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Top-Rezensenten Übersicht

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Ruth Justen
Wohnort: 
Leipzig
Über mich: 
Ich lese für mein Leben gern. Daraus ist "Ruth liest", ein Blog mit kurzen und prägnanten Büchertipps einer leidenschaftlichen Leserin, entstanden. Das Webtagebuch möchte anderen Bücherfreunden Orientierung im riesigen Reich der Belletristik geben. Interessierte können daher nicht nur nach Autoren, sondern auch nach Ländern und Schlagwörtern suchen.

Bewertungen

Insgesamt 64 Bewertungen
Bewertung vom 25.11.2011
Die Reise des Elefanten
Saramago, José

Die Reise des Elefanten


sehr gut

Saramago beschreibt in seiner Erzählung "Die Reise des Elefanten" das fiktive Schicksal eines Elefanten und seines indischen Führers im Reich des König Johann III. von Portugal. Tier und Mensch sind nur Spielbälle der Politik. Und niemand durchschaut das politische und gesellschaftliche Treiben so genau wie der indische Elefantenführer. Die Lektüre ist für Geschichtsinteressierte ein großer Gewinn, zumal die Sprachgewalt von Saramago so stark wie eh und je ist.

Hoffmann und Campe Verlag 2010

Bewertung vom 25.11.2011
Der Cellist von Sarajevo
Galloway, Steven

Der Cellist von Sarajevo


ausgezeichnet

Der Roman "Der Cellist von Sarajevo" basiert auf einer wahren Begebenheit. 1992 wurden während der Belagerung Sarajevos bei einem Mörserangriff 22 Menschen getötet und zahlreiche weitere verletzt. Sie hatten in einer Schlange vorm Bäcker auf Brot gewartet. Ein Cellist spielte darauf hin 22 Tage lang genau an der Stelle des Mörsereinschlags, um der Toten zu gedenken.

Diese Begebenheit nimmt der Kanadier Galloway zum Anlass, die Auswirkungen einer Belagerung auf die eingeschlossenen Bevölkerung literarisch nach zu zeichnen.

Der Autor schildert den Alltag dreier Figuren in der eingeschlossenen Stadt. Die junge Frau Strijela, eine Scharfschützin im Dienste der Stadtverteidiger, begleitet er auf ihren Feldzügen und zeigt ihre zunehmenden Zweifel an ihrer Tätigkeit. Der ältere Herr, Dragan, hat Frau und Kind rechtzeitig aus der Stadt gebracht und irrt nun allein durch die Stadt. Kenan hingegen muss seine drei Kinder und seine Frau versorgen. Seine schwierigste Aufgabe ist es, alle vier Tage Wasser von der einzig sauberen Quelle am anderen Ende der Stadt zu holen.

An jeder Straßenkreuzung können Scharfschützen lauern. So wird jeder Gang aus dem Haus zu einem Kampf auf Leben und Tod gegen einen unsichtbaren Feind. Und natürlich verändert diese permanente Bedrohung, der ewige Existenzkampf die Menschen. Das Gros der Bewohner denkt in erster Linie an sich, ist nur bedacht auf das eigene Überleben. Eine Minderheit entwickelt hingegen ungeahnte Kräfte.

Wie immer sich ein junger Kanadier in diese Menschen eindenken kann, Galloway ist hier ein außergewöhnliches Buch gelungen. Die Verletzung von Körper und Seele, die Verzweiflung über die Welt und die Zweifel an sich selbst, all das schildert er mit viel Reife und Tiefgang. Ein wichtiges Buch über einen wichtigen Krieg in unser aller Nähe, den wir all zu schnell aus unserem Bewusstsein verdrängt haben.

Luchterhand Literaturverlag in der Verlagsgruppe Random House 2008

Bewertung vom 25.11.2011
Die besondere Traurigkeit von Zitronenkuchen
Bender, Aimee

Die besondere Traurigkeit von Zitronenkuchen


ausgezeichnet

Der Roman "Die besondere Traurigkeit von Zitronenkuchen" ist zum Heulen schön.

Die Tochter entdeckt als Kind eine besondere Begabung an sich. Sie kann aus dem Essen die Gefühle des jeweiligen Kochs herausschmecken. Toll? Naja. Zunächst ist es ungemein erschreckend, wenn du als Tochter die Traurigkeit aus Mutters Zitronenkuchen oder die Untreue aus ihrem Rostbeef fühlst.

