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Svanvithe

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Insgesamt 145 Bewertungen
Bewertung vom 14.07.2020
Trauzeugen küsst man nicht (eBook, ePUB)
Costa, Annabelle

Trauzeugen küsst man nicht (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Eigentlich macht es Kirby Matthews nicht aus, dass die meisten ihrer Freundinnen verheiratet oder zumindest verlobt sind und sie mit fast dreißig noch keinen Ring am Finger trägt. Sie nimmt es locker und mag ihre Freiheit. Schließlich will sie nicht eine dieser bemitleidenswerten, unverheirateten Frauen sein, die bei einer Hochzeit in der ersten Reihe stehen und enthusiastisch den Brautstrauß fangen – immer in der Hoffnung, dass sie als Nächstes an der Reihe sind. Eine entwürdigende Vorstellung. Aber dann stellt ihr Freund Ted Foster auf einer solchen Hochzeit die Fragen aller Fragen. Und Kirby sagt sofort Ja.

Ein kleines Problem gibt es jedoch hinsichtlich der Vorbereitungen: Kirby wohnt in Jersey City, ihr Verlobter lebt im Silicon Valley in Kalifornien. Die beiden lernten sich nämlich online kennen und verbringen derzeit noch wenig Zeit miteinander, weil sie eine Fernbeziehung führen. Die junge Frau stürzt sich trotzdem mit Elan in die Planung ihrer Hochzeit und soll sich auf Bitten von Teds bestem Freund, dem Trauzeugen, unterstützen lassen.

Leider hat Ted vergessen zu erwähnen, dass John Yang im Rollstuhl sitzt und auf Grund dessen der Kontakt in den vergangenen Jahren eher sporadisch gewesen ist. Und tatsächlich, zunächst benimmt sich John wirklich unmöglich und benutzt seine Behinderung, um zu beweisen, dass er die Menschen in seiner Umgebung auf Distanz zu halten trachtet. Doch nach und nach lernt Kirby einen Menschen kennen, mit dem sie mehr Gemeinsamkeiten verbindet als mit ihrem zukünftigen Ehemann.

Was also tun, wenn sich der „beste Mann“ als Seelengefährte entpuppt und die eigene Hochzeit in Frage stellt?


Annabelle Costas „Der Trauzeuge. Liebe und andere Handicaps“ ist eine bemerkenswerte Liebesgeschichte, weil sie jenseits der üblichen Normalität stattfindet und eine ungewöhnliche Thematik aufgreift: John sitzt nach einem Unfall, bei dem sein Genick gebrochen wurde, querschnittsgelähmt im Rollstuhl.

Um es gleich vorweg zu nehmen. In Annabelle Costas Roman geschieht kein Wunder. John kann nicht plötzlich wieder laufen. Seine Behinderung ist dauerhaft. Die Autorin schildert erstaunlich gelöst und bildintensiv und wahrscheinlich deswegen sehr signifikant die Einschränkungen, denen John wegen der Lähmung unterworfen ist. Der Einunddreißigjährige kann viele Tätigkeiten nicht ausführen und ist in seiner Beweglichkeit extrem eingeschränkt. Eines belastet ihn allerdings oft mehr: Die Menschen sehen ihm nicht in die Augen, verhalten sich seltsam und verletzen seine Gefühle. Denn grundsätzlich ist ja sein Kopf völlig in Ordnung, nur sein Körper eben nicht.

Annabelle Costa nimmt kein Blatt vor den Mund und verzichtet zudem nicht auf das Ansprechen unangenehmer Themen. Trotzdem führt sie ihren Helden niemals vor und beschreibt mit enormer Empathie seine Verwundbarkeit.

Vor allem schlägt einen heiteren Ton an, wenn ihre Protagonisten miteinander agieren.

John hat einen trockenen Humor, der extrem bissig und sarkastisch sein kann, wodurch er manchmal gemein klingt, aber zugleich auch unglaublich witzig wirkt. Kirby liebt es, sich mit ihm zu kabbeln. Sie verfügt über eine unerschöpfliche Energie und ist Cupecake-Bäckerin aus Leidenschaft. Während ihrer Arbeit im Laden ihrer Tante Minnie kreiert sie gerne neue Rezepte, die sie nicht allein John, sondern ebenso den Leser „kosten“ lässt. Eines der Dinge, die beide mögen. Das Anschauen von skurrilen Filme ist eine weitere Übereinstimmung.

Kirby und John während der Entwicklung ihrer Emotionen zu beobachten, macht nicht nur während der amüsanten Momente Freude. Dabei ist es von Vorteil, dass die beiden uns aus ihrer jeweiligen Sicht an ihrer Gefühlswelt teilhaben lassen und zu jedem Zeitpunkt Einblicke ermöglichen, wie es ihnen gerade geht. Mit dieser Darstellung beweist Annabelle Costa großes Einfühlungsvermögen.

„Der Trauzeuge. Liebe und andere Handicaps“ beeindruckt mit einer innigen und warmherzigen Geschichte abseits von Kitsch und Klischee.

