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Benedikt Bögle

Bewertungen

Insgesamt 406 Bewertungen
Bewertung vom 18.08.2023
Dämonen im Vatikan
Lahr, Stefan von der

Dämonen im Vatikan


ausgezeichnet

Montebello, der Weihbischof von Neapel, bekommt ein besonderes Geburtstagsgeschenk: Eine mittelalterliche Handschrift der „Legenda Aurea“. Doch ihm fällt eine Besonderheit auf: In dem Buch befindet sich eine Skizze, die von einem bedeutenden Gelehrten der Renaissance stammt. Gemeinsam mit seinen Freunden kommt er auf die Bedeutung der Skizzen: Es scheint, als würden sie andeuten, unter dem Petersdom sei nicht nur der heilige Petrus selbst, sondern auch seine Ehefrau begraben. Aus der Heiligen Schrift ist bekannt, dass Petrus ursprünglich verheiratet war. Würde nun seine Ehefrau mit ihm nach Rom gekommen und dort gestorben sein, hätte die Ehe dauerhaften Bestand gehabt.

Montebello und seine Freunde - sein Sekretär, eine Wissenschaftlerin, sein Chauffeur - gehen nach Rom und berichten dem Heiligen Vater von ihrer Entdeckung. Sie sollen gemeinsam mit dem vatikanischen Chef-Archäologen das Grab ausfindig machen. Bald aber merkt die Gruppe, dass etwas nicht stimmt. Unter dem Petersdom baut ein chinesisches Unternehmen eine neue U-Bahn-Linie: Ein diplomatisches und bautechnisches Wunderwerk. Doch die Arbeiter setzen verbotene Technologien ein. Der Chef-Archäologe wiederum unterstützt Montebello und sein Team nur zum Schein. Immer mehr Menschen sterben im Vatikan oder entrinnen nur sehr knapp dem Tod. Es wird gefährlich - für Montebello und seine Freunde, aber auch für den Papst selbst, dessen Gegner aufstehen und die Revolte planen.

„Dämonen im Vatikan“ ist der dritte Kriminalroman von Stefan von der Lahr nach „Das Grab der Jungfrau“ und „Hochamt in Neapel“. Der Altertumswissenschaftler und Lektor von der Lahr präsentiert abermals einen archäologischen Krimi, der um theologische und (kirchen-)politische Themen kreist. Wie schon in den Vorgängerbänden verbindet der Autor Themen miteinander, die auf den ersten Blick nicht funktionieren können - hier: die theologische Frage nach dem Zölibat, die archäologische Frage nach dem alten, unter dem Petersdom gelegenen römischen Zirkus, die politische Frage nach der Haltung des Westens gegenüber China und die Frage nach dem internationalen Drogenhandel. Eigentlich kann das nicht funktionieren und muss im Chaos enden. Stefan von der Lahr indes gelingt es, einen hervorragenden Krimi aus den Sujets zu schaffen.

Sein Roman ist gebildet und überraschend, seine Herangehensweise neu. Am ehesten lassen sich seine Bände mit Dan Brown vergleichen, wobei von der Lahr deutlich besser abschneidet. Sein Stil ist hervorragend - einzig die ständig wiederholten kirchlichen Ehrenbezeichnungen wirken etwas verkünstelt. Dafür überzeugt von der Lahr mit erheblichem kirchlichen Fachwissen - auch das keine Selbstverständlichkeit. Dass der Autor annimmt, in der katholischen Liturgie würde ein Messbuch beim Einzug vorangetragen an Stelle des Evangelienbuches, darf man da getrost als die einzige theologische Ungenauigkeit ignorieren.

Bewertung vom 04.08.2023
Der Donnerstagsmordclub und der Mann, der zweimal starb / Die Mordclub-Serie Bd.2
Osman, Richard

