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Bella von www.bellaswonderworld.de
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Karlsruhe
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Ich bin 31 Jahre alt und mein größtes Hobby ist das Lesen. Ich verschlinge alle möglichen Titel querbeet durch die verschiedensten Genres. Meine Leseleidenschaft teile ich mit anderen Lesebegeisterten auf meinem Blog www.bellaswonderworld.de

Bewertungen

Insgesamt 1143 Bewertungen
Bewertung vom 15.06.2021
1984 (Graphic Novel)
Orwell, George;Titeux de la Croix, Sybille

1984 (Graphic Novel)


ausgezeichnet

Meine Meinung

Seit Januar 2021 ist der dystopische Klassiker 1984 von George Orwell in Europa gemeinfrei, was zu zahlreichen Veröffentlichungen in unterschiedlichen Verlagen führte. Auch im Comicbereich gibt es unterschiedliche Ausgaben und heute möchte ich euch das Werk aus dem Splitter Verlag vorstellen, welches von Sybille Titeux de la Croix & Amazing Ameziane nach dem Roman von George Orwell entworfen wurde.

Die Story dürfte mittlerweile wohl fast jedem bekannt sein, es geht um eine totalitäre staatliche Macht, die mit populistischen Parolen, strengen Gesetzen und eine komplette Überwachung der Bevölkerung ihre Bürger*innen unterdrückt. Passend zu Orwells düsterem Überwachungsstaat spiegelt sich die Tristesse in den klaren geometrischen Formen und der betonfarbigen Koloration von Amazing Ameziane.

Winston Smith arbeitet im Ministerium der Wahrheit, welches tagtäglich die Geschichte umschreibt, sodass alles den Aussagen der Partei entspricht. Als er beginnt Tagebuch zu schreiben und eine verbotene Liebesaffäre eingeht, droht von jeder Seite Gefahr, denn die Gedankenpolizei und die Teleschirme lauern überall. Kann es für sie Freiheit in einem Staat geben, der sich die Parolen ›Krieg ist Frieden‹, ›Freiheit ist Sklaverei‹ und ›Unwissenheit ist Stärke‹ auf die Fahne geschrieben hat?

Sybille Titeux de la Croix hält sich sehr nahe an der Romanvorlage und benötigt daher auch etwas mehr Text um die Zusammenhänge herzustellen und zu Erklären. Dies tut dem Comic jedoch keinen Abbruch, sondern verleiht den kantigen Illustrationen noch mehr Nachdruck und Tiefe. Das beklemmende Gefühl eines totalen Überwachungsstaates wurde hier perfekt eingefangen und übt eine fesselnde Anziehungskraft aus, sodass ich den Comic, einmal begonnen, nicht mehr aus der Hand legen konnte.

Fazit

Dieser starke Comic adaptiert George Orwells Klassiker der Weltliteratur und ist für alle, die nicht zum Buch greifen wollen, eine wunderbare Alternative.

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© Bellas Wonderworld; Rezension vom 09.06.2021

Bewertung vom 15.06.2021
Mary Shelley
Di Virgilio, Alessandro

Mary Shelley


sehr gut

Meine Meinung

Im Comicprogramm des Knesebeck Verlags finden sich tolle Biografie-Titel, wie z. B. über Marie Curie oder Walt Disney und einige mehr. Natürlich war meine Neugier gleich geweckt, als sich sah, dass es eine Comicbiografie über die Schriftstellerin Mary Wollstonecraft Shelley geben wird.

Der italienische Autor Alessandro Di Virgilio und Zeichnerin Manuela Santoni haben sich in »Mary Shelley: Die Comic-Biografie der Frankenstein-Schöpferin« den jungen Jahren der bedeutenden Wegbereiterin der monströsen Science-Fiction gewidmet und zeichnen ein kurzweiliges und dennoch deutliches Bild der prägenden Ereignisse im Leben der talentierten Schriftstellerin.

Kurz nach ihrer Geburt verstirbt ihre Mutter, die Frauenrechtlerin Mary Wollstonecraft, und so wächst die Halbwaise bei ihrem Vater, dem frühen Sozialphilosophen William Godwin heran. Geprägt von ihrem gebildeten Elternhaus und ihrer Beziehung zu Stiefmutter und Stiefschwester entwickelt sich die kleine Mary zu einer klugen jungen Frau.

Bereits im Alter von sechzehn Jahren begegnet sie im Hause ihres Vaters dem Dichter Percy Bysshe Shelley, und obwohl dieser bereits verheiratet ist, wird aus ihnen ein Liebespaar. Gemeinsam erleben sie schöne Momente und bereisen den Kontinent, doch ihre Beziehung ist auch von dunklen, schicksalhaften, Ereignissen bestimmt, die Mary mit schrecklichen Alpträumen belegen.