Bewertung vom 09.07.2020
Mörderisches Mallorca - Toni Morales und die Töchter des Zorns / Comandante Toni Morales Bd.1
Bellmar, Elena

Mörderisches Mallorca - Toni Morales und die Töchter des Zorns / Comandante Toni Morales Bd.1


ausgezeichnet

„Toni Morales und die Töchter des Zorns“ von Elena Bellmar ist ein solider Kriminalroman, der sich auf Grund seiner angenehmen Erzählweise sehr gut lesen lässt. Vordergründig beschäftigt er natürlich mit den Todesfällen, zudem spricht er allerdings auch einen erschreckenden Abschnitt der spanischen Vergangenheit an. Diesbezüglich gelingt es der Autorin ausgezeichnet, reale Fakten in ein fiktives Geschehen einzubinden. Mit Fingerspitzengefühl und Anteilnahme greift sie den furchtbaren, von der katholischen Kirche gedeckten und betriebenen Kindesraub in den Jahren von 1939 bis 1975 und sogar bis 2001 auf und bewegt damit nicht nur die Gemüter ihrer Protagonisten. Der vorgenommenen Wertung kann auf jeden Fall gefolgt werden, denn etwas anderes als Ablehnung der dargestellten Praktiken und abstrusen Ereignisse während der Franco-Diktatur kann es in diesem Fall auch nicht geben. So entsteht Verständnis, wenn Betroffene illegale Wege beschreiten, um die Geheimnisse ihrer Existenz aufklären zu können.

Weiterhin beschreibt die auf Mallorca lebende Autorin einige Details der kontrastreichen Gegenden der Insel: Raue Berglandschaft im ungewohnten Kontrast zur flachen Ebene, die atemberaubende Bilder und Blicke in die Täler bieten. Andererseits hätte es im Verlauf der Handlung durchaus noch ein wenig mehr von diesem Flair sein können.

Die Figuren sind indes vielfältig, besitzen Individualität und unterschiedliche Charaktereigenschaften, die insbesondere in Tonis neuem Team bislang lediglich vereinzelt in den Mittelpunkt gerückt werden.

Antonio Morales selbst präsentiert sich als sympathische, zugängliche Persönlichkeit. Er möchte wirklich ein ansprechbarer Vorgesetzter sein, zu dem seine Mitarbeiter bei Problemen kommen können. Für ihn zählen Leistungen und der Zusammenhalt im Team. Darauf legt er auch bei den neuen Kollegen, Catarina Pérez, seine rechte Hand, den manchmal etwas übereifrigen David Zapatero, den werdenden Vater Pedro Sanchez, den ältesten Bruno Martín sowie den jüngsten Manuel Sastre, Wert.

Erfreulich ist Tonis Bemühen um seine Ehefrau und ihr Wohlwollen. Sie begegnen sich auf Augenhöhe. Er liebt sie und ihre kleinen Wortgefechte. Und weil er mehr Zeit mit ihr verbringen und seine Ehe trotz ihrer Großzügigkeit und Nachsicht nicht dem Polizeidienst opfern will, hat er seine stressige Tätigkeit bei Europol in Madrid und Deutschland aufgegeben und Melanie überredet, nach Mallorca zu ziehen.

Mit auf die Baleareninsel ausgewandert ist Schwiegermutter Adelheid, eine Hippiebraut der Siebzigerjahre, die ab und an heimlich Gras raucht und auch sonst nicht auf den Kopf gefallen ist. Vielleicht ein wenig schrullig, hält sie sich nicht immer an die Regeln oder befolgt gar stur die Gesetze. Und dann knallt es gewaltig. Aber Toni schätzt ihre eigenwillige Art insgeheim, und Adelheid ist mit ihrem klugen Kopf und ihrer Empathie eine Bereicherung der Geschichte.

Nicht nur aus diesem Grund steht einer baldigen Reise nach Mallorca nichts im Wege. Denn immerhin will Toni Morales noch den Mord an seinem Bruder aufklären...

Bewertung vom 29.06.2020
Lucas und der Zauberschatten
Gemmel, Stefan

Lucas und der Zauberschatten


sehr gut

Lucas steht vor der Meisterung einer Mutprobe. An sich völlig in Ordnung für ihn, sofern diese „Challenge“ tatsächlich ein Spaß wäre. Doch Lucas soll die Boombastic 4.0, eine neue Musikbox, aus dem Laden stehlen. Und das kann er überhaupt nicht mit seinem Gewissen vereinbaren, denn in seinem ganzen Leben hat er noch nie gestohlen.

Wie kommt er aus dieser Situation nur wieder raus, ohne dass seine kleine Schwester darunter leiden muss, wenn Lucas sich vor der Wette drückt?

