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ulrikerabe
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Österreich

Bewertungen

Insgesamt 195 Bewertungen
Bewertung vom 09.03.2020
Tiefer Fall / Doggerland Bd.2
Adolfsson, Maria

Tiefer Fall / Doggerland Bd.2


ausgezeichnet

Eigentlich ist Karen Eiken Hornby nach ihrem letzten Einsatz immer noch krankgeschrieben, und eigentlich hat sie zu den Weihnachtsfeiertagen das Haus voller Gäste, als sie zu Ermittlungen nach Noorö, der nördlichsten Insel von Doggerland gerufen wird. Sehr schnell wird klar, dass der tödliche Absturz des emeritierten Lehrers Fredrik Stuub kein Unfall sondern Mord war. Das Verbrechen zieht Kreise zur lokalen Whiskydestillerie sowie zu Karens Familie väterlicherseits, die immer noch auf Noorö zuhause ist.
Schon zum zweiten Mal wird auf Doggerland gemordet. Der besondere Charme dieser Krimireihe, geschrieben von der schwedischen Autorin Maria Adolfsson, liegt an dem fiktiven Schauplatz, den das Doggerland gibt es nicht mehr. Diese Inselgruppe ist vor etwa 8.000 Jahren in der Nordsee untergegangen. Die handelnden Personen, allen voran Karen Eiken Hornby sind aber aus dem Leben gegriffen.
Karen ist ein eigentümlicher Charakter, manchmal zu laut und zynisch, etwas chaotisch, aber mit rascher und logischer Auffassungsgabe. Ihre harte Schale um den weichen Kern hat sie aus Gründen, die sie nur ganz wenigen Menschen anvertraut. Das macht sie menschlich, authentisch und sympathisch.
In ihrem zweiten Fall muss Karen einen sehr schwierigen Spagat zwischen der Pflichterfüllung als Polizistin, ihrer Familie und ihren Freunden ausüben. Auch wenn der sehr private Strang um Karens Freundin Aylin überhaupt nichts mit dem Fall zu tun hat, ist dieser so eindrücklich und spannend erzählt, dass ich nicht eine Zeile davon missen wollte.
Dieser grundsolide, durchdachte Kriminalroman, der ohne Psychopathen und wahnsinnige Masterminds auskommt, und den ich genau deswegen ansprechend finde, endet in einem winterkalten spannenden Finale. Das ist eine Serie, auf deren Fortsetzung ich mich wirklich freuen kann.