Der Samen dieser Alpträume beginnt schließlich zu sprießen, als Mary und Percy 1816 Zeit mit Lord Byron und dessen Leibarzt John William Polidori am Genfer See verbringen, denn dort kommt Mary die Idee zu ihrem berühmtesten Werk »Frankenstein oder Der moderne Prometheus«, welches als Gründungsstein der Science Fiction gilt und 1818 erstmals veröffentlicht wurde. Leider endet diese Biografie auch schon mit der Geburtsstunde von Frankensteins Monster, dabei wäre ich Alessandro Di Virgilios kurzweiligem Werk gerne noch weiter gefolgt und hätte zu gerne gelesen, wie es danach weiterging. Denn einige Jahre später im Jahre 1826 erscheint ihr Roman »Der letzte Mensch«, der sich zu dieser Pandemiezeit wieder in Erinnerung ruft und als zeitloser Klassiker mit dystopischem Einschlag angesehen werden kann.

Begeistert hat mich das schnörkellose Artwork von Manuela Santoni, dass in schwarz-weiß und mit wenigen gezielten roten Akzentuierungen auskommt, und damit dem Werk eine unvergleichliche Stimmung und Tiefe einhaucht.

Fazit

Eine kunstvolle Comic-Biographie über die jungen Jahre der Schriftstellerin Mary Shelley, die zwar mit ausdrucksstarken Illustrationen überzeugen kann, aber trotzdem das Gefühl vermittelt, gerade einmal an der Oberfläche gekratzt zu haben.

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© Bellas Wonderworld; Rezension vom 06.06.2021

Bewertung vom 15.06.2021
Narrenkrone
Koch, Boris

Narrenkrone


sehr gut

Beschreibung

In der einstigen Kaiserstadt Ycena befindet sich ein dornenüberwucherter Palast, in dem der seit jahrhunderten schlafende Hofstaat darauf wartet, dass die Kaisertochter wachgeküsst wird und dadurch die dreizehn Königreiche wieder unter einem Kaiser, wie in alten glanzvollen Zeiten, vereint werden. In den Ruinen Ycenas scheint die Kraft der Dornenhecke zu schwinden und so beginnt ein Kampf um die Kaisertochter und gegen die Zeit.

Meine Meinung

Boris Koch setzt mit »Narrenkrone« seine fabelhafte Neuinterpretation des »Dornröschen«-Märchens fort, welches in »Dornenthron« seinen Anfang nahm und nun ein wunderbares Finale bereitet bekommt.

Im Vergleich zum Auftaktband, der aus mehreren Erzählsträngen zu einem Ganzen verwoben wurde, hat man nun das Gefühl eine homogenere Geschichte zu lesen, die sich zum einen in der Ruinenstadt Ycena zuträgt, wo sich einige Bekannte Charaktere tummeln, um aus unterschiedlichen Gründen sich die Reichtümer des Kaiserpalastes zu sichern oder die Machtergreifung durch ein neues Kaiserreich anstreben und nun an der undurchdringlichen Hecke, die erste Anzeichen der Schwäche erkennen lässt, aufeinanderstoßen.

Darunter befindet sich Ukalion, der Bastard des imperatorischen Königs, der sich angetrieben von Rachegelüsten unterirdisch vorkämpft, Levith und Parikles die für ein freies Leben kämpfen, in dem ihre Homosexualität nicht verurteilt wird, Anthia, die Schwester eines gehenkten Räuberhauptmanns, die der grausamen Herrschaft König Tibans, der zahlreiche Menschen opfert, um den Wettergott zu besänftigen und dessen Geschlecht seine Stärke durch die Ermordung von Einhörnern zum Ausdruck bringt, ein Ende bereiten will und die junge Perle, die sich mit ihrem jüngeren Bruder so viel Reichtum verschaffen will, dass sie niemandes Leibeigene mehr sein müssen.

Die märchenhafte Note mit Anklängen an althergebrachte Erzählungen, wie die der Gebrüder Grimm, hatte mich in »Dornenthron« unheimlich begeistert. In »Narrenkrone« beschreitet Boris Koch jedoch einen anderen Weg, der die Richtung einer modern anmutenden Fantasy-Saga mit dem Charakter einer Fabel einschlägt und sich zugegebener Maßen auch schon erahnen ließ. Daher hatte ich mir eigentlich erhofft, dass die polarisierenden Figuren (Ukalion, Levith und Anthia) mit mehr Tiefe aufwarten, sodass man sich ihnen näher fühlt. Allerdings bleibt die Geschichte in dieser Beziehung ihrem Märchencharakter treu. Die Kapitel haben durch die wenigen Ausschweifungen auch eine angenehme Länge und Boris Kochs Schreibstil lässt sich super lesen. Dennoch kommt Koch in seiner Fortsetzung nicht ganz an die magische Sogwirkung des ersten Bandes heran.

