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Nach Wie sollten wir sein? und Mutterschaft ein neues Werk von der Vordenkerin einer neuen Weiblichkeit. Wie alle Bücher von Sheila Heti oszilliert auch dieses zwischen den Genres. Reine Farbe ist philosophisches Traktat, modernes Märchen und die realistische Erzählung einer Freundschaft zwischen zwei jungen Frauen in schwierigen Zeiten. Die Prämisse: Gott schuf die Welt in sechs Tagen, betrachtet sie seit nunmehr 4,5 Milliarden Jahren mit dem Pinsel in der Hand und überlegt, ob es nicht klüger wäre, eine neue, bessere Version anzugehen.
Mira ist aber in dieser ersten Welt zu Hause. Sie
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Produktbeschreibung
Nach Wie sollten wir sein? und Mutterschaft ein neues Werk von der Vordenkerin einer neuen Weiblichkeit. Wie alle Bücher von Sheila Heti oszilliert auch dieses zwischen den Genres. Reine Farbe ist philosophisches Traktat, modernes Märchen und die realistische Erzählung einer Freundschaft zwischen zwei jungen Frauen in schwierigen Zeiten. Die Prämisse: Gott schuf die Welt in sechs Tagen, betrachtet sie seit nunmehr 4,5 Milliarden Jahren mit dem Pinsel in der Hand und überlegt, ob es nicht klüger wäre, eine neue, bessere Version anzugehen.

Mira ist aber in dieser ersten Welt zu Hause. Sie teilt die Menschen in Vogel-, Fisch- und Bärenwesen; sie selbst ist ein Vogel (flüchtig, scheu), ihre Freundin Annie ein Fisch (sozial, engagiert, ein Schwarmtier). Miras Vater wiederum, der einen starken Einfluss auf sie ausübt, ist ein (machtvoll emotionaler) Bär. Und sein Tod für sie kaum zu verwinden.

Ein modernes Märchen über die Macht der Liebe und das Ende der Welt. Von einer der eigensinnigsten und überraschendsten Schriftstellerinnen unserer Tage.

«Einzigartig. Dieses Buch erzählt uns etwas Neues über die schwierigen Zeiten, in denen wir leben.» Anne Enright

«Sheila Heti beschreitet völlig neue Wege.» Rachel Cusk

«Ein beglückendes Buch, das mich zum Schreiben inspiriert hat.» Sally Rooney über Wie sollten wir sein?
Autorenporträt
Sheila Heti, geboren 1976 in Toronto, wo sie heute noch lebt, ist die Autorin des internationalen Bestsellers Wie sollten wir sein? (dt. 2014), der ein Generationenbuch für die Millenials wurde. Mit Leanne Shapton und Heidi Julavits verfasste sie Frauen und Kleider (dt. 2015), ebenfalls ein programmatischer Band mit Texten, Bildern und zahlreichen Interviews zum Thema Frauen und Mode. 2019 erschien Mutterschaft.Heti schreibt u.a. für den New Yorker und die New York Times; ihr vielfältiges Werk, vom Drama bis zur Bühnenshow, vermischt auf raffinierte Weise Elemente von Kunst, Autobiographie und Journalismus. Die New York Times listete sie unter den 15 bedeutsamsten Frauen, die bestimmen, wie wir im 21. Jahrhundert Literatur lesen und schreiben werden. Für ihren Roman Reine Farbe wurde sie 2022 mit dem kanadischen Governor's General Literary Award ausgezeichnet. Thomas Überhoff studierte Anglistik, Amerikanistik und Germanistik und arbeitete lange als Lektor und Programmleiter Belletristik beim Rowohlt Verlag. Er übersetzte unter anderem Sheila Heti, Nell Zink, Jack Kerouac und Denis Johnson.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensentin Anna-Lisa Dieter sieht in Sheila Hetis abstrakt-kosmologischem Roman vor allem die Fortsetzung einer religiösen Prägung, die ihr auch schon in früheren Werken Hetis auffiel. Während es dort in jüdischer Tradition etwa um Moses oder um Jakobs Kampf mit dem Engel ging, so beschäftige sich Hetis neuer Roman mit dem Schöpfungsmythos, wie Dieter mit ihrer Zusammenfassung zeigt: In einer "Endzeit" möchte Gott, der sich in Form dreier Kunstkritiker-Gestalten (Vogel, Fisch und Bär) manifestiert, die Welt nochmal neu und besser erschaffen. In diesen kosmologischen Rahmen eingebettet wird von Mira erzählt, vom Tod ihres Vaters, der Liebe zu einer Freundin und der Verwandlung in ein Blatt. In diesem "seltsam entrückten", halb surrealen Plot verhandle die Schriftstellerin wie üblich große philosophische Fragen, aber auch die Abwertung der Kunstkritik unter Donald Trump und die Klimakatastrophe, wie Dieter beeindruckt analysiert. Besonders markant findet sie Hetis Talent, in diese mystische Sphäre "dreckige Witze" einzubauen. Für die Kritikerin ein Buch, das mit seinem Entwurf einer zweiten, von Gott "korrigierten" Welt und mit der Berücksichtigung der Gefühlsebene eine Bereicherung für aktuelle Probleme und Debatten darstellt.

