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Gerd @ Literatunten
Wohnort: 
Berlin
Über mich: 
Die "Literatunten" diskutieren an jedem letzten Mittwoch im Monat um 20 Uhr im Mann-O-Meter Berlin über ein Buch mit schwulem Bezug. Mitmachen erwünscht! Näheres unter http://literatunten.de

Bewertungen

Insgesamt 35 Bewertungen
Bewertung vom 12.12.2014
Plötzlich Royal
Brodbeck, Roland

Plötzlich Royal


sehr gut

Das Buch ist unterhaltsam, liest sich weg. Auch wenn für meine Begriffe die Figuren etwas blass bleiben, die Motivationen unscharf – der Plot macht neugierig. Was wäre, wenn ein Staatsoberhaupt ein süßer, noch etwas unreifer Jungschwuli wäre; wie reagieren die älteren, konservativen Staatsdiener; wie geht die Öffentlichkeit mit seiner sexuellen Orientierung um; wie verhalten sich befreundete, aber weniger liberale Staaten? Die Verwerfungen zwischen traditionellem Benehmen bei Hofe und dem lebenslustigen, linksliberalen, offen schwulen Partyanimal, das da plötzlich König ist, sind absurd und werden überwiegend in ihrer Problematik gezeigt. Brodbeck spielt all das bis zum bitteren Ende durch, stürzt alle ins – hoffentlich übertrieben imaginierte – Chaos und bietet am Ende doch einen Hoffnungsschimmer. Insofern ist es ein gutes Buch. Eines, das Defizite unserer Gesellschaft aufzeigt und eines, das uns allen zeigt, dass wir, jeder einzelne, selber etwas tun müssen, um frei zu sein und frei zu bleiben.

Bewertung vom 12.12.2014
Das späte Geständnis des Tristan Sadler
Boyne, John

Das späte Geständnis des Tristan Sadler


ausgezeichnet

Ich kann die Kritik Fridhelm Rathjens (literaturkritik.de) und Alexander Müllers (F. A. Z.) nur bedingt verstehen. Als Lieblingsbuch würde ich den “Sadler” nicht bezeichnen und vielleicht kann man den Schluss tatsächlich schon vor den letzten Seiten erahnen, aber als das Erahnte dann tatsächlich gedruckt vor mir stand, verschlug es mir doch den Atem. Vielleicht muss man ja selbst schwul sein, um mit Sadler mitfühlen zu können, wenn er diskriminiert wird und wenn er schließlich tut, was er glaubt, tun zu müssen. Ich empfehle Boynes Buch ausdrücklich zur Lektüre.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.12.2014
Venice Beach
Besson, Philippe

Venice Beach


gut

Etwas konstruiert, aber insgesamt gute Krimiunterhaltung.

Bewertung vom 12.12.2014
Michael
Bang, Herman

Michael


gut

Am 28. Mai 2014 trafen sich die Literatunten, um über Herman Bangs Roman “Michael” zu diskutieren.
Schnell waren sich die Anwesenden einig, dass die literarische Qualität des Werkes eher zweifelhaft ist. Es erschien uns zu schwülstig. Jeder Satz hat eine pathetische Bedeutung und so wirkt es trotz der vielen Dialoge sehr stummfilmhaft. Aus schwuler, literaturhistorischer Sicht dagegen bietet es interessante Aspekte, die für eine Leseempfehlung aus unserer Sicht jedoch nicht ausreichen.
Hauptsächlich drehte sich die Diskussion um die Frage, ob das Buch überhaupt zur “Schwulen Literatur” zu zählen sei. Wenn man die biografischen Bezüge zu seinem Autor nicht kennt, kann man den Roman auch völlig arglos als Lehrer-Schüler- oder (Zieh-)Vater-(Zieh-)Sohn-Beziehung lesen. Am ehesten liefert die Spiegelung des Verhältnisses Meister – Michael in der Liebesbeziehung Herr von Monthieux – Frau Adelskjold einen Hinweis, wie das Buch zu lesen ist. Sollte Bang weitere, damals vielleicht zumindest in schwulen Kreisen verständliche Chiffren verwendet haben, können wir sie heute nicht mehr verstehen,
Erst mit dem Wissen um Bangs Biografie und seine ähnlich verlaufende Beziehung zu einem in Prag (!) kennengelernten Schauspielschüler lässt keinen Zweifel mehr an der Art des Meister-Michael-Verhältnisses. Im wahren Leben war Bang wesentlich weniger diskret im Umgang mit seiner Homosexualität als in seinen Romanen und Erzählungen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.12.2014
Bevor es Nacht wird
Arenas, Reinaldo

Bevor es Nacht wird


gut

Der Text gehört nicht zu den besten Texten des Autors. Man merkt ihm an, dass er voller Wut und unter ungünstigen Bedingungen geschrieben wurde. In “Bevor es Nacht wird” rechnet Arenas mit Castros Kuba ab. Er schildert den Machismo der Gesellschaft, die bittere Armut der Bevölkerung, den Niedergang der Umgangsformen, die Grausamkeit des Regimes, die absurde Willkür der Entscheidungen und die Gleichgültigkeit der Machthaber gegenüber dem Elend der Bevölkerung.
Arenas hat seine Homosexualität nie verborgen. Sexuelle Abenteuer findet er immer und überall. Er genießt sie, bringt sich damit aber auch in Gefahr – Staatsdiener, die sich gerade noch mit Arenas vergnügt haben, schwärzen ihn dann genau deswegen an. Voller Hass, ja voller Abscheu begegnen ihm die überwiegend antihomosexuell eingestellten Behörden. Er muss Gewalt erfahren, wird entrechtet, aus der Gesellschaft ausgestoßen und eingesperrt. Man will ihn in der Gesellschaft nicht haben, gestattet ihm aber auch nicht, sich zu entfernen.
Alles in allem keine leichte Kost, aber ein Buch, das es wert ist, gelesen zu werden.