Der Donnerstagsmordclub und der Mann, der zweimal starb / Die Mordclub-Serie Bd.2


gut

Vier alte Herrschaften bewohnen eine Senioren-Residenz und bilden zusammen den „Donnerstagsmordclub“. Für das Gespann – Joyce, Elizabeth, Ron und Ibrahim – bietet sich ein neuer Fall, als plötzlich der Exmann von Elizabeth in dem Seniorenheim auftaucht. Beide haben eine Vergangenheit als Geheimagenten hinter sich; und Douglas, der Exmann, hat ein großes Problem: Bei einem seiner Aufträge hat er einem Mittelsmann der Mafia mehrere Diamanten gestohlen. Wert: 20 Millionen Euro. Der Geheimdienst ist hinter der Beute her, der Mittelsmann, die Mafia selbst. Am Ende stirbt Douglas, doch die Diamanten bleiben verschollen. Gleich mehrere offene Fragen stellen sich dem Donnerstagsmordclub. Wer hat Douglas und seine Bewacherin auf dem Gewissen? Wo sind die Diamanten gelandet? Die vier alten Herrschaften begeben sich in eine wilde Jagd mit der Mafia und überlisten am Ende sogar das internationale Verbrechen.
„Der Mann, der zweimal starb“ ist der zweite Fall des Donnerstagsmordclubs aus der Feder von Richard Osman. Die Erzählung ist anfangs sehr langatmig, es dauert sehr lange, bis der Plot einen in den Bann zieht. Das liegt vielleicht auch am Stil des Autors: Joyce etwa bekommt in ganzen Kapiteln das Wort; der Autor ahmt gekonnt einen schwätzerischen Ton nach – der nur leider langweilt. Der Roman bräuchte am Anfang eine deutlich höhere Geschwindigkeit, im Ganzen ist vielleicht ein bisschen zu dick aufgetragen.

Bewertung vom 15.07.2023
Tell
Schmidt, Joachim B.

Tell


ausgezeichnet

Wilhelm Tell gilt als Nationalheld der Schweiz. Die Szene, in der Tell gezwungen wird, seinem Sohn einen Apfel vom Kopf zu schießen ist legendär; Friedrich Schillers Dram „Wilhelm Tell“ verbreitete den Ruhm des Schweizer Mannes weiter. Joachim B. Schmidt hat sich in seinem Roman „Tell“ der legendenhaften Figur genähert und dabei eine grandiose Erzählung geschaffen. Sein Tell versucht, seine Familie auf einem ärmlichen Berghof durchzubringen, bis er in Konflikt mit den Schergen des Landvogts kommt. Tell geht dem Konflikt nicht aus dem Weg – weniger aus politischem Widerstand, mehr seines aufbrausenden Wesens wegen. Sein Gegenspieler, der Landvogt Gessler, erscheint weniger als grausamer Wüterich, denn als letztlich schwacher Anführer, der sich der Grausamkeit seiner Männer nicht widersetzen kann. Tell schießt den Apfel vom Haupt seines Sohnes, entkommt als einziger dem Bootsunglück, das das Leben mehrerer Soldaten fordert, und richtet schließlich Gessler.

„Tell“ erzählt den schweizerischen Nationalepos aus der Sicht verschiedener Akteure – Tells und seiner Familie, Gesslers und seiner Männer. Die einzelnen Kapitel sind kurz und geben dem Roman damit eine hohe Geschwindigkeit. Schlag auf Schlag geht es dem Höhepunkt entgegen. Schmidt hat sich auf diese Weise originell einer jahrhundertealten Erzählung genähert und einen sehr modernen Roman geschaffen.

Bewertung vom 10.07.2023
Dark Rome
Sommer, Michael

Dark Rome


ausgezeichnet

Jede Gesellschaft hat ihre hellen und ihre dunklen Seiten – ihren den Augen der Öffentlichkeit offenbarten und den geheimen, zurückgezogenen, verschlossenen Bereich. Nicht anders als heute war es in der römischen Antike: Vieles kennen wir aus den Schriften der großen Philosophen, Dichter und Redner. Vieles aber war auch im alten Rom den Blicken der Öffentlichkeit entzogen. Michael Sommer hat dem „geheimen Rom“ ein ganzes Buch gewidmet: „Dark Rome. Das geheime Leben der Römer“ ist bei C.H. Beck erschienen. Es geht, wie der Autor im Vorwort schreibt, um „jenes Rom also, das nicht gesehen und gehört werden wollte, das aber Spuren hinterlassen hat und das wir mit den Methoden der modernen Wissenschaft dem Dunkel entreißen können.“

Die nun in zehn Kapiteln versammelten Ausflüge des Autors haben keinen Zusammenhang außer eben den, das „geheim“ Rom zu beleuchten. Den Beginn macht eine Abhandlung über „geheime Orte“, in der Sommer die Methoden der Römer beleuchtet, Gegenstände zu sichern: Antike Schließsysteme und einfache Schlösser werden schon bei Homer besungen. Es geht um die Sexualität der Römer und um geheime Botschaften, Giftmörder und Spionage im römischen Imperium. Besonders gut gelungen ist dem Autor der Abschnitt über die Verschwörung des Catilina, die Cicero als Konsul aufdeckt.

