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yellowdog

Bewertungen

Insgesamt 2156 Bewertungen
Bewertung vom 15.01.2024
Nunez, Sigrid

Die Verletzlichen


sehr gut

meditatiiv

Der Plot von Sigrid Nunez neuen Roman erinnert leicht an ihr wunderbares Buch Der Freund. Da hatte sie einen Hund gesittet. In Die Verletzlichen ist es ein Papagei.
Außerdem ist es die Zeit der Pandemie in New York. Und die Zeit der Präsidentschaft von Donald Trump.
Diese Zeit in den USA hat etwas befremdendes.

In der Handlung kommt ein junger Student hinzu, der zeitweise ebenfalls in der Wohnung des zu betreuenden Papageis lebt. Er ist ein Freund der Familie.

Trotz gewisser Vorbehalte gehen die Gedanken der Protagonistin oft zu dem viel jüngeren Mann, der gelegentlich Wutausbrüche hat und sich über den Zustand der Welt chauffiert.
Sowohl der Papagei Eureka als auch der junge Student sind wirklich lebendige Charaktere.

Die Protagonistin ist sehr nachdenklich und reflektierend. Dabei ist ihr oft die Welt der Literatur nahe. Zum Beispiel nimmt sie einmal ausführlich Bezug zu einem Essay von Joan Didion.
Insgesamt hat das Buch etwas meditatives. Auch das ist typisch für Sigrid Nunez Prosa.

Bewertung vom 13.01.2024
Herwig, Malte

Austrian Psycho Jack Unterweger


sehr gut

Jack Unterweger

Austrian Psycho ist ein True Crime Buch von Malte Herwig, der mir als Handke-Biograph positiv aufgefallen war. Mit True Crime kenne ich mich nicht besonders aus, daher kannte ich den Mörder jack Unterweger auch nicht und lese hier zum ersten Mal von ihm, seinem Taten, seinem (angeblichen) Schreiben. Nach anfänglichen lireraischen Erfolgen setzten sich bekannte Schriftsteller für ihn ein und sein Lebenslang endet nach 16 Jahren.
Man erfährt, wie er nach seiner Freilassung durch seine Bücher Deckung fand und weiter morden konnte.
Der Kulturbetrieb hatte Jack Unterweger als Häfen-Poet gefeiert. Ich verstehe das als Warnung vor kritiklosen Akzeptieren und Großmachen von Blendern.
Malte Herwig hat eine etwas umständlichen Schreibstil gewählt, aber ansonsten mehr als ordentliche Arbeit geleistet. Das kurze Buch ist schnell durchgelesen.

Bewertung vom 13.01.2024
Jones, Dan

Essex Dogs


gut

Aus den Kriegsakten Edward III

Essex Dogs ist ein wirklich edel aufgemachtes, hochwertiges Hardcover. Innen gibt es eine Karte. Das ist beeindruckend.
Literarisch bietet das Buch einiges, anders aber auch nicht. Dan Jones schreibt straight und schlicht, vielleicht ist das auch passend für den Kontext. Damit muss ich als Leser mich arrangieren
Die Konstellation um eine Gruppe von Männern kennt man aus alten Filmen wie z.B. Das dreckige Dutzend oder Die glorreichen Sieben.
Die verschiedenen Dogs haben unterschiedliche Fähigkeiten. Als Charaktere haben sie aber wenig Profil. Der historische Kontext erreicht mich weniger als gedacht. Am Ende des Buches in den Anmerkungen des Autors erwähnt Dan Jones, dass er schon einige historische Sachbücher geschrieben hat, aber das hier ist Fiktion.
Wirklich spannend war das Buch auch nicht unbedingt.
Um ehrlich zu sein, mich hat das Buch enttäuscht. Sollte es eine Fortsetzung geben, was mich nicht überraschen würde, wäre ich nicht mehr dabei.