Jedes Essen wird so zur Tortur. Wut, Hast, Angst, Depressionen, was immer die Köche in der Schule, im Freundeskreis oder im Restaurant gerade empfanden, alles landet in Kopf und Seele von Rose.

Wie kann ein Kind die Gefühle all der anderen Menschen aushalten und sich gleichzeitig für geradezu außerirdisch und unverstanden empfinden? Denn niemand in ihre Familie ist so richtig zum Sprechen aufgelegt. Aber warum? Verbergen die anderen auch ein Geheimnis?

Selber lesen macht ungemein Spaß! Und die Taschentücher für das Ende nicht vergessen.

Berlin Verlag 2011

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.11.2011
Sucht mein Angesicht
Updike, John

Sucht mein Angesicht


gut

Updike lässt in seinem Roman "Sucht mein Angesicht" eine große alte Dame der US-amerikanischen Malereiszene in einem Interview zu Wort kommen. Sie erzählt ihre Lebensgeschichte und zeichnet dabei ein Bild von den berühmten Malern der USA im 20. Jahrhundert.

Das Buch ist hochinteressant für alle, die sich mit Kunstgeschichte oder der US-amerikanischen Gesellschaft beschäftigen. Allerdings muss man sehr viel über die US-amerikanische Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts wissen, um der Erzählung folgen zu können.

Leider habe ich hier erhebliche Defizite und konnte so das Buch, trotz meisterhafter Feder, nur halb genießen.

Rowohlt Verlag 2005

Bewertung vom 25.11.2011
Rasmussens letzte Reise
Jensen, Carsten

Rasmussens letzte Reise


sehr gut

Ein wunderbares Buch über den Sinn des Lebens und das verzweifelte Streben des Menschen, Spuren zu hinterlassen.

Der dänische Maler Carl Rasmussen zieht auf einer Schiffsreise nach Grönland Bilanz. Feinsinnig skizziert der Autor Erfolg und Scheitern des Malers im privaten Umfeld und im beruflichen Werdegang. Jensen erzählt gleichzeitig die Geschichte eines Aufsteigers im Dänemark des 19. Jahrhunderts und seiner Familie. Zudem erfährt der Leser viel Wissenswertes über die gesellschaftlichen Verhältnisse in Dänemark und Grönland.

Der Roman ist ein anspruchsvolles, leicht melancholisches Werk.

Albrecht Knaus Verlag in der Verlagsgruppe Random House 2010

Bewertung vom 25.11.2011
Der Colonel
Doulatabadi, Mahmud

Der Colonel


sehr gut

Der Iran sorgt immer wieder für Schlagzeilen. Die zweifelhafte Nutzung von Atomenergie die Manipulation von Wahlen und die blutige Niederschlagung von Protesten macht einen nachdenklich. Woher kommt die Gewaltbereitschaft von Regierungsseite? Wie hält die Bevölkerung den Terror gegen sich aus?

Doulatabadi unternimmt in seinem Werk "Der Colonel" eine Reise zum Beginn der islamischen Revolution 1979. Die Hauptfigur war ein hoher Offizier im Schah-Regime. Als solcher hatte er Schuld auf sich geladen. Seine Söhne kämpften für die Revolution und er ließ sie diesen Weg gehen, weil er seine Schuld abtragen wollte. Einer von ihnen kehrt völlig gebrochen aus der Haft des Schah zurück. Seine anderen Kinder werden Stück für Stück von der Revolution "gefressen".

Die Regierungen wechseln sich in ihren Grausamkeiten lediglich ab und basieren auf der Ohnmacht und Wut der ehemaligen Verlierer. Die Familie hält den Terror der beiden Gewaltherrschaften auf Dauer nicht Stand. Sie erleidet sie, wehrt sich auf unterschiedlichen Wegen und bleibt doch bis zum jeweils eigenen Tod ohne große Hoffnung auf bessere Verhältnisse.

Ein düsterer Roman, der den Leser um einiges klüger aber auch mutloser entlässt.

Unionsverlag 2009

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.11.2011
Suite française
Némirovsky, Irène

Suite française


ausgezeichnet

Eine unglaubliche Vorstellung: Der Tod klopft an deine Tür und du schreibst darüber, dass der Tod anklopft. Genau das hat Irène Némirovsky getan. Als Jüdin flieht sie mit ihrer Familie aus Paris vor dem deutschen Einmarsch ins Hinterland. Immer näher kommt die Wehrmacht. Immer enger zieht sich der Kreis um sie zu. Und sie schreibt über diese sich zuziehende Schlinge bis zum Tag ihrer Verhaftung.

