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Svanvithe

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Insgesamt 144 Bewertungen
Bewertung vom 27.09.2020
Die Frauen von Gut Falkensee / Gut Falkensee Bd.1
Kamecke, Luisa von

Die Frauen von Gut Falkensee / Gut Falkensee Bd.1


sehr gut

In ihrer Familiensaga „Die Frauen von Gut Falkensee“ greift Luisa von Kamecke auf die Geschichte ihrer eigenen westpreußischen Familie zurück. Sie füllt das Geschehen mit Hintergrundwissen der örtlichen und gesellschaftlichen Gegebenheiten, so dass Gut Falkensee und seine Bewohner schnell vor dem geistigen Auge entstehen. Hier ist es von besonderem Reiz, dass sie Angehörige der unterschiedlichen Klassen gegenüberstellt und zugleich bewusst macht, dass auch die privilegierte Klasse wie der westpreußische Landadel trotz pflichtbewusster Sparsamkeit durchaus in finanzielle Schwierigkeiten geraten kann und daraus folgend Zwängen unterworfen ist.

Wie kann also etwas, das eine Lebensgrundlage bildet, von der nicht nur eine Familie, sondern auch die Dienstboten abhängig sind, gerettet werden?

Im Falle von Gut Falkensee und der von Bargelows verhindert im Jahre 1904 nur eine Heirat der ältesten Tochter mit einem wohlhabenden Mann den Ruin. Es ist vor allem das Bewusstsein, das Erbe der Familie zu erhalten und der Verantwortung genüge zu tun, die Charlotte zustimmen lassen, diesen Schritt zu gehen, obwohl es die impulsive und wissbegierige junge Frau vielmehr danach drängt, ihre Studien, von denen die Eltern nichts ahnen, in Paris fortzusetzen, um noch mehr über Landwirtschaft, Chemie und andere Wissenschaften zu lernen. Charlottes Traum ist es nämlich, das Landgut selbst führen zu können, auch wenn dieser Wunsch wegen ihres Geschlechts nahezu unerfüllbar bleiben wird.

Und so entscheidet sich die kluge Charlotte, die trotzdem den Ernst der Lage erkennt. Sie tut letztlich das, was nötig ist, um Falkensee zu retten: Sie heiratet Baldur von Krammbach. Womit sie bei allem jedoch nicht gerechnet hat, sind ihre Empfindungen für den Polen Karol...

Luisa von Kamecke gelingt es, die Ereignisse in einem lebhaften Rahmen zu setzen, in dem ihre Protagonisten mehr oder weniger erfolgreich handeln und einige Entscheidungen treffen. Sie bezieht die politische Situation ein und berücksichtigt hierbei das Verhältnis von Polen und Deutschen. Daneben stellt sie unterschiedliche Lebensmodelle und -wege dar.

Trotz einiger freudiger Ereignisse und vieler berührender Momente überwiegt ein schicksalsträchtiges Geschehen, und es herrscht insgesamt eine traurige Grundstimmung, das von verlorenen Möglichkeiten geprägt ist. Und obwohl die Autorin nicht alles bis in die Tiefe auslotet, entwickeln sich durchaus nachvollziehbare Gefühle, wenngleich sie nicht immer Wohlwollen hervorrufen. Luisa von Kamecke positioniert ihre zahlreichen Figuren gut in der Geschichte und verleiht ihnen gemischte Charakterzüge. Sie stellt sie nicht auf einen Sockel, sondern zeigt auch ihre Schwächen auf, die zu fehlbaren Menschen machen, die scheitern können.

Die Frage ist, ob aus diesen Niederlagen etwas Neues erwachsen kann...

Bewertung vom 22.09.2020
Paul klaut blaue Prickelbrause - Superfreche Zungenbrecher - ab 5 Jahren
Korda, Steffi

Paul klaut blaue Prickelbrause - Superfreche Zungenbrecher - ab 5 Jahren


sehr gut

Haben Kinder heute noch Freude an sogenannten Zungenbrechern? Wenn sie „Paul klaut blaue Prickelbrause“ lesen, ist das bestimmt der Fall. Denn hier bekommen sie von Steffi Korda nicht nur lustige, kecke und verdrehte Holterdiepolter-Sprüche vorgesetzt, sondern auch gleich passende frisch-fröhlich-freche Bilder von Antje von Stemm dazu geliefert. Die Illustrationen sind kreativ und mit detaillierten, schelmischen Bildwitz kreiert, so dass sich auf den farbenfrohen Doppelseiten stets weitere Kleinigkeiten entdecken lassen. Manches Mal, wenn beispielsweise ein Zungenbrecher nicht ganz so dolle zündet, bringen sie auf jeden Fall die Mundwinkel zum Zucken und bewirken Schmunzeln und Lachen.