Die Musikbox rückt in den Hintergrund, als ein alter Mann auftaucht, der ziemlich seltsam erscheint. Ob Lucas ihm glauben kann, dass dieser Nathanael ein Magier ist und vor Jahrhunderten beim berühmten Zauberer Merlin gelernt hat? Irgendetwas Wahres muss daran sein, weil die folgenden Ereignisse so unglaublich und verrückt sind, als dass sie nicht stimmen können. Und so begibt Lucas gemeinsam mit seinen neuen, gleichaltrigen Gefährten Li-Feng und Ole auf Zeitreise, um Nathanael zu helfen, die Teile des zerschnittenen Tuches der Tafelrunde zu finden, wieder zusammenzufügen und letztlich Nathanaels Gegenspieler, Zauberer Shalamar, Paroli zu bieten, der den Erfolg ihrer Mission unbedingt verhindern und den Menschen schaden will…


Mit „Lucas und der Zauberschatten“ hat Stefan Gemmel eine abenteuerliche Geschichte für Kinder ab zehn Jahren verfasst, die ergänzt durch die in schwarz-weiß gehaltenen Illustrationen von Timo Grubing, die sich leider manchmal wiederholen, für eine kurzweilige Lesezeit sorgt, während der auf Grund des Erzähltempos keine Langeweile aufkommt. Geschickt integriert der Autor die Sage um König Artus und seine Tafelrunde, verknüpft fantasievolle Vergangenheit und authentische Gegenwart mittels Zeitreise und beschreibt ein energiegeladenes und aufregendes Geschehen, das die jungen Leser mitfiebern lässt, durchaus einige bedrohliche Momente beinhaltet, aber ebenso lustige Szenen, vor allem mit Knubbelgeist Kracks. Daneben wendet er sich aktuellen Themen zu, die Kinder beschäftigen: Mobbing und Mitläufer in der Schule, Zusammenhalt und Freundschaft sowie Mut, von der Menge abweichende, eigene Entscheidungen zu treffen und damit gegen den Strom zu schwimmen.

Stefan Gemmel legt besonderes Augenmerk auf seine kleinen Darsteller und stattet sie mit unterschiedlichen Charakteren aus. Ihre Handlungen und Empfindungen schildert der Autor verständlich und nachvollziehbar. Die Kinder ermöglichen eine Identifikation, sind vielfältig, jedoch nicht überfordernd in ihrem Wesen mit jeweiligen für sie typischen Eigenschaften. So verfügt Lucas beispielsweise über eine rasche Auffassungsgabe, kann mit seinem Verstand zügig Situationen erfassen und dann entsprechend reagieren. Nicht zu vergessen löst er Rätsel wie kein Zweiter. Überhaupt sind Rätsel sehr wichtig in der Geschichte, und deshalb hält das Buch am Ende auch einige bereit.

Wer also gerne Abenteuer erlebt, sollte Lucas und seine Freunde unbedingt begleiten, um herauszufinden, was es mit den Zauberschatten auf sich hat. Bereits im August geht es nämlich weiter...

4,5 Sterne

Bewertung vom 15.06.2020
Im Dschungel der Liebe
Foster, Melissa

Im Dschungel der Liebe


sehr gut

Melissa Foster wird auch mit dem zweiten Band über die Remington-Geschwister „Im Dschungel der Liebe“ ihrem Ruf als fähige Schreiberin leidenschaftlicher Liebesromane gerecht und bleibt ihrem Ansinnen treu, ihre Leser in der ihr eigenen markanten und vertrauten Art und Weise zu unterhalten. Zudem behält sie ihren eingeschlagenen Weg bei, für die Geschichten dieser Reihe neue Ansätze zu wählen. Dieses Mal steht die humanitäre Arbeit in einem Entwicklungsland im Mittelpunkt. Dabei hat sich die Autorin für einen eher unbekannten kleinen Staat in Zentralamerika entschieden. Belize, einst britische Kolonie, ist seit 1981 unabhängig. Ein Drittel der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze und ist auf Hilfe angewiesen. Hier setzt Melissa Foster an und bindet ihre fiktive Organisation in das Geschehen ein.

Eines ist klar: „Im Dschungel der Liebe“ ist trotzdem keine schwere Lektüre, sondern eine emotionale und mit Charme erzählte Romanze, die ans Herz rührt. Das verdankt sie vor allem den Hauptfiguren. Die Autorin entwirft mit Kate und Sage zwei Charaktere, die in sich positive und einige negative Eigenschaften vereinen und mit hinreißender Energie überzeugen, wenn Kates organisierter Verstand und Sages Spontanität und sein Bauchgefühl aufeinandertreffen.

Der Maler ist ein kerniger, warmherziger Mann, der – unzufrieden mit seinem luxuriösen und sorgenfreien Dasein – etwas Neues wagen will, bei dem er nicht nur Schecks ausfüllt, sondern selbst aktiv wird. Er weiß, worauf er sich mit der Reise einlässt, freut sich, dem Stress und der Reizüberflutung von New York zu entrinnen und richtet sich gern auf den einfachen Lebensstil, der ihn in Punta Palacia erwartet, und die Hitze und Feuchtigkeit des Dschungels ein. Er möchte herausfinden, warum er, der genug Geld besitzt, um sich halb New York zu kaufen, und dazu vom Erfolg begünstigt ist, im Inneren so verdammt wenig spürt.

Sage kann großartig mit den Kindern umgehen, als hätte er nie anderes gemacht. Er ist großzügig und gibt sein Bestes. Allerdings bürdet Melissa Foster ihm – sofern man es so nennen kann – auch eine „schlechte“ Angewohnheit auf: Sobald er mit einem Bild oder einer Skulptur anfängt, konzentriert er sich allein darauf, reagiert auf niemanden, sieht und hört nichts mehr und vergisst darüber die Zeit. Eventuell auch die Menschen, die bedeutsam für ihn sind?