© Perlentaucher Medien GmbH
Ein Buch, das Ihre Sicht auf die Welt verändern wird. Denis Scheck ARD "Druckfrisch" 20230522

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.06.2023

Die letzten Tage der Menschheit
Sheila Heti wurde mit philosophischen, autofiktionalen Romanen weltberühmt. Der alttestamentarische Hintergrund
ihres Schreibens wurde dabei kaum bemerkt. In „Reine Farbe“ ist er nicht mehr zu übersehen
VON ANNA-LISA DIETER
Sheila Heti hat in jedem ihrer bislang ins Deutsche übersetzten literarischen Bücher neu erfunden, was ein Roman sein kann. Jeder Roman der 46-jährigen kanadischen Autorin ist radikal anders. Immer sucht sie nach einer neuen, lebendigen Form. „Das Gute daran, eine Frau zu sein, ist, dass wir noch nicht allzu viele Beispiele dafür haben, wie ein Genie aussieht. Ich könnte durchaus eines sein“, heißt es ironisch in Hetis internationalem Bestseller „How Should A Person Be?“ aus dem Jahr 2012.
Eine einfache Definition ihrer Romane könnte lauten: Sie sind Behälter für große, existenzielle, philosophische Fragen. Hetis gefeierter Romanessay „Mutterschaft“ beschäftigte sich in einem fast 300 Seiten andauernden Bewusstseinsstrom mit der immer noch provozierenden Frage, warum die Erzählerin, die der Autorin nachempfunden ist, keine Mutter werden will. Das Buch, dessen Kapitel nach dem Menstruationszyklus benannt sind, handelt nicht von Kindern, sondern entfaltet den Denkprozess, den diese Frage auslöst und der viel mit der Gegenüberstellung von Kunst und Biologie zu tun hat. „Mutterschaft“ stand 2018 am Anfang eines globalen Buchtrends, der die bis dahin literarisch eher vernachlässigte Figur und Lebenswelt der Mutter ins Zentrum rückt.
Mit ihrem neuen Roman „Reine Farbe“ hat sich die Art des Fragens verändert. Der Roman ist rätselhafter als ihre anderen Bücher. Es handelt sich um ein verrücktes Buch, das nicht mehr nur eine Frage stellt. Der Text ist so seltsam komponiert, dass sich die Fragen häufen und von der Erzählung unbeantwortet an die Leserin weitergegeben werden: Was haben Leben, Tod und Trauer einerseits, Kunst, Kritik und Klima andererseits miteinander zu tun?
Anhand dieser Themen entwickelt der Roman seinen eigenen Schöpfungsmythos. Er nimmt den religiösen Faden auf, der sich, von der Kritik hierzulande unbemerkt, bereits durch die zwei vorangegangenen Bücher spannt. Sheila Heti, die Tochter jüdisch-ungarischer Immigranten, tritt mit diesem Buch als von der jüdischen Tradition geprägte Autorin hervor, die im Schreiben eine eigene Spiritualität entwickelt.
„Wie sollten wir sein?“ hat einen biblischen Subtext: Die Erzählerin Sheila bringt ihre Selbstsuche mit dem Alten Testament und der Geschichte von Moses in Verbindung, der das jüdische Volk aus Ägypten und durch die Wüste führte. Anders als Moses, der von Gott die Zehn Gebote empfing, gelingt es der Erzählerin im Roman nicht, eine Antwort auf die Frage zu finden, wie sie leben sollte.
Die jüdische Tradition schreibt Heti in „Mutterschaft“ fort: Ihr Buch wird von der biblischen Erzählung gerahmt, in der Jakob mit dem Engel kämpft, ihn besiegt und ihm seinen Segen abtrotzt. Jakobs Kampf mit dem Engel wird in Hetis Roman zum Bild für das intensive Ringen der Erzählerin mit der Frage, ob sie nicht doch Mutter werden soll.
In „Reine Farbe“ kann man die religiöse Prägung nun nicht mehr übersehen. Sie habe ein Buch schreiben wollen, das sich bewusst der Frage verweigert, wovon es handelt, hat Sheila Heti erklärt. Hier kommt dennoch ein Versuch, den Plot zu skizzieren: Mira, eine junge Frau, studiert an der elitären „Amerikanischen Akademie für amerikanische Kritiker“ und arbeitet in einem Lampengeschäft. Sie ist verliebt in die geheimnisvolle Annie, die als etwas Besonderes gilt, weil sie Waise ist und ihre Eltern nie kennengelernt hat. Mira hingegen hat eine innige Beziehung zu ihrem Vater.