Steffi Korda bietet in „Paul klaut blaue Prickelbrause“ eine bunte Mischung aus 30 munteren und schwungvollen Zungenbrechern. Sie hat nicht nur einige bekannte Klassiker abgewandelt und aufgepeppt, sondern außerdem eigens von ihr neu erdachte Wortstolpereien der Sammlung hinzugefügt.

„In stickigen Stuben pupst Ruben in Tuben, in Tuben pupst Ruben in stickigen Stuben.“

Das Buch kann selbst gelesen werden, aber viel mehr Vergnügen bereitet es beim Vorlesen. Für Leseanfänger oder Zuhörer stellen einzelne Sätze bestimmt eine Herausforderung dar, umso größer ist der Erfolg, einen Spruch immer schneller und korrekter sprechen zu können. Insofern fördert es durchaus die Sprachfertigkeit. Wobei es selbst erfahrenen Erwachsene gelegentlich und ordentlich an der Zunge kitzeln dürfte.

„Paul klaut blaue Prickelbrause“ ist ein Gute-Laune-Buch, das Spaß verspricht, und den bekommt der Leser jeden Alters auch.

4,5 Sterne

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.09.2020
Es könnte stürmisch werden
Overbeck, Maja

Es könnte stürmisch werden


ausgezeichnet

Maja Overbeck beweist mit ihrem zweiten Roman „Es könnte stürmisch werden“ erneut, dass sie ein Händchen für Beziehungen und zwischenmenschliche Interaktionen hat, ohne diese trivial oder überzogen zu präsentieren. Sie schätzt ihre Protagonisten, bringt ihnen (großzügiges) Wohlwollen entgegen und blickt ihnen sanft, jedoch tief ins Herz und lässt den daran Leser teilhaben. Durch die stimmungsvolle, intensive und glaubwürdige Schilderung der Gefühlswelt ihrer Figuren fällt es leicht, insbesondere die Empfindungen von Jana und Hek zu reflektieren, so dass es eine Freude ist, sie zu begleiten. Von Anfang vermittelt Maja Overbeck, dass ihre Helden nicht bedenkenlos und gleichgültig ihr Leben meistern. Sie strahlen äußerlich eine gewisse Festigkeit aus, stecken allerdings innerlich durchaus so manches Mal im Zwiespalt. Jana und Hek sind Menschen mit Fehlern. Sie haben Probleme. Sie dürfen unzulänglich oder wankelmütig sein in ihren Vorsätzen, Entscheidungen und Emotionen.

„Aber er hatte Jana geküsst, alles andere als vorsichtig. Und er war kurz davor gewesen, einen Fehler zu machen. Viel zu hart am Wind, mitten rein in die Powerzone, bereit, volles Risiko zu gehen – einen Kuss lang zumindest.“ (Seite 34)

„Es könnte stürmisch werden“ zeichnet eine zeitgemäße, sorgfältige Sprache aus, in der zuweilen amüsante Töne anklingen. Maja Overbeck schreibt unbeschwert, aber mit Bedacht – keine ihrer Figuren wird vorgeführt, wenngleich nicht alle einen Sympathiebonus erhalten. Die Veranschaulichung der Ereignisse ist ungezwungen und bietet Abwechslung. Die Autorin fügt örtliche Gegebenheiten gekonnt und mit der Erkenntnis ein, dass der Leser bei einem Besuch in Hamburg oder beim Kitesurfen am Strand von St. Peter Ording Jana und Hek und all den anderen Mitstreitern jederzeit begegnen könnte und das auch möchte.

Liebe ist ein zentrales Thema, indes in der Entwicklung der romantischen Szenerie herzerfrischend und angenehm zurückhaltend. Daneben werden mehrschichtige Themen artikuliert: Erwartungen und Bindungen innerhalb der Familie, Freundschaft, die Erfüllung von Wünschen und das Verwirklichen von Zielen und Träumen, das Abschließen mit der Vergangenheit und das Aufeinanderzugehen, das Überwinden eigens gesetzter Hindernisse und das Beweisen von Mut, auch über Schatten zu springen.

