinschüler. Der Wandel vom liberalen Konzilstheologen zum Panzerpräfekten, alles wird brav noch einmal nacherzählt und in weit offene Schubladen gesteckt.

Und dann fährt von jenseits des großen Meeres der Antagonist heran, der nach einem jesuitischen Bildungsgang von seinem Orden ausgemustert wird. Mit der argentinischen Militärdiktatur hat er sich wohl überwiegend arrangiert, andere Glaubensbrüder zahlten mit dem Leben. Als Bischof durchmisst Bergoglio eine späte, steile Ämterlaufbahn, die er als Jesuit an sich ablehnen müsste.

McCarten beklagt, mit wie vielen handwerklichen Fehlern (Homosexuelle, Regensburger Rede, Tridentinische Messe, Pius-Brüder) Ratzinger in sein Amt gestartet sei und wie unfähig er gewesen sei, aus seinen Fehlern zu lernen. Für die gefürchtete loose cannon Bergoglio gilt allerdings das Nämliche. Dass McCartens angelsächsischer Bildungsgang ihm die Lektüre des umfangreichen Werks des Jahrhunderttheologen Ratzinger nicht zugänglich macht, erweist sich als nachteilig. Englischsprachige Biographien stützen den Fortgang der Erzählung, der Rest ist journalistische Recherche in Zeitungen und Magazinen, im Netz, Vatikan-News. Alles in einem Literaturverzeichnis dokumentiert. Wichtige Fragen, wie die nach der rechtlichen Gültigkeit einer päpstlichen Emeritierung oder nach Wesenskern und Ziel der Franziskus'schen Reformen, werden beiseitegestellt.

Des Autors Zuneigung gehört unverhohlen Franziskus. Der hat mittlerweile so viele Kardinäle kreiert, dass es beim nächsten Konklave einen Nachfolger geben müsste, der sich dem Argentinier verpflichtet fühlt. So macht man Personalpolitik. Und wer hat das alles eingetütet? Benedikt XVI. Soweit die Netflix-These. Der weise Deutsche spendiert der Welt den Reformer, der er selbst nicht sein konnte. Denn Ratzinger hätte Bergoglio verhindern können, indem er als Papst dessen zwei Rücktrittsgesuche unterschrieben hätte. Hat er aber nicht. Auch deswegen ist die Kirche heute in einer Lage, in der die einen den Reformer Franziskus preisen und andere ihn als Häretiker ablehnen. Für Katholiken ein Prüfung, für einen Autor wie Anthony McCarten eine ideale Gelegenheit, die Zeitgeschichte zu plündern und einen Blockbuster zu generieren. Das ist legitim, clever konstruiert und flott geschrieben - steht aber als Sachbuch im falschen Regal.

Anthony McCarten: "Die zwei Päpste". Franziskus und Benedikt und die Entscheidung, die alles veränderte.

Aus dem Englischen von Stefanie Schäfer. Diogenes Verlag, Zürich 2019. 400 S., geb., 24.- [Euro].

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