Dieser Roman ist ein Muss für alle Schulen zumindest in Deutschland und Frankreich. So eindringlich, beklemmend und zwangsweise authentisch hat kaum ein Autor bis zu seiner eigenen Vernichtung geschrieben.

btb Verlag in der Verlagsgruppe Random House 2007

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.11.2011
Das Dorf der Wunder
Jacobsen, Roy

Das Dorf der Wunder


sehr gut

Ein Örtchen in Finnland im Winter 1939 ist die Kulisse für diesen Roman über den Überfall der Sowjetunion auf Finnland. Die Kleinstadt wird von den finnischen Truppen geräumt und abgebrannt, damit die sowjetische Armee dort keine logistische Unterstützung erhalten kann. Nur dem "Dorftrottel" und Holzfäller Timo wird gestattet im Ort zu bleiben. Alle rechnen mit seinem baldigen Tod. Doch der "Trottel" ist gar keiner. Er ist eigensinnig. Er will in seiner Heimat überleben und er will eine Hand voll Russen, die mit ihm Holz für die Armee geschlagen haben, helfen zu überleben.

"Das Dorf der Wunder" ist ein leises und vielleicht gerade deshalb ein umso spannenderes Buch über einfache Menschen in schwierigen Situationen. Mit viel Feingefühl erzählt Jacobsen von der Macht der Zerstörung und dem verzweifelten Versuch einer kleinen Gruppe von Menschen dieser körperlichen und seelischen Zerstörung zu entgehen.

Osburg Verlag 2010

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.11.2011
Pferde stehlen
Petterson, Per

Pferde stehlen


ausgezeichnet

Wenn ich eine Zeit in einer einsamen Hütte in Norwegen verbringen und einen Rucksack mit Büchern mitnehmen dürfte, "Pferde stehlen" von Per Petterson wäre auf jeden Fall dabei.

Der Roman spielt in der Idylle des ländlichen Norwegens nahe der schwedischen Grenze. Trond lebt hier im Alter. Einsam aber nicht unzufrieden zieht er seine Lebensbilanz. Die Sehnsucht nach den geborgenen Teenagertagen im letzten gemeinsamen Sommer mit seinem Vater trieb ihn zurück an diesen Ort. 50 Jahre nach dem Verschwinden seines Vaters findet er die Hintergründe heraus und kann sich endlich mit seinem Vater und damit mit sich aussöhnen.

"Pferde stehlen" ist ein wunderbarer Familienroman und zugleich ein Geschichtsbuch über die Auswirkungen der deutschen Besatzung auf die norwegische Bevölkerung. Das Buch ist voller Wärme für seine Protagonisten geschrieben.

Carl Hanser Verlag 2003

Bewertung vom 25.11.2011
Der Afrikaner
Le Clézio, J. M. G.

Der Afrikaner


sehr gut

In dem schmalen Bändchen "Der Afrikaner" zeigt sich der Erzähler J.M.G. Clézio in seiner ganzen Größe.

Einfühlsam berichtet er über seine Kindheit im vom Krieg geprägten Frankreich und von der so ganz anderen Welt - von Afrika. Die Familie zieht 1948 nach Kamerun, um den Vater wieder zu treffen, der als Tropenarzt während des 2. Weltkrieges dort ausgeharrt hatte. Der Krieg hatte jeden persönlichen Kontakt zwischen dem Vater und der Familie unmöglich gemacht. Und so ist die Reise des 8-jährigen Clézio die erste bewusste Begegnung mit dem Vater und mit der Fremde. Wobei der Vater für den Sohn fremder bleibt als Afrika. Sein autoritäres Verhalten, seine Schonungslosigkeit gegenüber sich selbst und seiner Familie, um seine Ideale zu realisieren, entfernen den Vater vom Sohn. Was bleibt ist viel Respekt für die Lebensleistung des Vaters aber auch viel Schmerz über die Lücke, die der Vater im Leben seines Sohnes hinterlässt.

"Der Afrikaner" ist ein großartiger Familienroman, der zudem einen tiefen Einblick in die Kolonialgeschichte bietet.

Carl Hanser Verlag 2007
Kommentar

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