Während Jana in ihrem neuen Job bald gut zurechtkommt, bestreitet Hek auf dem Posten des Geschäftsführers der Firma seines Vaters, den er vor Kurzen auf dessen Drängen übernommen hat, im Grunde von Anfang an einen verlorenen Kampf. Nach wie vor trifft der Senior die Entscheidungen. Im Privatleben der beiden läuft ebenfalls nicht alles glatt. Hektor machen die schwindende Liebe zur explosiv wilden und energischen Suzanna, mit der ihn keinerlei Interessengleichheit verbindet, und seine mangelnde Entschlusskraft zu schaffen. Jana muss sich mit den Bedürfnissen ihrer pubertierenden Tochter und ihrem gespannten Verhältnis zu ihrer Schwester Anne auseinandersetzen.

Und beide überrollt die Liebe wie eine Welle. Wird es ihnen gelingen, den nahenden Sturm zu beherrschen?

Bewertung vom 29.08.2020
Feuertaufe. Lorenz Lovis ermittelt
Troi, Heidi

Feuertaufe. Lorenz Lovis ermittelt


sehr gut

In „Feuertaufe“ von Heidi Troi ist von Anfang an die Hingabe zu ihrer Heimat Südtirol zu spüren. Die Autorin hat mich jedenfalls mühelos in eine wunderschöne Umgebung mit beeindruckenden Berggipfeln, grünen Tälern und Wäldern, Gewässern, Weinbergen, Städten und Dörfern versetzt, ohne dass ich jemals dort gewesen bin. Aber ihre Darstellung von Land und Leuten ist so detailliert, warmherzig und vorstellungsintensiv, dass ich Flachländerin mich sogleich eingeladen fühle.

„Die Ausläufer des Brixner Talkessels lagen vor ihm. Nach Osten hin, noch ganz in Sonne getaucht, schirmte die Plose Brixen vor allem Unbill ab, nach Westen hin erledigte der Radlsee dieselbe Arbeit. Die Sonne hing nur noch ein paar Fingerbreit über dem Kamm des Kühbergs und würde bald dahinter verschwinden und den Talkessel in Schatten und Kälte zurücklassen. Noch aber schickte sie ihre Strahlen ins Tal und tauchte alles in ein freundliches Licht.“

Der Erzählton, den Heidi Troi anschlägt, ist wohltuend undramatisch und behutsam. Sie kommt ohne die erschreckende Beschreibung von brutaler Gewalt aus, allerdings auch ohne Verklärung der tödlichen Situationen. Tatsächlich schafft sie es mit einer besonderen Form von Zuwendung und Hingabe, Leichtigkeit und viel Humor, dem Geschehen die Schwere zu nehmen.

Lediglich die italienischen Sätze, denen keine sofortige Übersetzung oder Erklärung folgen, gestalten sich für jemanden, der die Sprache nicht beherrscht, etwas umständlich.

Hiervon einmal abgesehen sorgen vor allem der Witz und die Ironie, mit denen die Autoren ihre Figuren ausgestattet hat, für amüsante Unterhaltung. Ich habe bei den schlagfertigen Dialogen und Gesprächen sehr oft geschmunzelt und sogar herzhaft gelacht.

Freude macht es insbesondere, den Protagonisten Lorenz Lovis kennen und seine reizende sympathische Art, mit den Dingen umzugehen, schätzen zu lernen.

Lorenz ist ein netter Kerl, wenn auch ungewöhnlich und aus der Sicht seiner Freunde ein Zauderer, der zu feige für das Geschenk ist, das ihm in Form des Hofes in bester Tallage mit Obstwiesen, Weinberg, Gemüsefeldern und sogar einer Alm in dichter Nähe zur Stadt in den Schoß gefallen ist. Enormer Tatendrang zeichnet ihn nicht unbedingt aus, und oft stolpert er über die eigenen Füße. Trotz seines Zögern und seiner Bedächtigkeit trägt er einen schlauen Kopf auf seinen Schultern, den er indes bislang wenig genutzt hat, so dass er sich deshalb von seinem Bauchgefühl leiten lässt. Neugier kann ihm nicht abgesprochen werden, seine Ermittlungsmethoden sind etwas unorthodox und seine Ausstattung mit einem Steinzeit-Handy hoffnungslos veraltet.

