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Helene Schulze, vergessene Autorin der feministischen Avantgarde, ist tot. Jetzt wird sie als Kandidatin für den Deutschen Buchpreis gehandelt. Ihre Freundin Elvira Katzenschlager soll den Nachlass sortieren und findet sich unversehens in einer Marketingmaschinerie voll Gier, Neid und Sensationsgeilheit wieder. Empört bricht sie ein großes Nachruf-Interview ab und begibt sich mit dem wesentlich jüngeren Kameramann Adrian auf einen Roadtrip durch Österreich, um die verzerrte Biografie ihrer Freundin richtigzustellen. Was als origineller Rachefeldzug beginnt, wird immer mehr zum Kreuzzug ge...
Helene Schulze, vergessene Autorin der feministischen Avantgarde, ist tot. Jetzt wird sie als Kandidatin für den Deutschen Buchpreis gehandelt. Ihre Freundin Elvira Katzenschlager soll den Nachlass sortieren und findet sich unversehens in einer Marketingmaschinerie voll Gier, Neid und Sensationsgeilheit wieder. Empört bricht sie ein großes Nachruf-Interview ab und begibt sich mit dem wesentlich jüngeren Kameramann Adrian auf einen Roadtrip durch Österreich, um die verzerrte Biografie ihrer Freundin richtigzustellen. Was als origineller Rachefeldzug beginnt, wird immer mehr zum Kreuzzug gegen Bigotterie und Sexismus. Sie verkleiden Heldenstatuen, demontieren Bildstöcke und stören Preisverleihungen. Immer atemloser, immer krimineller werden die Regelbrüche der beiden auf ihrem Weg nach Neapel, wo die letzte Aktion geplant ist.Gertraud Klemm legt den Finger dorthin, wo es wehtut. Am Beispiel der Literaturbranche zeigt sie, wie es um die gleichberechtigte Wahrnehmung von Frauen tatsächlich steht;und dass es mehr Rebellion und Mut braucht, um wirklich etwas zu verändern. "Symbole allein, das weiß sie schon, funktionieren nicht als Protest, denn Symbole tun niemandem weh;und wenn es nicht wehtut, berührt es nicht, und wenn es nicht berührt, kann man es gleich bleiben lassen."
Gertraud Klemm, 1971 in Wien geboren. Biologiestudium, Gutachterin bei der Stadt Wien, seit 2006 freie Autorin. Mit ihrem Roman "Aberland" stand sie 2015 auf der Longlist des Deutschen Buchpreises. Etliche Preise und Stipendien, u.a.: Wiener Literatur Stipendium, Publikumspreis beim Bachmannpreis 2014. Zuletzt erschienen: "Muttergehäuse" (Kremayr & Scheriau 2016) und "Erbsenzählen" (Droschl 2017).
Produktbeschreibung
- Verlag: Verlag Kremayr & Scheriau
- 2. Aufl.