Bewertung vom 11.01.2024
Kirchhoff, Bodo

Seit er sein Leben mit einem Tier teilt


sehr gut

Helles Gebell

Bodo Kirchhoff ist nach dem Tod von Walser und Grass wohl einer der letzten weißen, alten Männer unter den Schriftstellern, dem muss man sich bewusst sein. Aber für ihn spricht die Gelassenheit und Routine sowie das Können.
Sein neuer Roman Seit er sein Leben mit einem Tier teilt wird durch die Hauptfigur dominiert. Louis Arthur Schongauer, ehemaliger deutscher Schauspieler in Hollywood, lebt zurückgezogen mit seiner Hündin. Die Ruhe wird gestört, als mit Frida eine junge Frau auftaucht.
Die Dialoge zwischen den beiden sind sehr amüsant gemacht.
Mit Almut kommt eine zweite Frau ins Spiel.
Der verwitwete und körperlich angeschlagene Schongauer lebt auf.
Was mir auch ganz gut gefällt, sind die Geschichten über Hollywood-Filme und Stars, die gerne eingeflochten werden.

Mit diesem Buch hat Bodo Kirchhoff bewiesen, dass er immer noch eine kraftvolle Sprache hat und eine gehaltvolle Handlung gestalten kann.
Sofort habe ich mir noch ein Buch von ihm bestellt.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.01.2024
Thankam Mathews, Sarah

All dies könnte anders sein


ausgezeichnet

Intensives Porträt einer jungen Frau

All dies könnte anders sein ist ein Buch, in dem die Autorin Sarah Thankam Mathews das Leben einer jungen, indischstämmingen Frau in den USA porträtiert. Es ist das Jahr 2023 und Sneha ist 22 Jahre alt. Es wird konsequent aus der Ichperspektive der jungen, lesbischen Frau erzählt. Sneha lebt alleine, die Eltern sind in Indien. Sie ist sehr auf ihren Job fixiert, sehnt sich zwar nach Liebe, wirkt aber orientierungslos und ihre Gefühle sind diffus.
Mit Thom verbindet sie ein problematische Freundschaft, mit Tig hat sie eine gute Freundin, verliebt ist sie in Marina.
Diese Beziehungen erfasst die Autorin gut und vielschichtig.Es gibt viele emotionale Szene. Es ist sehr überzeugend, wie die Autorin Snehas Gefühlslage beschreibt, besonders als diese schließlich ihren job verliert, ihre Wohnung und ihre Liebe.
Sprachlich ist das intensiv und gut gemacht. Sarah Thankam Mathews ist zweifellos eine literarische Entdeckung.

Bewertung vom 04.01.2024
Falero, José

Supermarkt


sehr gut

Supermarkt ist en Roman eines brasilianischen Autors, der ein glaubhaftes Bild der Gesellschaft zeichnet.
Pedro und Marquez sind eigentlich zwei durchschnittliche Typen, die in einem Supermarkt arbeiten. Genervt von ihrer schwierigen, kargen finanziellen Lage fangen sie an Gras zu verkaufen. In dieses Geschäft rutschen sie leicht rein.
Man sollte beachten, dass die brasilianische Gesellschaft nicht direkt mit der deutschen vergleichbar ist. Armut ist stark verbreitet.

Wirklich kein schlechtes Buch. Besonders die halbphilosophischen Dialoge zwischen den Freunden sind sehr gelungen. Manchmal ist es etwas zu detailliert, aber das ist nicht schlimm. Eine gehörige Portion Ironie entschädigt den Leser.
Von Jose Falero würde ich wieder etwas lesen.