„Dark Rome“ ist ebenso fundiert wie gut geschrieben. Die zehn Kapitel lassen sich beinahe als selbstständige Essays lesen, die die geheime Seite des römischen Lebens beschreiben oder die – denkt man an die catilinarische Verschwörung, die am Ende alles andere als geheim war – eigentlich hätte geheim bleiben sollen. Sommers Buch gibt einen etwas ungewöhnlichen Einblick in das Leben der Antike – von Mördern bis zu Spionen, von politischen Verschwörungen bis zu den Mysterienkulten. Sommer nähert sich eben jenem geheimen Rom, das geheim bleiben wollte, das aber vielleicht nicht immer geschafft hat. Ein sehr lesenswerter und unterhaltsamer Band.

Bewertung vom 30.03.2023
Arbeitsrecht
Schwabe, Winfried

Arbeitsrecht


sehr gut

„Lernen mit Fällen“ ist eine Reihe von Lehrbüchern, die allesamt von Winfried Schwabe herausgegeben werden und einem gleichen Schema folgen – so auch der Band „Arbeitsrecht“, in 11. Auflage bei Boorberg erschienen. 20 Fälle bilden diesen „Grundkurs“, wie es im Titel heißt. Am Beginn steht jeweils ein mehr oder weniger kurzer Fall, den der Autor anschließend entwickelt und erklärt. Schließlich bietet er für jeden Fall noch ein Gutachten, das zeigt, wie die entwickelte Lösung in einer Klausur präsentiert werden müsste.

Grundsätzlich ist es erstaunlich, wie viel Stoff Schwabe in nur 20 Fällen unterbringen kann. Der Inhalt reicht vom Arbeitnehmerbegriff über Begründung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses bis hin zu Grundzügen des kollektiven Arbeitsrechts. Der „Preis“ für diese Fülle an Themen ist, dass keiner der Fälle isoliert für sich steht, sondern immer wieder mit (teilweise mehreren Exkursen) begleitet ist, die den Horizont über den jeweiligen Fall hinaus weiten. Ein Beispiel: Im ersten Fall begehrt ein „freier Mitarbeiter“ die Feststellung, dass in Wahrheit keine freie Mitarbeiterschaft, sondern ein Arbeitsverhältnis bestehe. Im Fall nicht angelegt, vom Autor aber dennoch behandelt, ist eine Rechtsfolge dieser Feststellung: Regelmäßig muss der Arbeitgeber Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen, der Arbeitnehmer aber einen Teil des Lohnes zurückzahlen, weil er den – regelmäßig höheren – Lohn eines freien Mitarbeiters zu Unrecht erhalten hat.

Auf diese Weise geraten die Fälle sehr umfangreich – eben weil vieles mitbehandelt werden muss, was eigentlich zum Fall gar nicht gehört. Dieses Vorgehen fordert höchste Konzentration, ist aber noch immer gewinnbringend: Indem der Stoff nicht wie einem Lehrbuch präsentiert wird, gibt es immer einen konkreten Fallbezug. Das ist die Stärke dieses Bandes wie der ganzen Reihe. Dass manche Schwerpunktsetzung auch anders hätte erfolgen können, versteht sich von selbst. Die Kündigung hätte ausgebaut werden können, die Bezüge zum kollektiven Arbeitsrecht hätten – etwa aus bayerischer Perspektive – in Teilen unterbleiben können. Der Übersichtlichkeit des Bandes würde es sehr dienen, wären die – sehr zahlreichen! – Literaturangaben in Fußnoten abgedruckt statt im Fließtext. Ebenfalls schade ist, dass dem Band nicht wenigstens die wichtigsten Prüfungsschemata beigegeben sind. Nichtsdestotrotz: „Arbeitsrecht“ von Schwabe ist gerade für das Studium sehr zu empfehlen!