- Seitenzahl: 379
- Erscheinungstermin: August 2019
- Deutsch
- Abmessung: 208mm x 131mm x 32mm
- Gewicht: 480g
- ISBN-13: 9783218011778
- ISBN-10: 3218011779
- Artikelnr.: 55705317
Herstellerkennzeichnung
Kremayr und Scheriau
Rotenturmstraße 27/5
1010 Wien, AT
Protesthäkeln für Jesus
Gertraud Klemm rächt in "Hippocampus" die späte feministische Avantgarde mit zwölf Heldentaten
Es ist nicht so, dass Gertraud Klemm als Autorin keinen Erfolg hätte. Ihr "Muttergehäuse" wurde viel gelobt; ihr "Aberland" bekam den Publikumspreis in Klagenfurt und wurde 2015 für den Deutschen Buchpreis nominiert. Dass es dennoch nur für den Irseer Pegasus gereicht hat, wurmt Klemm aber doch. Jedenfalls hat sich in ihr einiges an Wut auf den männlich dominierten Literaturbetrieb aufgestaut, der den großen Werken großer alter Frauen im Zweifel doch lieber die provozierenden Geniestreiche männlicher Langweiler vorzieht. Darunter leiden dann Märtyrerinnen wie Ingeborg Bachmann oder eben Helene
Gertraud Klemm rächt in "Hippocampus" die späte feministische Avantgarde mit zwölf Heldentaten
Es ist nicht so, dass Gertraud Klemm als Autorin keinen Erfolg hätte. Ihr "Muttergehäuse" wurde viel gelobt; ihr "Aberland" bekam den Publikumspreis in Klagenfurt und wurde 2015 für den Deutschen Buchpreis nominiert. Dass es dennoch nur für den Irseer Pegasus gereicht hat, wurmt Klemm aber doch. Jedenfalls hat sich in ihr einiges an Wut auf den männlich dominierten Literaturbetrieb aufgestaut, der den großen Werken großer alter Frauen im Zweifel doch lieber die provozierenden Geniestreiche männlicher Langweiler vorzieht. Darunter leiden dann Märtyrerinnen wie Ingeborg Bachmann oder eben Helene
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Schulze, die heute schon wieder vergessene Ikone der "späten feministischen Avantgarde", eine Erfindung Klemms für ihren Roman "Hippocamus" - die Autorin orientierte sich dabei wohl auch am Schicksal von Brigitte Schwaiger ("Wie kommt das Salz ins Meer"), die nach einer Reihe von Enttäuschungen 2010 Suizid beging.
In den Siebzigern wurde Helene selbst von den herrschenden Männchen in den Feuilletonredaktionen und Preisjurys gefeiert. Aber dann war sie plötzlich nur noch die "alternde Karwallemanze", so peinlich wie eine breithüftige Oldschool-Feministin in lila Latzhosen neben einer Influencerin der Generation MeToo. Überfordert und angewidert vom sexistischen Literaturbetrieb, von Figuren wie dem kleinen dicken Kritiker Arthur B. Liebig oder dem Aktionskünstler Köll, der Frauen als Material für seine Blut-und-Hoden-Kunst missbrauchte, floh Schulze in eine Ehe in der Provinz. Nach zwei Kindern, sinnloser "Aufopferung" und einigen literarischen Flops war sie reif für die Donau.
Die Schulze und ihre "Zombiethemen" waren mausetot, bis ihre alte Freundin Elvira Katzenschlager kam, in mancher Hinsicht eine Gesinnungs-, Leidens- und Generationsgenossin der Autorin. Gertraud Klemm war bei der Stadt Wien als Beamtin für die Trinkwasserkontrolle zuständig, bevor sie sich als Autorin selbständig machte. Elvira lebte in einer Frauen-WG mit Helene, ehe sie mit einem Haizirkus durch Osteuropa tingelte und neun Jahre auf Gomera überwinterte. Jetzt fasst sie den Entschluss, die Heilige Helene zu rehabilitieren, rekonstruieren, rächen, jedenfalls wieder "sichtbar zu machen". Elvira reaktiviert ihren alten Hippiebus und engagiert einen jungen Assistenten fürs Grobe. Adrian ist prekär beschäftigter Naturfilmer, internetaffiner Digital Native und gerade unglücklich in die schöne junge Katalyn verliebt. Genau der richtige Mann also für Elvira: Ihr Leibsklave kocht und chauffiert, fotografiert und dokumentiert und stellt nur selten dumme Fragen.