Aber er hat bemerkenswerte Unterstützer an seiner Seite: Paul, der den Hauptteil der Hofarbeit stemmt. Angelika, die (fast) immer eine positive Energie ausstrahlt, obwohl sie als Krankenschwester sich nahezu täglich mit schwerer Krankheit und Tod auseinandersetzen muss. Die drei Jungen Matthias, Iwan und Erik, die mehr Ahnung von moderner Technik haben, als Lorenz jemals von sich sagen kann. Und erwähnt werden muss noch Alma. Das Araucana-Huhn ist stets bereit, sich die Probleme ihres Herrchens "anzuhören".

Lorenz Lovis hat die „Feuertaufe“ bestanden. Die kurzweilige Lektüre überzeugt mit einem Gesamtkonzept, einer Mischung aus Lokalkolorit und authentischem Ermittler, in der es die eine oder andere Wendung und Überraschung gibt. Sie ist ein gelungener und empfehlenswerter Start der Krimireihe um den Südtiroler Privatdetektiv.

4,5 Sterne

Bewertung vom 25.08.2020
Pandatage
Gould-Bourn, James

Pandatage


ausgezeichnet

Vor vierzehn Monaten starb Liz Malooley bei einem Autounfall, und seitdem ist für ihren Mann Danny und ihren Sohn Will nichts mehr, wie es war. Danny stammt aus einfachen Verhältnissen und hat keine Ausbildung. Liz und er sind früh Eltern geworden, ihre Liebe zueinander hielt die Familie bisher trotz aller Schwierigkeiten zusammen. Deshalb macht Vater und Sohn der tragische Verlust schwer zu schaffen, sie sind von der sich daraus ergebenden Situation überfordert.

Der elfjährige Will, der mit seiner Mutter im Wagen saß, als dieser verunglückte, spricht nicht mehr. Danny kommt nicht nur mit seiner Rolle als alleinerziehender Vater nicht klar, er sieht sich auch außerstande, Will aus der Stille zu reißen. Und dann wären da noch weitere Probleme: Er schuldet seinem zwielichtigen und gewalttätigen Vermieter Reg die Miete und wird von diesem bedroht. Doch wie soll er das Geld auftreiben, hat er zu allem Übel noch seinen Job auf der Baustelle verloren.

Hier ist guter Rat teuer. Oder es bedarf eines Pandabärenkostüms, auch wenn es nach Erbrochenem stinkt. Was soll schon so schwierig daran sein, als tanzender Panda Geld zu verdienen. Den Straßenkünstlern im Park gelingt es schließlich auch. Erfolgreich ist Danny trotz seiner Bemühen leider nicht. Denn eigentlich hat er mangels Rhythmusgefühl kein Talent zum Tanzen, und etwas Besonderes bietet er den Leuten ebenfalls nicht. Dessen ungeachtet gibt er nicht auf und versucht es weiter.

Eines Tages beobachtet er, wie sein Sohn von anderen Jungen drangsaliert wird. Er hilft ihn, und das Unmöglich geschieht: Will redet mit ihm als Pandabär und vertraut ihm Dinge an, von denen sein Vater keine Ahnung hat. Aber Will weiß nicht, dass Danny in diesem Kostüm steckt. Und diesem, dankbar, die Stimme seines Sohnes überhaupt wieder zu hören, ist es unmöglich, seine wahre Identität zu offenbaren, aus Angst, dass Will erneut verstummt. Allerdings das Geheimnis ist nicht die einzige Herausforderung, der sich Danny und auch Will stellen müssen...

„Pandatage“ ist der erste Roman von James Gould-Bourn. Der 1982 in Manchester geborene Autor hat in Afrika und im Mittleren Osten Landminen entfernt und an einem Kurs für kreatives Schreiben teilgenommen. Eine richtige Entscheidung. James Gould-Bourn nutzt seine vorhandenen und erworbenen Fähigkeiten, so dass „Pandatage“ alles beinhaltet, was eine lebensfreudige Geschichte ausmacht, die vielleicht - auf unkomplizierte und charmante Art - ab und an von der Realität abweicht, die jedoch im Wesentlichen mit ergreifenden Momentaufnahmen, in denen sich Lachen und Weinen abwechseln, sowie dialogstarken Pointen und sinnreichen Formulierungen überrascht und zum Nachdenken anregt.