Mein Highlight in »Narrenkrone« ist definitiv Arlac, der Hofnarr von Lathiens König, dem in seiner Narretei nichts heilig ist und mit seinen derben Späßen zu unterhalten weiß. Geschickt deckt der Narr die starrsinnige Verbohrtheit Tibans auf und macht sich dessen Schwäche zunutze.

Das Finale von Boris Kochs moderner Märchen-Adaption konnte mich durch die vielen kleinen Botschaften und das wirklich geniale Ende für sich gewinnen. Allerdings gibt es in Bezug auf Tiefe der Figuren und ein paar kleinere Längen im Handlungsverlauf Abzüge in der B-Note. Vielleicht wäre es ein geschickterer Schachzug gewesen, die zwei Bände in einem Buch zusammenzufassen, sodass erst gar keine falschen Erwartungen geschürt werden.

Fazit

Die phantastische Märchen-Dilogie von Boris Koch erhält in »Narrenkrone« einen gelungenen Abschluss, der dem ersten Band jedoch nicht ganz das Wasser reichen kann. Ich liebe Märchen und Boris Koch hat ein solches in ein erfrischendes Fantasywerk verwandelt das mit fabelhaften Botschaften auftrumpft, sodass ich die Dilogie auf jeden Fall weiterempfehlen möchte.

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© Bellas Wonderworld; Rezension vom 05.06.2021

Bewertung vom 15.06.2021
Lady Churchill / Starke Frauen im Schatten der Weltgeschichte Bd.2
Benedict, Marie

Lady Churchill / Starke Frauen im Schatten der Weltgeschichte Bd.2


gut

Beschreibung

Zu den weniger bekannten Frauen der Weltgeschichte zählt auch Clementine Churchill, die Ehefrau des erfolgreichen Politikers Winston Churchill. Als sich die beiden kennenlernen funkt es direkt, sie heiraten 1908 und der Weg für eine Ehe auf Augenhöhe nimmt ihren Lauf. Clementine ist politisch sehr interessiert und unterstützt auch noch nachdem sie fünf Kinder zur Welt gebracht hat, tatkräftig ihren wichtigen Mann. Zudem setzt sich für das Frauenwahlrecht sowie eigene Projekte ein. Prägende Zeiten für die außergewöhnliche Ehe der Churchills sind die beiden Weltkriege und es gibt auch einige familiäre Belastungsproben und Schicksalsschläge, die eine starke Frau fordern.

Meine Meinung

Nachdem Marie Benedict mit »Frau Einstein« die Frau hinter dem berühmten Physiker in Erinnerung rief, befasst sie sich in ihrem neuen historischen Roman »Lady Churchill« mit Clementine Hozier, die 1908 den aufstrebenden Politiker Winston Churchill ehelichte.

Die Geschichte beginnt mit dem Hochzeitstag und wird, teils mit Rückblenden zum Kennenlernen sowie entlang wichtiger Ereignisse im Leben der Churchills erzählt. Somit kommt der Roman fast schon einer Biografie gleich, die Clementine Churchills Persönlichkeit lebendig werden lässt. Marie Benedict zeichnet in ihrem Roman das Porträt einer emanzipierten und willensstarken jungen Frau, die ihre große Liebe in dem Politiker Winston Churchill findet und nichts davon hält zu Hause hinter dem Herd zu bleiben und sich um die Kindererziehung zu kümmern. Viel lieber arbeitet sie unerschütterlich mit ihrem Mann für das Wohl ihres Landes.

Cat (Winstons Kosename für Clementine) ist eine Powerfrau und ohne ihre kluge Unterstützung wäre die Karriere ihres Mannes, denn sie liebevoll Pug nennt, bestimmt nicht so erfolgreich verlaufen.

Die Geschichte ist natürlich geprägt von den turbulenten Jahren des Ersten und Zweiten Weltkriegs sowie den politischen Herausforderungen und Krisen, die damit einhergehen. Winston stellt große Anforderungen an seine Frau Clementine und ihre große Leidenschaft für die Arbeit nehmen sie meist so sehr in Anspruch, was sie immer wieder mit dem Muttersein hadern lässt, da sie durch ihr großes Engagement kaum Zeit für ihre Kinder hat. So obliegt die Kindererziehung im Verlauf der Jahre unterschiedlichen Nannys und der Tod ihrer damals zweijährigen Tochter Marigold trifft sie tief ins Mark. Clementine kommt an ihre Belastungsgrenze und muss sich zunehmend Auszeiten nehmen, um ihre Gesundheit nicht zu überstrapazieren.