Bewertung vom 08.03.2020
Milchmann
Burns, Anna

Milchmann


ausgezeichnet

Eine namenlose junge Frau in einer namenlosen Stadt, wo selbst die Straßen keine Namen haben. Dort lebt die Erzählerin „Mittelschwester“, mit ihrer Mutter, den Kleinen Schwestern. Der Vater ist verstorben, die großen Schwestern verheiratet. Die Großen Brüder irgendwo. Es ist eine ganz eigene Welt, in der sie lebt, in einer eigentümlichen, gefährlichen Zeit. Bis eines Tages ein Mann, wesentlich älter als sie, der Milchmann, in ihr Leben tritt, sie vereinnahmen will, sie beobachtet, verfolgt, gegen ihren Willen.
Es ist wohl Belfast in den 1970ern, während des Nordirlandkonfliktes, von dem die Erzählerin berichtet, Jahre später. Als sie Worte und Begriffe findet, für das was damals passiert ist und für die es damals noch keine Begriffe gab. Belfast „where the streets have no name“ haben auch die handelnden Personen keine Namen. Es ist gefährlich, zu wissen in welcher Straße man wohnt, zu leicht lässt sich feststellen, welchem Glauben, welchem Teil der Bevölkerung man angehört. Auch Namen sind gefährlich, lässt sich doch daran erkennen, auf welcher Seite der Straße, welcher Seite der See man lebt.
„Der Tag, an dem Irgendwer McIrgendwas mir eine Waffe auf die Brust setzte, mich ein Flittchen nannte und drohte, mich zu erschießen, war auch der Tag, an dem der Milchmann starb.“
So beginnt der Roman von Anna Burns. Gleich mit diesem ersten Satz, weiß man, dass der Milchmann nicht überlebt, aber die Bedrohung für die Erzählerin damit nicht endet.
Die Erzählerin will sich raushalten aus den Geschehnissen, selbst ihre Beziehung ist eine Vielleicht-Beziehung zu einem Vielleicht-Freund. Sie ist das „gehende Mädchen“ immer mit einem Buch in der Hand. Ihre Lektüre stammt aus früheren Zeiten, bloß nichts Gegenwärtiges. Sie will sich entziehen und merkt nicht, dass sie gerade deswegen Aufmerksamkeit erregt. Der Milchmann erwählt sie als Objekt seiner Begehrlichkeit. Sie kann nichts dagegen tun. Doch wer ist dieser ominöse Milchmann, um den sich so viele Gerüchte ranken. Und der Ursache dafür ist, dass die Erzählerin unter ein Licht gestellt wird, in dem sie nicht gesehen werden will. Ist er ein Staatsverweigerer, ein Terrorist, ein Spion, von der anderen Seite der See gar?
Anna Burns lässt diese eine Frau erzählen von einer Welt die geprägt ist von echten und geschürten Ängsten, von einer komplett umgedrehten Welt. Lässt sie vom Hundertsten ins Tausende kommen, lässt sie vom Krieg erzählen der nicht als „troubles“ ist, gibt ihr eine spitze Zunge und einen bitterbösen Sinn für Humor, lässt sie um tote Verwandte und Freunde trauern und gibt ihr den Mut, nicht als alles gegeben hinzunehmen. „Der Himmel ist blau“. So behaupten alle, die jetzt und gerade jetzt aus dem Fenster schauen. Vielleicht mag er noch schwarz sein in der Nacht und grau bei Regen. Doch egal was über die Generationen gelehrt wurde. Der Himmel darf bunt sein. Auch in der Welt unserer Erzählerin.

Bewertung vom 08.03.2020
Die Bagage
Helfer, Monika

Die Bagage


ausgezeichnet

1914. Es ist der Beginn des Ersten Weltkrieges, als Josef Moosbrugger einberufen wird. Seine Frau Maria bleibt mit den vier Kindern zurück, am Rande des kleinen Vorarlberger Bergdorfes. Die Familie lebt für sich, es sind die Abseitigen, die „Bagage“, wie die Moosbruggers verächtlich von den Dorfbewohnern genannt werden. Abhängig vom Schutz und der Mildtätigkeit des Bürgermeisters meistert Maria den schweren und entbehrungsreichen Alltag. Bis sie auf Georg, einen jungen Deutschen trifft und sie sich für sehr kurze ein anderes Leben erträumt. Und auch wenn Josef zweimal Urlaub von der Front bei Frau und Familie verbringt, als Marias Bauch wächst, kommt sie umso mehr ins Gerede.
Das Kind, mit dem Maria schwanger ist, ist Grete, die Mutter der Autorin. Monika Helfer erzählt die Geschichte ihrer Familie, ihrer Herkunft. Maria und Josef, das ist keine „heilige Familie“. Monika Helfer erzählt vom Großvater, der nie ein Wort mit Grete gesprochen hat, weil er sich seiner Vaterschaft nie sicher war. Sie erzählt vom Bürgermeister, der aufpassen sollte, und nicht Mann genug war, auf sich selbst aufzupassen, sie erzählt von den Onkeln Hermann, Lorenz, Walter und Sepp. Der aufrechten und aufrichtigen Tante Kathe, dem Leben und Sterben der Mutter. Von den eigenen Kindern, dem Sohn dem Maler und der Tochter, die viel zu früh ihr Leben verlor.
Und von der Großmutter erzählt Monika Helfer. Von der schönen Maria, von deren Träumen, die Autorin und Enkeltochter nicht kennt und aufgrund ihrer „Nachforschungen“ wie ein Mosaik zusammensetzt. Es sind eigene Erinnerungen an die Verwandten, erzählte Erinnerungen an die Großmutter und das Leben abseits am Rande des Dorfes. Wie es so ist wenn, man nachdenkt, die Gedanken zu springen vom „Heute“ zum „Damals“ und „Wie es gewesen sein könnte“. So viele Menschen, so viele Jahre. Monika Helfer fasst und erfasst so viel Leben in diesen Roman. Die Feinheit dieses Buches liegt in seiner Kleinheit.