Kate hat das Gesicht eines Engels und überrascht mit der Selbstsicherheit eines erfahrenen Drill Sergeants. Ihr manchmal recht schroffer Tonfall stellen einen starken Kontrast zu ihren sanften Zügen dar. So erscheint sie weich und hart zugleich, integer und eigensinnig, großmütig und respektfordernd.

An der Seite ihrer Eltern, die für das Friedenscorps tätig waren, wollte Kate schon früh Menschen in Not helfen. Seit beinahe fünf Jahren arbeitet sie für AIA, davon fast zwei in Belize. Sie zeigt ihre Begeisterung für das Land, das Dorf, seine Menschen, vor allem die Kinder der Schule. Fleiß, Entschlossenheit und Tatendrang zeichnen sie aus. Für sie ist es wichtig, das Leben der Schwachen zu verändern, und dafür setzt sie sich ein. Auf Grund ihrer Erfahrungen urteilt Kate zwar nicht immer wohlwollend, so dass sie Sage zuerst ebenfalls zu den Menschen zählt, die sich auf Kosten anderer profilieren wollen. Es dauert etwas, bis sie seinen Wert wahrnimmt und jeder Blick und jedes Gespräch die beiden einander näher bringen. Denn Sage ist ständig darum bemüht, Missverständnisse auszuräumen. Der Mann legt sich richtig ins Zeug, und letztlich belohnt die Autorin ihn.

„Die Person, die du liebst, wird all deine Geheimnisse kennen. Sie sieht deine Schwächen, und wenn du gut gewählt hast, wird sie sie nicht gegen dich einsetzen, sondern dir dabei helfen, der beste Mann (oder die beste Frau) zu werden, der du nur sein kannst.“

Neben Kate und Sage sind wenige, aber wichtige Nebenfiguren besetzt, die die Geschichte intensivieren und abrunden und zu einer Lektüre voller Licht und Freude beitragen.

4,5 Sterne

Bewertung vom 02.06.2020
The Doll Factory
Macneal, Elizabeth

The Doll Factory


ausgezeichnet

Elizabeth Macneals „The Doll Factory“, ein historisches Romandebüt erster Güte, beginnt wie ein Märchen, entfaltet sich zu einer zarten Romanze und wird in seinem letzte Drittel zu einem extravaganten Thriller mit hohem Gruselfaktor, in dem die Autorin nicht vor Elend und Brutalität zurückschreckt. Sie bietet eine gespenstig realistische und beachtenswerte Nachbildung des London des viktorianischen Zeitalters und taucht ein in die brodelnde Energie, die Pracht und den Alltag der Stadt. Dabei vermittelt sie Unbehagen und Widerlichkeiten, die ihresgleichen suchen und raffiniert dargestellt werden. Atmosphärisch formt Elizbeth Macneal eine ungreifbare Angst voller Dunkelheit. Zeitweise wild und unruhig, aber immer überzeugend.

Schonungslos eindringlich und mit leidenschaftlicher Kritik beleuchtet Elizabeth Macneal detaillreich das damalige Gesellschaftsbild, vor allem die (Not)Situation der Frauen. Daneben gewährt sie Einblick in die Schönheit und den Schrecken der Künste. Auf der einen Seite die Maler der PRB, der Präraffaelischen Bruderschaft, zu denen Holman Hunt, John Millais, Gabriel Rossetti und der fiktive Louis Frost gehören, die sich der Wiederentdeckung der Natur verschrieben haben und vor Eifer und Selbstbewusstsein strotzen. Auf der anderen Seite der aufstrebende Präparator Silas Reed, der die Grenze zwischen Zerstörung und Schöpfung überschreitet. Mit Silas hat die Autorin einen komplexer Charakter geschaffen, der einen zwischen Mitleid, Bedauern und Abscheu schwanken lässt.

In „The Doll Factory“ agieren neben den erdachten Persönlichkeiten einige historische und füllen die Seiten mit ihrer Begeisterung, Faszination und Exzentrik. Hierbei darf natürlich ein Wombat namens Guinevere nicht vergessen werden, zumal das Tier die Geschichte mit manchen heiteren Momenten auflockert.

Iris mit ihrem deformiertes Schlüsselbein – ein Geburtsfehler, durch den sich ihre linke Schulter nach vorn wölbt – ist den Zwängen ihrer Zeit, die ihre soziale Freiheit stark einschränken, unterworfen, findet sich allerdings nicht damit ab und versucht, den symbolischen und tatsächlichen Beschränkungen und Konventionen zu entkommen, auch wenn der Preis hoch ist. Sie muss ihre Schwester verlassen und mit der Ablehnung ihrer Eltern leben, als sie das Angebot von Louis annimmt. Die neuen Eindrücke und ebenso die erblühende Liebe zu dem Maler entschädigen Iris jedoch für den Verlust, dennoch bleibt sie stets sie selbst. Und obwohl Louis' Absichten nicht immer deutlich werden, nimmt er sie ernst und sieht sie an, als wäre sie es wert, studiert, geschätzt und bewundert zu werden.