In ihrer Kindheit hatte er ihr versprochen, ihr „irgendwann allerlei rätselhafte, seltene und wunderbare Dinge zu schenken, darunter reine Farbe – nicht irgendetwas Gefärbtes, sondern Farbe an sich!“ Seitdem Mira von zu Hause ausgezogen ist, verbringt sie ihre Zeit lieber mit ihren Freunden und Freundinnen, vor allem mit Annie, mit der sie sich eine Zukunft vorstellen kann.
Die seltsam entrückte Erzählung von Miras Jahren als Studentin situiert der Text in einer Zeit vor dem Internet: „Nie sahen sie ein Video, in dem sich ein anderes Mädchen das Haar machte. Sie wussten nicht einmal, dass andere Mädchen sich das Haar machten.“ Eine Zeit vor der „Freundschaftsrevolution“, wie der Einfluss der sozialen Medien umschrieben wird: „Damals wurde mit Freundschaften nicht so geprotzt. Deine Freunde waren einfach die Leute um dich herum. Niemand konnte sich etwas anderes vorstellen… Es reichte, vier oder fünf Leute zu kennen und mit zweien oder dreien von ihnen geschlafen zu haben.“
Als ihr Vater stirbt, legt sich Mira zu ihm und begleitet ihn in seinen letzten Tagen. Im Moment des Todes fährt seine Seele in sie. Mira ist wund vor Trauer und erlebt schließlich eine Transformation: Sie verwandelt sich in ein Blatt, was ihr sofort missfällt. Einige Zeit später gesellt sich auch die väterliche Seele zu ihr ins Blatt. Mira ist erfreut, als Annie eines Tages vorbeikommt und sie aus dem Blatt befreit. Mira arbeitet nun bei einem Juwelier und verbringt viel Zeit mit Annie. Allerdings merkt sie bald, dass Annie ihre Liebe nicht so erwidert, wie sie sich das wünscht. Schließlich stirbt Mira, Annie hält sie dabei im Arm.
Dieser Plot, der realistische und surreale Elemente verbindet, an ein Märchen oder eine Parabel erinnert, ist in einen kosmologischen Rahmen eingebettet. Die ersten Worte von „Reine Farbe“ lesen sich wie eine Umschrift der biblischen Schöpfungsgeschichte: „Als Gott Himmel und Erde erschaffen hatte, trat er zurück, um die Schöpfung zu betrachten, wie ein Maler von der Staffelei. Dies ist der Moment, in dem wir leben – der Moment, in dem Gott zurücktritt.“
Anders als der biblische Gott, der mit seiner Schöpfung bekanntlich zufrieden war („und siehe, es war sehr gut“), ist Hetis Gott mit seiner Kreatur nicht einverstanden: „Heute erwärmt sich die Erde im Vorgriff auf ihre Zerstörung durch Gott, der entschieden hat, dass die erste Version des Daseins zu fehlerhaft war.“ So metaphysisch klingt es, wenn Heti vom Klimawandel erzählt.
Ihr Gott ist eine interessante Figur, nicht nur ein Künstler, sondern auch ein Kunstkritiker. Genauer gesagt drei Kunstkritiker, die als Tiere erscheinen: „Gott teilt und manifestiert sich in Gestalt dreier Kunstkritiker am Himmel – ein großer Vogel, der von oben her urteilt, ein großer Fisch, der aus der Mitte heraus urteilt, und ein großer Bär, der urteilt, während er die Schöpfung in den Armen wiegt.“ In Form dieser drei Kunstkritiker möchte sich Gott an einer zweiten, besseren Version der Schöpfung versuchen.
Hetis Schöpfungsmythos wertet die Kunstkritik, verstanden als Inkarnation des Göttlichen, auf. Dass sie dem Kritiker eine zentrale Rolle zuweist, sei eine Reaktion auf die Jahre der Trump-Regierung gewesen, in denen seine gesellschaftliche Bedeutung gefährdet war, hat Heti, die selbst auch über Kunst und Literatur schreibt, einmal gesagt. Anders als manche ihrer Kollegen, die nur noch politische Arbeit als sinnvoll ansahen, wollte sie die Aufgabe der Kritik wieder fest in der Ordnung der Welt verankern.