Bei aller Melancholie ist „Pandatage“ kein trauriges Buch. Dem Autor gelingt es auf bemerkenswert ehrliche, ausbalancierte und sensible Weise und ohne Pathos, die Trauer so zu dosieren, dass sie einem beim Lesen zwar ans Herz greift, indes in ihrer Schwermut zu keinem Zeitpunkt niederdrückt. Dafür sorgt zudem, dass Themen wie Verlust, Sehnsucht, Ängste, Freundschaft und vor allem Liebe und Familie, so klein sie auch sein möge, in einen Rahmen aus erquicklichem Humor gebettet sind, die Ereignisse stimmungsvoll, beschwingt und wendungsreich erzählt werden.

Der Roman lebt primär von seiner bis hin zu den Nebendarstellern bunten Mischung aus unglaublich originellen Figuren. Dannys Kollege Ivan, der mehr als ein Kumpel ist, Wills bester Freund Mo, Tänzerin Krystal, Lehrer Coleman, Tim und die anderen Straßenkünstler, ja zwielichtige Gestalten sorgen außerdem für Turbulenz, Unterstützung und Vielfalt der Emotionen, auch in ausweglos scheinenden Situationen.

James Gould-Bourn debütiert mit einer herzenswarmen Geschichte von Vater und Sohn, die einander brauchen und unter unwahrscheinlichsten Umständen wieder zueinanderfinden. „Pandatage hebt die Stimmung und beglückt. Ich habe mit einem guten Gefühl Abschied von den beiden genommen.

Bewertung vom 23.08.2020
Speed Love - Summer & Tyler (eBook, ePUB)
Reiß, Karina

Speed Love - Summer & Tyler (eBook, ePUB)


weniger gut

Der achtundzwanzigjährige Ärztin Summer Booth leidet auch nach sechs Monaten noch immer unter dem Tod der Mutter. Sie hatte gerade eine Assistentenstelle in der Notaufnahme der Universitätsklinik antreten wollen, diese indes aufgegeben und ihre an Krebs erkrankte Mutter gepflegt. Nun kümmert sich Summer um Vater und Bruder. Mitch Booth, genannt Big M, betreibt seit zehn Jahren mit wachsendem Erfolg den Rennstall Booth Thunder Racing Team. Er hat den vielversprechenden Fahrer Tyler Hatfield unter Vertrag genommen, der an die Spitze strebt, allerdings in seiner Vergangenheit ebenfalls einige schmerzvolle Erfahrungen gesammelt hat. Auf und nach einem Speeddating in ihrem Heimatort kommen sich Summer und Tyler näher. Doch können sie eine vertrauensvolle Beziehung aufbauen? Und kann diese Bestand haben, wenn Summer nicht dazu stehen will?

Was macht eine gute Liebesgeschichte aus? In erster Linie natürlich ein Paar, mit dem ich mitfühlen kann, das mir Emotionen vermittelt, die mich auch erreichen. Daneben eine schlüssige Handlung mit entsprechend ausgearbeiteten Ereignissen, ein gewisses Maß an Auseinandersetzungen, die Leben in die Geschichte bringen. Und letztlich ein beachtlicher Schreibstil. Bedauerlicherweise erfüllt „Speed Love - Summer & Tyler“ von Karina Reiß diese Erwartungen nur in begrenztem Maße.

Tatsächlich hat Karina Reiß mit Summer und Tyler ein Paar erschaffen, bei dem der Funken einfach nicht überspringen will, weil die gewählten Charakterzüge gleichtönig sind, nicht aus der Masse herausragen und ein Hin und Her der Gefühle dies zusätzlich verhindert. Ihre Darstellung ist leider recht konturlos und verhalten, so dass das Entstehen ihrer Liebe zueinander kaum nachvollzogen werden kann und geringen Nachhall erzeugt. Die Schilderung des Geschehens und der Empfindungen aus der wechselnden Perspektive der beiden Protagonisten trägt nicht dazu bei, ihnen Originalität zu verschaffen. Vielmehr wirken Summer und Tyler in Anbetracht ihrer Taten und Gedanken keineswegs immer altersgerecht, sondern oft unreif und damit unglaubwürdig. Weiterhin bleiben die erotischen Szenen ebenfalls auf der Strecke, sie scheinen gewollt und trotz aller intensiver Beschreibung leidenschaftslos, denn es prickelt nicht wirklich.