Bewertung vom 17.02.2020
Eine fast perfekte Welt
Agus, Milena

Eine fast perfekte Welt


ausgezeichnet

„Wie schafft man es bloß, an einem solchen Ort zu leben?“
Die Welt ist nicht perfekt. Nicht für Ester, die weg will von Sardinien, weg von der Enge der Insel, der Engstirnigkeit der Mutter, die Ester für den Freitod des Bruders verantwortlich macht. Aber auch am Festland, in Genua, später in Padua, Ester findet mit ihrem Raffaele und der Tochter Felicita kein Glück, weil die Familie anders ist als die Städter. Raffaeles Welt war geprägt vom Krieg, vom Hass gegen den Faschismus, vom Gefangenlager, aber auch von der unbändigen Kraft der Musik.
Felicita, der Tochter fehlt ein Akzent am kleinen a zu ihrem Glück. Selbst als die Familie nach Sardinien zurückkehrt und sich Felicita verliebt. In Sisternes, den Sohn aus reichem Haus, der sie nur für seine Lust benutzt und Felicita das mit Liebe verwechselt.
Und schließlich Gregorio, Felicitas Sohn, das besondere Kind, der Musiker, der den Schritt wagt, nach Amerika zu gehen und dort auch kein Glück findet.
„Wie schafft man es bloß, an einem solchen Ort zu leben?“
Die Welt ist nie perfekt, nicht auf Sardinien, nicht am italienischen Festland, nicht in New York. Auch wenn das Gras überall anders viel grüner scheint als dort, wo man gerade ist. Was Ester nicht schafft, bringt Felicita zustande. Sie findet Befriedigung im Kleinen, auch wenn es lange, lebenslange dauert.
Milena Agus hat mit ihrem Roman „Eine fast perfekte Welt“ eine besondere Liebeserklärung an Sardinien geschrieben. Wie schon in ihren anderen Romanen (Die Frau im Mond, Die Flügel meines Vaters) sind vor allem ihre Frauenfiguren komplex und kompliziert. Diese Frauen handeln nicht immer nachvollziehbar, bewegen sich oft am Rande des Absonderlichen, perfekt unperfekt , getrieben von Sehnsüchten und dem Bestreben nach Erfüllung. Milena Agus beschreibt, aber sie bewertet nicht, lässt den Leser allein mit der Interpretation, was manchmal schwerfällt. Ester, Felicita, die alte (Groß)mutter, Felicitas Freundin in Cagliari, sie alle stehen der kargen Schönheit, der schroffen und pittoresken Insel Sardinien in nichts nach.

Bewertung vom 11.02.2020
1794 / Winge und Cardell ermitteln Bd.2
Natt och Dag, Niklas

1794 / Winge und Cardell ermitteln Bd.2


gut

Erik Drei Rosen, ein junger Bursche aus adeligem Geschlecht wird verdächtigt seine frisch angetraute Ehefrau auf schlimmste Weise ermordet zu haben. In Stockholms Tollhaus wird er von nun an festgehalten Die Mutter der jungen Frau hat Zweifel an den Geschehnissen und beauftragt den Stadtknecht Jean Michael Cardell (genannt Mickel) mit Nachforschungen.
Cardells, der nach Cecil Winges Tod vollkommen dem Suff verfallen ist, erhält die einmalige Chance, seine Leben wieder auf die Reihe zu bekommen. Unterstützt wird der einarmige Häscher von Emil Winge, dem Bruder seines verstorbenen früheren Partners.