Marie Benedict ist es mit ihrem Roman »Lady Churchill« auf jeden Fall gelungen, auf das Leben und Wirken einer heute kaum beachteten Persönlichkeit aufmerksam zu machen. Ich habe die Geschichte mit großem Interesse gelesen, hatte jedoch eher einen historischen Roman erwartet, in dem die zeitlichen Lücken auf unterhaltsame Weise unterfüttert sind, anstatt sie einfach auszulassen. Aufgrund dieses Biografie-Charakters bleibt auch die emotionale Note auf der Strecke und viele Ereignisse haben mich nicht so berührt, wie erwartet. Außerdem kommt es immer wieder zu Wiederholungen z. B. bei Schilderung von Clementines Gefühlslage, das hätte man sicherlich vermeiden können und somit die damit verbundenen Längen vermieden. Trotzt dieser Kritikpunkte möchte ich »Lady Churchill« weiterempfehlen – denn diese starke Frau und ihr Lebenswerk sollte unbedingt mehr Beachtung finden.

Fazit

Marie Benedict zeichnet das Porträt der beeindruckenden Frau an der Seite des erfolgreichen Politikers Winston Churchill. Der Roman gleicht jedoch eher eine Biografie und weist einige Längen auf, sodass mich die Geschichte auf emotionaler Ebene nicht abholen konnte.

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© Bellas Wonderworld; Rezension vom 04.06.2021

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.06.2021
Adults
Unsworth, Emma Jane

Adults


sehr gut

Meine Meinung

Zugegeben, ich falle mit meinen dreiunddreißig Jahren genau in die Zielgruppe von Emma Jane Unsworth Roman »Adults«. Der erfrischend bissige Schreibstil und die überspitzte Hauptprotagonistin Jenny haben aber auf jeden Fall das Zeug dazu auch Leser*innen außerhalb dieses Lebensabschnittes zu catchen. Männer, die schon immer wissen wollten, welchen Spagat ihre Freundinnen in den 30ern zwischen Job, Freunden, Familienplanung und Social Media machen, sind mit diesem Buch gut beraten.

Emma Jane Unsworth erzählt aus der Ich-Perspektive der Hauptprotagonistin Jenny McLaine über das, was im Leben der Mittdreißigerin los ist und wie sehr Social-Media und die durchwachsene Beziehung zu ihrer Mutter ihre Existenz prägen. In den Kapiteln finden sich immer wieder auch E-Mail-, SMS- und Instagram-Texte, die die eh schon spritzige Erzählweise der Autorin zusätzlich auflockern.

Wie romantisch eine Liebesbeziehung mit E-Mails (die dem Briefe schreiben heute noch am nächsten kommt) beginnen kann, wird mit einem Rückblick auf das Kennenlernen zwischen Jenny und Art deutlich. Doch die Beziehung hält der Wirren des Lebens nicht stand, eine Fehlgeburt markiert den Anfang vom Ende, denn Art möchte lieber ungebunden bleiben und Jennys Fokussierung auf die Instagram-Influencerin Suzy Brambles machen das Ganze auch nicht besser. Die Krise erreicht ihren Höhepunkt mit dem Verlust ihres Jobs bei einem Onlinemagazin und dann zieht auch noch ihre Mutter in ihr Haus, dass sie sich eigentlich gar nicht mehr leisten kann.

Meiner Meinung nach hätte der Roman keine schwierige Tochter-Mutter-Beziehung nötig gehabt. Doch dieses Puzzleteilchen ist vielleicht auch genau der Auslöser für Jennys große Schwierigkeiten in zwischenmenschlichen Beziehungen. Der Schmerz nicht genug geliebt zu werden sitzt bei Jenny tief und reicht auf das Weihnachten 1999 zurück, wo ihre Mutter lieber mit ihrem Liebhaber auf die Bahamas reiste, als Zeit mit ihrer Tochter zu verbringen.