Der zehnjährige Straßenjunge Albie, der nur einen Zahn besitzt und für den ein Gebiss unerschwinglich ist, ist eine Schlüsselfigur und wächst einem ans Herz. Er kümmert sich um seine Schwester, die als Prostituierte arbeitet, ist mit Iris befreundet und gleicht in seiner Verkörperung von Unschuld und dem Gefühl der Hoffnung sehr einer Gestalt aus einem Roman von Charles Dickens.

Auch durch ihn wird „The Doll Factory“ eine unvergessliche Erfahrung voller Freude, Farbe, Leben, Klugheit und Triumph und verweilt im Gedächtnis.

Bewertung vom 29.05.2020
Ein Heuhaufen voller Geheimnisse / Die Schule der kleinen Ponys Bd.1
Wolff, Anne

Ein Heuhaufen voller Geheimnisse / Die Schule der kleinen Ponys Bd.1


ausgezeichnet

Monka Winter, kurz Mo, Motte oder Mottchen genannt, lebt mit Papa Jo, Mama Linde und Bruder Ben auf einer großen Pferdefarm. Dort züchten sie Springpferde und Connemara-Ponys, für die sogar eine eigene Ponyschule eingerichtet wurde. Mo hilft gerne mit, aber meist bleibt ihr viel Zeit, sich um ihr Lieblingspony Dr. Paul, der wie sie zehn Jahre alt ist und am gleichen Tag Geburtstag hat, zu kümmern. Bis sich Mos Mutter, eine berühmte und erfolgreiche Springreiterin, gleich zu Beginn der Sommerferien den Arm bricht und Motte bittet, die Leitung der Ponyschule zu übernehmen. Dass sie ihr das zutraut, freut Mo sehr, wenngleich sie natürlich ein wenig Bammel vor der unerwarteten Verantwortung hat, schließlich gibt es unter den Ponys auch ein paar übermütige Vierbeiner. Als gerade eines von eben jenen von der Koppel zu entwischen droht, taucht eine fremde Reiterin auf, verhindert das Ausbüchsen und verschwindet dann wieder. Das ist äußerst mysteriös. Allerdings wäre Motte nicht sie selbst, wenn sie Dank ihrer Wissbegierde diesem Geheimnis nicht auf die Spur kommen würde...


Obwohl die Jungen nicht ausgeschlossen werden sollen, dürften an und mit diesem Buch von Anne Wolff und Nadine Reitz vor allem Mädchen ihre Freude haben. „Ein Heuhaufen voller Geheimnisse“ ist die erste mit munterer Ungezwungenheit, Witz und Sorgsamkeit für Kinder geschriebene und gezeichnete Geschichte der Reihe „Die Schule der kleinen Ponys“, in der Familie und Herzenswärme, Zusammenhalt und Vertrauen, Freundschaft und Hilfsbereitschaft und ganz viel Tierliebe wichtig sind.

Dabei haben sowohl Autorin und Illustratorin bei diesem Abenteuer mit ein paar aufregenden Geheimnisse und Überraschungen auf eine kindgerechte, aber nicht zu kindliche Gestaltung geachtet. Neugierig machende Überschriften führen die Kapitel an. Außerdem lockern Zettel, Pläne und in Klammern gesetzte Anmerkungen den Text auf. Ein ausgezeichnetes Plus sind die bezaubernden und fröhlichen Bilder von Nadine Reitz. Sie unterstützen in harmonischer Art und Weise die geschilderten Ereignisse.

Es gibt ein paar ernstere Momente, sie erdrücken und erschweren indes nicht den Spaß, den alle Beteiligten haben, wenn Monka die Leser an ihrer bunten Welt und an ihren Gedanken und Gefühlen teilhaben lässt, indem sie diese direkt anspricht. Motte ist ein aufgewecktes Mädchen. Sie hat zwar vor vielen Dingen Angst, vor Spinnen, langen Autofahrten und vor Gewitter zum Beispiel, jedoch niemals vor Pferden oder Ponys. Für sie schlägt ihr Herz, besonders für ihren übermütigen Dr. Paul, mit dem sie durch dick und dünn geht, und der wiederum sie blind versteht.

Nicht unerwähnt bleiben soll, dass die im Anhang befindlichen „Mos liebste Schoko-Hafer-Kekse“ und ein Dr. Paul-Lesezeichen die Möglichkeit für die Leser bieten, selbst aktiv zu werden.

Alles in allem ist "Ein Heuhaufen voller Geheimnisse" ein großartiges Abenteuer für Pferdefreunde und solche, die es werden wollen.

Bewertung vom 23.05.2020
Über dem Meer tanzt das Licht
Werkmeister, Meike

Über dem Meer tanzt das Licht


ausgezeichnet

Maria hat nach langen Jahren des Umherziehens in der Welt auf Norderney einen Hafen gefunden, und sie ist glücklich damit. Und mit ihrem Freund Simon, ihren Töchter Morlen und Hannah. Seit dreieinhalb Jahren betreibt sie zudem die Strandmuschel, ihr Café am Rand der Dünen mit Blick auf die Nordsee.