1794 ist nun die Fortsetzung meines letztjährigen Jahreshighlights.
"Die Latte liegt hoch für dieses Genre", habe ich über 1793 geschrieben.
Niklas Natt och Dag hat in seinem neuen Werk ein bisschen Luft nach oben gelassen. Vielleicht weil der "Überraschungseffekt" weg ist, dem Leser das grausame dunkle, verworfene Stockholm schon bekannt ist. Vielleicht lag es auch daran, dass der die herzzerreißende Liebesgeschichte des jungen Erik, der in die Kolonien geschickt wurde, um dem Mädchen entfremdet zu werden, fast den gesamten ersten Abschnitt des Buches einnimmt. (Die Einblicke in das Elend des Kolonialismus, die Widerwärtigkeiten der Sklaverei sind dem Autor dennoch gelungen).
In 1794 folgt der schwedische Autor demselben Muster wie im Jahr zuvor. Das Buch ist in vier Abschnitte, für jede Jahreszeit einen, gegliedert. Es empfiehlt sich sehr die Vorgeschichte zu kennen, den wir treffen auf viele bekannte Gesichter, so auch Anna Stina Knapp, mittlerweile Mutter von Zwillingen, aus dem ersten Teil. Der Kriminalfall, nämlich der fragwürdige Tod der jungen Ehefrau, gerät sehr ins Hintertreffen. Das Buch wird mehr und mehr zum historischen Tragödie. Die Handlung ergeht sich in Wiederholungen. Intrigen, Verschwörungen, Obsession und Wahnsinn, das persönliche Drama von Mickel, Emil und Anna Stina dominiert.

Aber steckt man aber erst in dem Unrat und der Verkommenheit des Buches drin, ist es auch schwierig diesem ambivalenten Sog an Spannung und Ekel zu entkommen. Lesenswert ist das Buch allemal wieder!

Bewertung vom 05.02.2020
Im Netz des Lemming / Lemming Bd.6
Slupetzky, Stefan

Im Netz des Lemming / Lemming Bd.6


ausgezeichnet

Leopold Wallisch, der Lemming, Ex-Kriminseser, Nachtwächter im Tiergarten Schönbrunn, Ehemann, Vater. Stolz ist er auf seinen11-jährigen Sohn Ben, dass dieser sich mit Mario angefreundet hat, einem Buben der sonst keine Freunde zu haben scheint. Doch dann wird der Lemming Zeuge, wie sich der kleine Mario wie aus heiterem Himmel vor eine fahrende U-Bahn wirft. Ein Ereignis, das den Lemming völlig aus der Bahn wirft. Es ist nicht nur das schreckliche Erlebnis, das er zu verkraften hat, nein, er wird auch noch Opfer eines bösartigen Cybermobbings. Denn alle Welt glaubt, er hat den Selbstmord von Mario zu verantworten.
Stefan Slupetzky, der Wiener Autor und Musiker lässt uns nun schon zum sechsten Mal am Leben des Leopold Wallisch teilhaben. Der Lemming ist ein eigentlich ein ganz gemütlicher, lebt zufrieden mit Gattin, der Tierärztin Klara, seinem Sohn, seinem beschaulichen Job. Hin und wieder geht auf ein oder mehrere Gläser mit seinem Ex-Kollegen Polivka in die Wirtschaft. Eine Ruh will er eigentlich haben, um so neumodisches Grafflwerk wie das Internet oder Soziale Medien schert er sich nicht. Nach dem Tod von Mario muss er sich nun aber mit diesem für ihn fremdartigen Metier auseinandersetzen, mit der Missgunst derer, die sich hinter der Anonymität schön verstecken können, mit der geballten Aggression von Trollen, mit den „besorgten Bürgern“, die die Ursache allen Übels der Welt denen zuschanzen, die eh nichts haben, den Flüchtlingen. Und da kann er ganz schön laut werden, beim Nachdenken über den lancierten Unmut durch emporstrebende Politiker allerlei Farben.
Sehr reale Vorbilder nimmt Slupetzky hier aufs Korn, lässt den Lemming ein bisschen Alter Ego spielen. Was den Autor ärgert, ärgert auch den Lemming: der Ausländerhass, die Politik auf Kosten von Minderheiten und sozial Schwachen, aber auch die Verbotskultur der Grünen und die Selbstausschaltung der Sozialdemokratie.
„Im Netz des Lemming“ ist ein sehr aktuelles, persönliches, zorniges, politisches Buch. Darf das denn sein, dass Politik in einem Unterhaltungssgenre Platz findet? Ja, und ob. Wer sich veröffentlicht, kann, darf, muss Position beziehen. Wenn das Buch dann aber auch noch Charme, Witz und Geist hat, erst recht. Gut gemacht, lieber Stefan Slupetzky!