Zusammen mit ihrem Mädchen für alles tourt Elvira durch die finsterste österreichische Provinz und hinterlässt überall ihre Duftmarke als Männerkunstvandalin und feministische Denkmalschänderin. In Hintermoos drapiert sie den Hochsitz eines Obersenatsrats mit ihren Fäkalien, in Erpendorf einen gekreuzigten Jesus mit einem selbstgehäkelten Jäckchen und ein Kriegerdenkmal mit einer Pappmaché-Vulva. In Linz beschmiert sie das Museum des übergriffigen Aktionskünstlers Köll, in Salzburg blamiert sie bei einer Preisverleihung den kleinen dicken Kritiker, in Klagenfurt verwandelt sie den Bachmann-Salat auf den Speisekarten in ein Fanal weiblichen Protests. Am Ende ihres Rachefeldzugs kann Adrian Elvira nur mit Mühe daran hindern, einen wertvollen antiken Riesenphallus in einem neapolitanischen Phallusmuseum zu zertrümmern. Zweitausend Jahre Männerherrschaft sind genug.
Ihre kühnen Kunstinstallationen signiert Elvira mit einem Seepferdchen. Hippocampus ist nicht nur die Gehirnregion, die für Konsolidierung und Koordination des Gedächtnisses zuständig ist, sondern auch das einzige Tier, bei dem die Männchen die Kinder austragen. So bleibt die Spur der Verwüstung im Literaturbetrieb nicht lange unbemerkt. Helenes Roman "Der Drohnenkönig" wird posthum auf die Buchpreis-Shortlist gesetzt, ihre engagierte Nachlassverwalterin als Mutter Courage im Geschlechterkrieg gefeiert. Die Katzenschlager ist nicht immun gegen die Versuchungen von Ruhm und Preisen, aber für die Krokodilstränen und dummen Interviewfragen der Feuilletonmännchen und ahnungslosen Kulturmagazinweibchen hat sie nur Hohn und Häme übrig.
Dafür kommt sie auf ihrem Road-Trip Adrian näher. Anfangs nur der Depp im Frauentaxi, wird er am Ende fast so etwas wie ein Freund. Klemm ist, nicht einmal zu Unrecht, stolz auf die Sexszenen zwischen dem knackig-unbedarften Jüngling und der "vertrockneten alten Intellektuellen". Keine Missionarsstellung, keine Spur von Scham oder Demut, nur ein wenig Mitleid, Lässigkeit und Alt-68er-Schmuddelchic. Elvira nimmt sich, was sie braucht, und zerstört, was Männer und Medien lieben, auch wenn sie dabei nur verlieren kann. Sie geht dorthin, wo's wehtut, wo alle sozialen Netzwerke und feministischen Seilschaften reißen: "Gesetze brechen. Regeln missachten. Männer aufreißen".
Klemm ist vielleicht keine Jelinek, auch keine Streeruwitz, nicht einmal so ätzend wie Stefanie Sargnagel, aber sie hat auch Mut und Witz und Schmäh. Fast fünf Jahre arbeitete sie an ihrem vierten Roman. Anfangs lief es beim Schreiben zäh, aber dann, bei einem Arbeitsstipendium in Schottland, floss es offenbar wie von selbst. Das sieht man dem Roman dann manchmal auch an: Für eine Literatursatire ist er zu lang. Die Abrechnung mit dem Haizirkus Literaturbetrieb ist gallenbitter, die komplizierte Beziehung zwischen Elvira und Adrian fein beschrieben. Aber auf die Dauer werden die Endlosschleifen und Schleifchen weiblicher Aktionskunst doch ein bisschen lang und larmoyant.
Die Hippocampus-Happenings sind gut konzipiert und mittig im Gesicht der Watschenmänner plaziert, aber zwölf hätten es nicht sein müssen. Klar, Herkules hat auch zwölf Heldentaten absolviert. Aber frau muss ja nicht jeden mythologischen Keulenhieb mitmachen, den Männer sich in ihrer "heiligen Dreifaltigkeit der Durchschnittlichkeit" - Grillzange, Fußball und Bier - ausdenken.
