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MarieOn

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Insgesamt 42 Bewertungen
Bewertung vom 02.08.2023
Melody
Suter, Martin

Melody


ausgezeichnet

Tom, arbeitsloser Anwalt, dessen Vater verstorben ist und ihm nicht die erhoffte Liquidität ermöglicht, braucht einen Job. Er soll den Nachlass von Dr. Stotz ordnen. In den Stunden, die Tom nicht mit Dr. Stotz diniert und Weine degustiert, taucht er in dessen Geschichte ein. Dr. Stotz schwebt vor, der Nachwelt ein Bild zu hinterlassen, das ihn weiter strahlen lässt.

Das Thema ist die Vernunft, diese spröde Jungfer. Sie hat mir ein Leben lang in der Sonne gestanden. Sie hat mich herumkommandiert, wie eine Gouvernante. Und ich Trottel habe ihr immer gehorcht. Sie hat mich zu einem anderen Menschen gemacht als der, der ich sein wollte. S 34

Dr. Stotz, erfolgreicher Geschäftsmann, glaubt noch ein Jahr zu leben und so nimmt Tom diese Herausforderung an. Jeden Mittag und Abend während beide Mariellas sowohl hervorragende als auch reichhaltige italienische Küche genießen, hört Tom Dr. Stotz zu. Er erfährt alles über dessen ehemalige Angebetete, die spurlos verschwand. Im ganzen Haus finden sich kleine Gedenkstätten mit ihren Portraits.

Der Autor lässt Stimmungen entstehen, lässt die Protagonisten vor sich hin plaudern, wie in einem Film, lässt Dialoge von großer Handwerkskunst entstehen, zeigt statt zu erzählen. Man ahnt nicht auf was es hinauslaufen wird und ist am Ende über die Entwicklung überrascht.

Fazit: Absolut gepflegte Unterhaltung, schöne Atmosphäre, gelungene Dialoge.

Bewertung vom 31.07.2023
22 Bahnen
Wahl, Caroline

22 Bahnen


ausgezeichnet

Die Geschichte ist eine Ich-Erzählung. Tilda, eine junge Mathematikstudentin hat es schwer. Ihr Vater ist abgehauen und zahlt keinen Unterhalt. Nachdem er weg war begann ihre Mutter zu trinken. Mit der Zeit immer mehr. Jetzt liegt sie meistens unansprechbar auf dem Sofa oder sucht Streit. Das alles wäre an sich nicht Tildas größtes Problem. Ihre geliebte kleine Schwester Ida kann sich jedoch gegen “Monster-Mama” nicht wehren, gerät immer wieder zwischen die Fronten aus Rausch und Frust und läuft schon mal weg.

Tilda muss sich ihr Studium selbst verdienen, deshalb sitzt sie jeden Tag an der Kasse eines Supermarktes und scannt Lebensmittel ein. So oft sie kann fährt sie ins Schwimmbad und schwimmt 22 Bahnen. Wenn sie nicht sicher ist, ob sie richtig gezählt hat, hängt sie zur Strafe noch zwei dran, dabei begegnet ihr zwangsläufig Viktor (mit K), der große Bruder von Iwan, der ihr Freund war, bevor es passierte.

Ich mag den Erzählstil sehr:

Ich weiß natürlich, dass ich alarmiert sein muss, dass sie (Mutter) dieses Level an Aktivität nicht lange halten kann und dass wir keine Abendbrottisch-Familie sind, aber ein bisschen darf ich ja auch träumen.

Sie lässt uns Tildas Emotionen miterleben, ihre Wut, ihre Verbundenheit, ihre Verliebtheit und ihre Erschöpfung, wenn sie an den Rand des Schaffbaren gerät. Zeichnet schöne plastische Charaktere, die ich auch gerne kennengelernt hätte.

Obwohl einige emotional belastende Situationen passieren, schreibt die Autorin sich gekonnt schleichend and die Szenen heran und bereitet uns langsam darauf vor. Ich mag, wie die Autorin immer wieder zum Supermarkt springt und Tilda die Waren übers Band ziehen lässt. Und wie Tilda anhand der Produktpalette errät, wen sie vor sich hat, bevor sie nach oben schaut.

Fazit: Caroline Wahl hat etwas schönes geschaffen. Sie erzählt uns von Verantwortung und bedingungsloser Liebe. Von der Schwere des Erwachsenwerdens und einer gestohlenen Jugend. Es ist ein Buch, das Mut macht.

Die Autorin: CAROLINE WAHL wurde 1995 in Mainz geboren und wuchs in der Nähe von Heidelberg auf. Sie hat Germanistik in Tübingen und Deutsche Literatur in Berlin studiert. Danach arbeitete sie in mehreren Verlagen. -22 Bahnen- ist ihr Debütroman. Caroline Wahl lebt in Rostock