Noch misst sie dem Wunsch von Simon, mit der kein Jahr alten Hannah vier Wochen auf Tour zu gehen, keine große Bedeutung bei. Ihre Begeisterung hält sich einerseits in Grenzen, andererseits will sie den beiden diese gemeinsame Zeit gönnen. Außerdem halten Maria ein kaputtes Dach und die für die Reparatur benötigte Finanzierung, eine Pachterhöhung für das Café, unerwartete Unstimmigkeiten mit der heranwachsenden Morlen und ihre Freundin Toni, die überraschend auf der Insel anlandet, auf Trab.

Doch nach und nach schleichen sich unsichere Gedanken ein. Liebt Simon sie noch? Er wirkt nämlich sehr zurückgenommen, wenn sie ihn denn überhaupt erreicht, und so, als würde sie ihm gar nicht fehlen. Und dann kommt auch Jan, ihr Ex und Vater von Morlen, früher als geplant und liefert sich mit Georg, einem Gast des Cafés, der Freude daran hat, das Dach der Strandmuschel zu reparieren, ein paar Hahnenkämpfe um ihre Gunst.

Zu guter Letzt leidet Maria weiterhin unter dem Verlust ihrer Mutter Iris, die vor Hannahs Geburt an Krebs verstarb und ihr das Haus hinterlassen hat. Von diesem kann sich die junge Frau schwer lösen, müsste es allerdings auf Grund ihrer prekären finanziellen Situation dringend. Bei einem Blick in den Keller entdeckt sie eine Kiste mit an sie gerichteten Tagebüchern ihrer Mutter. Der Inhalt entwickelt sich zu einer Offenbarung, lässt die Vergangenheit auftauchen, Maria einiges aufarbeiten und ihren Lebensplan und die Zukunft überdenken...


Meike Werkmeister ist eine Überraschung für mich. Ihren 2019 veröffentlichten Roman „Sterne sieht man nur im Dunklen“ habe ich bedauerlicherweise verpasst. Nun bin ich froh über die Lektüre ihres neuen Werkes „Über dem Meer tanzt das Licht“. Dieses folgt hinsichtlich der Örtlichkeiten und Personen dem Vorgänger, rückt indes Maria und ihre kleine Familie in den Mittelpunkt und kann auch ohne Kenntnis der vorherigen Ereignisse gelesen werden.

„Über dem Meer tanzt das Licht“ ist zwar eine erdachte Geschichte, aber eine, die aus dem Leben gegriffen scheint, weil sie echt und wahrhaftig anmutet und überdies ein Wohlgefühl auslöst.

Meike Werkmeister ist eine talentierte Schreiberin. Ihr gelingt es, mit leichter Hand, jedoch unglaublicher Energie und Leidenschaft sowie einem bemerkenswerten Gespür sensibel die Alltäglichkeit der Liebe, die Bedeutung von Freundschaft und das Funktionieren von Beziehungen zu betrachten und dabei den schmalen Grat zwischen Kitsch und (Erzähl)Kunst zu umschiffen. Dabei kreiert sie ein angenehmes Ambiente, in dem die Natur eingebunden wird. Sie verwendet gelegentlich leisen Sprachwitz, hilfreiche Weisheiten und Überlegungen, die nachdenklich stimmen, lässt eine Melancholie über unwiederbringliche Verluste und Erinnerungen anklingen.

Sämtliche Figuren sind geprägt von einer feinsinnigen Charakterisierung.

Maria, einst unabhängig, wild und draufgängerisch und in der Lage, allein klarzukommen, ist ruhiger geworden, hat einen für sich passenden, einen ungewöhnlichen Menschen gefunden, der wie sie einen ausgeprägter Freiheitsdrang besitzt, gleichwohl – vor allem nach dem Tod der Mutter – an ihrer Seite gewesen ist. Simon schafft es, spielerisch, jeden Streit in eine harmlose Richtung zu lenken, verfügt über ein atemberaubendes Selbstbewusstsein, fürchtet sich vor nichts und bringt Maria immer wieder zum Lachen. Aber offensichtlich beschäftigt ihn irgendetwas, dessen Ursache er herausfinden muss...

In einem Satz gesagt: „Über dem Meer tanzt das Licht“ hat definitiv das Zeug für ein Herzensbuch.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.05.2020
Islandsommer
Johansson, Kiri

Islandsommer


ausgezeichnet

Kiri Johanssons „Islandsommer“ ist die Geschichte von Merit und Kristján, die auf den ersten Blick alltäglich anmutet, es jedoch nicht ist. Sie erzählt von Liebe, Freundschaft, Leidenschaft, Selbstfindung und -verwirklichung und der Bewältigung von Traumata.

„Islandsommer“ versprüht einen ganz eigenen Zauber, was wahrscheinlich damit zusammenhängt, dass wir im Land der magischen Wesen, der Elfen, Feen, Gnome und Trolle sind. Das Weltbild auf Island scheint ein bisschen anders zu sein, genau wie der Umgang der Insulaner mit ihrer Heimat. Die Autorin hat eine wunderbare, unglaublich bildschöne Art, die Einmaligkeit der Insel, die Vielfältigkeit der Natur, die Menschen und die besondere Atmosphäre darzustellen. Sie kennt sich aus, und es gelingt ihr mit wenigen Worten, uns einzuladen, um das Land in all seiner Pracht mit dem nötigen Respekt und rücksichtsvoll zu erkunden.