Dabei verfügt Klemm über genug grimmige Selbstironie, um die ganz große Moralkeule im Hüftgürtel stecken zu lassen. Elvira ist nicht nur Opfer, sondern auch Täterin, Kratzbürste, Säuferin, sogar Romantikerin, wenn sie sich mit ihrem Assistenten auf dem Campingplatz in den Sonnenuntergang trinkt. Adrian hadert im Stillen mit der "alten Hexe". Aber weil er ein höflicher, geduldiger Kulturbanause und Elvira die verschwindende Furie des alten Radikalfeminismus ist, kommen Mann und Frau eigentlich ganz gut miteinander aus.
MARTIN HALTER.
Gertraud Klemm: "Hippocampus". Roman.
Verlag Kremayr & Scheriau, Wien 2019. 382 S., geb., 22,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
In den Siebzigern wurde Helene selbst von den herrschenden Männchen in den Feuilletonredaktionen und Preisjurys gefeiert. Aber dann war sie plötzlich nur noch die "alternde Karwallemanze", so peinlich wie eine breithüftige Oldschool-Feministin in lila Latzhosen neben einer Influencerin der Generation MeToo. Überfordert und angewidert vom sexistischen Literaturbetrieb, von Figuren wie dem kleinen dicken Kritiker Arthur B. Liebig oder dem Aktionskünstler Köll, der Frauen als Material für seine Blut-und-Hoden-Kunst missbrauchte, floh Schulze in eine Ehe in der Provinz. Nach zwei Kindern, sinnloser "Aufopferung" und einigen literarischen Flops war sie reif für die Donau.
Die Schulze und ihre "Zombiethemen" waren mausetot, bis ihre alte Freundin Elvira Katzenschlager kam, in mancher Hinsicht eine Gesinnungs-, Leidens- und Generationsgenossin der Autorin. Gertraud Klemm war bei der Stadt Wien als Beamtin für die Trinkwasserkontrolle zuständig, bevor sie sich als Autorin selbständig machte. Elvira lebte in einer Frauen-WG mit Helene, ehe sie mit einem Haizirkus durch Osteuropa tingelte und neun Jahre auf Gomera überwinterte. Jetzt fasst sie den Entschluss, die Heilige Helene zu rehabilitieren, rekonstruieren, rächen, jedenfalls wieder "sichtbar zu machen". Elvira reaktiviert ihren alten Hippiebus und engagiert einen jungen Assistenten fürs Grobe. Adrian ist prekär beschäftigter Naturfilmer, internetaffiner Digital Native und gerade unglücklich in die schöne junge Katalyn verliebt. Genau der richtige Mann also für Elvira: Ihr Leibsklave kocht und chauffiert, fotografiert und dokumentiert und stellt nur selten dumme Fragen.
Zusammen mit ihrem Mädchen für alles tourt Elvira durch die finsterste österreichische Provinz und hinterlässt überall ihre Duftmarke als Männerkunstvandalin und feministische Denkmalschänderin. In Hintermoos drapiert sie den Hochsitz eines Obersenatsrats mit ihren Fäkalien, in Erpendorf einen gekreuzigten Jesus mit einem selbstgehäkelten Jäckchen und ein Kriegerdenkmal mit einer Pappmaché-Vulva. In Linz beschmiert sie das Museum des übergriffigen Aktionskünstlers Köll, in Salzburg blamiert sie bei einer Preisverleihung den kleinen dicken Kritiker, in Klagenfurt verwandelt sie den Bachmann-Salat auf den Speisekarten in ein Fanal weiblichen Protests. Am Ende ihres Rachefeldzugs kann Adrian Elvira nur mit Mühe daran hindern, einen wertvollen antiken Riesenphallus in einem neapolitanischen Phallusmuseum zu zertrümmern. Zweitausend Jahre Männerherrschaft sind genug.
