“Es war still. Scarlett fuhr. Mary schaute aus dem Fenster. Sie fragte weder nach Musik noch nach etwas zu essen. Ihre Großmutter schlief, und Mary wusste, dieser Ausflug war etwas Besonderes. Etwas, das keiner geplant hatte. Etwas eigentlich Unmögliches. Vier Generationen von Frauen unterwegs auf
einer Reise mit dem Auto. Eine von ihnen tot, die andere sterbend, eine von ihnen fuhr, die andere…mehr“Es war still. Scarlett fuhr. Mary schaute aus dem Fenster. Sie fragte weder nach Musik noch nach etwas zu essen. Ihre Großmutter schlief, und Mary wusste, dieser Ausflug war etwas Besonderes. Etwas, das keiner geplant hatte. Etwas eigentlich Unmögliches. Vier Generationen von Frauen unterwegs auf einer Reise mit dem Auto. Eine von ihnen tot, die andere sterbend, eine von ihnen fuhr, die andere trat erst ins Leben.”
Roddy Doyle, irischer Romancier von bekannten und verfilmten Titeln wie den “Committments” oder “The Snapper” hat mit “Mary, Tansey und die Reise in die Nacht” einen unterhaltsamen aber sehr skurrilen Jugendroman zum Thema Leben und Sterben geschrieben.
Marys Großmutter wird sterben. Sie liegt schon seit Wochen im Krankenhaus. Mary und ihre Mutter Scarlett besuchen die alte Emer täglich. Diese wird immer schwächer, aber ihren Humor und ihre Fröhlichkeit hat sie noch. Das macht die Besuche trotz allem schön, wenn sie auch schwer sind. Vor allem, weil Mary das Krankenhaus mit seinen düsteren Farben, den trostlosen Gängen und Fluren, den Gerüchen und den vielen kranken Menschen hasst. Eines Tages wartet auf dem Heimweg von der Schule eine junge Frau auf Mary. Sie entpuppt sich als der Geist ihrer Urgroßmutter, die gekommen ist, um ihrer Tochter den Weg aus dem Leben hinein ins jenseits leichter zu machen. “Alles wird ganz großartig werden” lässt sie Emer durch die Enkelin ausrichten. Und das wird es, wie die eingangs beschriebene Szene erahnen lässt.
Mit einfachen Sätzen und in vielen Dialogen skizziert Doyle eine Familiengeschichte in Irland vom Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts bis heute. Tansey, die junge Bauersfrau die an der Grippe stirbt, als ihre kleine Tochter Emer gerade 3 Jahre alt ist. Emer, die den Tag noch immer vor Augen hat, als ihre Mutter krank wurde. Die sich ihre Fröhlichkeit und ihren Lebensmut trotz weiterer Schicksalsschläge bewahrt hat. Scarlett, in den 1960er Jahren geborenes Wunschkind, als Emer schon nicht mehr daran glaubte, noch Mutter werden zu können. Eine durchaus moderne Frau, die dennoch an alten Werten (Kochen für Mädchen, bekocht werden für Jungen) und Umgangsformen festhält. Und Mary, das Kind, das kein Kind mehr sein will. Vier Frauen. Eine schon lange tot, eine gerade dabei zu sterben, eine mitten im Leben und eine auf dem Weg hinein.
Das Buch wird empfohlen für Jugendliche zwischen 12 und 15 Jahren. Das ist gut und richtig. Man kann den Roman aber auch Erwachsenen empfehlen, denn er bietet viel Stoff zum Nachdenken, wenn man sich mit der im Buch beschriebenen Situation befassen muss oder will: Krankheit, Tod, Leben und Sterben.
Die Idee den Motor der Geschichte mit einem Gespenst als Katalysator zu beschleunigen, ist kurios, aber sehr gut umgesetzt. Die komischen Situationen, die sich aus dem Umgang mit einem Geist ergeben, sind nicht lächerlich. “Das richtige Wort ist Kühlschrank. Der hält alles frisch, sagte Mary. Passe ich da auch noch rein?, fragte Tansey. Sie lachten, bevor sie in die Verlegenheit kommen konnten, weiter darüber nachzudenken.” Die traurigen Momente sind nicht deprimierend, eher ermutigend. “Hast du immer noch Angst, Emer?, fragte Tansey. Ich will es mal so ausdrücken, sagte Emer. Ich habe ein wenig Angst, aber ich mache mir keine Sorgen mehr. Macht das Sinn? Es macht jede Menge Sinn, antwortete Tansey.“
Ein Buch “so ernst wie der Tod” und so lustig wie das Leben. Ich finde es macht “jede Menge Sinn” und viel Freude es zu lesen!