Bewertung vom 05.02.2020
Draußen
Klüpfel, Volker;Kobr, Michael

Draußen


weniger gut

Cayenne und ihr Bruder Joshua haben kein liebevolles Zuhause, ja nicht einmal ein fixes Dach über dem Kopf. Die beiden Teenager leben im Wald, gemeinsam mit dem erwachsenen Stephan, ihrem „Betreuer“ und Trainer. Allzeit auf der Hut, ihr Leben ein einziges Überleben. Doch eines Tages wird Cayenne von einem Unbekannten angegriffen und schwer verletzt. Dies löste eine Welle von Gewalt aus.
Volker Klüpfel und Michael Kobr versuchen sich nach langen Jahren Kluftinger und Allgäucharme im Thrillergenre. Das Autorenduo wählt dazu ein Setting, das aktuell, brisant und vielschichtig sein kann: Die Prepper Szene, „prepared“, vorbereitet; Menschen, die sich unabhängig machen vom Staat und dem System. INCH, das bedeutet: I never come home. Die Protagonisten in dieser Geschichte haben gar kein „Heim“, in das sie zurückkehren können. Wer sind Cayenne und Joshua, wer ist der ominöse Stephan? Lange fragt man sich, was diese Menschen da im Wald eigentlich treiben, wie sie überhaupt zusammengehören. Das alles hat Potential für eine eindringliche Geschichte.
Doch was Klüpfel und Kobr da abliefern ist bestenfalls Actiontrash. Hier werden sämtliche Klischees bedient: Nerds, Verschwörungstheoretiker, Reichsbürger, korrupte Politiker, einen „mindful evil“ asiatischen Handlanger. Eine Hau-Drauf Szene wechselt die andere ab, Machosprüche, der Testosteronausstoß riecht übel. Sprachlich geht das Buch schnell von den Seiten, da gibt es absolut keine Herausforderung, keine Atmosphäre. Die ganze Story war reichlich konstruiert und trotz der geballten Action genaugenommen langweilig.
Dieses Buch war leider nicht mein Ding.

Bewertung vom 25.01.2020
Die Zeit des Lichts
Scharer, Whitney

Die Zeit des Lichts


ausgezeichnet

Lee Miller, Model, Fotografin, Kriegsberichterstatterin. Sie war wunderschön, geprägt in ihrer Kindheit, unsicher als junge Frau, traumatisiert durch ihre Erlebnisse im zweiten Weltkrieg, Alkoholikerin zum Lebensende.
Die amerikanische Autorin Whitney Scharer debütiert mit dieser literarischen Biografie über eine besondere Frau. Lee Miller, Geliebte, Ehefrau, Künstlerin. Sie erzählt von Lee Millers Zeit an der Seite von Man Ray, der sie protegiert, sie als Assistentin anstellt, der ihr Geliebter ist am Ende der 1920er Jahre, in Paris, der Stadt der Liebe, der Stadt des Lichts. Aber Scharer erzählt auch von den dunklen Zeiten, als Lee Miller sich als Kriegsberichterstatterin für das US Militär akkreditieren lässt. Sie ist in dabei in der Normandie. Sie ist die „Frau in Hitlers Badewanne“. Sie ist aber auch dabei bei der Befreiung der Konzentrationslager Buchenwald und Dachau. Ereignisse, die sie nie wieder wird vergessen können.
Lee Miller war für mich als Person, als Künstlerin nicht wirklich präsent. Hier in diesem Buch konnte ich sie aus der Sicht der Schriftstellerin Whitney Scharer kennenlernen. Ich kann nicht darüber urteilen, ob die Geschichte den tatsächlichen Ereignissen entspricht, welche literarische Freiheit sich die Autorin eventuell genommen hat. Ich weiß nicht, ob Lee Miller so dachte und fühlte, wie Whitney Scharer es beschreibt. Aber ich bin sicher, dass eine Frau genauso denken und fühlen kann. Ich habe das Buch wirklich mit großem Interesse gelesen und dabei auch immer wieder eigene Recherchen zu Lee Miller Leben, aber auch beispielsweise zu Man Ray, angestellt. Ein faszinierendes Leben in vielen Facetten!