Während Heti an „Reine Farbe“ schrieb, starb ihr Vater. Diese Erfahrung hat sie in den Roman aufgenommen, der weniger offensichtlich autobiografisch ist als die vorherigen. Tröstlich ist beim Lesen: Der Augenblick, in dem Miras Vater stirbt, ist für die Tochter nicht schmerzhaft, sondern voller Wärme und Licht. Das Universum „ejakuliert“ die Seele des Vaters in die Tochter, was zwar inzestuös klingt, wohl aber eher ein kraftvolles, plötzlich eintretendes, spirituelles Ereignis bezeichnet.
Heti setzt ihre literarische Trauerarbeit mit Miras Verwandlung in ein Blatt fort. Das Blatt, das ihre Seele gefangen hält: Das ist ein Bild für den Rückzug aus der Welt, die der Trauernden leer und arm geworden ist. Man kann dabei an Ovid denken ebenso wie an neuere botanische Forschung, die von einer Art Pflanzenbewusstsein ausgeht.
Die Trauer um den Vater findet ein kosmisches Echo in der Trauer um die erste Version der Welt, die „nun ans Ende kommt“. Der Roman lässt keinen Zweifel daran, dass er sich in einer Endzeit befindet, in einem „Abspann am Ende des Films“. Heti nimmt die ursprünglich jüdische Denktradition der Apokalyptik auf und entwickelt ihre eigene Vorstellung eines kollektiven Weltuntergangs, bei dem sich alle Menschen, die jemals gelebt haben, noch einmal versammeln, um gemeinsam zu sterben. Besonders interessant ist dabei auch, wie sich die beiden Versionen der Welt aufeinander beziehen. Die zweite, postapokalyptische Version der Welt wird alles Fehlerhafte der ersten Version entfernt haben: „Der neue Ort wird so viel besser sein – in allen wichtigen Belangen. Er wird glückselig sein im Vergleich zur uns geschenkten Welt, in der wir hausen wie Teenager in einem Gebäude mit an die Wand gemalten Pimmeln.“
Das ist übrigens eine Stelle, die zeigt, was nur Sheila Heti kann: dreckige Witze in eine mystische Vision einbauen. Klug wendet Heti nun allerdings ein, dass sich die Menschen der ersten Version in dieser „so außerordentlichen Welt“ vielleicht gar nicht wohlfühlen würden. Sie würden den Schmutz, das Chaos, die Gefahr und die Fehler vermissen. Im Gegenzug dazu werden die Menschen der zweiten Version immer fasziniert und sehnsüchtig auf die erste Version zurückschauen: „Erste Versionen haben etwas Aufregendes – sie sind anarchisch, improvisiert, lebensprall und voller Fehler.“
Beim Lesen liegt auch etwas Tröstliches in Hetis Kosmologie, darin, sich einmal ganz konkret mit dem Ende der Welt und dem, was danach kommen könnte, zu beschäftigen. Vielleicht würde es den gesellschaftlichen Diskurs über den Klimawandel bereichern, die Ebene der Gefühle – zum Beispiel eine antizipierte Trauer über unsere so wahrscheinlichen Verluste – in die Diskussion über das, was wir tun können, miteinzubeziehen. Ebenso wie es wohltuend sein kann, neue Erzählungen über das Leben nach uns zu hören.
Als Reaktion auf
Trump wollte sie die
Kritik wieder fest
in der Welt verankern
Erste Versionen
sind aufregend,
anarchisch,
voller Fehler
„Das Gute daran, eine Frau zu sein, ist, dass wir noch nicht allzu viele Beispiele dafür haben, wie ein Genie aussieht. Ich könnte durchaus eines sein“, heißt es ironisch in Sheila Hetis Roman „How Should A
Person Be?“
Foto:  picture alliance /
Svenska Dagbl
Sheila Heti: Reine Farbe. Roman. Aus dem
Englischen von Thomas
Überhoff. Rowohlt,
Hamburg 2023.
224 Seiten, 24 Euro.
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