Ihre kühnen Kunstinstallationen signiert Elvira mit einem Seepferdchen. Hippocampus ist nicht nur die Gehirnregion, die für Konsolidierung und Koordination des Gedächtnisses zuständig ist, sondern auch das einzige Tier, bei dem die Männchen die Kinder austragen. So bleibt die Spur der Verwüstung im Literaturbetrieb nicht lange unbemerkt. Helenes Roman "Der Drohnenkönig" wird posthum auf die Buchpreis-Shortlist gesetzt, ihre engagierte Nachlassverwalterin als Mutter Courage im Geschlechterkrieg gefeiert. Die Katzenschlager ist nicht immun gegen die Versuchungen von Ruhm und Preisen, aber für die Krokodilstränen und dummen Interviewfragen der Feuilletonmännchen und ahnungslosen Kulturmagazinweibchen hat sie nur Hohn und Häme übrig.
Dafür kommt sie auf ihrem Road-Trip Adrian näher. Anfangs nur der Depp im Frauentaxi, wird er am Ende fast so etwas wie ein Freund. Klemm ist, nicht einmal zu Unrecht, stolz auf die Sexszenen zwischen dem knackig-unbedarften Jüngling und der "vertrockneten alten Intellektuellen". Keine Missionarsstellung, keine Spur von Scham oder Demut, nur ein wenig Mitleid, Lässigkeit und Alt-68er-Schmuddelchic. Elvira nimmt sich, was sie braucht, und zerstört, was Männer und Medien lieben, auch wenn sie dabei nur verlieren kann. Sie geht dorthin, wo's wehtut, wo alle sozialen Netzwerke und feministischen Seilschaften reißen: "Gesetze brechen. Regeln missachten. Männer aufreißen".
Klemm ist vielleicht keine Jelinek, auch keine Streeruwitz, nicht einmal so ätzend wie Stefanie Sargnagel, aber sie hat auch Mut und Witz und Schmäh. Fast fünf Jahre arbeitete sie an ihrem vierten Roman. Anfangs lief es beim Schreiben zäh, aber dann, bei einem Arbeitsstipendium in Schottland, floss es offenbar wie von selbst. Das sieht man dem Roman dann manchmal auch an: Für eine Literatursatire ist er zu lang. Die Abrechnung mit dem Haizirkus Literaturbetrieb ist gallenbitter, die komplizierte Beziehung zwischen Elvira und Adrian fein beschrieben. Aber auf die Dauer werden die Endlosschleifen und Schleifchen weiblicher Aktionskunst doch ein bisschen lang und larmoyant.
Die Hippocampus-Happenings sind gut konzipiert und mittig im Gesicht der Watschenmänner plaziert, aber zwölf hätten es nicht sein müssen. Klar, Herkules hat auch zwölf Heldentaten absolviert. Aber frau muss ja nicht jeden mythologischen Keulenhieb mitmachen, den Männer sich in ihrer "heiligen Dreifaltigkeit der Durchschnittlichkeit" - Grillzange, Fußball und Bier - ausdenken.
Dabei verfügt Klemm über genug grimmige Selbstironie, um die ganz große Moralkeule im Hüftgürtel stecken zu lassen. Elvira ist nicht nur Opfer, sondern auch Täterin, Kratzbürste, Säuferin, sogar Romantikerin, wenn sie sich mit ihrem Assistenten auf dem Campingplatz in den Sonnenuntergang trinkt. Adrian hadert im Stillen mit der "alten Hexe". Aber weil er ein höflicher, geduldiger Kulturbanause und Elvira die verschwindende Furie des alten Radikalfeminismus ist, kommen Mann und Frau eigentlich ganz gut miteinander aus.
MARTIN HALTER.
Gertraud Klemm: "Hippocampus". Roman.
Verlag Kremayr & Scheriau, Wien 2019. 382 S., geb., 22,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Mind-blowing! Löst ein Synapsen-Feuerwerk aus: Sprache, Stil, Inhalt, Figuren, gleichermaßen großartig. Mein Jahreshighlight!