Zudem ist die Entwicklung der Nebenfiguren unvollendet und zum Teil irritierend. Besonders sauer stößt hierbei die Beschreibung des zweiten Fahrers und ehemaligen Partners von Summer, Zane, auf.

Vielleicht hätte es die Gestaltung des sportlichen Hintergrundes Schwächen minimieren können. Jedoch auch hier kratzt die Autorin lediglich an der Oberfläche und legt ein Tempo vor, dass sich zwar dem Titel anpasst, gleichwohl gehetzt wirkt. Die Welt des Rennsports wird durchaus in Ansätzen veranschaulicht, und außerdem werden Konflikte angerissen. Das Potential, diese zu vertiefen, nutzt Karina Reiß allerdings nur wenig oder gar nicht. Vorhandene Spannungsmomenten wie beispielsweise Unfälle im Rennsport flachen schnell wieder ab und gehen verloren.

Hinsichtlich der Ausdruckskraft offenbart die Autorin ebenfalls nicht genutzte Möglichkeiten. Zwar liest sich die Geschichte ohne Probleme, aber sie benötigt auch keine große Aufmerksamkeit, von ein paar unverhofften – mich nicht störenden – Zeitwechseln einmal abgesehen. Insgesamt wirkt das Ganze unausgereift und unaufgeregt, allein in Bezug auf die Trauer von Summer über den Verlust der Mutter entstehen aufrichtige Augenblicke.

„Speed Love - Summer & Tyler“ weist diverse Schwächen auf und überzeugt leider nicht, so dass die Geschichte schnell aus dem Gedächtnis verschwunden sein wird.

Bewertung vom 20.08.2020
Mein neues großes Vorschulbuch mit Rabe Linus
Raab, Dorothee

Mein neues großes Vorschulbuch mit Rabe Linus


gut

Dorothee Raab hat mit Unterstützung der Illustratorin Sigrid Leberer „Mein neues großes Vorschulbuch mit Rabe Linus“ entwickelt. Das Buch, das in seinem handlichen A4-Format praktisch ist, bietet Kindern ab fünf Jahre abwechslungsreiche Aufgaben in unterschiedlichen Bereichen. Es soll grundlegende Fertigkeiten als Voraussetzung zum Lesen-, und Schreiben- und Rechnenlernen fördern und das Kind optimal auf die Schule vorbereiten.

Im Einzelnen lernen die Kinder im Bereich der Feinmotorik, mit dem Stift zu arbeiten und Linien zu ziehen. Ziel des Logischen Denkens ist es, Zusammenhänge zu erkennen, Reihenfolgen zu bilden und Gegebenheiten in Kategorien einzuordnen. Die Konzentrationsübungen trainieren das genaue Hinsehen und Unterscheiden von augenscheinliche Feinheiten und Formen in ihrer Größe und Richtung. Außerdem wird den Kindern angeboten, Buchstaben und Zahlen zu schreiben.

Sticker am Ende des Buches dienen der Belohnung und können jeweils auf die fertige Seite geklebt werden.

Die Aufgaben befinden sich jeweils auf einer Seite, werden farblich und mit Symbolen unterschieden und sind in der Illustration kindgerecht und ansprechend gestaltet. Sie wechseln sich ab, jedoch wird immer wiederholt. Gerade Linien zu ziehen, dürfte viele Kinder mit der Zeit allerdings genauso langweilen wie das An und Ausmalen. Daneben darf angekreuzt, durchgestrichen, eingekreist, gezeichnet und geschrieben werden.

Obwohl das Buch insgesamt einen spielerischen Charakter hat, benötigen Kinder die Hilfe ihrer Eltern. Denn das andere Mal überschreiten einige Aufgaben diesen gesetzten Anspruch, weil nicht auf den ersten Blick erkennbar ist, worin die Aufgabe besteht, insbesondere beim genauen Hinsehen und Hinhören. Außerdem bedarf es sicher der Erklärung, wenn Anlaute erkannt und zugeordnet, Silben zerlegt werden müssen.

Gut wiederum ist das Festigen des Zählens, damit Kinder ein Gefühl für Mengen bekommen, weil es den späteren Umgang mit Zahlen erleichtert. Das Schreiben, Erkennen der kompletten Zahlenreihe bis 10 wie auch das Rechnen sollte Bestandteil der Grundschule sein. Ebenso halte ich die Schreibübungen dieser Menge an Buchstaben – abgesehen vom Ausprobieren des eigenen Namen – für verfrüht.