Jenny ist ein zugegeben ziemlich überzogen gezeichneter Charakter, fängt jedoch genau die Essenz dessen ein, was die Jahrgänge der Millennials ausmacht. Diese Generation wurde vom Übergang einer analogen in eine digitale Welt wohl wie keine andere Generation beeinflusst. Emma Jane Unsworth zeigt die daraus erwachsenen Auswüchse mit einem Augenzwinkern und einiges an Drama auf, sodass ich mich wirklich oft in der Protagonisten wiedergefunden habe. Jennys Selbstbezogenheit, ihre Unsicherheit, die sie immer wieder dazu treibt Instagram- und E-Mail-Texte an ihre beste Freundin zum Lesen und Analysieren zu schicken und ihre extreme Abhängigkeit von Likes und Aufmerksamkeit in dem Bildschirmzeitalter halten den Digital Natives gekonnt den Spiegel vor und regen dazu an das eigene Verhalten zu überdenken. Engen wir uns mit dem digitalen Teilen so sehr ein, dass eine gesunde Selbstwahrnehmung komplett verloren geht und wir das wirklich wichtige aus den Augen verlieren?

Am absoluten Tiefpunkt angelangt bricht aus Jenny beim Kauf des nächsten Weins heraus, was sie tatsächlich denkt: »Facebook ist mein persönliches Vietnam.«

Am Boden angelangt kommt es zum großen Wendepunkt des Romans, Jenny schafft es nicht alleine zu dem Menschen zu werden, der sie eigentlich sein möchte, sondern nur mithilfe ihrer engsten Freundin und strikter Smartphone-Nutzungsbegrenzung, kommt sie zurück auf den rechten Weg.

Mich konnte Emma Jane Unsworth mit ihrem Werk tatsächlich gut unterhalten, auch wenn sie zu viele wichtige Themen angeschnitten hat, welche dann schließlich nicht alle ausreichend Aufmerksamkeit zugemessen bekommen. Weniger ist manchmal dann doch mehr.

Fazit

Emma Jane Unsworth zeichnet in »Adults« ein rohes, ungeschminktes Bild des Lebens hinter der schönen Onlinewelt versteckt. Dieser verschmitzte Roman trifft den Zeitgeist der digitalen Generation auf unterhaltsame und auch dramatische Weise.

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© Bellas Wonderworld; Rezension vom 02.06.2021

Bewertung vom 15.06.2021
Stumptown. Band 1
Rucka, Greg

Stumptown. Band 1


sehr gut

Meine Meinung

Starautor Greg Rucka hat in »Stumptown – Der Fall des Mädchens, das sein Shampoo mitnahm (aber seinen Mini vergaß)« mit Dexetrine Parios (kurz ›Dex‹ genannt) nach Andy (»The Old Guard«) eine weitere knallharte und starke Comic-Heldin geschaffen, die sich als Privatdetektivin alleine durchs Leben schlägt und sich dabei um ihren jüngeren Bruder Ansel kümmert.

Rucka wirft die Leser*innen gleich mitten in die Handlung und arbeitet dabei geschickt mit der Brisanz eines Ereignisses der Gegenwart, sodass er anschließend mit einer Rückblende und einem Countdown von zwei Tagen auf die Szene zusteuert. Das erzeugt gleich zu Beginn eine Sogwirkung, schließlich will man unbedingt erfahren, wer die agierenden Personen sind, was zu dieser Situation geführt hat und wie es danach weitergehen wird.

Über den Fall von Dex möchte ich nicht viel verraten, aber sie ist mit ihrem Talent soweit bekannt, dass sie von einer Casino-Leiterin einen Gefallen einfordert. Sie soll ihre verschwundene Enkelin finden, wofür sie Dex die Spielschulden erlässt. Hinter der Sache steckt jedoch mehr als vermutet und Dex wird in eine verzwickte Familiengeschichte verwickelt.

Das dreckig-düstere Setting Portlands mit schummerigen Bars, einem kriminellen Netz und entsprechendem Ensemble ist neben Dex der wahre Star des Comics und wird in einem überschwänglichen Vorwort von Matt Fraction als sehr authentisch gelobt.

Die Illustrationen von Matthew Southwork passen mit ihren scharfen Ecken und Kanten und einem großzügigen Schattenspiel perfekt zur Handlung, jedoch hatte ich manchmal Schwierigkeiten die einzelnen Charaktere zuordnen zu können, da sie teilweise recht verwaschen dargestellt werden. Hier hätte ich mir manchmal eine etwas ›saubere‹ Ausarbeitung gewünscht.

Wer auf coole Detektivstorys steht, wird hier vor allem mit einer spannenden Heldin belohnt, die unverfroren Selbstbewusst ist und nicht so leicht aufgibt. Jedoch bin ich mir sicher, dass Greg Rucke in diesem ersten Band nur an deren Oberfläche gekratzt hat und noch einiges mit Dex vorhat. Sicherlich wird sich mit einer Vertiefung von Dex und ihrem Umfeld auch das ganze Potential von »Stumptown« in den weiteren Bänden entfalten. Meine Neugier auf Dex Vergangenheit hat dieser Serienauftakt auf jeden Fall geweckt!