Dieses Buch ist gewaltig, eine Erleuchtung, elektrisierend, poetisch, bissig, witzig, herb und dann wieder ganz zart. Ich bin so begeistert von …
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Mind-blowing! Löst ein Synapsen-Feuerwerk aus: Sprache, Stil, Inhalt, Figuren, gleichermaßen großartig. Mein Jahreshighlight!
Dieses Buch ist gewaltig, eine Erleuchtung, elektrisierend, poetisch, bissig, witzig, herb und dann wieder ganz zart. Ich bin so begeistert von „Hippocampus“, dass mir einerseits die Worte fehlen, ich andererseits übersprudeln möchte vor Lob. „Mind-blowing“, immer wieder habe ich dieses Wort im Kopf. Leider lässt es sich so schwer übersetzen, aber das Buch hat etwas mit meinem Kopf gemacht, ein Synapsen-Feuerwerk ausgelöst.
Am liebsten hätte ich andauernd einzelne Textstellen markiert, weil sie so klug und so toll geschrieben waren, aber dann zog mich Gertraud Klemms Sprache und ihre Geschichte auch schon wieder weiter.
Zärtlich, herb und politisch
Vom Inhalt möchte ich nicht viel verraten: Eine von der Öffentlichkeit längst vergessene, feministische Autorin stirbt. Und ihre Freundin Elvira macht sich daran, einen Teil des erlittenen Unrechts wieder gut zu machen. Das wird bei Elvira Aktionskunst.
„Zu viel Demokratie und zu viel Essen ist den nachfolgenden Generationen nicht gut bekommen. Die Satten sind zu satt und die Hungrigen zu hungrig für eine Revolution. Aber man kann es ihnen nicht übel nehmen, so ist das neoliberale Zeitalter. Wer kein Streber ist, fliegt gleich ganz raus. Es gibt keine Ränder mehr, an denen es sich ein wenig verweilen lässt, es gibt nur mehr gleich den Abgrund.“
Gertraud Klemm wird in ihrem Roman politisch, sie wird zärtlich, sie wird auch mal derb.
Zu letzterem hat die Autorin meiner Meinung nach auch alle Veranlassung: Ist es nicht eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, wie Frauen und als Frauen gesehene behandelt werden? Wie die alten weißen Männer sich seit Jahrhunderten und Jahrtausenden breit machen selbst die Moderne es nur zum Teil besser gemacht hat?
Seite um Seite habe ich dieses Buch mehr geliebt.
Vom Sinn
Jetzt bin ich längst noch nicht in Elviras Alter. Trotzdem merke ich, wie die 40 auf mich zueilen, und ich dabei frustriert feststelle, dass die Kämpfe, die ich längst schon für gewonnen glaubte, noch immer Thema sind. Schlimmer noch, manches entwickelt sich rückwärts. Und da kommt mir schon das Gefühl für den Sinn etwas abhanden.
Und genau da holt mich Gertraud Klemm mit „Hippocampus“ ab.
Gegen dieses Sinnlosigkeitsgefühl setzt Elvira ihre Installationen. Selbstverständlich bewegen diese sich am Rand der Legalität und teilweise weit darüber hinaus. Aber in den letzten Monaten (Trump, Brexit, Ulf Poschard) hatte ich zu oft das Gefühl, dass ich in die Tiefkante beißen – oder etwas anzünden muss (dabei bin ich Pazifistin). Und daher vergöttere ich Elvira und die Autorin Gertraud Klemm für ihren Mut und ihre Kompromisslosigkeit.
„Man muss einfach viel mehr rote Linien überschreiten, viel mehr Eigentum zerstören, viel mehr Gesetze brechen, um gehört zu werden.“
Bei diesem Buch sollte jedes Wort ganz bewusst belesen werden, bis zur allerletzten Zeile. Vergesst auf keinen Fall den Appendix. Dann diese letzten Zeilen läsen eine letzte, großartige Kopf-Explosion aus.