Bewertung vom 27.03.2023
Die mündliche Assessorprüfung im Öffentlichen Recht
Möller, Jonathan;Kuhl-Dominik, Thomas

Die mündliche Assessorprüfung im Öffentlichen Recht


ausgezeichnet

Ein sehr knapper und übersichtlicher Band zur Vorbereitung auf die mündliche Prüfung im Zweiten Staatsexamen ist bei C.F. Müller erschienen: „Die mündliche Assessorprüfung im Öffentlichen Recht“. Die beiden Autoren Jonathan Müller und Thomas Kühl-Dominik versammeln 12 exemplarische Prüfungsgespräche, die alle demselben Aufbau folgen. Am Anfang steht – für mündliche Prüfungen wohl üblich – ein sehr knapper Sachverhalt. Dieser wird sodann in einem Gespräch zwischen Prüfer und Kandidat entwickelt und gelöst. Am Ende steht ein kurzer Kasten, der die wesentlichen inhaltlichen Punkte zusammenfasst. Abgerundet werden die Gespräche mit einer kurzen Literaturempfehlung.

Inhaltlich decken die 12 Fälle einen großen Bereich des öffentlichen Rechts ab: Verwaltungsprozessrecht, Allgemeines Verwaltungsrecht, Besonderes Verwaltungsrecht und Verfassungsrecht. Dabei liegen die Schwerpunkte – und auch das dürfte für die mündliche Prüfung exemplarisch sein – unterschiedlich: Mal geht es breit um die Zulässigkeit einer Klage oder eines Antrags, mal eher um die Begründetheit. Insgesamt nimmt der einstweilige Rechtsschutz einen großen Raum ein, wobei der Fokus hier eindeutig bei der Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO liegt. Ebenfalls eingebaut sind kleine „Schlenker“, bei denen der vorliegende Fall Anlass zu einem Exkurs ist. Die Tenorierung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung kommt immer wieder vor, anwaltliche Überlegungen zur Taktik könnten womöglich etwas bereiter behandelt werden. Gleiches gilt für das Europarecht, das – mit Ausnahme kurzer Überlegungen zur Normenhierarchie – keine Rolle spielt.

Der Band schafft es so, auf knapp 100 Seiten wesentliche Aspekte des Verwaltungsrechts in Erinnerung zu rufen. Eine vertiefte Herleitung von Problemen kann, wie die Autoren im Vorwort zurecht bemerken, nicht Gegenstand eines solchen Bandes sein. So gut der Band in die „richtige Lösung“ der gestellten Fragen einführt, so wenig bereitet er leider konkret auf die mündliche Prüfung vor. Die Prüfungsgespräche sind beinahe durchgehend „perfekt“: Der Kandidat antwortet stets richtig, allenfalls gibt er einmal eine etwas vorschnelle Antwort. Wichtige Fragen, die man sich vor der mündlichen Prüfung stellt, können so nicht beantwortet werden. Wie reagiere ich, wenn ich eine Antwort nicht weiß? Wie gehe ich souverän mit einer falschen Antwort um? Darf ich mich selbst korrigieren – und vor allem: Wie? We strukturiere ich meine Antworten? Antworten auf diese Fragen bietet der vorliegende Band nicht; es entspricht nicht seiner Konzeption – anders etwa als „Die mündliche Prüfung zur Zweiten Juristischen Staatsprüfung“ von Dallmayer u.a. Trotzdem ist der vorliegende Band gelungen, da er auf denkbar knappen Raum zeigt, wie sich Prüfungsgespräche entwickeln können und welche Antworten richtig sind.

Bewertung vom 27.03.2023
Gefrorenes Herz / Maria Just Bd.1
Holm, Line;Bolther, Stine

Gefrorenes Herz / Maria Just Bd.1


ausgezeichnet

In Kopenhagen wird ein Toter gefunden: Der Präsident des Roten Kreuzes wurde getötet und an der Niederlassung seiner Organisation aufgehängt. Auf seinem Bauch wurde ein Symbol eingeritzt, das für die Polizei zum Rätsel wird. Es könnte einen Ausschnitt aus dem „eisernen Kreuz“ darstellen. Haben Rechtsextreme den Präsidenten getötet? Das würde zwar zum Einsatz des Opfers für Geflüchtete passen; weitere Anhaltspunkte gibt es dafür aber eigentlich nicht. Die Ermittler um Mikael Dirk kommen nicht weiter. Plötzlich aber meldet sich Maria Just, Historikerin am Polizeimuseum, bei den Ermittlern: Sie hat das Symbol in den Akten eines Doppelmordes gefunden, der vor mehreren Jahrzehnten begangen wurde. Über diesen Fall finden die Ermittler endlich die richtige Spur. Sie führt nicht in das rechtsradikale Milieu, sondern in ein politisches Projekt, das vor mehreren Jahrzehnten in Grönland gestartet wurde. Im letzten Augenblick gelingt den Ermittlern die Aufklärung des Falles.