Kiri Johansson wählt für ihre Geschichte einen ruhigen Erzählton, der mit seinem ästhetischen, behaglichen Ausdruck überzeugt. Die Handlung folgt einer klaren Linie, wenngleich deren Verlauf nicht unbedingt überrascht. Aber mit einigen tiefgründigen Ereignissen und Geheimnissen versehen beansprucht sie durchaus eine Beschäftigung mit dem realistischen Geschehen.

Die Geschichte erfahren wir hauptsächlich aus der Sicht von Merit. Indes tragen die Kristján gewidmeten Kapitel dazu bei, seine innere Gefühlswelt offenzulegen und nachzuvollziehen. Überhaupt entfaltet Kiri Johansson sehr viel Einfühlsamkeit bei der Ausarbeitung und Entwicklung der Emotionen ihrer Protagonisten, dem Auf und Ab der Annäherung. Denn sowohl an Merit als auch an Kristján ist die Vergangenheit nicht spurlos vorbeigegangen.

Bei Merit sitzt der Schock über die unerwartete Trennung von Ferdinand anfangs tief, in Reykjavík kommt sie zur Ruhe, löst sich davon und lernt mit dem überwältigende Gefühl von Menschenscheu, das sie wie so oft aus dem Nichts überfällt, noch besser umzugehen. Nach dem Tod der Eltern hatte es eine Zeit bedrückender Dunkelheit gegeben, von dem ein kleiner Schatten geblieben war.

Kristján ist ein kontrollierter Mann, gradlinig und schnörkellos in seiner Kommunikation. Er schätzt Ordnung und Verlässlichkeit. Zwar ist er nicht immun gegen die Ausstrahlung interessanter Frauen, jedoch er hat sich vorgenommen, diesen Sommer einen deutlichen Abstand zwischen sich und allem Weiblichen zu wahren. Und die attraktive, aber unstrukturierte Merit passt so gar nicht in sein Beuteschema.

Letztlich erweist sich gerade sein „Elfenmädchen“ als absoluter Glücksgriff, als den jungen Mann ein Teil seiner Vergangenheit übermächtig einholt...

„Islandsommer“ ist einer jener warmherzigen Romane, der den Alltag versüßt und wunderbare Lesestunden bereitet.

Bewertung vom 19.05.2020
Frida und der NeinJa-Ritter
Löhle, Philipp

Frida und der NeinJa-Ritter


sehr gut

O je! Was eigentlich ein freudiges Ereignis sein soll, ist Frida enorm peinlich: Sie verliert ihren ersten Schneidezahn und kann nun nicht mehr das „F“ aussprechen. Alles hört sich ganz schrecklich an, sogar ihr eigener Name. Die Aufmunterungsversuche ihrer Mutter findet Frida gar nicht spaßig, also verzieht sie sich in ihr Zimmer. Dort kommen plötzlich seltsame Geräusche aus ihrem Kleiderschrank. Als sich die Türen mit einem Knall öffnen, springt ein gestreifter Ritter auf einem schwarzen Reittier heraus und galoppiert ins Zimmer. Das merkwürdige Gespann entpuppt sich als NeinJa-Ritter auf seinem Zebra Tornado, das leider keine weißen Streifen mehr hat und deshalb ziemlich durcheinander ist. Genauso wie der NeinJa-Riter, ein komischer Kauz, der ständig Nein und Ja verwechselt.

Gemeinsam reiten die drei in ein fantastisches Abenteuer in eine andere, merkwürdige Welt und begegnen nicht nur der Königin der Weißheit und einem Geburtstagskind, das jeden Tag Geschenke erhält. Erstere überreicht ihnen einen Wegweißer, der ihnen den Weg ins Land der verlorenen Dinge zeigen soll. Denn es müsste doch ein Unding sein, wenn sich da nicht das F und die Streifen wiederfänden. Ein Schwierigkeit gibt es allerdings, eine große noch dazu: Um hinein zu gelangen, müssen sie den riesigen Groll, der am Eingang sitzt, irgendwie überlisten...


Bereits der Blick aufs Cover verspricht eine unterhaltsame, fröhliche und wunderliche Geschichte, und tatsächlich ist „Frida und der NeinJa-Ritter“ von Philipp Löhle genau das. Aber nicht nur. Mit Frida und ihren Begleitern können Klein und Groß gleichermaßen eintauchen in ein märchenhaft-fantastisches und zugleich zeitgemäßes Abenteuer, das durchaus ein paar tiefgründige Denkansätze beinhaltet und vor allem mit herrlich überdrehtem Humor erzählt wird. „Frida und der NeinJa-Ritter“ zeichnet sich durch seine Liebenswertigkeit aus, auch alltägliche Ereignisse, die einem sonst gar nicht so auffallen, werden mit einem Augenzwinkern und auf unkonventionelle Art und Weise betrachtet.

Frida ist eine entzückende Heldin, die trotz des fehlenden F mutig vorangeht und dem schrulligen NeinJa-Ritter, der lügt wie gedruckt, beweist, dass dies gar nicht nötig ist und sich mit ein wenig Anstrengung immer eine Lösung finden lässt.