Fazit
Lest dieses Buch! Es ist wundervoll, witzig und bläst so viele großartige Gedanken in Deinen Kopf! Absolute Leseempfehlung! Jahreshighlight und selbstverständlich mindestens 1.000 Sterne.
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was habe ich mich beim Lesen amüsiert - war meine Entdeckung 2021
Habe mich wunderbar amüsiert - ein abgefahrendes, feministisches roadmovie mit viel Chuzpe, Herz und Geist.
Sprachlich ein absoluter Lesegenuss!
Habe mir anschließend auch alle anderen Bücher von Gertraud …
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was habe ich mich beim Lesen amüsiert - war meine Entdeckung 2021
Habe mich wunderbar amüsiert - ein abgefahrendes, feministisches roadmovie mit viel Chuzpe, Herz und Geist.
Sprachlich ein absoluter Lesegenuss!
Habe mir anschließend auch alle anderen Bücher von Gertraud Klemm zugelegt und wurde nicht enttäuscht.
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Ganz ehrlich: Wäre dieser Roman nicht in meinem Lieblingsverlag "Kremayr & Scheriau" erschienen, dann hätte ich ihn vermutlich nicht gelesen. Denn der Klappentext kündigt "einen Kreuzzug gegen Bigotterie und Sexismus" an, vor dem Hintergrund einer …
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Ganz ehrlich: Wäre dieser Roman nicht in meinem Lieblingsverlag "Kremayr & Scheriau" erschienen, dann hätte ich ihn vermutlich nicht gelesen. Denn der Klappentext kündigt "einen Kreuzzug gegen Bigotterie und Sexismus" an, vor dem Hintergrund einer deutschsprachigen Literaturbranche, für die Gleichberechtigung immer noch ein Fremdwort ist. Nun verstehe ich mich selbst zwar durchaus als Feministin, der Literaturbetrieb interessiert mich jedoch - mit Ausnahme seiner Produkte - ehrlich gesagt eher wenig, und zeitgenössische feministische Literatur ist mir oft zu hasserfüllt und humorlos.
Nicht so bei Gertrud Klemm! Sie zaubert einen unfassbar schrägen Roadtrip aus ihrer Feder, skurrille Protagonisten à la "Harold und Maude" und ein Plot, der witzig, spannend - ach was: einfach grandios originell ist. (Samt Überraschung im vorletzten Satz des Anhangs!)
Die Sprache wimmelt nur so von bissigen Formulierungen, die auf den Punkt sind, ich habe mich köstlich amüsiert. So etwa, wenn der Sex mit der Campingplatz-Bekanntschaft beschrieben wird: "Akrobatisch war da gestern nichts. Im Gegenteil. Es war sogar ein bisschen geriatrisch." Den ein oder anderen österreichischen Ausdruck musste ich recherchieren, aber die lokale Sprachfärbung ist den Aufwand in jedem Fall wert.
Inhaltlich demontiert Klemm den Filz im Literaturbetrieb, zeigt die Bigotterie der katholischen Kirche zeigt auf, dass wir noch einen weiten Weg bis zu wirklicher Gleichberechtigung vor uns haben. Dies alles gelingt auf extrem unterhaltsame Art.
Mein erstes, aber definitiv nicht mein letztes Buch von Gertrud Klemm! Und der Verlag hat - wieder Mal - sein gutes Gespür für hervorragende zeitgenössische Literatur bewiesen, vielen Dank!
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Jede Seite lohnt sich!
Das Buch fiel mir aufgrund seiner Beschreibung ins Auge.
In der Tat kommt es sehr hochwertig als Hardcover mit Schutzumschlag und mit Lesebändchen daher.
Und Gertraud Klemm war mir bis dato unbekannt und darum wollte ich das unbedingt nachholen!
Aus dem …
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Jede Seite lohnt sich!