Fazit

Neben Dex Parios sehen Columbo und Co. blass aus – also unbedingt zum erfrischend modernen Crime-Comic »Stumptown« greifen!

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© Bellas Wonderworld; Rezension vom 01.06.2021

Bewertung vom 15.06.2021
Die Töchter des Nordens
Hall, Sarah

Die Töchter des Nordens


sehr gut

Meine Meinung

Utopie, Dystopie und feministischer Roman in einem – genau das ist Sarah Halls Werk »Die Töchter des Nordens«, welcher in einer unbestimmten Zukunft in England angesiedelt ist. In ihrem nicht einmal 300 Seiten starken Buch widmet sich die Autorin der Frage, ob Frauen eine bessere Welt erschaffen können.

Die Geschichte der Romanheldin, die nur unter dem Namen ›Schwester‹ in Erscheinung tritt, erzählt Sarah Hall anhand Protokollakten. Mit diesem Stilmittel beschränkt sich die Erzählung auf die nötigsten Punkte und trifft dennoch den Nagel auf den Kopf. Die erschreckenden Zustände in ›Schwesters‹ Leben in der Stadt werden schnörkellos in all ihrer Brutalität und Ausweglosigkeit dargestellt.

Zusammen mit ihrem Mann lebt ›Schwester‹ in beengten Wohnverhältnissen, geht einem sinnlosen Job in einer Turbinenfabrik nach, der sie nicht erfüllt und musste die Zwangseinsetzung einer Spirale über sich ergehen lassen, da Mutterschaft nur noch durch einen Lotteriegewinn geduldet wird. Der repressive Staat hat nach Umweltkatastrophen und Wirtschaftskrisen nur noch die Macht der Angst und Unterdrückung auf seiner Seite. ›Schwester‹ fühlt sich in ihrem Leben gefangen und als ihr Mann seinen Widerstandswillen gegen das Diktaturregime verliert, zerbricht ihre Liebe und sie macht sich eines Nachts alleine auf die Flucht nach Carhullan.

Die Farm Carhullan befindet sich in den Bergen des Lake District und wird von einer Gemeinschaft weiblicher Abtrünniger bewirtschaftet. Die Frauen leben vollkommen souverän unter der Führung der charismatischen Jackie. Doch das Willkommen der radikalen Gruppierung stellt ›Schwester‹ auf eine schwere Probe, denn auch unter der Frauenherrschaft gibt es Gewalt und hierarchische Machtstrukturen. Während die Einen als Arbeiterinnen dafür sorgen, dass Leben in der Abgeschiedenheit zu ermöglichen, werden die Anderen als Kriegerinnen ausgebildet. Seit vielen Jahren ist ›Schwester‹ die Erste, der die Flucht nach Carhullan gelang und somit wird sie zu einer entscheidenden Figur für Jackie.

Fesselnd werden die schweren Lebensbedingungen auf Carhullan einem Leben in der Stadt gegenübergestellt. Die Freiheit des mühsamen Lebens in der abgeschiedenen Natur als Selbstversorger vs. der Käfig der Unterdrückung in einem patriarchalen Staat. Im Mittelpunkt steht jedoch auch die eindrucksvolle Entwicklung der Romanheldin, die erst durch die Härte der spannungsgeladenen Frauengemeinschaft zu ihrer inneren Stärke findet.

Die Geschichte wurde im Original (»The Carhullan Army«) bereits 2007 veröffentlicht und hat seither sogar noch an Aktualität gewonnen, denn Sarah Hall wirft brisante Themen wie weiblichen Selbstbestimmung und die Frage um ein freies Leben auf den Tisch. Welche Maßnahmen darf ein Staat ergreifen, wie weit darf die Freiheit von Menschen eingeschränkt werden, und ist der Kampf gegen einen repressiven Staat nur mit Gewalt zu lösen?

Sarah Hall hat mit »Die Töchter des Nordens« einen zeitlosen Roman geschaffen, der das Potenzial für einen Klassiker in sich trägt. Jedoch muss ich sagen, dass ich an einigen Stellen noch eine weitere Ausführung wünschenswert gehalten hätte, um die Entwicklungen zum Ende der Geschichte etwas schlüssiger und kraftvoller erscheinen lassen.

Fazit

Sarah Hall ist mit »Die Töchter des Nordens« ein eindringlicher Roman über eine feministische Rebellion gelungen, der zum Nachdenken anregt und sich oftmals viel realer als eine Dystopie anfühlt. Gänsehautfaktor!

