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Top-Rezensenten Übersicht

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Ruth Justen
Wohnort: 
Leipzig
Über mich: 
Ich lese für mein Leben gern. Daraus ist "Ruth liest", ein Blog mit kurzen und prägnanten Büchertipps einer leidenschaftlichen Leserin, entstanden. Das Webtagebuch möchte anderen Bücherfreunden Orientierung im riesigen Reich der Belletristik geben. Interessierte können daher nicht nur nach Autoren, sondern auch nach Ländern und Schlagwörtern suchen.

Bewertungen

Insgesamt 64 Bewertungen
Bewertung vom 25.11.2011
Peking-Koma
Ma, Jian

Peking-Koma


sehr gut

Ein junger Mann liegt zehn Jahre im Wachkoma. Er hört und spürt seine Umgebung ohne dass diese es bemerkt. Von seinem Bett aus erlebt und schildert er die Umwälzungen in Peking in diesen zehn Jahren. Auf einer zweiten Ebene erzählt er seine Geschichte bis zum Juni 1989. So nahm er als Student an den Demonstrationen auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking teil und wurde von einem Schuss so schwer verletzt, dass er den Rest seines Lebens im Koma verbringt.

Ob vor oder nach 1989 ' sein gesellschaftliches Umfeld ist geprägt von Gewalt, Willkür, Ohnmacht und Grausamkeit. Der hervorragend geschriebene Roman lässt wenig Hoffnung auf eine große politische Veränderung in China zu und hinterlässt den Leser in reichlich melancholischer Stimmung. Dennoch absolut empfehlenswert!

Rowohlt Verlag GmbH 2009

Bewertung vom 25.11.2011
Der Glaspalast
Ghosh, Amitav

Der Glaspalast


ausgezeichnet

Intelligent, tiefsinnig und empathisch beschreibt der Autor die Geschichte Birmas ab 1885 bis heute. Im Mittelpunkt seines Romans steht der junge Rajkumar. Er erlebt den Einmarsch der britischen Truppen und die Schrecken einer Kolonialmacht. Ihn quält die Frage, was wichtiger ist: Selbstbestimmung oder Frieden, mit den Besatzern zusammenarbeiten oder in den Widerstand gehen? Was wird aus den Menschen, die in den Widerstand gehen? Werden sie auch zu Besatzern? Gute Fragen, die in einen Familien- und Liebesroman eingebettet sind. Das Buch fesselt den Leser von der ersten Seite an.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.11.2011
Engel des Universums
Gudmundsson, Einar Már

Engel des Universums


sehr gut

In "Engel des Universums" zeichnet Einar Már Gudmundsson den Weg seines Bruders Páll in den Wahnsinn nach. Er lässt Páll selbst seine Lebensgeschichte bis zum Ende durch Selbstmord beschreiben. Ein erzählerischer Kniff, der den Leser ungemein berührt.

Der künstlerisch begabte Gymnasiast fängt als Teenager an, Wahnvorstellungen zu entwickeln, die ihn immer tiefer in die Abgründe der isländischen Psychatrie der 60iger bis 80iger Jahre führen. Mit Spritzen und Stromschlägen versucht das Personal der "Irrenanstalt" Kleppur Páll zu kurieren. Immer wieder wird er als geheilt entlassen. Und ebenso oft wieder eingewiesen, weil er erneut überzeugt ist, Vincent van Gogh oder Paul Gaugin zu sein. Angstphantasien lähmen Páll zusätzlich und machen ihn auch außerhalb der Anstalt zum Außenseiter und Gefangenen. Trotzdem gibt es heitere Szenen und positive Erlebnisse. Am Ende jedoch siegt die Verzweiflung.

Gudmundsson setzt seinem Bruder mit diesem Roman ein sprachgewaltiges und rührendes Denkmal. Zugleich klagt er das irrsinnige System der Wahnsinnsbekämpfung an.

btb Verlag, Verlagsgruppe Random House Bertelsmann, 2000

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.11.2011
Ehrensachen
Begley, Louis

Ehrensachen


ausgezeichnet

Begley führt den Leser nach Harvard in die Eliteschmiede der USA. Hier geschieht etwas für die amerikanische feine Gesellschaft der 50er Jahre Ungeheures: Jüdische Studenten werden zugelassen.

Henry freundet sich trotz der gesellschaftlichen und religiösen Unterschiede mit Sam und Archie an. Doch keiner seiner zahlreichen Erfolge bringt ihn auf Augenhöhe mit seinen sogenannten Freunden. Nur der Verrat an seiner nicht standesgemäßen Familie macht ihn einigermaßen vorzeigbar.

Erst am Ende seines Lebens befallen den Protagonisten Zweifel an seiner gesellschaftlichen Stellung. Wer ist er? Wohin gehört er? Ist es Ehrensache in der Öffentlichkeit darauf zu beharren, dass man Jude ist? Ein brillantes Buch des Meisters über die eigene Identität und ihre Verleugnung.

Suhrkamp Verlag 2007
Kommentar

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Bewertung vom 25.11.2011
Zweite Person Singular
Kashua, Sayed

Zweite Person Singular


ausgezeichnet

Jüdisch oder arabisch ' das ist die Frage in Israel.