Im Ergebnis bleibt daher anzumerken, dass „ Mein neues großes Vorschulbuch mit Rabe Linus“ als reines Übungsbuch für die Zeit vor der Einschulung für viele Kinder in einigen Teilen zu weitgreifend sein dürfte. Der Übergang von Kindergarten zur Schule verläuft fließend. Die Entwicklung jedes einzelnen Kindes ist wie das individuelle Lerntempo bis dahin unterschiedlich. Vorschulkinder müssen nicht rechnen, lesen und schreiben können, wie dies vielfach geglaubt wird, ihre sozial-emotionalen Fähigkeiten sind hingegen wichtiger.

Als Begleiter in der ersten Klasse ist das Buch aber durchaus weiter einsetzbar, weil es erworbenes Wissen und entsprechende Fertigkeiten vertiefen hilft.

3,5 Sterne

P. S. Für die Bewertung dieses Buches habe ich mir auch die Meinung meiner Mutter, einer ehemaligen Grundschullehrerin, eingeholt.

Bewertung vom 02.08.2020
Ich lieb dich, bis die Kühe fliegen
Cristaldi, Kathryn

Ich lieb dich, bis die Kühe fliegen


ausgezeichnet

Manchmal finde ich es erstaunlich, wie viel ein Bilderbuch mit wenig Text doch aussagen kann. „Ich lieb dich, bis die Kühe fliegen“ von Kathryn Cristaldi ist ein herausragendes, zugleich ungewöhnliches Beispiel dafür, dass es funktioniert.

Denn „Ich lieb dich, bis die Kühe fliegen“ beglückt, ohne eine Geschichte zu erzählen, die einer stringenten Handlung folgt, mittels einer Reihe von einzelnen fröhlichen und abgedrehten Erlebnissen, auf eine besondere, sanfte, fantasievoll-verträumte Weise und transportiert damit eine deutliche Botschaft: Die Liebe, die wir insbesondere zu einem Kind empfinden, wird niemals endet. Es ist das Versprechen immer da zu sein, einerlei was geschieht.

"Ich lieb dich, bis die Kühe fliegen,
auf den Mond zu fremden Sternen
und in unerreichte Fernen."

Schon beim Vorlesen bereitet das Buch mehrfaches Vergnügen. Denn im Grunde ist das Geschehen in den einzelnen Szenen völlig unrealistisch: Da fliegen Kühe, verreisen Yaks, segeln Schafe, schweben Wölfe, tauchen Frösche, steppen Hirsche, backen Gänse und feiern Ameisen. Am Ende finden sich alle Tiere zum gemeinsam Schlaf, begleitet von musizierenden Fröschen ein. Deshalb ist das Buch ausgezeichnet als Gute-Nacht-Geschichte geeignet.

All diese wirklichkeitsfremden, bizarren Vergleiche, originell in gereimte Texte gesetzt, zeugen von überschäumender Kreativität, wirken einprägsam und warmherzig, sind wertschätzend und verbreiten zudem gute Laune. Sie ermöglichen ein gewisses Maß an Identifikation mit menschlichen Eigenschaften.

Neben den Reimen lebt das Buch von seinen farbenfrohen Illustrationen von Krystina Litten, die das stimmige Gesamtbild mitbegründen. Nicht nur die mit vielen Einzelheiten versehenen lustigen Tiere, sondern ebenso die Gestaltung der naturalistischen Hintergründe laden zum Entdecken ein, sind dabei aber zu keinem Moment überfrachtet oder überfordern das kindliche Auge.

„Ich lieb dich, bis die Kühe fliegen“ ist eine mit Augenzwinkern erklärte zärtliche Hommage an die Familienliebe, in der es keine Grenzen gibt.

Bewertung vom 14.07.2020
Trauzeugen küsst man nicht (eBook, ePUB)
Costa, Annabelle

Trauzeugen küsst man nicht (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Eigentlich macht es Kirby Matthews nicht aus, dass die meisten ihrer Freundinnen verheiratet oder zumindest verlobt sind und sie mit fast dreißig noch keinen Ring am Finger trägt. Sie nimmt es locker und mag ihre Freiheit. Schließlich will sie nicht eine dieser bemitleidenswerten, unverheirateten Frauen sein, die bei einer Hochzeit in der ersten Reihe stehen und enthusiastisch den Brautstrauß fangen – immer in der Hoffnung, dass sie als Nächstes an der Reihe sind. Eine entwürdigende Vorstellung. Aber dann stellt ihr Freund Ted Foster auf einer solchen Hochzeit die Fragen aller Fragen. Und Kirby sagt sofort Ja.