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© Bellas Wonderworld; Rezension vom 31.05.2021

Bewertung vom 15.06.2021
Der Ozean am Ende der Straße
Gaiman, Neil

Der Ozean am Ende der Straße


ausgezeichnet

Beschreibung

Ein Trauerfall führt einen Mann zurück in seinen Heimatort in Sussex. Dort fühlt er sich von einer Farm am Ende der Straße magnetisch angezogen. Die Umgebung ist ihm vertraut, genauso wie die alte Dame von der Farm, aber erst als er auf einer Bank am Teich sitzt werden Erinnerungen an seine Kindheit und das außergewöhnliche Mädchen Lettie Hemptstock wieder wach. Lettie nannte den Teich immer Ozean und Stück für Stück erinnert sich der Mann an die düsteren Monster seiner Kindheit…

Meine Meinung

Neil Gaiman ist für mich zu einem Garanten für phantasievolle und mystische Geschichten avanciert, die mich immer mehr begeistern. »Der Ozean am Ende der Straße« ist eine märchenhafte, aber auch düstere Geschichte über die Kindheit eines namenlosen Protagonisten, welche bereits 2014 in der deutschen Übersetzung publiziert wurde. Die edle Neuauflage des Buchs ist mit stimmungsvollen Tuschezeichnungen von Elise Hurst versehen, welche einen noch tiefer in die Geschichte eintauchen lassen.

Gaiman berichtet in seinem Nachwort, dass die Geschichte zunächst nur als Kurzgeschichte geplant war, sich dann aber zu einem Roman auswuchs und genau dieses Gefühl überkommt einen auch beim Lesen, denn die Story greift und umfängt einen mit ihren langen düsteren Armen und entfaltet einen mächtigen Sog, dem ich mich nicht mehr entziehen konnte.

»Der Ozean am anderen Ende der Straße« kommt einem Ausflug zurück in eine Zeit gleich, in der man die Welt noch mit ganz anderen Augen betrachtete, denn in der Kindheit sind der Fantasie noch keine Grenzen gesetzt und an jeder Ecke lauert Magisches, Phantastisches, aber auch Monster in der Dunkelheit, in Schränken und unter dem Bett. Diese magische Atmosphäre des Kindseins hat Neil Gaiman in seiner Geschichte eingefangen und für die Ewigkeit verkorkt.

Da der Romanheld (als Junge und als Mann) ohne Namen bleibt, macht die Geschichte anonymer und zu einer Art Blaupause für eine beliebige Kindheit mit all ihren Ängsten und Vorstellungen. Die kindliche Wahrnehmung von Mensch und Umwelt ist in dieser Zeit noch fast völlig losgelöst von gesellschaftlichen Normen. Der Junge in Neil Gaimans Geschichte mit seinem sensiblen und introvertierten Charakter, liest lieber zu Hause Bücher als sich Freunde zu suchen und als er dann eines Tages der selbstbewussten Lettie Hempstock begegnet, kommt sie ihm wie ein übernatürliches Wesen vor.

Gemeinsam mit Lettie spürt er unheimlichen Mächten nach, die sich schließlich direkt in seiner Familie in Form eines Kindermädchens manifestieren. Während seine Schwester begeistert von der hübschen neuen Nanny ist und seine Eltern keinen Verdacht schöpfen, kann der Junge die wahre Gestalt des Wesens spüren und versucht zusammen mit Lettie das Böse loszuwerden.

Weiteres über die Handlung möchte ich an dieser Stelle nicht verraten, denn das liest man doch am besten selbst! Mich konnte Neil Gaiman mit seiner mysteriösen Story über die düstere Fantasiewelt der Kindheit vollkommen verzaubern.

Fazit

Ein wunderschönes Märchen, dass noch einmal das Gefühl der Kindheit mit seinen düsteren Ungetümen zurückbringt.

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© Bellas Wonderworld; Rezension vom 30.05.2021

Bewertung vom 15.06.2021
Snow, Glass, Apples
Gaiman, Neil

Snow, Glass, Apples


ausgezeichnet

Meine Meinung

Das kunstvoll gestaltete Cover und die bedrückende schwarze Umrahmung lassen Neil Gaimans Schneewittchen-Adaption »Snow, Glass, Apples« einen düsteren und erwachsenen Flair versprühen und genau das ist auch so gewollt, denn dieses Märchen erzählt eine ganz andere Geschichte von dem bleichen Schneewittchen und der Magie ihrer Stiefmutter.

Die amerikanische Schriftstellerin und Karikaturistin Colleen Doran ist ein großer Fan der Werke des irischen Glasmalers und Buchillustratoren Harry Clarke, der z. B. einige Werke von Edgar Allan Poe illustrierte, und ließ sich von seinem Stil bei ihren Zeichnungen für »Snow, Glass, Apples« inspirieren – eine Hommage an das Talent des 1931 verstorbenen Künstlers.