Ein erfolgreicher arabischer Anwalt, angepasst an den israelischen Lifestyle, baut sich ein Haus auf dem Dorf seiner Eltern und ist auf ein Mal wieder draußen aus der israelischen Gesellschaft. Sein israelischer Pass kann daran nichts ändern.

Ein erfolgloser arabischer Student erhält einen Job als Pfleger von einem schwer behinderten Jungen. Nach dessen Tod nimmt er die Identität des jüdischen Jungen an.

Zwei Lebenswege, die das Dilemma der arabischen Israelis aufzeigt. Eingeklemmt zwischen zwei Identitäten, die beide nicht ihren Vorstellungen vom Leben entsprechen, kämpfen die Hauptfiguren verzweifelt um einen eigenen Weg. Ein großes Buch über einen der größten Konflikte unserer Zeit.

Berlin Verlag 2011

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.11.2011
Der alte König in seinem Exil
Geiger, Arno

Der alte König in seinem Exil


sehr gut

Die eigene Herkunft, die eigenen Erfahrungen bestimmen, wie wir ein Buch lesen. Eine Binsenweisheit? Ja, aber wahr.

Meine Mutter hat seit Jahren Demenz. In den 47 Jahren, die ich sie mittlerweile kenne, war sie nie so glücklich wie in diesen letzten Jahren. Sie hat das Negative vergessen. Sie lebt hier und jetzt. Und hier und jetzt erfährt sie Achtung, Liebe, menschliche Wärme, Essen und Trinken - das ist, was sie braucht, um glücklich und in Würde zu leben. Mit dieser Erfahrung gesegnet, finde ich Arno Geigers Erzählung über seinen demenziell erkrankten Vater und seine pflegende Familie ganz wunderbar. Geiger schildert die unverbrüchliche Menschenwürde. Er zwingt uns literarisch, Würde wahrzunehmen, auch wenn sie nicht im schönen und wohlhabenden Gewande daher kommt. Unbedingt lesenswert für jeden, der mit Demenzpatienten umgehen darf oder muss.

Hanser Verlag 2011

6 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.11.2011
Die Sandelholzstrafe
Mo Yan

Die Sandelholzstrafe


ausgezeichnet

Ein Henker, der seinem Opfer ein Sandelholz von einer Körperöffnung zur anderen treibt. Eine Schwiegertochter, die den Scharfrichter und Schwiegervater tötet. Ein Kaiserreich, das versucht, sich mit allen Mitteln gegen seinen Untergang zu wehren.

Das ist das Szenario von Mo Yans Roman "Die Sandelholzstrafe". Wortgewaltig zeichnet er Folter und Unterdrückung im Kaiserreich auf. Yan legt die Wurzeln frei für die Grausamkeiten in China im 20. Und 21. Jahrhundert. Vieles wird so verständlicher für den Mitteleuropäer. Yans Roman ist ein unverzichtbares Buch, für alle, die sich mit der Geschichte Chinas auseinandersetzen möchten. Und literarisch ist es ebenfalls ein Hochgenuss. Der Autor versteht es, den Leser bis zur Seite 652 zu fesseln.

Insel Verlag 2009

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.11.2011
Ein schönes Attentat
Gavron, Assaf

Ein schönes Attentat


ausgezeichnet

Humor und Terrorismus gehen auf den ersten Blick nicht zusammen. Doch Gavron macht das Unmögliche möglich.

Die Hauptfigur ist ein israelischer Yuppie aus der IT-Szene. Eitan entgeht drei Mal hintereinander Attentaten und wird so zum Helden der israelischen Medien. In seinem Büro trifft er auf den zweiten Protagonisten der Geschichte ' Fahmi. Als arabischer Selbstmordattentäter verzweifelt der an der Überlebensfähigkeit Eitans. Beiden entgleitet ihr bisheriges Leben und sie finden sich in eine Art Freundschaft wieder.

Aber welche Art von Freundschaft entsteht, erfährt nur der Leser dieses außergewöhnlich klugen und witzigen Romans.

Luchterhand Literaturverlag 2006

Bewertung vom 25.11.2011
Der Traum meines Großvaters
Yan, Lianke

Der Traum meines Großvaters


ausgezeichnet

Der Traum vom Reichtum wird auf der ganzen Welt geträumt. Warum soll der Wohlstand nicht auch in die chinesische Provinz gelangen? Weil der korrupte Funktionär das verhindert!

Mitten in der Provinz Henan in einem kleinen Ort taucht in den 90er Jahren medizinisches Personal auf, um die Menschen gegen Geld zur Blutspende zu bewegen. Warum nicht, denken sich die Dorfbewohner. Das ist doch leicht verdientes Geld und was kann schon passieren. Allerhand, wenn eine Spritze für alle Blutspender benutzt wird. Am Ende ist ein Großteil der Dorfbewohner mit AIDS infiziert und vegetiert einsam und allein vor sich hin.

Lianke berichtet von der Gier aller Beteiligter nach einem Stück vom vermeintlichen Glück. Vor allem brilliert er in der Schilderung des Untergangs und der Auflösung der Dorfgemeinschaft. Eine tragische Geschichte, wie sie so ähnlich wahrscheinlich überall hätte stattfinden können. Lianke ist ein ganz großer Roman gelungen.

Ullstein Buchverlage Verlag GmbH 2005