„Gefrorenes Herz“ ist der erste Krimi um die Polizeihistorikerin Maria Just. Die beiden Autorinnen Line Holm und Stine Bolther haben einen packenden und grandiosen Krimi geschaffen. Der Plot entwickelt sich beständig weiter und wird um mehrere Ästelungen reicher. Gleichwohl verliert man als Leser nicht den Überblick, sondern wird immer tiefer in eine Geschichte hineingezogen, die grundlegende Fragen nach dem Menschsein, nach dem Kindsein und nach dem Elternsein stellt. Ein gelungener Krimi.

Bewertung vom 18.03.2023
Die Vermissten aus Boundary Pond
Michaud, Andrée A.

Die Vermissten aus Boundary Pond


gut

In Boundary, dem Grenzland zwischen Kanada und den USA, verbringen die Menschen ihren Sommer: Sie leben in ihren Ferienhäusern, verbringen die Tage am See und die Abende an ihrem Grill. Diese Ferienidylle wird zerstört, als ein Mädchen tot aufgefunden wird: Zaza scheint im Wald in eine Tierfalle getreten zu sein, die vor Jahren ein Trapper ausgelegt haben musste. Die Polizei ermittelt und der zuständige Kommissar Stan Michaud hat einen Verdacht: Er vermutet ein Verbrechen, findet dafür aber keinen einzigen Anhaltspunkt. Nur wenige Tage später aber wird auch Sissy vermisst, Zazas beste Freundin. Auch sie wurde von einer Trapper-Falle verletzt; jetzt aber ist offensichtlich, dass ein Gewaltverbrechen vorliegt: Ihre Haare wurden abgeschnitten, ein Schlag auf den Kopf ist nachweisbar. Langsam nur kommt die Polizei voran und kann am Ende doch den wahren Täter ermitteln.

„Die Vermissten aus Boundary Pond“ von Andrée Michaud ist ein Mischung aus Krimi und „literarischem Thriller“. Die Autorin legt großen Wert auf die Zeichnung der Charaktere: Der Polizist, der in seinen Fällen und den menschlichen Abgründen versinkt; das kleine Mädchen, das die beiden Opfer bewunderte und am Ende zur Lösung des Falles mit beiträgt. Michaud zeichnet ein finsteres Bild einer spieß-bürgerlichen Gesellschaft, in der sich die grausamen Verbrechen ereignen können. Man findet in die Sprache des Thrillers nur schwer hinein – auch, weil die Autorin beinahe komplett auf Dialoge verzichtet und die Aussagen der Protagonisten in indirekter Rede wiedergibt, teilweise in verschachtelten Sätzen. Mit der Zeit gewähnt man sich jedoch an den Stil und wird auch von dem Fall immer weiter in Beschlag genommen.

Bewertung vom 11.03.2023
Der große Coup des Monsieur Lipaire / Die Unverbesserlichen Bd.1
Klüpfel, Volker;Kobr, Michael

Der große Coup des Monsieur Lipaire / Die Unverbesserlichen Bd.1


ausgezeichnet

Guillaume Lipaire ist eine Nummer für sich: Der Deutsche lebt in Port Grimaud an der Cote d’Azur und verdient sein Geld als Hausmeister für reiche Familien, die am Meer ein Ferienhaus haben und jemanden brauchen, der es betreut. Das Praktische daran: Lipaire braucht natürlich die Schlüssel der Häuser und kann deswegen ungehindert in den Häusern ein- und ausgehen. Mal nimmt er eine Flasche Wein mit, mal bedient er sich an den Zigarren, immer wieder aber nutzt er eines der Häuser während der Abwesenheit der Eigentümer für sich selbst. Der einzige Nachteil: Bevor die wahren Eigentümer zurückkehren, muss Lipaire aufräumen und putzen. Sein junger Gehilfe Karim geht ihm zur Hand. Das System funktioniert gut, bis die beiden im Haus der Familie Vicomte eine Leiche finden. Die muss natürlich verschwinden, würde doch sonst die illegale Untervermietung auffliegen.