Ein kleines Problem gibt es jedoch hinsichtlich der Vorbereitungen: Kirby wohnt in Jersey City, ihr Verlobter lebt im Silicon Valley in Kalifornien. Die beiden lernten sich nämlich online kennen und verbringen derzeit noch wenig Zeit miteinander, weil sie eine Fernbeziehung führen. Die junge Frau stürzt sich trotzdem mit Elan in die Planung ihrer Hochzeit und soll sich auf Bitten von Teds bestem Freund, dem Trauzeugen, unterstützen lassen.

Leider hat Ted vergessen zu erwähnen, dass John Yang im Rollstuhl sitzt und auf Grund dessen der Kontakt in den vergangenen Jahren eher sporadisch gewesen ist. Und tatsächlich, zunächst benimmt sich John wirklich unmöglich und benutzt seine Behinderung, um zu beweisen, dass er die Menschen in seiner Umgebung auf Distanz zu halten trachtet. Doch nach und nach lernt Kirby einen Menschen kennen, mit dem sie mehr Gemeinsamkeiten verbindet als mit ihrem zukünftigen Ehemann.

Was also tun, wenn sich der „beste Mann“ als Seelengefährte entpuppt und die eigene Hochzeit in Frage stellt?


Annabelle Costas „Der Trauzeuge. Liebe und andere Handicaps“ ist eine bemerkenswerte Liebesgeschichte, weil sie jenseits der üblichen Normalität stattfindet und eine ungewöhnliche Thematik aufgreift: John sitzt nach einem Unfall, bei dem sein Genick gebrochen wurde, querschnittsgelähmt im Rollstuhl.

Um es gleich vorweg zu nehmen. In Annabelle Costas Roman geschieht kein Wunder. John kann nicht plötzlich wieder laufen. Seine Behinderung ist dauerhaft. Die Autorin schildert erstaunlich gelöst und bildintensiv und wahrscheinlich deswegen sehr signifikant die Einschränkungen, denen John wegen der Lähmung unterworfen ist. Der Einunddreißigjährige kann viele Tätigkeiten nicht ausführen und ist in seiner Beweglichkeit extrem eingeschränkt. Eines belastet ihn allerdings oft mehr: Die Menschen sehen ihm nicht in die Augen, verhalten sich seltsam und verletzen seine Gefühle. Denn grundsätzlich ist ja sein Kopf völlig in Ordnung, nur sein Körper eben nicht.

Annabelle Costa nimmt kein Blatt vor den Mund und verzichtet zudem nicht auf das Ansprechen unangenehmer Themen. Trotzdem führt sie ihren Helden niemals vor und beschreibt mit enormer Empathie seine Verwundbarkeit.

Vor allem schlägt einen heiteren Ton an, wenn ihre Protagonisten miteinander agieren.

John hat einen trockenen Humor, der extrem bissig und sarkastisch sein kann, wodurch er manchmal gemein klingt, aber zugleich auch unglaublich witzig wirkt. Kirby liebt es, sich mit ihm zu kabbeln. Sie verfügt über eine unerschöpfliche Energie und ist Cupecake-Bäckerin aus Leidenschaft. Während ihrer Arbeit im Laden ihrer Tante Minnie kreiert sie gerne neue Rezepte, die sie nicht allein John, sondern ebenso den Leser „kosten“ lässt. Eines der Dinge, die beide mögen. Das Anschauen von skurrilen Filme ist eine weitere Übereinstimmung.

Kirby und John während der Entwicklung ihrer Emotionen zu beobachten, macht nicht nur während der amüsanten Momente Freude. Dabei ist es von Vorteil, dass die beiden uns aus ihrer jeweiligen Sicht an ihrer Gefühlswelt teilhaben lassen und zu jedem Zeitpunkt Einblicke ermöglichen, wie es ihnen gerade geht. Mit dieser Darstellung beweist Annabelle Costa großes Einfühlungsvermögen.

„Der Trauzeuge. Liebe und andere Handicaps“ beeindruckt mit einer innigen und warmherzigen Geschichte abseits von Kitsch und Klischee.