Das Märchen wird von Schneewittchens Stiefmutter erzählt, die von einer großen Liebe zum König handelt, eine ganz andere Seite der Stieftochter Schneewittchen offenbart und am Rande von ihrer Magie gestreift wird. Neil Gaimans Adaption des Märchenstoffes ist nichts für Zartbesaitete und Kinder, denn es fließt mehrfach Blut und auch sexuelle Akte werden großformatig dargestellt.

An den verspielten und überbordenden Zeichnungen von Colleen Doran, die tatsächlich an feine Buntglasfenster erinnern, fangen brillant die Magie des Märchens ein. Mein Blick verweilte nur zu gerne auf den großflächig gestalteten Seiten, die kaum in klassischen Panels daherkommen. Es war mir eine Freude, die vielen Details aufzusaugen und immer wieder neue verschnörkelte Muster und zauberhafte Finessen zu erkennen.

Fazit

»Snow, Glass, Apples« ist eine raffinierte Gaiman-Neuerzählung des Schneewittchen-Märchens und glänzt durch die bemerkenswerten Illustrationen von Colleen Doran.

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© Bellas Wonderworld; Rezension vom 29.05.2021

Bewertung vom 15.06.2021
Kleine Wunder um Mitternacht
Higashino, Keigo

Kleine Wunder um Mitternacht


ausgezeichnet

Beschreibung

Ein alter, verlassener Gemischtwarenladen ist das perfekte Versteckt für die drei Kleinkriminellen, die nach einem Einbruch kurz vor Mitternacht Unterschlupf suchen. Als ein Brief durch die Jalousien des Ladens geschoben wird, werden Atsuya, Shota und Kohei neugierig, denn vor der Tür ist keine Menschenseele.

Der Brief stammt von einer jungen Frau, die sich in einer sehr persönlichen Angelegenheit an den Ladeninhaber Namiya wendet und bei ihrem Problem um seinen weisen Rat bittet. Doch Namiya ist schon vor Jahrzehnten verstorben und so beschließen die Einbrecher der Dame zu antworten. Die Nacht im Gemischtwarenladen und die magische Korrespondenz mit Briefen durch die Zeit, wird das Leben vieler Menschen verändern.

Meine Meinung

Das florale Cover in Pastelltönen passt hervorragend zu Keigo Higashinos verträumten Roman »Kleine Wunder um Mitternacht« und lädt direkt ein, sich in die Geschichte über drei junge Kleinkriminelle fallen zu lassen, die eine ganz besondere Nacht in einem Gemischtwarenladen verbringen, in dem einst Yuji Namiya für seine Kunden Rat in allen Lebenslagen bot.

Namiyas Gemischtwarenladen umgibt eine besondere Aura, besonders stark ist die Magie, als die Diebe Atsuya, Shota und Kohei dort Unterschlupf suchen. Der Laden scheint eine Art schwarze Zone zwischen den Zeiten zu sein und so erreicht sie ein Brief der Ratsuchenden ›Mondhase‹ aus der Vergangenheit, die von Herrn Namiya Hilfe bei ihrer Entscheidung erhofft, ob sie die Chance auf eine Olympiateilnahme aufgeben soll, um ihre große Liebe zu pflegen. Kohei beschließt Mondhase zu antworten und schon bald sind die drei in eine fesselnde Korrespondenz verstrickt.

Im Folgenden erzählt Keigo Higashino weitere Geschichten anderer Ratsuchenden, aber auch davon, wie es überhaupt dazu kam, dass der Gemischtwarenladenbesitzer Yuji Namiya zu einem beliebten Ratgeber seiner Kundschaft wurde. Die einzelnen Erzählungen sind so geschickt zu einem harmonischen Roman konstruiert, dass sich die Schicksale verschiedener Bewohner der Kleinstadt perfekt miteinander verknüpfen und das Kinderheim Marukoen zu einem zentralen Bestandteil wird.

Von der ersten bis zur letzten Seite konnte mich Keigo Higashino mit seinem berührenden Erzählstil gefangen nehmen und verzaubern, auch wenn er schwere Themen wie Tod und Krankheit behandelt, ist alles in einer hoffnungsfrohen und zuversichtlichen Stimmung eingefärbt. »Kleine Wunder um Mitternacht« handelt von der Stärke zwischenmenschlichen Miteinanders, fängt das Flair unterschiedlicher Jahrzehnte ein und zeigt auf, dass alles in einer Weise miteinander verbunden ist.

Fazit

Eine märchenhaft schöne Geschichte, berührend erzählt und mit einer Prise Zeitreisezauber versehen.

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© Bellas Wonderworld; Rezension vom 28.05.2021