Das Buch fiel mir aufgrund seiner Beschreibung ins Auge.
In der Tat kommt es sehr hochwertig als Hardcover mit Schutzumschlag und mit Lesebändchen daher.
Und Gertraud Klemm war mir bis dato unbekannt und darum wollte ich das unbedingt nachholen!
Aus dem Inhalt:
Die Schriftstellerin Helene Schulze ist verstorben und ihre Freundin Elvira Katzenschlager sortiert den Nachlass ihrer Freundin.
Dabei überkommt sie die Wut auf eine frauenfeindliche Gesellschaft, welche dazu beigetragen hat Helenes Weg zu erschweren.
Früher als sie Helena jung war, war sie im schreibend punkto Frauenrecht aktiv und hatte aufgrund ihrer streitbaren Äußerungen nicht nur Freunde.
Nach der Familiengründung möchte sie beruflich wieder Fuß fassen, was mehr schlecht als recht gelingt.
Post mortem wird Helene für den deutschen Buchpreis nominiert- für ein Buch welches sie unter einem männlichen Pseudonym eingereicht hatte.
Einhergehend soll Elvira für ihre verstorbene Freundin ein Nachruf Interview geben.
Doch dieses Interview entwickelt sich in eine andere Richtung als gedacht und wird deswegen von Elvira abgebrochen.
Sie und Adrian (ein junger Kameraassistent) begeben sich auf Helenes Spuren und ein ungewöhnlicher Trip mit Aktionen durch Österreich nimmt seinen Lauf.
Adrian fungiert an Dokumentator und Überprüfer ob alles seine gewünschte Aufmerksamkeit erreicht hat.
Provokativ, und manchmal auch hart an der Grenze setzen sie das ein oder andere Zeichen.
Jeder Aktion wird von Elvira mit dem Hippocampus signiert und im Laufe der Handlung beginnt man das alles besser zu verstehen und in einen Zusammenhang zu bringen.
Meine Meinung:
Zugegeben der Einstieg fiel mir etwas schwerer mich in die Sprache einzugewöhnen.
Denn die ist anspruchsvoll und man muss sich auf Feinheiten konzentrieren.
Ein einfaches entspanntes Weglesen ist da mal nicht, vielmehr geht es um bewusstes Lesen.
Wenn man aber Geschmack gefunden hat erfreut einem auch die Würze…der bissige und auch dunkle Humor.
Auch muss man sich an Elviras Aktionen gewöhnen.
Wie weit geht man für seine Überzeugung?
Aber genau das wird benötigt um dem Thema eine gewisse Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.
Man kann gar nicht anders als emotional angefasst zu sein!
Der Tenor des Buches ist Feminismus und Zwischenmenschliches serviert auf einer gekonnten Art und Weise!
Viele Punkte werden aufgegriffen wie zum Beispiel welche Rolle / Stellenwert hat die Frau?
Weder kitschig noch stumpf oder platt oder belehrend.
In jedem Fall kommt man da ins Grübeln!
Sind wir den Männern wirklich so gleichgestellt wie es einem verkauft wird?
Das Buch ist in zwei Perspektiven welche in den Kapiteln wechseln geschrieben.
Die Protagonisten sind gut vorstellbar, nicht unbedingt sympathisch aber sie polarisieren!
Lernen konnte ich auch etwas….denn bisher kannte ich das Wort Ösophagusvarizen noch nicht ;o)
Es war mir ein Lesevergnügen!
Fazit:
Ein Buch zu mit wichtigem Tenor einfach großartig als Roman umgesetzt!
Sollte eine Pflichtlektüre für Menschen werden die Frauenthemen heutzutage noch immer nicht als Selbstverständlichkeit sehen und maximal als Quotenthema nutzen.
In jedem Fall wünsche ich dem Buch mehr Aufmerksamkeit!
Neben einer Leseempfehlung vergebe ich 5 Sterne
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