Spritzige Bilder aus der Feder der Illustratorin Gloria Jasionowski geben dem Buch den passenden Pfiff und unterstützen mit Leichtigkeit das kuriose und bizarre Geschehen.

Der im Verhältnis dazu eher umfangreiche Text bedarf bei den Jüngeren vielleicht etwas Geduld, dürfte aber auf Grund seines faszinierenden, mitreißenden und heiteren Inhalts letztlich unproblematisch sein. Das Buch sei vor allem Vorschulkindern und Schulanfängern ab fünf Jahren empfohlen und wird sicher diejenigen besonders amüsieren, die sich mit Frida und ihrem nervigen "Sprachphehler" aus eigener Erfahrung identifizieren können.

4,5 Sterne

Bewertung vom 18.05.2020
Grandhotel Schwarzenberg - Der Weg des Schicksals / Die Geschichte einer Familiendynastie Bd.1 (eBook, ePUB)
Oliver, Sophie

Grandhotel Schwarzenberg - Der Weg des Schicksals / Die Geschichte einer Familiendynastie Bd.1 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Mit „Der Weg des Schicksals“ startet Sophie Oliver ihre Trilogie um das „Grandhotel Schwarzenberg“, lädt den Leser in das elegante Bad Reichenhall ein und zeichnet ein anschauliches Bild der örtlichen und zeitgeschichtlichen Gegebenheiten. Dies macht es möglich, an der Seite ihrer Figuren die Ereignisse im historischen Ambiente zu verfolgen. Dabei bedient sich die Autorin eines dynamischen Erzähltempos und vermittelt ein dramatisches und wendungsreiches Geschehen, in dem emotionale Ereignisse in einem Geflecht aus Lügen und Unwahrheiten eingebunden werden.

Hervorzuheben ist die von der Autorin vorgenommene überzeugende und ehrliche Darstellung der Charaktere.

Sophie Oliver verdeutlicht primär an Hand der Schicksale von Katharina und Anna, die unterschiedlicher nicht sein könnten, aber trotzdem eines gemeinsam haben, die wirtschaftliche und gesellschaftliche Abhängigkeit der Frauen, deren fehlende Handlungs- und Meinungsfreiheit.

Anfangs wirkt Katharina dünkelhaft und überheblich. Dann offenbart sich schnell, dass auch sie Zwängen unterworfen ist, die zwar mit Wohlstand versüßt werden, allerdings gleichzeitig ihr direktes Wesen und aufrichtiges Handeln unterdrücken und ebenso die Freiheit vermissen lassen. Eingebunden in das Korsett einer lieblosen Ehe, fechtet Katharina ihre Kämpfe nach Unabhängigkeit im eigenen Ermessen aus.

Im Gegensatz dazu trifft es Anna wesentlich härter. Sophie Oliver mutet ihrer zu Beginn der Ereignisse siebzehnjährigen Heldin einiges zu. Nicht allein das Leben in Armut und der frühe Tod der Mutter haben Annas Wesen mit Ernsthaftigkeit geprägt, sondern ebenso der Verlust von Vater und Bruder, der Fortgang ihrer großen Liebe Michael, nicht zu vergessen jenes Verbrechen, das sie schließlich zwang, Leonhard zu heiraten.

Anna haftet der Ruf einer Eigenbrötlerin an, nachdem sie nicht mehr in die Kirche geht und keinen Trost im Glauben findet. Sie ist überzeugt, dass es eine Rettung „von oben“ nicht geben wird und sehnt sich nach Wohlstand, doch nicht wegen des Ansehens, sondern wegen der Sicherheit.

Es gelingt der Autorin, nachvollziehbar zu schildern, wie Anna daran wächst, Durchhaltevermögen beweist, welche Entwicklung sie von einem zwar mutigen, aber überdies verunsicherten und traurigen Mädchen, das um seine Würde bemüht ist, zu einer selbstbewussten Frau nimmt, die an der Seite ihres Ehemannes bestehen will. Leonhard Achleitner ist ein pragmatischer Mensch, vielleicht ein wenig humorlos und unsicher, auf jeden Fall jedoch loyal, fair und bereit, für seine persönlichen Ziele Opfer zu bringen, so dass es nicht verwundert, dass er die Chance ergreift, als diese sich ihm bietet.

Der Traum von einer besseren Zukunft treibt auch Michael an, der nicht daran glaubt, dass man arm sterben muss, nur weil man arm geboren wurde. Er ist intelligent und ehrgeizig und nach dem frühen Tod seiner Eltern gewohnt, sich allein durchzuschlagen. Wenngleich sich seine Einstellung nach dem Kennenlernen von Anna ändert, scheint es, dass er trotzdem beim ersten Problem das Handtuch wirft und sich davonmacht, die Frau, die zu lieben vorgibt, verlässt und sein Ziel aus den Augen verliert. Zumindest der Titel der Reihe lässt erahnen, dass dem nicht so ist.

Es bleibt auf jeden Fall abzuwarten, was das Schicksal für Katharina und Anna, Michael und Leonhard noch bereithält.