Lipaire und Karim beseitigen nicht nur mehr oder weniger unauffällig die Leiche. Sie finden auch heraus, dass der Tote die Familie Vicomte offenbar den Weg zu einem großen Schatz verkaufen wollte. Der Architekt von Port Grimaud – so scheint es – muss irgendwo in der Stadt einen Goldschatz versteckt haben. Doch ihre Ermittlungen fliegen auf und immer mehr Menschen beteiligen sich an der Suche nach dem Schatz: Der ehemalige Fremdenlegionär Paul, die Handy-Händlerin Delphin, die Tochter des Bürgermeisters und die alte Madame Lizzy. Sie sind die „Unverbesserlichen“.

„Die Unverbesserlichen“ ist der neue Krimi von Klüpfel und Kobr, die mit ihrer Reihe um den Allgäuer Kommissar Kluftinger berühmt geworden sind. Sie entwickeln eine spannende Geschichte, die die kleine Truppe immer näher an den Schatz führt, am Ende aber doch eine Überraschung bereithält. Die Gruppe ist wild zusammengewürfelt und dennoch bringt jeder der „Unverbesserlichen“ eine für die Gruppe hilfreiche Eigenschaft ein. Dabei zeichnen die beiden Autoren auch hier ihre Charaktere sehr stark und geben ihnen einen Hang ins Komische. Dabei sind sie aber zurückhaltender als in den Kluftinger-Krimis, in denen die Charaktere bisweilen zur bloßen Karikatur geworden sind. „Die Unverbesserlichen“ ist ein unterhaltsamen, lesenswertes Buch.

Bewertung vom 21.12.2022
Der Messias kommt nicht
Homolka, Walter;Hoppe, Juni;Krochmalnik, Daniel

Der Messias kommt nicht


ausgezeichnet

Der Mensch sehnt sich nach Heil und nach Erlösung. Gerade angesichts einer kriegerischen und gewaltsamen Welt stellen wir uns die Frage: War es das schon? Ist das Ziel der Welt Tod und Grausamkeit und Ungerechtigkeit? Judentum und Christentum können auf diese Frage mit ihrer Hoffnung auf den Messias antworten – der in beiden Religion freilich unterschiedlich gedeutet wird. Bei Herder ist nun ein Sammelband der jüdischen Theologie erschienen, der einen auf den ersten Blick ernüchternden Titel erhalten hat: „Der Messias kommt nicht. Abschied vom jüdischen Erlöser“. Die Hoffnung auf einen Messias, so schreibt Walter Homolka in seinem Vorwort, „stieg in Zeiten des nationalen Unglücks, etwa nach der Zerstörung des Tempels in Jerusalem durch die Römer im Jahr 70 u.Z.“.

Das Buch besteht im Wesentlichen aus drei großen Kapiteln: Juni Hoppe schreibt über die Messiasvorstellungen im antiken Judentum, Daniel Krochmalnik über den Messias im rabbinischen Judentum, Walter Homolka schließlich über die Neuzeit bis hin zur Gegenwart. Den Band durchzieht dabei ein tiefes Verständnis dafür, dass sich Messiasvorstellungen einerseits gewandelt haben, andererseits immer schon vielfältig waren: Der Messias konnte etwa in der Antike als eher priesterlicher, aber auch als kriegerische Gestalt verstanden werden. Gleichfalls konnte vom Messias erwartet werden, er würde frühere (politische) Zustände wiederherstellen oder aber einen bisher noch nicht gekannten utopischen Zustand bringen. Der Titel – „Der Messias kommt nicht“ – kann daher in doppelter Weise verstanden werden: Einerseits gab es immer wieder Menschen, die als Messias auftraten oder das baldige Kommen des Messias ankündigten – zu Unrecht. Andererseits entwickelt sich im Judentum allerdings eine Vorstellung, dass unter dem Messias vielleicht keine bestimmte Person, sondern eher ein (eschatologischer) Zustand zu verstehen sei.

Der katholische Theologe Magnus Striet hat ein Nachwort verfasst, was den Band auch zu einem Beitrag des jüdisch-christlichen Dialogs macht. Dabei stellt Striet heraus, dass das Bekenntnis zu Jesus Christus als dem Messias ein trennendes Element zwischen Judentum und Christentum darstellt, wenngleich dies den Blick auf das Verbindende nicht verstellen darf. Ob Jesus seinen Tod wirklich nicht wollte – das wird man mit einem kleinen Fragezeichen versehen dürfen, stellt aber eher ein Problem christlicher Theologie dar.

Alles in Allem ist dieser Band sehr gelungen, weil die drei großen Kapitel einen sehr guten, knappen, aber mehr als fundierten Überblick über die Entwicklung jüdischer Messiastheologie geben.