Bewertung vom 24.01.2020
In den Klauen des Falken
Kallentoft, Mons;Karolina, Anna

In den Klauen des Falken


sehr gut

Eine Selbstmordattentäterin in Stockholms Untergrundbahn, ein ermordeter Polizeikollege mit Verbindung zu einem Drogenring. Zack Herrys Leben tobt weiter. Und wieder kann sich Zack auf seine Kollegin Deniz und Abdullah, seinen Freund aus Kindheitstagen, verlassen.

Auch der fünften Band aus der Reihe um Zack Herry, den Sonderermittler und tragischen schwedischen Helden, ein wahrer Heroe griechischen Ausmaßes, wartet mit der gewohnten atemlosen Spannung auf. Diese Serie hat für mich eine ganz außergewöhnliche Atmosphäre, düster und kalt. Mons Kallentoft hält mit seiner Co-Autorin Anna Karolina (die den Part von Markus Lutteman übernommen hat) durchgehend den Spannungsbogen oben, die Charaktere sind vielschichtig, oft fragwürdig und bewegen sich in vielen Grauzonen zwischen Recht und Gerechtigkeit. Der schwedische Herkules zehrt von seiner Vergangenheit. Die vorherigen Bände zu kennen ist bei dieser Reihe von Vorteil.
Hart, brutal, Emotionen, die in allen menschlich möglichen Facetten schillern: Im Bereich "Nordic Noir" Thriller legt das Team der Autoren tatsächlich die Latte sehr hoch!

Bewertung vom 06.01.2020
Freefall - Die Wahrheit ist dein Tod
Barry, Jessica

Freefall - Die Wahrheit ist dein Tod


gut

In den Rocky Mountains stürzt ein kleines Flugzeug ab. Der Pilot ist sofort tot. Der einzige Fluggast, Allison, überlebt. Obwohl sie verletzt ist und unter Schock steht flieht sie vom Unfallort. Denn sie weiß, sie ist nicht allen in den Wäldern Colorados. Während Allison offiziell von der Polizei als Todesopfer geführt wird, glaubt Allisons Mutter Maggie nicht daran. Sie setzt alle Hebel in Bewegung, das Leben ihrer Tochter, zu der sie seit zwei Jahren keinen Kontakt mehr hat, aufzurollen und ihre Tochter zu finden.
„Freefall“ ist der Debütthriller der amerikanischen Schriftstellerin Jessica Barry. Während Allison in der unwirtlichen Wildnis ums Überleben kämpft, lässt die Autorin die letzten zwei Jahre im Leben der jungen Frau Revue passieren. Von der jungen College Absolventin und ihrem Abstieg zum Escort Girl, das von einem jungen reichen gutaussehenden Unternehmer gerettet wird. Auch Maggie erzählt viel, von sich, ihrem verstorbenen Mann, von der wunderbaren Allison, die sie als Kind und Jugendliche war. Vieles was Maggie berichtet ist berührend und traurig, aber spannend ist es nicht. Langsam fügt die Autorin die zwei Erzählfäden zueinander. Unterbrochen werden die Handlungsstränge mitunter von kurzen Passagen aus der Sicht des ominösen Verfolgers Allsons. Bei dem Versuch emotional und dramatisch zu erzählen, bedient sich die Autorin leider oft etwas verrutschter Bilder, so lässt sie ein „papierdünnes Lachen aus der Lunge dringen“, „Fett wird aus den Knochen gespült“ oder „wäscht den frisch geschnittenen Kopf“. So holprig die Sprache so stolpert auch die Handlung dahin, bis sie in einem rasanten aber nicht überraschenden Showdown mündet.
Mein Fazit: Freefall – leider durchgefallen!