Bewertung vom 03.01.2024
Birr, Tilman

Wie sind Sie hier reingekommen?


sehr gut

Tilman Birr zeigt in seinem Roman „Wie sind Sie hier reingekommen“ ein Porträt eines jungen Mannes.
Wolfgang Schneider ist 20 und zum Studieren nach Berlin gekommen. Er ist noch orientierungslos Das ist ein Hauptthema des Romans.
Als Leser folgt man Wolfgangs staunenden Blick auf die Umgebung.
Eigentlich mag ich es nicht, wenn die Protagonisten in einem Roman Deppen sind.
Aber Tilman Birr nutzt die Form des Schelmenromans und so funktioniert es.
Jedenfalls überwiegend. Ab und zu gibt es Nebenfiguren, die wie Stereotypen wirken. Aber das soll wohl so sein. Oft sind die Passagen wirklich witzig. Ich mag besonders die Theaterpassagen.
Abschließend muss ich noch das originelle Cover erwähnen, das zum Schalk des Autors passt.

Bewertung vom 02.01.2024
Kulenkamp, Corinna

Aprikosenzeit, dunkel


sehr gut

Armenien, damals und heute

Es beginnt mit Erinnerungen an die Wüste. Ein Kapitel, dass die Eindrücke einer Überlebenden des Genozids 1915 vermittelt. Das leitet die Kapitel um Karine ein. Aber zwischen deren Kapiteln kehrt man immer wieder in diese Vergangenheit zurück.

In Deutschland aufgewachsen, doch mit armenischen Wurzeln geht die Protagonistin Karine in die Heimat ihrer Mutter, um für eine NGO zu arbeiten .
An ihrer Seite erlebt der Leser eine andere Welt. Die Hitze, die graue Stadt, Eintönigkeit, dann Ararat, den berühmten Berg.

Sprachlich spielt die Autorin noch nicht in der ersten Liga, aber es gibt Ansätze. Man spürt die Emotionen. Es ist ein interessanter Roman, der deutlich macht, wie schwierig es ist, mit dem Thema Völkermord offen umzugehen.
Das Buch steht natürlich auch ein wenig im Schatten jüngster Ereignisse in Bergkarabach.
Corinna Kulenkamp hat da einen vielversprechendes Debüt vorgelegt.

Bewertung vom 02.01.2024
Hill, Nathan

Wellness (eBook, ePUB)


sehr gut

Nathan Hill schafft mit Wellness mit viel Aufwand und hunderten von Seiten das realistische Porträt einer langen Liebesbeziehung in unseren Zeiten.
Er bevorzugt eine sachliche Schreibweise. Dennoch bleiben dem Leser die Hauptfiguren nicht gleichgültig. 1993 sind der Fotokünstler Jack, der aus Kansas stammt und die Psychologiestudentin Elizabeth Nachbarn in Chicago, die sich zunächst nur gegenseitig beobachten und dann spontan zusammen kommen. Das wird in den ersten Kapiteln beschrieben, die wirklich brillant sind. Es gibt dann schnell einen Sprung ins Jahr 2014, aber es wird auch erzählerisch wieder in den Jahren zurückgegangen. Das ist gut gemacht.
Die beiden haben einen Sohn, der manchmal schwierig ist und die Elizabeth vor Herausforderungen stellt. Und schließlich stellen Jack und Elizabeth ihre Beziehung in Frage.

Eins muss man kritisch sagen. Das Buch ist zu lang. Auf den einen oder anderen Einschub wäre besser verzichtet worden.
Davon abgesehen, ist Nathan Hill ein kluger Autor und weiß, seinen Text zu gestalten und dessen Stärke die Details sind.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.01.2024
Shalev, Zeruya

Nicht ich


sehr gut

Zeruya Shalevs Debütroman, der jetzt erstmals auf Deutsch erscheint und ein Vorwort der Autorin enthält, ist sprachlich anders als ihre späteren Romane. Doch einige bekannte Motive ihrer anderen Bücher gibt es doch.

Eine Frau verlässt Mann und 5jährige Tochter für ihren Geliebten.
Doch damit kommt sie nicht klar. Sie isoliert sich selbst und beklagt ihren Zustand. Sie leidet. Ihr gehen sogar die Haare aus.
Diesen Bewusstseinszustand macht Zeruya Shalev mit Mitteln des magischen Realismus deutlich. Das hat mich nach anfänglicher Skepsis doch überzeugt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.